CO2 entfernen – mit Beton

Wieviel CO2 wir der Atmosphäre wieder entziehen können, hängt davon ab, wie attraktiv wir die Wertschöpfung mit CO2 machen können. CO2 in recyceltem Beton zu speichern ist ein Modell.

Ein Tunnel aus Beton mit Bauarbeitern
Ein Tunnel unter der Themse in London: Nicht nur Gebäude, auch Infrastruktur treibt den Zementverbrauch voran. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Lohnenswert. Damit Klimaschutz in der Industrie ankommt, muss er sich rentieren. Netto-Null-Emissionen sind nur möglich, wenn daraus ein Geschäft wird.
  • Doppel-Innovation. Wenn Beton recycled wird, ist das gut. Wenn er zudem als CO2-Speicher genutzt werden kann, ist das noch viel besser.
  • Dividende. Unternehmen, die an der neuen Wertschöpfungskette beteiligt sind, profitieren, wenn der Klimanutzen zertifiziert ist und sich mit ihm handeln lässt.
  • Alternativlos. 10 Gigatonnen CO2 müssen jährlich entfernt werden. Das ist machbar, bringt für das 1,5 Grad-Ziel aber nur etwas, wenn wir deutlich weniger emittieren.

Im Jahr 2015 in Zürich, mitten in der Euphorie des Pariser Klimaabkommens, lernte ich durch einen Wissenschaftler der ETH Zürich eine Technologie kennen, die heute eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung der Industrie sowie bei der Kohlendioxid-Entnahme – sogenannte „negative Emissionen“ – spielt: Carbon Capture and Storage (CCS).

CCS ist eine neue Technologie, bei der CO2 aus Abgasen oder auch direkt aus der Luft entnommen und anschließend im Untergrund oder in mineralischem Gestein gespeichert wird. Unvermeidbare Emissionen zum Beispiel von Zement- und Stahlwerken und aus Müllverbrennungsanlagen sollen so um über 90 Prozent reduziert werden. Eine einzige CCS-Anlage, installiert bei einem Zementwerk, könnte auf einen Schlag die Schweizer Emissionen jährlich um 500.000 Tonnen, ein Prozent, senken. Das Prinzip ist seit über 20 Jahren in der Praxis erprobt. Die CO2-Vermeidungskosten liegen mit CCS bei guten Bedingungen unter 100 Dollar pro Tonne CO2. Gleichzeitig ist diese Technologie der Schlüssel für blauen Wasserstoff: Durch CCS könnte man das bei der Gewinnung von Wasserstoff aus Erdgas entstehende CO2 abfangen und speichern.

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Trotz dieser Argumente findet CCS heute noch keine breite Anwendung. Es ist vielmehr so, dass Länder wie Österreich, die ja Gas und Öl aus den Lagerstätten im Untergrund abbauen, CCS faktisch verbieten. Die Erzeugung von klimaneutralem Zement und von Beton wird so verunmöglicht.

Die Fallstricke von CCS

CCS stößt auf zwei Hindernisse: Erstens werden Emissionskosten internalisiert. Unter den heutigen Bedingungen ist es günstiger, Emissionsrechte zu kaufen statt Maßnahmen für den Klimaschutz einzuleiten. Werden solche Maßnahmen gesetzt, steigen die Kosten. Der Käufer eines Produkts muss dann für die Mehrkosten in der Produktion aufkommen. Es fehlt noch an Bereitschaft, diese höheren Kosten zu bezahlen.

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Zahlen & Fakten

Zweitens sind die Möglichkeiten, CO2 in gigantischen Mengen klimaunschädlich zu machen, begrenzt. Jährlich müssen rund 10 Gigatonnen aktiv aus der Atmosphäre entfernt werden. Klar ist aber: Soll der Klimawandel gestoppt werden, muss CCS ebenso wie CO2-freie Energieproduktion eine tragende Rolle spielen. CO2-Abscheidung mit anschließender Mineralisierung, zum Beispiel in Rückbaubeton, wird kurz- bis mittelfristig ein entscheidender Katalysator für die Entwicklung dieser neu entstehenden Wertschöpfungsketten sein.

CO2 entfernen: Unabdingbar für die Klimaziele

2015 entschloss sich die Staatengemeinschaft in Paris, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Dies ist gleichbedeutend mit einer vollkommenen Dekarbonisierung. Es kommt einer Reduktion der heutigen menschengemachten Treibhausgasemissionen von 60 000 000 000  Tonnen CO2-Äquivalent (60 Gigatonnen CO2e) auf 0 gleich. Da sich nicht alle Emissionen vermeiden lassen, spricht man von „Netto Null“, was bedeutet, dass natürliche und technische CO2-Senken unvermeidbare Emissionen ausgleichen müssen.

Heute ist es günstiger, Emissionsrechte zu kaufen statt Maßnahmen für den Klimaschutz einzuleiten.

Wichtig ist, dass wir nur eine begrenzte Menge an Treibhausgasen emittieren können, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Daher müssen die Emissionen bis 2050 auf Netto Null absinken. Eine CO2-freie Energieproduktion kann weite Teile unseres Lebens dekarbonisieren. Die Industrie, zum Beispiel die Zementherstellung und die Müllverbrennung, werden aber weiterhin große Mengen an CO2 emittieren. CCS wird daher speziell in der Industrie sowie als technische Senke (oder negative Emissionstechnologie) benötigt, um Klimaneutralität zu erreichen.

2050 werden je nach Szenario Senken im Umfang von 10 bis 20 Gigatonnen CO2-Äquivalent benötigt. Dies kann zu einem Teil durch die Entfernung von CO2 aus der Luft (Direct Air Capture bzw. CCS) geschehen. Eine weitere Möglichkeit ist die Gewinnung von Bioenergie, bei der das durch die Verbrennung entstehende CO2 entfernt und gespeichert wird, das sogenannte BECCS (Bioenergy Carbon Capture and Storage).

CO2 nutzen oder speichern?

Was soll mit dem CO2 aus Emissionen oder aus den verschiedenen Verfahren der Entfernung von CO2 geschehen? Es gibt eine rege Debatte darüber, ob dieses CO2 eher als Ressource statt als Abfall betrachtet werden soll. Wichtig dabei sind folgende Aspekte:

  1. Größenordnung: Das Volumen der schweizerischen Inlandsemissionen ist rund 1000 mal größer als der aktuelle Markt für technisches CO2 in der Schweiz. Es gibt keine ausreichende Nachfrage nach CO2.
  2. Wird CO2 mittels technischer Verfahren zu einem Energieträger verarbeitet und im Anschluss verbrannt und emittiert, gelangt das Kohlenstoffmolekül wieder als CO2 in die Atmosphäre und trägt somit zum Klimawandel bei. Um das zu  vermeiden, müsste das Kohlenstoff-Molekül im Kreislauf gehalten werden.  
  3. CO2 selbst beinhaltet keine kommerziell nutzbare Energie. Möchte man zum Beispiel einen Treibstoff daraus produzieren, muss – bildlich gesprochen – die Verbrennung umgekehrt werden. Das heißt, es müssen große Mengen an Energie zugeführt werden. Hierbei sollte man immer berücksichtigen, wie die verfügbare Energie bestmöglich genutzt werden kann, um Produkte zu erzeugen und Dienstleistungen zu erbringen.  Gleichzeitig generieren die Prozesse einen ökologischen Fußabdruck, der in der Rechnung nicht vernachlässigt werden darf.

Es gibt zu viel CO2, um es einem Nutzen entsprechend der Pariser Klimaziele zuzuführen. Aus diesem Grund führt kein Weg daran vorbei, CO2 Emissionen, wo immer möglich, zu vermeiden und das unvermeidbare CO2 der permanenten Speicherung zuzuführen.

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Zahlen & Fakten

CO2 kann in geologische Formationen, etwa in ehemaligen Lagerstätten von Erdgas und Erdöl, eingelagert oder chemisch zu Karbonatgestein umgewandelt werden. In beiden Fällen ist das CO2 für geologische Zeiten, also Millionen von Jahren, gebunden. Um die Klimaziele zu erreichen, benötigen wir weltweit Senken im Maßstab von Gigatonnen. Dabei spielt die Speichermöglichkeit eine zentrale Rolle. Ist diese nicht vorhanden, können keine Wertschöpfungsketten auf Basis von CO2-Entfernung entwickelt werden, und die Umsetzung wird keinen Fortschritt machen.

CO2 entfernen, in Beton speichern

Speichermöglichkeiten werden heute benötigt, um die Industrie von morgen aufzubauen. Diese muss in einem atemberaubenden Tempo wachsen, um ausreichend Emissionsreduktionen und negative Emissionen für das Netto-Null-Ziel zu liefern. Die Versteinerung von CO2 – auch CO2-Mineralisierung genannt – nimmt hier eine entscheidende Rolle ein. Sie bietet unter gewöhnlichen Umwelteinflüssen eine unumkehrbare Speicherung und generiert Materialien, die beispielsweise als Granulat im Bausektor verwendet werden können.

Die globale Erwärmung lässt sich nur eindämmen, wenn Klimaschutz zu einen Business wird.

Unser Unternehmen Neustark hat es sich zum Ziel gemacht, den Rückbaubeton als CO2 Senke zu erschließen und dafür eine Infrastruktur aufzubauen. Diese Infrastruktur soll als Katalysator für weitere entscheidende Schritte der Dekarbonisierung des Bausektors dienen. Wir kombinieren deshalb eine technologische Innovation mit einer wirtschaftlichen Innovation, die sich auf die Wertschöpfung in diesem Sektor bezieht.

Wir verflüssigen biogenes CO2 aus Abwassereinigungsprozessen und transportieren es zu Betonrecycling-Werken. Dort wandeln wir das CO2 chemisch in Kalkstein um, indem wir es an den Oberflächen und Poren von gebrochenem Rückbaubeton nutzen. So entsteht ein neues Produkt: Das Material, das zugleich ein Recycling-Produkt und ein CO2-Speicher ist, kann als Sand- und Kiesersatz in Beton und im Straßenbau verwendet werden.

Foto von Hochhäusern und Kränen in Brüssel
„Little Manhattan“ in Brüssel: Das Wachstum der Städte beruht auf klimaschädlichem Zement. © Getty Images

Wir sind gerade mit einem Kooperationspartner dabei, den Klimanutzen dieses Prozesses zertifizieren zu lassen. Die Zertifikate sollen im Anschluss an Kunden mit ambitionierten Klimazielen verkauft werden. Jeder Teilnehmer dieser Wertschöpfungskette profitiert. Im Raum Zürich ist mit CO2 angereichertes Betongranulat auf dem besten Weg, neue Standards im Klimaschutz zu setzen, da sich der Nutzen des Recyclings von Beton erhöht. Zahlreiche Bauprojekte haben anfängliche Bedenken ausgeräumt und die Maßnahme zu einer attraktiven Option für Bauherren gemacht, die unmittelbar Klimaschutzmaßnahmen setzen wollen.

Markteintritt in Österreich

Bereits ab April 2022 wird es das CO2-Speicherprodukt recycleter Beton auch in Österreich geben. Zusammen mit den Unternehmen Salzburg Wohnbau, den Baustoffrecyclern und Betonproduzenten Deisl Beton und Christian Ehrensberger sowie der Bautechnischen Versuchs- und Forschungsanstalt Salzburg (bvfs) wird die Bindung von CO2 in Rückbaubeton in Österreich eingeführt. Die daraus resultierenden Produkte müssen eine rigorose Materialkontrolle bestehen und werden im Anschluss als Konstruktionsbeton in ein Gebäude eingebaut.

Ich bin davon überzeugt, dass sich die globale Erwärmung nur eindämmen lässt, wenn Klimaschutz zu einem Business wird. Und es gibt Grund für Optimismus: Zahlreiche Unternehmen entdecken Klimaschutzmaßnahmen als Chance, sich am Markt neu zu positionieren und abzuheben. Jeden Tag kommen Unternehmen hinzu, die sich Klimaziele setzen und Bereitschaft zeigen, für Klimanutzen auch zu zahlen. Darüber hinaus spielt das Thema Klimaschutz beim Anwerben von Arbeitskräften eine immer größere Rolle.

Das Emissionsrecht im Europäischen Emissionshandel hat ein Preisniveau erreicht, das dazu führt, dass unter anderem Zementhersteller die daraus resultierenden Kosten an ihre Kunden abwälzen. Dies ist der erste Schritt zu einer Industrie, in der Klimaschutzmaßnahmen zur Kostenreduktion und somit zu einem Wettbewerbsvorteil führen können. Und abschliessend erleben wir bei unseren Kunden Tag für ein Tag die große Motivation, mit innovativen Unternehmen wie Neustark zusammenzuarbeiten, weil wir unmittelbar wirkungsvolle Klimaschutzmaßnahmen anbieten können und rückgebauten Beton als Senke für CO2 erschließen.  

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Conclusio

Klimaschutzmaßnahmen müssen sich lohnen, damit sie in großem Maßstab umgesetzt werden: Im Zuge des Emissionshandels und der Kommerzialisierung der „Ware“ CO2, werden Technologien attraktiv, die zugleich Emissionen vermeiden – indem zum Beispiel Beton zerkleinert und recycled wird – und der Atmosphäre CO2 entziehen. Beides ist unerlässlich, damit die globale Erwärmung 1,5 Grad nicht überschreitet. Jährlich müssen der Atmosphäre 10 Gigatonnen CO2 entzogen werden, während zugleich keine neuen Emissionen entstehen sollten. Die Speicherung von CO2 in zerkleinertem Beton, der rückgebaut, also abgebrochen wurde, erlaubt es einer Industrie, die besonders große Mengen CO2 ausstößt, ihren Einfluss auf das Klimasystem zu reduzieren.