Buchtipps: Mensch & Wissenschaft

Ist Kaffee eine Droge? Warum empfinden wir Glück? Und können wir die Zukunft berechnen? Unsere vier Buchtipps für den Sommer geben Aufschluss – und liefern kreative Denkanstöße.

Buchtipps Pragmaticus Teil 2
So schön kann Urlaub sein: Sachbücher für den Sommer-Lesegenuss. © Der Pragmaticus/Gregor Kuntscher

Die Natur der Dinge ist alles andere als einfach. Es gibt Bücher, die dabei helfen, die Welt zu verstehen – trotz aller Irrungen, Wirrungen und Kopfzerbrechen. In unseren Sommer-Buchtipps zu den Themen Mensch und Wissen erforschen Autoren die großen Fragen unserer Zeit, von Zukunftskalkulationen bis Internetmü(n)digkeit.

Buchcover Wetter, Viren, Wahrscheinlichkeit
  • Ian Stewart: „Wetter, Viren und Wahrscheinlichkeit“
    Menschen sind die einzigen Lebe­wesen, die in die Zukunft schauen können. Dementsprechend versuchen sie seit jeher, mit verschiedenen Methoden Dinge vorherzusagen. Konnte einstmals die Leberbeschau von geschlachteten Schafen den Ausschlag für einen Krieg geben, haben sich die Instrumente der Einschätzung heute verfeinert. Mit mathe­matischen Modellierungen werden Wahlen, das Wetter oder auch Gewinnchancen berechnet. Für alle, die mathematisch-statistische Grund­lagen begreifen wollen, hat der Brite Ian Stewart ein wunderbares Buch über die naturwissenschaftliche Basis allen vernünftigen Denkens geschrieben. Es ist eine Art erzählte Geschichte der Mathematik mit vielen Anekdoten und noch mehr Humor, die selbst den trockensten Stoff in kurzweiliges Lesevergnügen verwandeln. Die wichtigste Lektion: Die Dynamik von großen Entwicklungen entzieht sich zumeist dem intuitiven Denkvermögen. Wer in die Zukunft blicken will, braucht mehr Hausverstand und muss rechnen können.
    Rowohlt, € 22,–
Buchcover Wie wir denken, wie wir fühlen
  • Antonio Damasio: „Wie wir denken, wie wir fühlen“
    Wie fühlt sich Glück an? Was genau ist Niedergeschlagenheit? Und wo und wie manifestieren sich solche Gefühle im menschlichen Körper? Es sind die Basisfragen des menschlichen Daseins und doch jene, die am schwierigsten zu beantworten sind. Der portugiesische Bewusstseinsforscher Antonio Damasio fasst in diesem schmalen, verständlichen Bändchen sein Lebenswerk zusammen. In einfachen Metaphern ermöglicht er einen wunderbaren Einstieg in eine ganz neue Form der Selbstbetrachtung. Indem er Biologie und Neurowissenschaften verbindet, erklärt er, was genau das Bewusstsein ausmacht. Die Lektüre ist – um es mit einem englischen Wort auszudrücken – „mind-blowing“ und insofern umwerfend in Bezug auf den Erkenntnisgewinn. Sie lohnt sich für alle, die über eine allgemeinmenschliche und höchstpersönliche Materie nachdenken wollen, die dem mentalen Zugriff normalerweise verschlossen ist. Dabei ist es gerade die mentale Kraft, die der Grund für die evolutionäre Überlegenheit der Spezies Mensch ist.
    Hanser, € 22,–
Buchcover Digital Factory
  • Moritz Altenried: „The Digital Factory“
    Uber, Amazon, Mjam, die Moderation von Inhalten auf Facebook, „Fortnite“ und „World of Warcraft“: Die Digitalökonomie ist eine absurde Welt. Es gibt Heerscharen vornehmlich chinesischer Arbeiter, deren Tätigkeit darin besteht, für „Warcraft“ Waffen zu sourcen, die dann von den Spielern für ein schnelles Uplevel gekauft werden. Die einen, Colin Crouch etwa, nennen diese Welt Gig Economy, andere Plattform-Kapitalismus. Der Sozialwissenschaftler Moritz Altenried hat ein anderes Wort: Fabrik. Die Digitalökonomie hat eins zu eins die alten Management-Technologien, namentlich den Taylorismus, aus dem Industriezeitalter übernommen. Wer Content für Facebook „managt“ klickt rund 70.000 Mal täglich; wer für DoorDash oder Mjam Essen liefert, wird vom Smartphone getaktet. Was sich am Fließband nicht realisieren ließ, die minutiöse Steuerung und Überwachung kleinster Arbeitseinheiten, schafft die digitale Fabrik mit ein paar Bits. Ein erhellendes und unterhaltsames Buch über die versteckte Realität der Digitalisierung.
    University of Chicago Press, € 26,75
Buchcover This is your mind on plants
  • Michael Pollan: „This Is Your Mind on Plants“
    Die Geschichte der Menschheit ist eng mit ihrer Beziehung zu Pflanzen verbunden. Als genialer Geschichten­erzähler war Michael Pollan einer der Ersten, der über die Ernährungsgewohnheiten in Industriegesellschaften nachdachte. Mittlerweile setzt er sich mit der psychoaktiven Wirkung von Pflanzen auseinander. Am Beispiel von Opium, Koffein und Mescalin zeigt er, wie willkürlich der Umgang mit Rauschmitteln war – und ist. Bestechend dabei ist sein histo­rischer, streng wissenschaftlicher Blick auf die Problematik. Fakt ist: Rauschmittel gab es zu allen Zeiten, allein die Frage, was erlaubt oder verboten ist, hängt von der Gesellschaft ab. Insofern geht es in diesem Buch weniger um Drogen als um die Dynamik von staatlichen Regulierungsmaßnahmen und deren inhaltlicher Fundamente. Also Achtung: Die Lektüre könnte den Blick auf die Welt verändern – und das nach­haltig, denn das Gehirn mag Koffein besonders. Diese Droge ist der Gesellschaft jedoch recht, weil sie definitiv die Leistungsfähigkeit steigert.
    Allen Lane/Penguin Books, € 18,70