Die Erde braucht weniger Menschen

Das Bevölkerungswachstum im globalen Süden sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch der Überkonsum im globalen Norden unsere Ressourcen an die Grenze bringt. Ein Plädoyer für Geburtenkontrolle – und Verzicht.

Frau zieht gesammelten Müll auf einer Müllhalde, umgeben von Aasgeiern
8,3 Milliarden Tonnen Plastik wurden seit den 1950ern produziert, mehr als die Hälfte davon seit der Jahrtausendwende. Ein beträchtlicher Teil der europäischen Plastikabfälle wird exportiert – allen voran in asiatische Länder. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Wendepunkt. Mit der industriellen Revolution kam die Massenfertigung – und mit ihr auch der massenhafte Konsum, der bis ins 21. Jahrhundert anhält.
  • Expansion. Zeitgleich begann ein rapides Wachstum der Weltbevölkerung, begünstigt durch Durchbrüche in der Wissenschaft und der medizinischen Grundversorgung.
  • Belastungsgrenze. Der Ressourcenbedarf der nunmehr fast acht Milliarden Menschen auf der Erde bringt die Natur schon längst an ihre Grenzen.
  • Lösungsweg. Weder die Schuld noch die Lösungen für die bestehenden Probleme dürfen alleine im globalen Süden gesucht werden. Auch der Norden ist gefragt.

Viele zehntausend Jahre lang hatte die Anzahl der Menschen auf der Erde keine nennenswerten Auswirkungen auf die Natur. Die Gesamtbevölkerung blieb ungefähr konstant. Witterungseinflüsse, Naturkatastrophen, Ernteausfälle und Seuchen dezimierten die Einwohner immer wieder. Unzugängliche Gebiete blieben überhaupt menschenleer.

Erste Störungen dieses Gleichgewichts traten mit den blühenden Hochkulturen rund 2.000 vor Christi auf. Doch erst seit der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert ist die Balance zwischen Bevölkerung und natürlichen Lebensräumen und Ressourcen außer Kontrolle geraten. Denn die Nutzung fossiler Energieträger wie Kohle oder Erdöl in großem Stil, gepaart mit immer rascherem Bevölkerungswachstum, sorgt für massive Beeinträchtigungen der Umwelt. Wenn wir diese Entwicklung aus der Sicht anderer Lebewesen sehen, dann sind das Wachstum und seine Folgen außergewöhnlich und gefährlich.

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Zahlen & Fakten

Das Nord-Süd-Gefälle

Der Mensch breitet sich auf unserem Planeten derart aus, dass der Raum für andere Tiere, aber auch Pflanzen, dramatisch eingeschränkt wird. Das führt zur Vernichtung von Lebensräumen, Artensterben und natürlich auch zu dramatisch erhöhtem Kohlendioxid-Ausstoß.

Allein die 80 Millionen Deutschen besitzen 40 Millionen Pkw, pro Kopf stoßen sie damit 2,5 Tonnen Kohlendioxid aus. Um hier einzugreifen, müssten wir nach dem P.A.T.-Prinzip (Population, Affluence, Technology – Bevölkerung, Konsum, Technologie) entweder weniger oder langsamer Auto fahren oder sollten die Technologie anpassen (zum Beispiel, indem wir auf ein Elektroauto umsteigen). Dass weniger Menschen Auto fahren, ist hingegen unrealistisch – vor allem, wenn man den Nachholbedarf in anderen Erdteilen mit einrechnet.

Verkehr in Ho Chi Minh City, Vietnam
Straßenkreuzung in Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam. Die grassierende Flucht der Landbevölkerung in Ballungsräume bringt chaotischen Verkehr und erhöhten Ressourcenverbrauch mit sich. © Getty Images

Die Menschen dort haben ein Recht darauf, schließlich verbrauchen wir im Norden ja viel mehr Ressourcen. Das Argument lautet: Wenn wir im Norden nicht so viel verbrauchen würden, käme es auf das enorme Bevölkerungswachstum im Süden gar nicht an. Aber ist das tatsächlich so? Man könnte nämlich auch umgekehrt argumentieren: Würde die Anzahl der Menschen in Indien (plus 20 Prozent bis 2050) oder dem südlichen Afrika (plus 27 Prozent) nicht so stark zunehmen, wäre unser Konsum in Europa und Nordamerika kein Problem.

Denn ja, auch jeder Mensch in Indien emittiert Kohlendioxid – zwar weniger als in Deutschland, aber das Bevölkerungswachstum fällt hier eben schon ins Gewicht.

Selbstbeschränkung der Menschheit

Die Menschheit hätte es aber als einzige Spezies selbst in der Hand, diese Herausforderungen kognitiv zu verstehen und zu meistern. Weil wir zum ethischen Nachdenken befähigt sind, könnten wir uns zum Beispiel eine Bevölkerungs-Selbstbeschränkung auferlegen. In einer Utopie könnte dies zum Beispiel eine Weltregierung festlegen. Weltregierung deshalb, weil der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angesichts von Diktaturen wie China oder Russland an seine Grenzen gekommen ist.

Diese demokratisch gewählte Weltregierung könnte dann jährlich Bevölkerungsziele vereinbaren und die Zahl der Bevölkerung auf einen Bereich zwischen fünf und zehn Milliarden beschränken. Als Mittel hierfür wäre nicht nur eine breite und kostenlose Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln nötig, sondern auch eine jährlich validierte Zwei-Kind-Politik tauglich. Sterilisation ist schon schwieriger und, etwa in Indien, durchaus mit einer problematischen Vergangenheit behaftet. Dabei hätte Sterilisation (natürlich auch von Männern) durchaus Vorteile und wäre – Aufklärung und Freiwilligkeit vorausgesetzt – ein zielführendes Mittel zur Bevölkerungskontrolle. Auch finanzielle Anreize dafür wären denkbar.

Sterilisation hätte Vorteile, ist aber mit einer problematischen Vergangenheit behaftet.

Denn dass wir etwas tun müssen, ist klar. Die nächste Milliarde ist nur zwölf, dreizehn Jahre entfernt. Ihre Ernährung würde wiederum zur weiteren Zerstörung von Regenwäldern führen, um landwirtschaftliche Anbauflächen zu gewinnen.

Jede Maßnahme zählt

Bemerkenswert ist, dass im Gegensatz zur Spanischen Grippe oder gar der Pest (die in manchen Regionen bis zu zwei Drittel der Bevölkerung dahingerafft hat) die Corona-Pandemie kaum Auswirkungen auf die Gesamtpopulation der Erde hatte. Es ist maximal eine kleine Delle messbar.

Der Hebel zur Beschränkung der Bevölkerung wird nicht in Europa oder Nordamerika liegen, auch wenn es Bewegungen wie „Maybe One“ gibt, bei der sich Frauen zu einer freiwilligen Ein-Kind-Beschränkung bekennen; oder Klimaaktivisten gar eine kinderlose Zukunft für sich sehen.

Eine frisch geschlüpfte Meeresschildkröte hat aufgrund von Plastikmüll am Strand von Samandag in Hatay, Türkei Probleme, ins Meer zu kommen
Der Kampf ums Überleben: Eine frisch geschlüpfte Schildkröte versucht am Strand von Samandag in der Türkei, trotz Plastikmüll ins Meer zu gelangen. © Getty Images

Was wir im „Westen“ tun können, ist den Konsum zu beschränken. Es muss zum Beispiel nicht jeder Schweizer eine eigene Ferienwohnung am See oder in den Bergen haben. Das sind vielleicht kleine Maßnahmen, doch die Menschheit hat bereits wiederholt bewiesen, dass sie ernste Probleme lösen kann.

Das Ozonloch wurde schlicht durch das Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen geschlossen. Ähnlich könnte man mit der verheerenden Vermehrung des Plastikmülls (im Meer) verfahren. Das hängt zwar nicht ursächlich mit dem Bevölkerungswachstum zusammen, aber wir werden so oder so Kraftanstrengungen brauchen.

Es muss nicht jeder Schweizer eine Ferienwohnung am See oder in den Bergen haben.

Abschließend lässt sich sagen: Unser aktuelles Bevölkerungswachstum ist für eine Reihe von ökologischen Problemen verantwortlich. Daher ist eine Begrenzung des Wachstums, aber auch des Ressourcen verbrauchenden Konsums notwendig. Die Wege dorthin sind nicht ganz einfach – wollen wir aber (auch aus ethischer Sicht) Lebensräume für andere Lebewesen erhalten, sind sie unumgänglich.

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Conclusio

Das aktuelle Bevölkerungswachstum trägt zu den Umweltbelastungen unseres Planeten bei. Damit die bestehenden ökologischen Probleme nicht weiter eskalieren, sollten zwei Dinge angestrebt werden: Weniger Geburten im Süden, weniger Konsum im Norden. Sterilisation und Verhütung könnten probate Mittel für eine restriktivere Familienplanung sein – insofern sie auf freiwilliger Basis und unter entsprechender Aufklärung geschehen. Parallel dazu muss aber auch ein nachhaltiger und sorgfältiger Umgang mit den verfügbaren Ressourcen zur Norm werden, und das vor allem in den westlichen Konsumgesellschaften. Die Bürde kann nicht nur bei den Gesellschaften des globalen Südens liegen.