Ernährungskrise: Gentechnik statt Bio

Trotz des kriegsbedingten Ausfalls der bedeutenden Getreide-Exporteure Ukraine und Russland kann die Welternährung sicher werden. Dazu muss Europa aber den Fokus auf Bio und die Ablehnung von Gentechnik überdenken.

Weizenernte in Thüringen, Deutschland
Die Weizenernte in der Ukraine droht in diesem Jahr knapper auszufallen als hier in Thüringen, Deutschland. © Getty Images
×

Auf den Punkt gebracht

  • Globaler Kornspeicher. Viele Länder sind auf Weizenimporte aus Russland und der Ukraine angewiesen. Der Krieg führt schon jetzt zu einem enormen Preisanstieg.
  • Brot statt Not. Europa muss einen Beitrag dazu leisten, Versorgungsengpässe und Hungersnöte in ärmeren Importländern zu vermeiden.
  • Gentechnik als Chance. Weniger Bio-Landwirtschaft und der Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen versprechen Düngereinsparung und Ertragssteigerung.
  • Teller statt Tank. Auch die Nutzung von Pflanzen zur Energiegewinnung, etwa bei Biosprit, sollte angesichts der Getreide-Engpässe überdacht werden.

Der Krieg in der Ukraine rückt globale Agrarmärkte in den Fokus der Aufmerksamkeit und zeigt die internationale Vernetzung bei Produktion und Handel von Getreide, Ölsaaten, aber auch Düngemitteln auf. Tatsächlich ist die aktuelle Situation höchst angespannt und kompliziert. In einigen bevölkerungsreichen Entwicklungsländern drohen gar Hungersnöte. Denn aus der Ukraine – einem der wichtigsten Agrarexportländer der Welt – gehen aktuell wegen des Krieges praktisch kaum Produkte in den Export. 

Hinzu kommt, dass das Schwarze Meer momentan für zivile Schifffahrt und Rohstofftransporte nur sehr eingeschränkt genutzt werden kann. Weitere Engpässe werden die Folge sein. Und Russland exportiert zwar weiterhin Getreide, hat aber seine Lieferungen an nicht befreundete Länder eingeschränkt (das sind ziemlich viele) und kann nicht mehr als verlässlicher Handelspartner eingestuft werden.

Globale Teuerungswelle

Die Folgen des Krieges sind jetzt schon katastrophal und könnten sich im Sommer und Herbst, wenn auf der Nordhalbkugel das meiste Getreide geerntet wird, weiter zuspitzen. Die Ukraine wird zwar hoffentlich wenigstens den Eigenbedarf für Getreide decken können. Aber die Aussaat von Mais und die Pflege der Felder kann kriegsbedingt nur sehr eingeschränkt stattfinden. Das betrifft auch Weizen und andere Getreidearten wie Hafer und Gerste und die für die Ölproduktion besonders wichtigen Sonnenblumen. Gerade Mais ist als Futtermittel für die Tierfütterung entscheidend. 

Mais aus der Ukraine und aus Russland kann auch nicht einfach durch Importe aus den USA, Kanada oder Südamerika ersetzt werden. Abgesehen von globalen Knappheiten werden nämlich dort auch gentechnisch veränderte Sorten angebaut. Eine Tierfütterung mit solchem Mais würde in Europa unweigerlich zum Verlust von Prädikaten wie „100 Prozent gentechnikfrei“ führen.

Europa muss verhindern, dass es in global benachteiligten Regionen zu Hungersnöten kommt.

Bei den bereits angesprochenen Sonnenblumenkernen, die man zur Ölpressung benötigt, könnte die Versorgung noch schwieriger werden. Denn drei Viertel aller weltweiten Exporte dieser Ressource kommen aus der Ukraine und Russland. Ein Ausfall hat Lieferengpässe und Preissteigerungen zur Folge und auch Konsequenzen für die Märkte anderer pflanzlicher Öle.

Palmöl wird als Substitut für Sonnenblumenöl wichtiger – und teurer. Als Konsequenz hat Indonesien, das größte Erzeuger- und Exportland von Palmöl, einen Exportstopp verhängt, um die Versorgung der eigenen Bevölkerung sicherzustellen. Dass damit Deviseneinnahmen fehlen, nimmt Indonesiens Regierung zumindest kurzfristig in Kauf. Im Rest der Welt verschärft der Exportstopp allerdings die Inflation für Pflanzenöle und andere Lebensmittel.

Kornspeicher der Welt

Europa wird aus diesen Unwägbarkeiten mit großer Kraftanstrengung vermutlich recht gut herauskommen. Für ärmere Länder gilt das nicht. Gerade weitere Preissteigerungen für Brot bergen sozialen Sprengstoff – etwa in Ägypten. Es müssen also Lösungen gesucht werden. Hier ist auch Europa in der Verantwortung. Wir müssen verhindern, dass es in global benachteiligten Regionen zu Hungersnöten kommt.

×

Zahlen & Fakten

Diese Lösungen laufen auf drei grundlegende Überlegungen hinaus: stärker finanziell unterstützen, selbst mehr produzieren und den eigenen Verbrauch reduzieren. Der erste Punkt ist aus der Notsituation heraus geboten. Arme Länder, die besonders auf Lebensmittelimporte angewiesen sind, müssen finanziell unterstützt werden, um die teurer werdenden Importe bezahlen zu können. Ebenso muss das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen finanziell besser ausgestattet werden, um bei steigenden Weltmarktpreisen in ausreichendem Maße Lebensmittelnothilfe in Krisenregionen leisten zu können.

Gentechnik als Lösung

Der zweite Punkt hat wiederum die Aspekte Ertragssteigerungen und Erweiterung der Anbauflächen. Ein höherer Ertrag in der Landwirtschaft wäre in Europa durch den Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen möglich. Das lässt sich nicht ganz kurzfristig umsetzen, weil solche gentechnisch veränderten Sorten in Europa erst zugelassen werden müssten, bietet aber mittel- und längerfristig erhebliches Potenzial. 

Kurzfristig könnte man in Europa die Produktion durch die Nutzung von brachliegenden Anbauflächen etwas steigern. Vier bis fünf Prozent der Anbauflächen sind in Europa als sogenannte ökologische Vorrangflächen stillgelegt. Diese sollten aus Gründen des Naturschutzes prinzipiell erhalten werden – um aber Hungersnöte zu vermeiden, könnte das Bewirtschaftungsverbot im laufenden Jahr befristet ausgesetzt werden. Die EU würde das grundsätzlich erlauben, die Umsetzung liegt aber in der Hand der Mitgliedsländer. Deutschland hat sich bereits dagegen ausgesprochen. In diesem Kriegsjahr sollte diese Position vielleicht noch einmal überdacht werden.

Ich halte übrigens auch die Fokussierung Europas auf Biolandwirtschaft für falsch. Bis 2030 sollen 25 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt werden. In Deutschland ist sogar ein Ziel von 30 Prozent von der Politik formuliert worden. Das kommt in der Gesellschaft zwar gut an, dient aber nicht der globalen Nachhaltigkeit. Denn der Biolandbau benötigt viel Fläche bei weniger Ertrag. Wir leisten dem Klimaschutz damit einen Bärendienst.

Biolandwirtschaft bei uns bewirkt wegen der weltweit weiter steigenden Nachfrage einen Mehrbedarf an Ackerflächen anderswo auf der Welt, was zur weiteren Abholzung von Wäldern führt. Die Waldabholzung ist aber einer der Haupttreiber des Klimawandels. Kurz gesagt: Biolandwirtschaft ist keine Lösung für das Klimaproblem und schadet der Ernährungssicherung. In der Nische ist das okay, aber nicht in einer Dimension von 25 Prozent oder mehr.

Weniger Tierhaltung

Der dritte, vielversprechendste Punkt liegt in der Reduktion des Einsatzes von Getreide und Ölsaaten zur Produktion von Fleisch und Biosprit. Die Zahlen sprechen für sich: 60 Prozent des gesamten Getreides wird in Europa an Tiere verfüttert. Die Frage ist: Wie viel dieser 60 Prozent kann man kurzfristig einsparen? Natürlich kann man die aktuellen Tierbestände nicht verhungern lassen, noch sollte man den Bauern ihre Existenzgrundlage nehmen.

Biolandwirtschaft ist keine Lösung für das Klimaproblem und schadet der Ernährungssicherung.

Aber: Bei Geflügel und Schweinen ist der Produktionszyklus relativ kurz – mit finanzieller Unterstützung der Bauern könnte man hier relativ rasch eine Einsparung von etwa 20 Prozent des Getreideverbrauchs erreichen. Diesen Weg sollten wir gehen. Klar ist aber, dass es dann auch weniger Tiere und weniger Fleisch gibt.

Biosprit reduzieren

Beim Biosprit ist eine Reduktion sogar noch leichter möglich. Es ist eine rein politische Entscheidung, die Beimischungsquoten von Bioethanol und Biodiesel zu den Kraftstoffen anzupassen. Ein gangbarer Vorschlag wäre die Aussetzung während des Krieges in der Ukraine. Das eingesparte Getreide und Pflanzenöl könnten wir exportieren, um die Weltmärkte zu entspannen und damit importabhängigen armen Ländern zu helfen! Nebenbei bemerkt ist Biosprit ökologisch gar nicht so sinnvoll, wie gern propagiert wird. Zur Produktion wird unter anderem auch Regenwald gerodet, was wiederum für die CO2-Bilanz verheerend ist.

Kommen wir noch zum Dünger. Tatsächlich zählt Russland zu den wichtigsten Produzenten. Die Knappheit führt zu dreimal so hohen Preisen wie vor dem Krieg. Weniger düngen ist durch vielfältigere Fruchtfolgen möglich. Das geht auch in konventioneller Landwirtschaft. Ergänzt man das mit Hightech bei der Ausbringung sowie nährstoff-effizienten neuen Pflanzensorten, können erhebliche Mengen gespart werden. 

Eine kluge Kombination aus den beschriebenen Maßnahmen – effizienter düngen, weniger Biosprit, weniger Fleisch, befristete Nutzung von Stilllegungsflächen und neue Technologien – könnte die Krise entschärfen und gleichzeitig die Landwirtschaft auch langfristig nachhaltiger machen.

×

Conclusio

Der Überfall Russlands auf die Ukraine führt zu einem breiten Ausfall dieser beiden wichtigen Agrarexportländer. Das hat enorme Auswirkungen auf den weltweiten Getreidemarkt. Die Nachfrage kann, wenn überhaupt, nur zu hohen Preisen gedeckt werden. Ärmere Importländer geraten unter Druck. Europa muss hier helfen und hat mehrere Stellschrauben zu Verfügung: den Verbrauch von Agrarprodukten durch weniger Fleischproduktion und die Anpassung der Beimischungsquoten von Biosprit zu reduzieren; weiters eine temporäre Nutzung von Brachflächen; ein Abgehen von strikten Vorgaben zur Ausweitung der weniger ertragreichen Biolandwirtschaft. Auch moderne Gentechnik im Pflanzenbau würde helfen. Dazu bedarf es aber eines Umdenkens in der Politik, die einige Dogmen über Bord werfen müsste.