Der Denkfehler der Gentechnik

Die neue wie die alte Gentechnik macht just denselben Fehler, den die industrielle Pflanzenzüchtung immer schon machte: Sie vergisst den Boden. Gentechnik steht einer Landwirtschaft, die mit sehr viel weniger Dünger, Diesel und Pestiziden auskommt, im Weg.

Illustration von drei Händen, die Saatgut in Erde halten
Eine Pflanze ist nur so gut wie der Boden, in dem sie wächst. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Falscher Weg. Gentechnik ist nicht die Lösung, sondern unter den gegenwärtigen Bedingungen Teil des Problems, weil sie weiterhin auf Vereinheitlichung setzt.
  • Unnötige Pestizide. Erst die Einheitlichkeit von Pflanzen und Äckern hat die Landwirtschaft in die Abhängigkeit von Pestiziden geführt.
  • Überflüssiger Dünger. Mineralische Dünger sind verzichtbar, wenn man das Bodenleben schützt, etwa durch Fruchtfolgen, Mulch, Zwischen- und Untersaaten.
  • Vielfalt als Ertragsmotor. Mehr Ertrag bei weniger Input an fossiler Energie und Pflanzengiften ist möglich, denn der eigentliche Ertragsbringer ist Biodiversität.

Mein Einwand gegen die Gentechnik ist grundsätzlicher Art – nicht, weil an Gentechnik selbst etwas auszusetzen wäre oder weil sie „gefährlicher“ wäre als andere Formen der Pflanzenzüchtung, sondern weil ihr Ansatz auf einem folgenschweren Denkfehler beruht: Auf dem Irrglauben nämlich, die Eigenschaften einer Pflanze – wieviel Ertrag sie bringt, wie gut sie sich gegen Krankheitserreger wehren kann und wie gut sie Dürre oder schwere Niederschläge übersteht – könnten allein durch Veränderung ihrer Gene beeinflusst werden.

Solange die Pflanzenzüchtung den Vorstellungen aus dem vorigen Jahrhundert verhaftet bleibt, bleiben ihre Versprechen auf stabile Erträge und Ernährungssicherheit ein Mythos: Alle Veränderungen, die auf einzelnen Genen oder Genabschnitten basieren, werden durch natürliche Auslese schnell wieder ausgehebelt. Dass dies so ist, liegt an der Biologie: Eine Pflanze ist kein isolierter Einzelorganismus, sondern Teil eines komplexen Systems unzähliger weiterer Organismen. Das bisschen Gentechnik, das wir können, ist nichts im Vergleich zu dem, was die Biologie kann.

Nur mit Gentechnik mehr Ertrag?

Wenn wir Pflanzen wollen, die mit dem Klimawandel klarkommen, gute Erträge haben, und kaum Pestizide brauchen – ja, das ist möglich! –müssen wir uns um dieses System bemühen. Das nennt sich angewandte Agrarökologie und ist so ziemlich das komplette Gegenteil dessen, was die Pflanzenzüchtung bisher anstrebte.

Statt möglichst einheitlicher Felder mit möglichst einheitlichen Pflanzen geht es darum, möglichst viele möglichst verschiedene Pflanzen auf einem Acker zu haben. Statt an den Pflanzen herumzudoktern, müssen wir versuchen zu beeinflussen, wie diese miteinander und mit den unzähligen Mikroorganismen im Boden interagieren. Denn diese Bakterien, Pilze und Kleinstlebewesen sind entscheidend: Sie sind das Immunsystem der Pflanzen, sie schützen vor Dürre- und Hitzestress und sind der einzige Weg, den die Landwirtschaft beschreiten kann, soll sie eine Zukunft haben.

Beginnen wir mit der Resistenz gegen Schädlinge und Krankheiten: Die Resistenz einer Pflanze gegenüber einem Krankheitserreger, einem Pathogen, beruht natürlicherweise darauf, dass die Pflanze diesen Krankheitserreger oder einen Teil des Krankheitserregers erkennt, etwa anhand eines bestimmten Proteins. Das ist bei unserem Immunsystem ähnlich. Pathogene – Bakterien, Pilze und Viren zum Beispiel – reagieren darauf, indem sie mutieren, sie verändern sich: Ungefähr bei jeder 10.000sten Reproduktion kommt es zu einer Mutation. Auf diese Weise werden Pathogene virulent, das heißt, in übertragenem Sinne „resistent“ gegen die Verteidigungsmechanismen der Pflanzen. Sie passen sich so an, dass sie möglichst leicht in einen Wirtsorganismus eindringen können.

Wenn diese Anpassung auf einem typischen Acker mit genetisch identischen Pflanzen geschieht, hat ein Pathogen auf einen Schlag einen reich gedeckten Tisch vor sich. Nun gibt es aber nicht nur ein Pathogen, sondern unzählige. Das Problem ist: Die Pathogene sind vielfältig, die Pflanzen sind es nicht, oder nicht mehr. Den Myriaden von Pathogenen steht heute typischerweise eine Kulturpflanze gegenüber, die jedes Jahr exakt dieselbe genetische Aufmachung hat, weil es das ist, was die Saatgutproduzenten verkaufen. Was können wir erreichen, wenn wir einzelne Gene dieser Kulturpflanze verändern? Nicht viel – das sagt einem bereits der gesunde Menschenverstand.

Das Mikrobiom – verkannt und überlebenswichtig

Wenn wir von einer Pflanze sprechen (oder auch von jedem beliebigen Organismus) bedenken wir meist nur den kleinsten Teil dieses Organismus: Bei einer Pflanze denken wir an Blätter und Blüten, vielleicht noch an einen Stengel, Zweig oder Stamm. Bereits Wurzeln fallen uns nicht spontan ein. Tatsächlich sind alle Organismen aber Holobionten.

Foto von Pflanzenwurzeln im Boden.
Ohne Pflanze kein Boden, ohne Boden keine Pflanzen: Pflanzen, Bakterien, Pilze und Nematoden bilden ein gemeinsames Netzwerk zum Schutz vor Krankheiten und Stress. © Getty Images

Das bedeutet, sie bestehen aus eigenen Zellen, aber zugleich aus den Zellen von Bakterien und Pilzen, einem Mikrobiom. Auch Viren können eine Rolle spielen. Im menschlichen Körper beispielsweise sind 90 bis 99 Prozent aller Zellen die Zellen von Mikroorganismen. Während wir rund 22.000 Gene von unseren Eltern erben, erben wir rund acht Millionen Gene von den Bakterien unserer Eltern.

Für uns und alle lebenden Organismen ist dieses Mikrobiom überlebenswichtig. Pflanzen unterhalten komplexe Austauschbeziehungen mit dem Mikrobiom des Bodens, um sich zu ernähren: Sie „füttern“ Bakterien und Pilze mit dem Kohlenstoff, den sie als CO2 aus der Luft entnehmen und erhalten zum Beispiel Stickstoff, Phosphor und andere Nährstoffe die von den Mikroorganismen verfügbar gemacht werden. Mykorrhizapilze, die im Boden und dicht an und in den Wurzeln der Pflanze ein eng geknüpftes feines Netzwerk bilden, können einen erheblichen Teil des Phosphors, den eine Pflanze braucht, bereitstellen. Der Austausch zwischen Pflanzen und Mikroorganismen sorgt dafür, dass es überhaupt so etwas wie Boden gibt.

Der Austausch zwischen Pflanzen und Mikroorganismen sorgt dafür, dass es überhaupt so etwas wie Boden gibt.

Das Mikrobiom ist aber nicht nur ein Nährstofflieferant und produziert mit der Pflanze den Boden, sondern es ist auch das Immunsystem der Pflanze: Es schützt sie vor Pathogenen und bei Stress wie etwa Trockenheit oder Hitze. Zahllose Pilze und Bakterien sind auf jeweils bestimmte pathogene (also krank machende) Pilze, Bakterien und Nematoden und anderes spezialisiert und töten sie ab.

Der Beitrag des Mikrobioms für den Pflanzenschutz kann gar nicht überschätzt werden. In der jüngeren Forschung spricht man von einem „Verteidigungsbiom“ für die Pflanzen, denn ohne dieses Mikrobiom ist die Pflanze schutzlos. Von der Zusammensetzung des Mikrobioms hängt es daher ab, wie vital eine Pflanze und wie hoch der Ertrag eines Ackers ist.

Antibiotika im Boden

Eigentlich müsste man annehmen, dass die Landwirtschaft dieses System Pflanze-Boden fördert. Doch das Gegenteil ist der Fall. Nicht nur weiß man immer noch erschreckend wenig über die Zusammenhänge, der Boden wird auch systematisch zerstört. Mit weitreichenden Folgen für unsere Gesundheit: Man geht heute davon aus, dass zahlreiche Krankheiten des Menschen auf ein Ungleichgewicht bei der Zusammensetzung des Mikrobioms zurückzuführen sind. Diese „Dysbiosen“ gibt es auch bei Pflanzen. Sie sind unter anderem eine Folge des Einsatzes von Pestiziden. Bedenken Sie etwa, wie krankheitsanfällig Sie sind, wenn Sie eine Zeitlang Antibiotika einnehmen mussten. So geht es auch den Pflanzen. Die Unkrautvernichter, Insektengifte und Pilzgifte sind nichts anderes als Antibiotika.

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Zahlen & Fakten

Foto von Reispflanzen in trockenem Boden
Reispflanzen in Italien Anfang Juli 2022: Die Pflanzen sind nur halb so hoch wie sie sein sollten. Dürre kam, nachdem die Landwirte bereits alles investiert hatten. © Getty Images

Das Pestizid-Problem

  • Keine genauen Daten: Es gibt keine transparenten Daten in der EU, welche und wieviel Pestizide ausgebracht werden. Laut aktuellem Pestizid-Atlas wurden 2019 in der EU 478.389 Tonnen Pestizide gegen Pilze, Bakterien, unerwünschte Unkräuter usw. eingesetzt, in Österreich 2020 insgesamt 3.424 Tonnen. Der Verbrauch an Pestiziden steigt kontinuierlich.
  • Abhängige Pflanzen: Hybridzüchtung und gentechnische Resistenzzüchtungen zwingen Landwirte, Saatgut zu kaufen, das den Einsatz von Unkrautvernichtern und Insektiziden mit sich bringt.
  • Mega-Business: Pestizide machen einen Großteil der Gewinne der Agrochemie-Konzerne aus. Allein mit Glyphosat verdiente Bayer im Jahr 2018 insgesamt 841 Millionen US-Dollar. Für 2023 wird ein Weltmarkt-Wert bei Pestiziden von 130 Milliarden Dollar prognostiziert.
  • Klimaschädlich: Bereits die Herstellung von Pestiziden ist ein Klimaproblem, weil unter anderem sehr viel Erdgas gebraucht wird. So wird sehr viel Methan freigesetzt – ein besonders gefährliches Treibhausgas.
  • Keine Prüfung: Die Auswirkungen von Pestiziden werden anhand einzelner Wirkstoffe im Labor geprüft, nicht aber die Wirkung, die sie kombiniert haben. Die Auswirkungen auf den Boden und auf Ökosysteme werden in der EU gar nicht untersucht.
  • Gesundheitsgefahr: Weltweit sterben rund fünf Millionen Menschen jährlich wegen Keimen, die gegen alle Antibiotika resistent geworden sind.

Die vermeintlichen Pflanzenschutzmittel vernichten die Biodiversität im Boden und sorgen dafür, dass nur die Bakterien und Pilze überleben, die resistent werden. Das heißt, die Pathogene mutieren, während jene Mikroorganismen, die für die Pflanze wichtig sind, verdrängt werden. Die Landwirtschaft ist damit nicht nur eine Ursache von Antibiotikaresistenz. Indem sie die Biodiversität des Bodens zerstört, zerstört sie zugleich auch die Widerstandskraft der Pflanze.

Zugleich hat die moderne Pflanzenzucht die genetische Vielfalt der angebauten Pflanzen drastisch reduziert. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert ist Gleichförmigkeit das primäre Zuchtziel – im Übrigen nicht so sehr wegen der Erträge, sondern weil Gleichförmigkeit eine Voraussetzung für eine industrialisierte Landwirtschaft ist. Nicht nur ernähren wir uns (und unsere Nutztiere) heute im Wesentlichen von nur vier Pflanzenarten – Weizen, Mais, Soja, Reis –, wir haben auch die Sortenvielfalt drastisch minimiert. Von 30.000 Reissorten sind weltweit nur etwa zehn wirtschaftlich bedeutsam; bei den Tomaten ist es ähnlich: rund zehn Sorten werden gehandelt, aber 20.000 verschiedene Sorten gibt es.

Das Chemie-Modell kommt an sein biologisches Ende.

Eine nicht ganz zufällige Nebenfolge der genetischen Verarmung ist die Abhängigkeit der Kulturpflanzen von Dünger und von Pestiziden. Die Chemie muss ersetzen, was das Mikrobiom des Bodens ganz natürlich, in der richtigen Dosierung und ganz umsonst macht oder vielmehr machen würde: die Pflanze nähren und sie schützen.

Dieses Chemie-Modell kommt nun aber an sein biologisches Ende, denn die Pilze, Insekten und „Unkräuter“, die schädlich sind für die Pflanzen, sind längst resistent gegen die meisten der Gifte, das wir auf den Feldern verteilen, und die Erträge sinken, auch wenn wir mehr und mehr düngen. Noch besteht unsere Reaktion darin, den Düngereinsatz und den Pestizideinsatz zu erhöhen, doch nicht zuletzt angesichts der Kosten, die allein der Mineraldünger verursacht, ist dies nicht länger haltbar.

Landwirtschaft: Ein künstliches System

Was hat dies alles nun mit Gentechnik zu tun? Aus meiner Sicht versucht Gentechnik Probleme zu lösen, die wir erst durch die Züchtung geschaffen haben; Probleme, die entstanden sind, weil wir das System Landwirtschaft so derart in die Künstlichkeit getrieben haben. Das zugrundeliegende Problem ist nämlich die Vereinheitlichung unserer Pflanzen, die Vereinheitlichung auf den Feldern und die Abhängigkeit dieser vereinheitlichten Pflanzen von Düngern und Pestiziden. Wir brauchen mehr Diversität und nicht weniger, wenn die Landwirtschaft (und damit wir) überleben soll. Gentechnik kann diese Diversität nicht herstellen, denn diese Diversität muss umfassend sein und den Boden mit einbeziehen.

Wir können es uns jetzt nicht mehr leisten, weiterhin auch nur einen Kubikzentimeter Boden zu verlieren.

Noch einmal zur Erinnerung: Ertrag und Krankheitsresistenz sind abhängig von den Mikroorganismen, und die sind im Boden. Stabile, dauerhafte Resistenzen lassen sich gentechnisch nicht herstellen. Die Mikroorganismen brauchen wiederum die Pflanzen, denn nur so bildet sich Boden und nur so sind die Pflanzen vor Krankheiten geschützt. Nur das Bodenleben, vor allem die Pilze, kann Pflanzen mit (nicht fossilen) Nährstoffen versorgen.

Wir können es uns jetzt nicht mehr leisten, weiterhin auch nur einen Kubikzentimeter Boden zu verlieren. Wenn wir die organische Masse im Boden nicht erhalten und weiter aufbauen, wird es in Zukunft keinen Ertrag mehr geben.

Foto eines Feldes mit Pflanzen
Die Börde in Sachsen-Anhalt hat besonders humusreiche Böden. Intel wird hier 2023 eine Chip-Fabrik errichten. Der Boden wird abgetragen und auf andere Felder verbracht werden. © Getty Images

Sie werden sich jetzt wahrscheinlich fragen, wie wir denn dann die Pflanzen fit machen sollen für den Klimawandel und woher denn bitte die Erträge kommen sollen, wenn wir auf Mineraldünger und Pestizide verzichten. Der Weg zu einer Landwirtschaft, die ohne fossile Rohstoffe auskommt und die Menschheit ernähren kann, ist weniger kompliziert, als man uns oft weismachen will. Und dieser Weg führt nicht über die Manipulation der Pflanze, sondern über die Anbaumethoden und den Boden.

Vier Schritte für weniger Dünger und Pestizide

Zuerst müssen wir aufhören zu pflügen. Wenn wir untere Bodenschichten regelmäßig nach oben kehren, verbrauchen wir sinnlos viel Energie und vernichten Bodenlebewesen, die auf bestimmte Schichten spezialisiert sind und die auch genau dort gebraucht werden.

Wir müssen außerdem aufhören, den Boden durch Maschinen zu verdichten, die inzwischen so schwer sind wie ein Saurier. Die Maschinen sind Energiefresser, CO2-Quellen, teuer und nehmen Pflanzen und Mikroorganismen den Sauerstoff. Verdichteter Boden kann überdies kein Wasser halten, ist also kein guter Partner für die kommenden Trockenzeiten. Zwar konnte unter anderem unsere Forschung zeigen, dass Pflanzen dankenswerterweise erstaunlich schnell darin sind, einen verdichteten toten Boden wiederzubeleben, aber wir sollten es gar nicht mehr dazu kommen lassen.

Gentechnik und Boden: Foto von Kleegras in einem Weizenfeld
Kleegras als Untersaat in einem Weizenfeld bietet Schutz vor Erosion und Austrocknung, unterdrückt unerwünschte Unkräuter und düngt die Pflanze. © Getty Images

Wir brauchen Fruchtfolgen. Zu oft bauen wir über mehrere Jahre immer dieselben Getreide und Feldfrüchte hintereinander an. Für die schädlichen Mikroorganismen ist das natürlich ideal, weil sie sich wunderbar anpassen können. Somit verbrauchen wir von Jahr zu Jahr mehr Dünger und Pestizide. Fruchtfolgen sorgen im Gegensatz dazu für Ausgleich. Wir stärken damit jene Mikroorganismen, die die Pathogene bekämpfen und die Nährstoffe produzieren. Mit einer so einfachen Maßnahme wie Vielfalt kann man den Einsatz von Pestiziden und von Dünger reduzieren.

Pflanzen sind als organischer Dünger nicht zu toppen.

Das Allerwichtigste: Wir brauchen so viel Pflanzenmaterial wie möglich. Pflanzen sind als organischer Dünger nicht zu toppen. Sie tragen dreißig bis 60 Prozent ihrer Stoffwechselprodukte in ihre Wurzeln und somit in den Boden. Dies kommt nahezu gänzlich den Mikroorganismen zu Gute, die wiederum Nährstoffe produzieren. Der Gründünger sorgt außerdem dafür, dass diese Nährstoffe nicht ins Grundwasser ausgewaschen werden.

Im Moment machen wir den Fehler, diesem Kreislauf das organische Material zu entziehen. Im Sommer ernten wir alles ab, sodass der Boden einen großen Teil des Jahres frei liegt. Diese Brachen müssen wir durch Zwischensaaten ersetzen, zum Beispiel durch Grünsaaten und Leguminosen wie etwa Klee. Schon bei der Aussaat der Erntepflanzen sollten wir Untersaaten säen, die nach der Ernte stehen bleiben und dem Boden das Material zurückgeben. Aber dazu braucht es dafür angepasste Arten und Sorten, hier sollte die Züchtung aktiv werden.

Schutz vor Trockenheit und Bränden

Was ist nun mit dem Hitze- und Trockenstress? Wie gesagt, erreicht man schon sehr viel, wenn der Boden nicht verdichtet ist und statt Mineraldünger Gründünger eingesetzt wird. Dies ergibt einen Boden, der besser durchlüftet und kühler ist und Wasser gut speichert. Weil das Mikrobiom im Gleichgewicht ist, können wir auf Pestizide verzichten.

Darüber hinaus ist zum Beispiel das Mulchen eine effiziente Methode, Hitze- und Trockenstress weiter zu minimieren, unerwünschte Pflanzen fernzuhalten, den Schädlingsbefall zu begrenzen und den Ertrag zu steigern. In einem Forschungsprojekt konnten wir 2017 für die Kartoffel zeigen, dass Mulchen mit Heu die Erträge um 51 Prozent steigert und Kleegras-Mulch sogar 71 Prozent mehr Ertrag bringt. Abiotischer Stress durch Hitze, Trockenheit und heftige Niederschläge lässt sich zusätzlich durch Bäume und Hecken abmildern. Diese Barrieren bilden zudem einen Schutz vor der Verbreitung von Pathogenen und Heimat für viele Tiere.

Der Preis für Dünger, Diesel und Pestizide entspricht nicht annähernd den wahren Kosten.

Wenn das alles so einfach ist, warum macht man es dann nicht schon längst so? Die Gründe, warum die agrarökologische Bewirtschaftung bisher nur eine Nische ist, sind vielfältig. Noch immer sind die fossilen Rohstoffe, weil sie subventioniert werden, zu billig im Vergleich zu dem, was menschliche Arbeitskraft kostet. Der Preis für Dünger, Diesel und Pestizide entspricht nicht annähernd den wahren Kosten.

Viele gesetzliche Bestimmungen sind auf die weitere Vereinheitlichung der Nutzpflanzen ausgerichtet, sie schreiben ihre Einheitlichkeit sogar vor, wenn die Saaten gehandelt werden sollen. Die letzten Jahrzehnte waren von starken Konzentrationsprozessen in der Agrarindustrie geprägt, mit dem Ergebnis, dass heute einige wenige Konzerne den Saatgutmarkt beherrschen. Syngenta, DuPont-Dow und Bayer-Monsanto teilen sich 60 Prozent des Saatgutmarktes auf, gemeinsam mit Corteva dominieren diese Firmen auch den Markt für Agrochemikalien.

Foto eines brach liegenden Feldes, das bewässert wird.
Bewässerung auf einer Feld-Brache im Mai 2022 in den Niederlanden. Extrem trockene Frühjahre wird in Zukunft häufig geben. © Getty Images

Angesichts dessen ist es wohl nur zu verständlich, wenn Umweltgruppen und unabhängige Saatgut-Initiativen der neuen Gentechnik und einer möglichen Ausnahmeregelung im EU-Gentechnikgesetz misstrauisch gegenüberstehen. Diese Unternehmen haben großes Interesse daran, eine kommerzialisierbare Technologie zu erhalten, mit der sich ihr Saatgut patentieren lässt. Ein Umdenken und der notwendige Schutz der Biodiversität ist von diesen Konzernen wohl nicht zu erwarten.

Weil von einem Umdenken aber die Zukunft unserer Ernährung abhängt, wäre es aus meiner Sicht ein fataler Fehler, Verfahren der neuen Gentechnik wie CrisprCas vom Gentechnik-Gesetz auszunehmen. Wie gesagt, nicht vor allem deshalb, weil ich sie für gefährlich halte, sondern weil die ökonomischen Umstände zur Vorsicht zwingen. Überdies ist die Gentechnik ungeeignet, die Probleme der Landwirtschaft zu lösen.

Während also der ökonomische und gesetzliche Druck die industrialisierte Landwirtschaft fördert, fehlt es an Anreizen für die Landwirte, die Bodenqualität zu erhöhen. Subventionen sind immer noch an Fläche und Ertrag gekoppelt und mit dem Krieg in der Ukraine kam prompt wieder die Forderung nach einem Aussetzen der Biodiversitätsflächen; soeben wurde auch erwartbar die Brachflächennutzung für die landwirtschaftliche Produktion in der EU verlängert.

Es wäre aus meiner Sicht kontraproduktiv, nun Humuszertifikate an Landwirte zu vergeben, die die Bodenqualität verbessern, denn diese Landwirte haben mit einem besseren Boden auch höhere Erträge und somit Einnahmen. Was wir stattdessen – jetzt mehr denn je – brauchen, sind wirtschaftliche Hilfen für den agrarökologischen Umbau, denn für diesen sind Investitionen in andere Maschinen notwendig und nach Jahrzehnten der inputintensiven Industrialisierung fehlt auch bei vielen Landwirten mittlerweile das Wissen.

Wenn der ökologische Umbau geschafft ist, ist kein finanzieller Ausgleich mehr notwendig. Das vermeintliche Wunder ist dann geschafft: Mehr Ertrag bei weniger Input.

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Conclusio

Setzt man auf Gentechnik, statt die Agrarsysteme auf eine nachhaltige Produktion umzustellen, vertut man die womöglich letzte Chance, die Fruchtbarkeit der Böden wieder zurück zu gewinnen beziehungsweise was noch da ist zu erhalten. Die bisherige Pflanzenzüchtung setzte auf Einheitlichkeit und hat damit erst die Probleme geschaffen vor denen die Landwirtschaft heute steht: Die Abhängigkeit von fossilen Düngern und Pestiziden. Mit einem agrarökologischen Ansatz, der das Mikrobiom des Boden schützt und es für den Schutz und die Ernährung der Pflanzen einsetzt, ist es möglich, mit einem wesentlich reduzierten fossilen Input mehr Ertrag zu erwirtschaften.

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