Warum Dürren häufiger werden

Dürren und große Trockenheit werden in Zukunft häufiger vorkommen – auch in den Alpen. Es kann sein, dass wir uns in einer Dürreperiode befinden, die es normalerweise nur alle 80 Jahre gibt.

Dürren werden häufiger: Ein Sturm baut sich über Berggipfeln in den Alpen auf.
Regenwolken über der Langkofel Gruppe in Südtirol. Niederschläge in den Alpen sind von bestimmten Frontsystemen abhängig. Bleiben diese aus, drohen ganze Dürredekaden. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Dürredekaden. Perioden großer Trockenheit treten bei bestimmten Großwetterlagen regelmäßig auf – normalerweise circa alle 80 Jahre.
  • Trockenes Frühjahr = trockener Sommer. Aktuell befinden wir uns in einer andauernden Dürreperiode. Wann sie abklingt, ist unsicher.
  • Klimawandel. Die Klimakrise verkürzt die Intervalle zwischen den Dürren, auch wenn sie nicht direkt auf Niederschlag einwirkt. Dürreperioden werden häufiger.
  • Extremwetter. Die aufgeheizte Atmosphäre kann mehr Wasser speichern. Dürren werden immer öfter durch Starkregen und Hagel abgelöst. Extreme werden normal.

Wer in diesem Frühjahr in der Natur war oder auch nur einen städtischen Park besucht hat, konnte sie mit eigenen Augen sehen: die charakteristischen Risse im Erdboden, die Trockenheit signalisieren. In den Nachrichten war bereits von Dürre die Rede, viele Landwirte beobachteten die Wetterlage mit Sorge. Das Gefühl, dass es „früher“ nicht so trocken war, täuscht nicht: Frühjahrstrockenheit dieser Art ist in den letzten Jahren häufiger geworden.

Die Jahre 2018 bis 2021 gehören in unseren Breiten zu den trockensten Jahren seit Beginn der Aufzeichnungen. Frühjahrstrockenheit bedeutet in der Regel, dass auch der Sommer extrem trocken sein wird. Die Frage, die sich daher viele stellen, ist nur allzu verständlich: Ist der Klimawandel an der Trockenheit schuld? Kann der Klimawandel bewirken, dass wir im Alpenraum in Zukunft häufiger Dürren erleben werden?

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Was sind Dürren?

Um zu verstehen, ob der Klimawandel Dürren auslöst, muss man ein bisschen ausholen. Dürre ist nämlich ein Naturereignis von immenser Komplexität. Aber das ist bei den meisten Dingen so, die mit Klima und Wetter zu tun haben. Als ich vor mehr als zehn Jahren begann, mich mit dem Thema Dürre zu beschäftigen, war das Gebiet noch kein so großes Thema wie heute.

Ich muss an dieser Stelle auch sogleich zugeben, dass ich selbst nur widerstrebend bei der Dürre als Dissertationsthema und schließlich als dem hauptsächlichen Schwerpunkt meiner Forschung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Österreich landete. Inzwischen bin ich froh darüber, eben weil das Thema so komplex und spannend ist. Und es ist immer noch ein in Österreich wenig beackertes Forschungsfeld.

Dürre ist nicht einfach da, sondern ein Ereignis, das sich aufbaut und entwickelt.


In der Wissenschaft werden Dürren unter anderem anhand ihrer Wirksphären unterschieden: Ein sich in der Atmosphäre einstellender Zustand von Trockenheit beispielsweise durch fehlenden Niederschlag wird als „meteorologische Dürre“ bezeichnet. Hält ein solcher Zustand über mehrere Tage und Wochen an, beginnen Böden, die Pedosphäre, auszutrocknen und Pflanzen unter Wassermangel zu leiden. Ab diesem Moment spricht man dann von „landwirtschaftlicher Dürre“.

Wenn das Niederschlagsdefizit weiter anhält, erreicht die Trockenheit schließlich die Hydrosphäre, also die Flüsse und Seen. Flüsse führen Niederwasser, Grundwasserspiegel und Wasserstände in Speicherseen sinken. Dürre ist also nicht einfach da, sondern ein Ereignis, das sich allmählich aufbaut und entwickelt. Oft ist der Beginn eines Dürre-Ereignisses nur schwer festzumachen.

Lokale Niederschläge bleiben aus

In den mittleren Breiten der Erde, wo sich auch Österreich und der Alpenraum befinden, ist Dürre bislang in erster Linie die Konsequenz von fehlendem Niederschlag, also dem fehlenden Eintrag von Wasser in das System. Zum Vergleich: In subtropischen und tropischen Gebieten hat die Verdunstung, also der Austrag aus dem System, einen größeren Einfluss auf das Zustandekommen von Dürren. Um den Ursachen der Dürre im Alpenraum auf die Spur zu kommen, müssen wir also zunächst den Niederschlag betrachten und zwar insbesondere die räumlichen und zeitlichen Veränderungen der Niederschlagsmuster auf unterschiedlichen Zeitskalen von Tagen bis Jahrzehnten.

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Zahlen & Fakten

Dürren werden häufiger: Foto eines ausgetrockneten alpinen Flussbetts
Dürre im Piemont im Juni 2022: Fehlender Schneefall im Winter und das Ausbleiben des Frontsystems, das Feuchtigkeit in die Alpen bringt, sind die Ursache. © Getty Images


In meiner Dissertation an der TU Wien habe ich mich intensiv mit der Aufarbeitung der Dürreereignisse der letzten 200 Jahre im Alpenraum beschäftigt. Betrachtet man diesen langen Zeitraum, so fallen einige Jahrzehnte besonders ins Auge, die sogenannten „Dürredekaden“. Das sind Zeitabschnitte von rund zehn Jahren, die durch sehr häufige Dürreereignisse gekennzeichnet sind.

Ein markantes Beispiel sind die 1860er Jahre, die durch ein extremes Niederschlagsdefizit, vor allem im erweiterten Ostalpenraum, gekennzeichnet sind. Eine der eindrucksvollsten Folgen war die bis dato letzte nahezu vollständige Austrocknung des Neusiedlersees in den Jahren 1864 bis 1870. Eine weitere Dürredekade zeichnet sich für die 1940er Jahren ab. Überschattet von den Kriegs- und Nachkriegswirren zeigte die Donau 1947 ihren niedrigsten Wasserstand seit Beginn der Messungen im 19. Jahrhundert. Auch gegenwärtig ist Dürre ein häufiges Phänomen: Mit den Ereignissen in den letzten Jahren könnten sich die 2010er Jahre ebenfalls als Dürredekade in die hydrologische Geschichte des Alpenraums einschreiben. Eine abschließende Beurteilung wird sich erst retrospektiv treffen lassen. Noch können wir nicht sagen, ob wir uns in einer Dürredekade befinden oder nicht, und ob diese möglicherweise bereits abklingt.

Was beeinflusst den Niederschlag?

Die extremen Trockenheiten in den 1860er und 1940er Jahren hatten in gewisser Weise eine ähnliche Entstehungsgeschichte. Für beide Dürreperioden hat sich das Frühjahr als entscheidende Jahreszeit herausgestellt. Beide Male war der Beginn der warmen Jahreshälfte ab März extrem trocken. Sind normalerweise Niederschläge rund um 90 Millimeter für diese Jahreszeit zu erwarten, sehen wir 1860 bis 1870 als auch Anfang 1940 bis 1950 lediglich rund 70 Millimeter Niederschlag in den Monaten März, April und Mai. Das mag nicht sehr auffällig erscheinen, im klimatologischen Kontext ist diese Abweichung vom Mittelwert über zehn Jahre jedoch markant.

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Warum gab es in diesen Jahren so wenig Niederschlag? Grund dafür war das häufige Auftreten blockierender Hochdrucksysteme über Westeuropa, die den Transport von Feuchtigkeit vom Atlantischen Ozean unterbunden haben. Diese atmosphärischen Hochs verhindern die Luftströmung und fixieren eine bestimmte Wetterlage bis zu mehreren Wochen. In dem Fall verhinderte das atmosphärische Hoch die Bildung von Frontsystemen, die sehr viel Feuchtigkeit an die Alpen heranführen. Daraus resultierte in den beiden Dürredekaden ein Niederschlagsdefizit bereits im Frühjahr. Auch die folgenden Sommer waren trocken, da sich nicht ausreichend Bodenfeuchte gebildet hatte, um durch Verdunstung lokale Niederschläge, die typischen „Sommergewitter“, entstehen zu lassen.

Rückkopplungseffekte

Ob sich Frontsysteme bilden können oder nicht, entscheidet die Großwetterlage über Europa. Diese ist eingebettet in die atmosphärische Zirkulation der Nordhemisphäre, also in die Luftströmungen der Nordhalbkugel der Erde. Bei großen Luftdruckgegensätzen zwischen Nord und Süd entwickelt sich eine kräftige Strömung aus West und die Frontsysteme dominieren. Das heißt, Tiefdrucksysteme und Zwischenhoch-Lagen wechseln, und es wird sehr viel Feuchtigkeit in den Alpenraum gebracht.

Frontsysteme können sich nicht bilden, wenn die Luftdruckgegensätze gering sind. In dem Fall spricht man von „gradientschwachen Wetterlagen“. Diese bilden wenige Frontsysteme und führen somit wenig Feuchtigkeit heran. Fehlen die Frontsysteme, ist das Zustandekommen von Niederschlag von der Verdunstung abhängig, also von den lokalen Bodenfeuchtebedingungen. Bei diesem Verdunstungsniederschlag spricht man auch von Niederschlags-Recycling.

Die Dürredekaden der 1860er und 1940er Jahre wurden durch eine Kombination aus trockenen Frühjahren und Sommern mit gradientschwachen Wetterlagen ausgelöst: Da der Boden wegen des fehlenden Niederschlags zu trocken war, um lokale Regenschauer auszulösen, kam es in beiden Dürredekaden zu einer positiven Rückkopplung und die Sommer wurden extrem trocken. Das in der warmen Jahreszeit aufgebaute Feuchtedefizit konnte im Herbst und Winter nicht mehr ausgeglichen werden. Somit kam es zu mehreren Trockenjahren in Folge.

Dürren werden häufiger

Die Trockenjahre der jüngeren Vergangenheit seit etwa 2003 weisen eine Reihe von Parallelen zu den 1860er und 1940er Jahren auf. Die letzten Jahre waren geprägt von teilweise extrem trockenen Frühjahren, gefolgt von Sommern mit gradientschwachen Wetterlagen. Oft wird reflexartig der Klimawandel als Treiber dieser Veränderung ins Treffen geführt. So einfach lässt sich dies jedoch nicht belegen.

Untersuchungen zeigen, dass die atmosphärische Zirkulation direkt und indirekt der Antrieb Nr. 1 für Dürredekaden ist. Direkt  durch den großflächigen Feuchtetransport bei Westwetterlagen und indirekt durch das lokale Niederschlagsrecycling bei gradientschwachen Wetterlagen. Ob der Klimawandel bereits eine Veränderung in den Wetterlagen verursacht hat, konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Die Änderungen in der atmosphärischen Zirkulation, die regelmäßig die gradientschwachen Wetterlagen auslösen, sind eher von einer internen Dynamik im Klimasystem getrieben und manifestieren sich im Rhythmus von Jahrzehnten.

Heißt das nun, Trockenheit und Dürre haben nichts mit dem Klimawandel zu tun? So einfach ist es nicht. Denn der Klimawandel beziehungsweise konkreter: die Erderwärmung, beeinflussen den globalen und lokalen Wasserhaushalt sehr wohl und haben ihn bereits verändert. Der Klimawandel greift direkt ein: In die Verdunstung, also den Feuchtefluss von der Landoberfläche hin zur Atmosphäre.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Lufttemperatur in unseren Breiten im Durchschnitt um rund 2,4 Grad Celsius erhöht. Die wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen, das heißt die Verdunstungsleistung der Atmosphäre erhöht sich mit jedem Grad der Erwärmung. Das heißt, der Boden verliert jedes Jahrzehnt um rund fünf Prozent mehr an Feuchtigkeit. Zugleich wird die Vegetationsperiode, die Zeit, in der die Pflanzen wachsen und ihrerseits zur Verdunstung und zum Wasserkreislauf beitragen, länger. Vor allem beginnen die Pflanzen, früher im Jahr zu keimen. Eine frühere Aktivierung der Biosphäre nach der Winterruhe bedeutet somit ein früheres Einsetzen der Verdunstung über die Vegetation und somit mehr Feuchtigkeitsverlust über die gesamte Saison. Es ist dabei anzunehmen, dass der globale Klimawandel die Verdunstung intensiviert. Das hat tiefgreifende Folgen für unseren Wasserhaushalt.

Dürre und Starkregen: Zukunft der Extreme

Ein vertiefender Blick in die Zukunft mit Hilfe von Klimamodellsimulationen zeigt ein komplexes Bild der Veränderungen im Wasserkreislauf. Im Alpenraum wird sich die Summe des Jahresniederschlages nur wenig ändern, mitunter sogar erhöhen. Aber: Die Verteilung der Niederschläge innerhalb des Jahres ändert sich deutlich. Das Winterhalbjahr wird feuchter, wobei immer weniger Niederschläge in Form von Schnee fallen werden. Im Sommerhalbjahr sind die Klimasimulationen aufgrund der äußerst komplexen und teilweise kleinräumigen Entstehung von Niederschlag unsicher, weil diese in den Modellen nur unzureichend abgebildet werden kann. Man geht aber in den aktuellen Szenarien davon aus, dass die Niederschlagsmenge im Sommer nur leicht, wenn überhaupt, abnehmen wird.

Dürreereignisse wie jene extreme Dürre 2003 werden nicht mehr nur alle 80 Jahre auftreten, sondern alle acht bis 15 Jahre.

Dennoch zeigt sich in Zukunft ein höheres Risiko für sommerliche Dürre. Warum? Der Grund dafür ist eine über alle Zeitskalen von Stunden bis Jahrzehnten steigende „Variabilität“ der Feuchtigkeitsverhältnisse. Unter Variabilität im weitesten Sinne versteht man die Spannweite des Wertebereichs des Niederschlags von extrem wenig bis sehr viel innerhalb von sehr kurzer Zeit. Diese Veränderung der Variablität steht in direktem Zusammenhang mit einer Intensivierung des Wasserkreislaufs im Zuge der globalen Erwärmung. Die Verdunstungsleistung der Atmosphäre nimmt zu, es kommt zu einem höheren Feuchtegehalt in der Atmosphäre und somit zu intensiveren Niederschlägen. Mit der Variabilität steigt die Wahrscheinlichkeit für extreme Zustände und zwar in beide Richtungen, sowohl in die trockene als auch in die feuchte. Das heißt: Es ist davon auszugehen, dass das Risiko für Dürre, insbesondere in den Sommermonaten, in Zukunft steigen wird, auch wenn der Niederschlag im Mittel nur wenig Veränderung aufweist.

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Zahlen & Fakten

Die Dürren sind ebenso wie die Extremniederschläge im Zusammenhang mit der höheren Verdunstung zu sehen: Was an einem Ort fehlt, geht woanders als Extremregen nieder. In einer unserer jüngeren Studien haben wir zeigen können, dass Dürreereignisse wie jene extreme Dürre 2003 häufiger werden und nicht mehr nur alle 80 Jahre auftreten werden, sondern womöglich alle acht bis 15 Jahre. Der Klimawandel beschleunigt also das „Wiederkehr-Intervall“ von Dürren.

Was wir tun können

Sich den Herausforderungen des Klimawandels hinsichtlich Emissionsreduktion und Anpassung zu stellen, erfordert gemeinschaftliches Handeln auf allen Ebenen – von der Weltgemeinschaft bis zur Gemeinde und jedem Einzelnen. Zur erfolgreichen Anpassung zählt unter anderem der schonungsvolle und nachhaltige Umgang mit der Ressource Wasser. Hier sind vor allem auf lokaler Ebene vielfach Möglichkeiten gegeben.

Foto der Donau-Auen bei Wien
Intakte Flusslandschaften wie die Donau-Auen sind unverzichtbar für das Trinkwasser und beugen Dürren vor. © Picturedesk

Im Hinblick auf die größere Wahrscheinlichkeit von „Jahrhundertdürren“ muss es ein vorrangiges Ziel sein, Wasser möglichst lange im Gebiet zu halten. Dies kann durch Renaturierung von Flusslandschaften und Retentionsräumen geschehen oder durch den Erhalt von Feuchtgebieten und die Errichtung von Regenwasserspeichern. Diese Maßnahmen würden auch auf breitere Akzeptanz in der lokalen Bevölkerung stoßen, da der Mehrwert unmittelbar sichtbar ist. Obwohl Österreich immer als „wasserreiches“ Land gesehen wird, müssen wir uns für die Zukunft über einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser wertvollen Ressource verständigen, um so den zukünftigen Herausforderungen durch den Klimawandel begegnen zu können.

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Conclusio

Eine historische Betrachtung zeigt, dass es in den letzten 200 Jahren in den mittleren Breiten immer wieder zu längeren Dürreperioden kam, zu sogenannten Dürredekaden. Die Entstehung dieser extrem trockenen Jahrzehnte hängt mit bestimmten Luftdruck- und Niederschlagsverhältnissen zusammen. Das dahinter liegende Klimasystem scheint noch nicht durch den Klimawandel verändert zu sein. Allerdings verändern die höheren Temperaturen den Wasserkreislauf und die Niederschlagsmuster. Im Alpenraum wird es daher in den kommenden Jahren häufiger zu Dürren und sintflutartigen Niederschlägen kommen. Extreme Dürreereignisse, die alle 80 Jahre auftraten, werden nun alle acht bis 15 Jahre vorkommen. Die Renaturierung von Flüssen und Feuchtgebieten ist ein möglicher Weg der Anpassung.