Chinas Agenda im Pazifik

Die Expansion Chinas im Pazifik bedroht insbesondere Taiwan. Der Westen reagiert mit Aufrüstung: Der jüngst abgeschlossene U-Boot-Deal der USA mit Australien und Großbritannien soll eine Annexion Taiwans durch die Volksrepublik verhindern.

Foto eines U-Bootes mit chinesischer Flagge.
Die Spannungen im Pazifik zwischen China, Japan, Taiwan, USA und Australien werden mit U-Booten angeheizt. © picturedesk
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Auf den Punkt gebracht

  • Aggressive Expansion. Die Volksrepublik China hat das klar formulierte militärische Ziel die Insel Taiwan zurückzuerobern.
  • Zahlreiche Konflikte. Mit sämtlichen Nachbarländern im Pazifik liegt China im Clinch um die Nutzung von Gewässern und Atollen.
  • Schwacher Westen. Bislang versuchten die USA und ihre Verbündeten einen wirtschaftsfreundlichen Kuschelkurs gegenüber Peking.
  • Strategiewechsel. Die Kooperation der USA mit Australien manifestiert sich im spektakulären Deal rund um atombetriebene U-Boote.

Eine der außenpolitischen Überzeu­gungen, die bis vor wenigen Jahren in allen westlichen Hauptstädten bezüg­lich der Volksrepublik China zu hören waren, lautete: China war nie eine ex­pansive Macht, das Land wird deshalb auch in Zukunft nicht zu einem Ag­gressor werden. Diese Überzeugung hat sich mittlerweile als Irrglaube her­ausgestellt. Das alte China hat nie eine Flotte besessen; die heutige Volksrepu­blik unter Machthaber Xi Jinping je­doch schickt sich an, zur größten See­macht der Welt zu werden. Dabei hat Pekings Diktator es zuallererst auf das Meer vor seiner Haustür, den West­pazifik, abgesehen. Mit allen Arainerstaaten dort liegt Peking im Konflikt, der jederzeit militärisch eskalieren kann: mit Taiwan, Südkorea, Japan und den Philippinen.

Es geht nicht nur um Taiwan

Wie viel China wirklich für sein Militär ausgibt, ist nicht bekannt. Es bestehen Zweifel, dass die offiziellen Angaben, die Peking hierzu macht, korrekt sind. Die verfügbaren Daten haben nur eine limitierte Aussagekraft. Als deutliche Tendenz ist aber zu erkennen, dass die Militärausgaben zwischen 1998 und 2019 enorm gestiegen sind, von 31 auf 253 Milliarden US-­Dollar. Damit ist die Volksrepublik militärisch die Nummer zwei auf der Welt, hinter den USA, die rund 770 Milliarden Dollar pro Jahr ausgeben. Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Bündnispartner der Länder im Westpazifik, die der neuen Ag­gression Chinas ausgesetzt sind. Das heißt, dass jede Konfrontation, die Chi­na in der Weltgegend sucht, eine mit den Vereinigten Staaten von Amerika ist.

Präsident Xi hat die Eroberung Taiwans zu einem Kernelement seiner Herrschaft gemacht.

Eine Eskalation der Situation ist real, sodass Militärstrategen in Washington bereits den Termin errechnen, zu dem Chinas Machthaber Xi seine Ankündi­gung, Taiwan zu annektieren, in die Tat umsetzen kann. Xi Jinping, für den die eigenständige Inseldemokratie vor sei­ner Haustür eine Provinz Chinas ist, hat die Eroberung Taiwans zu einem Kernelement seiner Herrschaft ge­macht. Derzeit durchläuft die „Volks­befreiungsarmee“ eine Modernisie­rung, die 2027 abgeschlossen sein soll. Dann wäre China, so die Strategen, in der Lage, Taiwan einzunehmen.

Taiwan ist nicht der einzige Konflikt­punkt: Mit Japan gibt es Streit um die Senkaku-­Inseln. Sie sind selbst auf chinesischen Karten bis vor kurzem noch als japanisches Hoheitsgebiet ge­kennzeichnet. Seit dort aber Öl gefun­den wurde, spricht Peking davon, dass der Status der Inseln „umstritten“ sei. Mit Südkorea liegt Peking wegen des Socotra-­Felsens im Clinch, auf dem sich nichts weiter als eine Wetterstation be­findet. Auch hier behauptet China, der Felsen gehöre ihm.

In der Auseinandersetzung mit den Philippinen geht es um die Spratly­-Inseln. Dort landeten im Frühling hun­derte kleiner Boote mit chinesischen Milizen, die sie seitdem besetzt halten. Der Internationale Gerichtshof hat Pe­kings Behauptung, die Inseln gehörten zu China, bereits zurückgewiesen.

China gibt aber nichts auf Recht und Verträge. Präsident Xi vertritt die Auf­fassung, dass Macht Recht setzt, und ein Land, sofern es die militärischen Möglichkeiten dazu besitzt, sich über das Gesetz hinwegsetzen darf. Peking verweist auf die USA und sagt, dass sich China nur das herausnehme, was die Vereinigten Staaten seit langem für sich beanspruchten. In Wahrheit er­innert das Vorgehen auf den Philippi­nen aber an die Annexion von Krim und Ostukraine durch Wladimir Putin. Den chinesischen Milizen stehen die russischen Soldaten ohne Hoheitsab­zeichen Pate. Zudem schüttet Peking im Westpazifik künstliche Inseln auf, die es dann militärisch befestigt. Damit ist der gesamte Teil des Ozeans von Peking nunmehr militarisiert.

Chinas Trickserei mit Hoheitsgewässern

Das übergeordnete Ziel ist es, nicht nur diese Inseln und Felsen zum eige­nen Gebiet zu erklären. Nach internationalem Seerecht, das Peking an diesem Punkt wieder für seine Pläne einspan­nen möchte, gehören die Gewässer um sie herum dann zur Volksrepublik. Gegenwärtig sind das internationale Ge­wässer, durch die ein Großteil des Welthandels zu Schiff transportiert wird. China hat im Frühjahr ein Gesetz ver­abschiedet, wonach es sich herausneh­men wird, jedes Schiff, das in „seine Hoheitsgewässer“ eindringt, abschie­ßen zu dürfen, wenn ihm danach ist. Dieses „Sicherheitsgesetz zur See“ soll vor allem – wie sein Vorbild zu Lande, das „Sicherheitsgesetz“ in Hongkong – abschreckend wirken.

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Zahlen & Fakten

Karte der Region China, Indien, Australien
Mit Atom-U-Booten sind für die USA von Australien aus längere Routen zu Verbündeten wie Korea möglich. Quelle: Jane's Defence, Economist, CSAB © Der Pragmaticus

Nun kommt es wiederholt zu Kon­frontationen zwischen Peking und den Marinen anderer Länder. Zuletzt durf­te die deutsche Fregatte „Bayern“ nicht in China zu einem Freundschaftsbe­such einlaufen, weil Berlin daran fest­hält, dass die umstrittenen Gewässer internationale Gewässer sind.

Das Ziel Chinas ist es, die USA im Pazifik als Schutzmacht der Demokratien der Region abzulösen und nach Gutdünken die Region beherrschen zu können. Wie das aussehen kann, haben Taiwan und Australien schon zu spüren bekommen. Die chinesische Luft­waffe und Marine dringen andauernd auf taiwanesisches Hoheitsgebiet vor. Außerdem blockiert Peking Handel mit der Insel. Eine bestellte Ananas-Ernte wiesen die chinesischen Behörden kurzerhand brüsk ab. Der Verbündete Ja­pan kaufte Taiwan darauf hin die süßen Früchte ab, um den wirtschaftlichen Schaden von den Menschen in Taiwan abzuwenden. Canberra positioniert sich gegen die Gräuel und Menschenrechtsverletzungen, die Xi Jinping und seine Nomenklatura begehen, und wird da­für genauso abgestraft: Bestellte Waren verrotteten im Hafen von Shanghai.

AUKUS: Aufrüstung gegen China

Gegen den Rabauken China weiß sich die zivilisierte Weltgemeinschaft kei­nen anderen Rat, als aufzurüsten. In diesem Sinne ist das neue Abkommen zwischen den USA, dem Vereinigten Königreich und Australien (AUKUS) zu verstehen. Zum ersten Mal seit den Fünfzigerjahren teilt Washington sensible Verteidigungstechnologie mit ei­nem Bündnispartner. Kern des neuen Abkommens ist der Ausbau der atoma­ren U­-Boot­-Flotte. Diese Unterseeboote können monatelang unentdeckt unter Wasser ausharren und sind laut Ex­perten so imstande, die Volksrepublik in Schach zu halten. Denn unentdeckte U­-Boote kann man nicht abschießen. Der Gefahr wiederum, von einem solchen vernichtend getroffen zu werden, möchte sich die Marine des chinesi­schen Militärs, so die Hoffnung, nicht aussetzen. Das neue Wettrüsten findet also in der Tiefsee statt.

Auch Taiwan stockt sein U-­Boot­ Arsenal mit US­-Technologie auf. Acht neue Boote sollen es am Ende sein. Im aktuellen Fuhrpark liegen vier U­-Boote, zwei davon stammen noch aus dem Zweiten Weltkrieg. Sollte es Taiwan gelingen, das Projekt wie geplant bis 2025 abzuschließen, sehen Experten Chan­cen, dass sich das Ungleichgewicht der Kräfte in der Taiwanstraße wieder aus­gleicht. Das könnte die Annexion der Insel noch einmal hinauszögern.

Gegen den Rabauken China weiß sich die zivilisierte Weltgemeinschaft kei­nen anderen Rat, als aufzurüsten.

China hat 2021 seiner Flotte vier nu­kleare U-­Boote hinzugefügt und verfügt nun über fünfzehn Stück. Japan und Indien vergrößern ihre Flotte ebenfalls, sodass die demokratische Welt einen Ring um die chinesische Marine bilden kann. Denn das Treiben der Volksrepu­blik endet nicht an der Straße von Ma­lakka. Durch die „Belt and Road Initiative“ hat sich China überall auf der Welt Einfluss gesichert: Die Neue Seiden­straße vergibt Kredite für Infrastrukturprojekte an Länder, die über die Zeit diese Schulden nicht mehr bedienen können.

Es ist Teil von Chinas integrierter „Military ­Civil Fusion Development Strategy“, solche Projekte militä­risch nutzen zu können. Ein Beispiel dafür ist der Hafen Hambantota in Sri Lanka. Das Land konnte seinen Kredit nicht mehr bedienen, nun hat die Volksrepublik (vielmehr die Firmen, die sie kontrolliert) Einfluss auf den Hafen und dessen Nutzung – und das in nächster Nähe zu Indien. Mit dem Land ist die Volksrepublik in einen Grenzstreit verwickelt, bei dem Soldaten beider Seiten in einem Gefecht im Mai 2020 umgekommen sind. Die Volksrepublik unterhält bereits eine Militärbasis in Dschibuti am Horn von Afrika. Mit dem Kontroll­punkt in Sri Lanka könnte die Volksre­publik auch den Norden des Indischen Ozeans kontrollieren.

Unsichere Zukunft im Pazifik

Die Allianz der Demokratien, die US­ Präsident Joe Biden angekündigt hat, nimmt im Westpazifik Gestalt an. Der Deal mit Australien festigt die Anwe­senheit der USA in der Region und dürfte die Hoffnung Pekings zerstören, quasi kampflos diese Weltgegend übernehmen zu können. Die Militärstrate­gen sind sich einig: Xi Jinping, der sich in den letzten Jahren radikalisiert hat, von der Überlegenheit der Han-­Rasse schwärmt und sich nach faschistischer Manier als Führer verehren lässt, kann in seinem Kriegstreiben nur gestoppt werden, wenn der Preis für die Eskala­tion zu hoch ist. Da er die Bevölkerung mithilfe der Propaganda hinter sich ge­bracht hat, würde sie ihm sogar ver­zeihen, wenn er die ganze Flotte beim Angriff auf Taiwan versenken würde.

Durch den neuen AUKUS-­Deal wendet sich das Blatt allerdings – denn einen Krieg gegen die USA, Japan, Australien und Indien kann China nicht gewinnen. Taiwan ist einer der bedeutendsten Handelspartner Europas. Das Land ist, im Verbund mit dem demokratischen Korea, der größte Chiphersteller der Welt. Mitglieder der EU wie Frankreich oder Deutschland haben bereits Rich­tung Peking gemahnt, den Streit mit Taiwan auf keinen Fall eskalieren zu lassen. Darüber hin aus teilen sie die Ansicht Washingtons, dass es sich bei den von Peking besetzten Gewässern um internationale handelt. Die Volks­republik setzt auf Abschreckung. Wenn sich die freie Welt aber nicht abschrecken lässt, wird Peking die Situation nicht vollends eskalieren lassen. Jüngst haben Biden und Xi Gespräche aufgenommen – ein gutes Zeichen.

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Conclusio

Im indopazifischen Raum bahnt sich ein militärisches Kräftemessen an. China rüstet massiv auf, um sein Territorium mit kleinen Schritten immer weiter auszubauen. Dabei geht es um Rohstoffe, aber auch um ein Endziel: die Rückführung der „abtrünnigen Provinz“ Taiwan in die Volksrepublik. Lange sah es so aus, dass die regionalen Demokratien nach westlichem Muster, wie Südkorea oder Japan, dem wenig entgegensetzen konnten. Doch seitdem die USA ihrem Bündnispartner Australien nukleare Atom-U-Boot-Technologie zur Verfügung stellen wollen, wendet sich das Blatt. Das maritime Drohpotenzial des „Westens“ könnte damit eine wirksame Abschreckung gegenüber dem Machthunger Chinas aufbauen. In weiterer Folge würde dann ein „Gleichgewicht des Schreckens“ wieder für etwas Stabilität in der Region sorgen.