Ohne Handwerk keine Zukunft

Akademiker haben wir genug! Der Gesellschaft fehlen Nachwuchs-Handwerker. Und zwar viele. Wir müssen – und können – den jungen Menschen zeigen: Es lohnt sich, auf eine Lehre zu setzen.

Maschinenbaulehrlinge im Siemens-Ausbildungszentrum in Berlin. Der Lehre gehört die Zukunft.
Lehrlingsausbildung bei Siemens in Berlin. Unternehmen haben viele Möglichkeiten, eine Lehre attraktiv zu machen. © Getty Images

Der Bauboom der letzten Jahre beschert den Handwerkern übervolle Auftragsbücher. Gleichzeitig haben Bauherren und Institutionen größte Schwierigkeiten, überhaupt einen Handwerker zu bekommen. Das Geld liegt quasi auf der Straße – und keiner hebt es auf. Das ist doch irre. Hinzu kommt, dass uns die Corona-Pandemie sehr deutlich vor Augen hält, welche Relevanz das Handwerk für das Funktionieren unserer Gesellschaft im Allgemeinen hat, ja sogar für das Funktionieren des gesamten Systems.

Selbst in einer weltweiten Gesundheitskrise, deren Entwicklung und Auswirkung kaum vorhersehbar waren und noch immer sind, können die Menschen nicht auf die Handwerkerinnen und Handwerker verzichten. Funktioniert ein Krankenwagen nicht, brauchen Sie einen Mechaniker. Fließt kein Strom, brauchen Sie einen Elektriker, und wenn Sie Büros für amtliche Sonderstellen in Zeiten einer Pandemie einrichten müssen, brauchen Sie einen Schreiner. So einfach ist das. Sicher gab es auch bei dem ein oder anderen Betrieb Umsatzeinbußen und Rückgänge in der Auftragslage, aber insgesamt hat sich die Branche in der Krise gut behauptet.

Wir sind überakademisiert

Nun sagen uns die Statistiken aber, dass in den nächsten Jahren 300.000 bis 400.000 Handwerksbetriebe in Deutschland einen Nachfolger suchen werden. Viele erfahrene Meister gehen in den Ruhestand, und wenn niemand diese Betriebe weiterführt, gehen sie verloren. Stellen Sie sich das mal vor! Es fehlt uns schlicht an Nachwuchs-Handwerkern. Dieser Mangel an Fachkräften ist eine Thematik, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Wir brauchen junge Menschen, die diese Aufgabe übernehmen möchten, sonst haben wir als Gesellschaft ein Problem und nicht mehr nur das Handwerk. In Deutschland gibt es viel zu viele Studenten und viel zu wenig Lehrlinge. Wir sind überakademisiert. Wenn es kaum noch Elektriker gibt, sitzen Soziologen, Politologen und Philosophen in dunklen Büros. Kurzum: Wenn niemand mehr einen Hammer halten kann, bringt uns das nicht voran. Auch deshalb brauchen wir ein Einwanderungsgesetz, weil es Menschen braucht, die bereit sind, diese Aufgaben zu übernehmen und anzupacken.

Wenn es kaum noch Elektriker gibt, sitzen Soziologen, Politologen und Philosophen in dunklen Büros.

Was wir jetzt erkennen müssen und wofür wir geradezu werben müssen, ist: Diese problematische Situation bietet den jungen Menschen eine riesige Chance auf Erfolg im Leben, nämlich in einem Handwerksberuf. Ein junger Mensch, der Spaß an Erfolgen und Siegen hat, kann heute recht leicht einen Betrieb übernehmen und sein eigenes Unternehmen führen und aufbauen. Clevere Handwerker können dabei schnell mehr verdienen als Mediziner. Eine gut geführte Firma im Baugewerbe, im Metall- oder Maschinenbau wirft mit zehn bis zwanzig Mitarbeitern gut und gerne eine Betriebsrendite zwischen 100.000 und 200.000 Euro pro Jahr vor Steuern ab. Dagegen ist ein Mediziner oft 30 Jahre alt, bis er Assistenzarzt mit relativ bescheidenem Gehalt ist. Tüchtige Handwerker machen aus ihrem Betrieb dabei fast schon Industrieunternehmen. Wir sehen das auch bei unseren Kunden. Ich kenne einen Malerbetrieb mit beinahe eintausend Mitarbeitern.

Handwerk per Smartphone

Gleichzeitig sind im akademischen Umfeld die Berufe sehr spezialisiert, sehr nischenorientiert. Doch meist wissen die einen dann nicht mehr, was die anderen eigentlich genau machen. Dafür wissen sie in ihrem Fachgebiet unglaublich viel. Im Handwerk ist das nicht so stark ausgeprägt. Unsere Handwerker sind vielfach noch echte Allrounder. Das Bedienen einer NC-gesteuerten Maschine beherrschen sie genauso, wie den Umgang mit komplizierten Messgeräten. Und trotzdem kommen sie um den altgedienten Schraubendreher, den Bohrschrauber oder die Säge eben nicht herum. Doch die neuen Technologien, die sich ja stetig weiterentwickeln, halten auch im Handwerk Einzug. Der Einsatz von Drohnen beispielsweise oder die Steuerung und Überwachung der eigenen Maschinen per Smartphone und einer zugehörigen App sind ganz interessante Beispiele. Auch das Handwerk digitalisiert sich.

Handwerker sind vielfach noch echte Allrounder.

Wichtig ist, dass wir jungen Menschen eine Lehre im Handwerk – aber auch in allen anderen Bereichen – schon in der Schule als Alternative zum Studieren aufzeigen. Viele Studentinnen und Studenten brechen ihr Studium ab und entscheiden sich dann erst für eine Ausbildung. Sie haben zu diesem Zeitpunkt aber bereits vier oder fünf Semester an der Universität verbracht, bevor sie feststellen oder sich vielleicht indirekt eingestehen, dass das nicht das Richtige ist und sie doch lieber mit ihren Händen arbeiten. Wir müssen den Kindern und genauso den Eltern wieder vor Augen führen, dass eine Lehre im Handwerk oder jedem anderen Bereich eben keine Ausbildung zweiter Klasse ist, sondern ganz schlicht ein anderer Weg zu beruflichem Erfolg – und damit in eine sichere Zukunft.

Mach was!

Daher engagieren wir uns in der Nachwuchsförderung. Ein Projekt meines Unternehmens, das ich an dieser Stelle erwähnen möchte, ist die Aktion „Mach was! Der Handwerkswettbewerb für Schulteams“: ein Wettbewerb, an dem sich die Schulen im Bundesgebiet mit einem Projekt zur Verschönerung ihres Pausenhofs oder des Schulgeländes bewerben können. Die besten Ideen bekommen 1.000 Euro Fördergeld von uns, und wir vermitteln einen professionellen Handwerker aus unserem Kundenkreis, der bei der Umsetzung unterstützt. So führen wir die Kinder spielerisch an das Handwerken heran, zeigen ihnen die Potenziale dieses Berufsstandes auf, und ein wenig Spaß soll es den jungen Menschen natürlich auch machen. Und ich bin immer wieder erstaunt, welch kreative Ideen dabei herauskommen. Von autonomen Gewächshäusern oder Fahrradüberdachungen mit Ladestationen für E-Bikes ist alles dabei.