Das Erdgas, das keiner will

In Deutschland ist Fracking verboten, in Österreich wird ein Verbot gerade diskutiert. Doch technisch und ökologisch lässt sich ein Verzicht auf diese Technologie nicht begründen. Die Vorteile überwiegen.

Abendaufnahme eines hell erleuchteten Fracking-Bohrturms.
In den USA gab es mehr als drei Millionen durchgeführte Fracking-Aktivitäten, ohne gröbere Folgen für Mensch und Natur. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Unabhängigkeit. Fracking-Gas könnte einen Großteil der russischen Erdgaslieferungen ersetzen, ohne Kompromisse beim Umweltschutz.
  • Sicherheit. Unter deutschen Genehmigungsauflagen gefährdet Fracking weder das Grundwasser noch erhöht es die Gefahr von Erdbeben.
  • Nachhaltigkeit. Erschöpfte Bohrungen könnte man Jahrzehnte lang für eine klimaneutrale, grundlastfähige Energieversorgung mit Erdwärme nutzen.
  • Politik. Der Verzicht auf Fracking ist politisch motiviert, nicht technologisch. Es gäbe genug Argumente, die gesellschaftliche Akzeptanz wiederzugewinnen.

Der Totalausfall russischer Erdgaslieferungen innerhalb des letzten Jahres stieß Deutschland und andere Länder in die größte Energiekrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Dadurch geraten bereits verworfene Optionen für eine eigenständige Energieversorgung wieder ins Blickfeld. Das gilt auch für die Erdgasförderung mittels Fracking, wobei der vorrangige Ausbau erneuerbarer Energien nicht infrage steht.

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Unter deutschen Genehmigungsauflagen durchgeführtes Fracking würde es ermöglichen, in wenigen Jahren einen Großteil der entfallenen Gaslieferungen zu ersetzen – entgegen landläufiger Meinung ohne Kompromisse beim Umweltschutz. 

Eine bewährte Technologie 

Mit Fracking bezeichnet man das hydraulische Aufbrechen von Gestein (hydraulic fracturing), um in großer Tiefe winzige Fließwege für eingeschlossenes Erdöl, Erdgas oder bei der Geothermie heißes Wasser zu erzeugen. Vielfach wird das Verfahren in kilometerlangen Horizontalbohrungen angewandt – was die Förderung erst wirtschaftlich macht.

Weltweit wird Fracking routinemäßig betrieben. In Deutschland wurden bis vor zehn Jahren mehr als 300 Fracking-Maßnahmen durchgeführt, überwiegend in dichten Sandsteinformationen, ohne dass ein Schadensfall aufgetreten wäre. Aufgrund umfangreicher Vorsorgemaßnahmen war dies auch nicht zu erwarten. In den USA gab es mittlerweile mehr als drei Millionen durchgeführte Fracking-Aktivitäten.

Keine Gefahr für das Grundwasser 

Die häufig gegen das Fracking vorgebrachten Gründe können bei näherer Betrachtung nicht überzeugen. Die Gefahr einer Grundwasserverunreinigung besteht nicht, denn Trinkwasserschutz hat in Deutschland höchste Priorität. Dies spiegelt sich in strengen Genehmigungsauflagen der Bergbehörden wider. Einzelne Zwischenfälle in den USA sind an Bohrungen entstanden, die in Deutschland nicht genehmigungsfähig gewesen wären. 

Die in großer Tiefe zum Aufbrechen des Gesteins genutzten Flüssigkeiten (Fracfluide) sind chemisch nicht stärker belastet als Schwimmbadwasser. Weniger als zwei Prozent sind Beimengungen, die nützliche Funktionen haben. Sie dienen dem Korrosionsschutz der Verrohrung, stabilisieren den pH-Wert im Bohrloch, verringern die Reibung in den kilometerlangen Bohrstrecken, verhindern im warmen Untergrund übermäßiges Mikrobenwachstum und unterstützen den Transport von Sand als Stützmittel zum Offenhalten der feinen Risse. Der Rest der Fluide ist Wasser mit etwas Sand.

Mit den an der Montanuniversität Leoben entwickelten „Bio Enhanced Energy Recovery“-Fluiden sind auch Flüssigkeiten erhältlich, die in der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie verwendet werden. Die Menge des für Fracking-Maßnahmen benötigten Wassers – einige tausend Kubikmeter – entspricht dem Inhalt von ein bis zwei Freibädern. Es kann aus Flüssen entnommen werden, ohne dass es an anderer Stelle fehlt. 

Ein Teil der Fracfluide wird rückgefördert und recycelt oder sachgerecht entsorgt. Geringe Mengen verbleiben in den tiefen Gesteinsschichten und können nicht in höhere Stockwerke des Untergrunds aufsteigen. Sie sind weit weniger belastet als natürliche Tiefenfluide. 

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Zahlen & Fakten

Umweltaktivisten protestieren 2014 mit einer symbolischen Fracking-Bohrung vor dem Bundesrat in Berlin. Ein als Arbeiter verkleideter Mann hällt eine überdimensionierte Spritze auf einen am Boden aufgeklebten Riss. Im Hintergrund werden Plakate hochgehalten mit der Aufschrift "Rettet das Trinkwasser".
Verunsicherte Bevölkerung: Umweltaktivisten protestieren bereits 2014 mit einer symbolischen Fracking-Bohrung vor dem Bundesrat in Berlin. © Getty Images

Das Potenzial von Fracking in Deutschland

  • Konservative Schätzungen gehen von einem Potenzial von 800 Milliarden Kubikmeter Schiefergas und 200 Milliarden Kubikmeter Flözgas aus, die in Deutschland aus Tiefen von ein bis fünf Kilometern mittels Fracking gewonnen werden können.
  • Jährlich könnten 20 Milliarden Kubikmeter gefördert werden, was rund 40 Prozent des zuletzt von Russland gelieferten Erdgases entspricht.
  • Gegenüber LNG aus Übersee könnten circa 20 Prozent Energieverluste verhindert und damit jährlich mehrere Millionen Tonnen CO2-Emissionen vermieden werden. 
  • Der bei der Erdgasförderung auftretende klimaschädliche Methanaustritt könnte besser kontrolliert werden und wäre in Deutschland um ein Mehrfaches niedriger. 
  • Der angespannte Gasmarkt würde entlastet, die Energiekosten für Haushalte und Wirtschaft würden sinken
  • Andere Staaten würden weniger dazu verleitet, aufgrund hoher Weltmarktpreise ihren Energiebedarf durch Kohleverbrennung zu decken. 
  • Die politische Souveränität des fördernden Landes, seine Resilienz und Handlungsoptionen würden steigen
  • Devisenausgaben für Gasimporte in Milliardenhöhe könnten eingespart und für andere dringend benötigte staatliche Aufgaben verwendet werden.
  • Erschöpfte Fracking-Bohrungen ließen sich jahrzehntelang nachnutzen: zur klimaneutralen, regenerativen, grundlastfähigen Energieversorgung mit Erdwärme

Keine Erdbeben, kein Feuer 

Auch geäußerte Befürchtungen, Fracking würde die Erdbebengefahr erhöhen, sind unbegründet. Im Gegenteil, nach weltweit vorliegenden Daten ist die Gewinnung von Schiefergas mittels Fracking mit einem geringeren Erdbebenrisiko verbunden als die – erlaubte – Förderung von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten. Beben, die andernorts durch das Verpressen mitgeförderter Lagerstättenwässer aufgetreten sind, lassen sich bei ausreichender Kenntnis des Untergrunds vermeiden und sind außerdem nicht Fracking-spezifisch. 

Der „brennende Wasserhahn“ aus dem 2010 produzierten Film „Gasland“ ist manchen als eindrucksvolle Videosequenz in Erinnerung. Er rührt jedoch nicht aus der Förderung von Frackinggas, sondern von natürlichen Faulgasen her, die stellenweise im flachen Grundwasser anzutreffen sind

Aus geowissenschaftlicher Sicht ist der Einsatz der Technologie sicher und umweltverträglich möglich.

In Kenntnis der kontroversen Diskussion zu Fracking in Medien und Öffentlichkeit haben die staatlichen Geologischen Dienste Deutschlands als neutrale Fachbehörden bereits 2013 erklärt: „Sofern die gesetzlichen Regelungen und die technischen Standards eingehalten und detaillierte standortbezogene Voruntersuchungen durchgeführt werden, ist der Einsatz der Technologie aus geowissenschaftlicher Sicht sicher und umweltverträglich möglich.“ 

Damit die in Deutschland entstandene Gasversorgungslücke von 50 Milliarden Kubikmeter gedeckt wird, ist es richtig, den Bau von LNG-Terminals anzugehen. In Kauf genommen wird jedoch, dass LNG (= liquefied natural gas) aus Übersee auf dem Spotmarkt hochpreisig und aufgrund von Verflüssigung und Transport des Erdgases mit einem hohen CO2-Fußabdruck verbunden ist. Demgegenüber ist jeder Kubikmeter heimisch gefördertes Erdgas ein Beitrag zur Kostensenkung und zum Klimaschutz

Erst Gas, dann Wärme 

Wegen der langen horizontalen Tiefbohrstrecken sind die Eingriffe in die Landschaft überschaubar. Von einem fußballfeldgroßen Bohrplatz könnte Schiefergas im Umkreis von 50 Quadratkilometern gewonnen werden. Technisch hat sich in den letzten Jahren einiges getan, denn mit moderner Bohrtechnik werden in den USA heute Tiefbohrungen in ein bis zwei Wochen abgeschlossen. In wenigen Monaten kann ein Bohrplatz errichtet und eine Schiefergasbohrung in Produktion gebracht werden. 

Es kommt einem ökologischen und ökonomischen Schildbürgerstreich gleich, das inländische Schiefer- und Flözgaspotenzial nicht zu nutzen.

Außerdem können erschöpfte Fracking-Bohrungen noch jahrzehntelang gute Dienste leisten: bei der klimaneutralen, regenerativen und grundlastfähigen Energieversorgung mit Erdwärme – ein Aspekt, der bislang wenig Beachtung gefunden hat. Denn die in der Tiefe verlegten Horizontalbohrungen – zehn oder mehr von einem Bohrplatz aus – könnten sich für eine geothermische Nutzung als besonders geeignet erweisen. Da Fracking-Bohrungen oft schon nach fünf Jahren erschöpft sind, ist die Erdwärmegewinnung eine Perspektive für die nähere Zukunft. 

Zu Unrecht keine Akzeptanz 

Das Frackingverbot wurde nicht aus Umweltschutzgründen, sondern offenbar interessengeleitet erlassen. Nach Stand der Technik bemisst sich das (niedrige) Restrisiko von Schäden durch eine Tiefbohrung unabhängig davon, ob in großer Tiefe gefrackt wird oder nicht. Im Rahmen der Energiewende ist das Land auf die „Brücke“ Erdgas noch viele Jahre angewiesen.

Vor diesem Hintergrund kommt es einem ökologischen und ökonomischen Schildbürgerstreich gleich, das inländische Schiefer- und Flözgaspotenzial nicht zu nutzen. Eine Förderung könnte in wenigen Jahren starten. Wie bei der Errichtung von LNG-Terminals müssten dazu Genehmigungsverfahren durch beschleunigende Vorprüfungen verkürzt werden. Die größte Herausforderung für Fracking ist der Mangel an Akzeptanz. An Argumenten, diese zu gewinnen, mangelt es nicht. 

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Conclusio

Unter entsprechend strengen behördlichen Auflagen ist Fracking ein sicheres Verfahren. Denn Befürchtungen über Grundwasserverunreinigungen und erhöhte Erdbebengefahr sind in Europa unbegründet. Inländisches Fracking-Gas wäre um ein Vielfaches klimafreundlicher als importiertes Flüssiggas und böte eine Reihe von politischen und ökonomischen Vorteilen. Zudem ließen sich die Bohrungen nachhaltig für Geothermie nutzen. Schon ab 2026 könnte Deutschland jährlich ein Mehrfaches der mit Katar vereinbarten LNG-Liefermengen inländisch fördern – kostengünstiger, unter strengeren Umweltauflagen und mit erheblich weniger CO2- und Methan- Emissionen. Das größte Problem dieser Technologie ist ihr schlechter Ruf, der vor allem auf Unkenntnis beruht. Hier ist die Politik gefordert. 

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