Geld ins Feuer der Inflation

Die Europäische Zentralbank war jahrelang untätig, nun heizen EU und viele Regierungen in Europa die Inflation noch an, indem sie Preise deckeln statt zu sparen.

Zeichnung eines Feuers, das mit einem Feuerlöscher gelöscht wird, wobei statt Löschmittel Geld aus dem Feuerlöscher kommt. Die Zeichnung soll den Zusammenhang von Inflation und Geldpolitik zeigen.
Eine hohe Inflation kann nur durch restriktive Geldpolitik eingedämmt werden. © Itziak Barrios
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Auf den Punkt gebracht

  • Preistreiber. Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist neben Lieferengpässen und dem Ukrainekrieg die Ursache der Inflation.
  • Versagen. Die Europäische Zentralbank hätte die Zinsen bereits vor zwei Jahren erhöhen müssen, damit es nicht zur Inflation kommt.
  • Austerität. Statt zu investieren und Preise zu deckeln, sollten die Staaten ihre Ausgaben senken, um so Preisanstiege zu vermeiden.
  • Fairness. Die unteren Einkommensgruppen sowie bestimmte Unternehmen und Industrien sollten vom Staat einen Ausgleich erhalten.

Endlich Inflation! Das Aufatmen in der Ökonomenschaft war im vergangenen Herbst unüberhörbar. Jahrelang hatte man gepredigt, die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) sei ein Nährboden für Inflation. Doch die Preise wollten einfach nicht steigen. Lange Zeit dösten die Teuerungsraten weit unter den angestrebten zwei Prozent pro Jahr.

Zwar ließ sich rückblickend recht gut erklären, warum die Verbraucherpreise nicht nach oben gingen, aber allmählich mehrten sich doch Zweifel an den grundlegenden Theorien der Geldpolitik. In der Folge schossen alternative, leicht esoterisch angehauchte Konzepte ins Kraut, in denen Vater Staat selbst am Geldhahn sitzt und die Inflation auf- und zudrehen kann. Eine recht verstörende Idee.

Aber dann gingen die Inflationsraten endlich nach oben. Praktisch die ganze Welt war 2021 voller Tatendrang aus dem Corona-Stillstand erwacht. Doch für einen globalen Aufschwung dieser Größenordnung fehlte es an allem – an Rohstoffen, an Energie, an Transportkapazitäten. Das knappe Angebot traf auf Notenbanken, die weltweit das Geld aus dem Fenster warfen, und Regierungen, die dasselbe taten, um die Nachfrage hoch zu halten. Entsprechend stark stiegen die Preise.

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Zahlen & Fakten

Als die EZB seelenruhig zusah, wie das Zwei-Prozent-Ziel im Rückspiegel immer kleiner wurde, war den meisten klar, was es geschlagen hatte. Der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn hatte sein Buch „Die wundersame Geldvermehrung“ schon in den Regalen platziert, als manche die Realität noch leugneten: Nur „Basiseffekte“ seien für die höhere Inflation verantwortlich, erklärten sie, weil doch die Preise während Corona so niedrig waren. Der Rest komme eben von der allgemeinen Profitgier der Konzerne und bedürfe wohl kaum einer näheren Erklärung. Die EZB solle jetzt bloß nicht an der Zinsschraube drehen, weil das gegenüber den Schuldenkönigen des europäischen Südens unfair wäre. Der Spuk werde auch so bald vorbei sein.

Die drei Quellen der Inflation

Doch Ende Februar überfällt eine durchgefrorene russische Armee die Ukraine. Während die Ukrainer zu den Waffen greifen, entscheidet sich der empörte Rest Europas für einen Wirtschaftskrieg. So eine Art von Krieg sollte doch anstrengungslos zu führen und mit Homeoffice bestens vereinbar sein. In seltener Einigkeit beschließen die EU-Staaten ein Sanktionspaket nach dem anderen. Doch Putin hat den entscheidenden Trumpf in der Hand. Er dreht am Gashahn und lässt dadurch die Energiepreise in Europa in die Höhe schnellen. Nun ernährt sich die Inflation schon aus drei Quellen: lockerer Geldpolitik, Lieferengpässen, Ukrainekrieg. Was jetzt?

Es folgt eine europäische Chronologie des Versagens. In Brüssel schläft man nach den Strapazen der Sanktionspakete den Schlaf der Gerechten. Über den Sommer kommen nur noch gelegentlich müde Vorschläge, welche Oligarchen man noch mit Einreise verboten belegen und wessen Yacht man noch beschlagnahmen könnte. Aber ansonsten lässt Brüssel die Mitgliedstaaten vor sich hin wursteln.

Das Prinzip der Preisdeckel

Und wie sie wursteln! Strompreisdeckel, Strompreisbremsen, Strompreisrabatte. Dasselbe für Gas. Dasselbe für Benzin. Dazu unzählige Zuschüsse, Ausgleiche, Boni, Prämien und Kompensationen für alles Mögliche. Noch nie war Politik so einfach. Die Regierungen verteilen die Milliarden. Aus der Coronaprämie wird flugs die Teuerungsprämie. Voilà! Wieder etwas geschafft.

Natürlich fallen auch Späne, wo so emsig gehobelt wird. Dann bleiben eben die Tankstellen in Slowenien oder Kroatien wegen der gedeckelten Spritpreise einmal geschlossen. Zu Fuß gehen ist eh viel gesünder. Und ein paar Milliarden für einen weitgehend nutzlosen Strompreisdeckel in Spanien oder die Verstaatlichung ausgelaugter Energieversorger in Frankreich wird man ja wohl noch haben.

Foto von Marktständen unter einer Bahntrasse in der Dämmerung.
Ein Marktstand in Wien im November 2022: Für Österreich kündigt sich eine Rezession an. © Getty Images

Auch in Österreich muss sich die Regierung inzwischen eher für das Geld rechtfertigen, das sie nicht ausgibt. In Tirol und Vorarlberg waren die Gesichter lang, als klar wurde, dass der Westen von der Strompreisbremse kaum profitieren würde, weil die Strompreise dort unglücklicherweise nicht hoch genug sind.

Eine Unachtsamkeit, aus der Wien inzwischen gelernt hat: Beim Energiekostenzuschuss für energieintensive Unternehmen wurde der zulässige Beihilfenrahmen so weit ausgequetscht, dass garantiert niemand um die Förderung umfällt. Jetzt nur nicht nachlassen! Unsere Nachfahren werden doch dereinst nicht so genau wissen wollen, wie wir durch die Energiekrise von 2022 gekommen sind, oder?

Doch – werden sie! Wobei sich ihre Fragen erübrigen dürften, wenn sie einen Blick in die Haushaltsbücher werfen: Wir versuchen gerade, uns aus einer Inflationskrise herauszukaufen, und treiben die Teuerung durch die überbordenden Ausgabenprogramme nur noch weiter an. Eine einzelne Milliarde ist kaum noch eine Pressekonferenz wert – sämtliche Dämme sind gebrochen.

Bei Inflation sind hohe Staatsausgaben fatal

Klar, der erhobene Zeigefinger mit Blick auf die kommenden Generationen nervt. Aber wer sonst sollte die Rechnung bezahlen? Unsere Kinder und Enkel werden sich in einer Welt wieder-finden, in der sie unsere Schulden abstottern, unsere Pensionen zahlen und unsere klimapolitischen Verfehlungen ausbaden dürfen – nur weil wir in der größten Energiekrise seit Menschengedenken keinerlei Zumutung zu schultern bereit waren.

Waren andere Länder etwa besser? Ja, allerdings! Auch in den USA kletterten die Inflationsraten auf über neun Prozent. Aber dort unterzeichnete Präsident Biden im August den Inflation Reduction Act (IRA). Dieser sieht unter anderem vor, das Haushaltsdefizit zu reduzieren und kräftig in Erneuerbare zu investieren. Also das genaue Gegenteil von dem, was Europa versucht, wo die Defizite hochgefahren und fossile Energieträger subventioniert werden.

Kein Mensch glaubt natürlich, dass Bidens Plan wirklich die Inflation senken kann. Aber dafür ist ohnehin die Notenbank zuständig. Eine Regierung sollte nur versuchen, die Inflation nicht durch ausgedehnte Staatsausgabenprogramme noch zu befeuern.

Europa folgt dem Beispiel der USA

Diese Erkenntnis ist an uns Europäern leider vorübergegangen. Die deutsche Bundesregierung lässt nun satte 200 Milliarden Euro regnen, ungefähr das halbe Bruttoinlandsprodukt Österreichs. Für die Deutschen ist das kein Problem; ein „Sondervermögen“ ist auf dem Papier schließlich schnell aufgestellt. Weil die Kassen in der Realität aber leer sind, sucht man überall angestrengt nach neuen Einnahmequellen. 

Foto von Protesten mit vielen Plakaten, die vor dem Hintergrund der Inflation und der Geldpolitik ein Ende des Krieges und einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern fordern.
London, 5. November 2022: Demonstrationen gegen die Sparmaßnahmen der Regierung. © Getty Images

Warum nicht zum Beispiel schon versteuerte Gewinne noch einmal versteuern? Auch in Österreich finden manche nichts Falsches daran, den staatseigenen Energieunternehmen in die Taschen zu greifen, um jene -Gewinne, die in Wind- und Wasserkraft hätten investiert werden sollen, nun auch noch planlos zu verpulvern. Zum Glück hat die Nationalbank ihre Goldreserven teilweise im Ausland versteckt, sonst wären sie wohl ebenfalls schon im türkis-grünen Zerstäuber gelandet.

Aber wir wollen fair bleiben. Natürlich müssen Haushalte, die ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen können, Unterstützung bekommen. Hier sollte der Staat nicht knausern. Aber dafür sollte er von oben nach unten verteilen und nicht von der Zukunft in die Gegenwart.

Auch Teile der Wirtschaft brauchen Hilfe, um am Leben zu bleiben. Das ist ordnungspolitisch zwar Wahnsinn, aber es würde die Inflation noch verschärfen, wenn Österreich die halbe Industrie tatenlos vor die Hunde gehen ließe. Wirklich gute Wege gibt es im Moment leider nicht. Auf jeden Fall verkehrt ist nur das, was Europa aktuell tut: das Geld mit vollen Händen zu verteilen und sich dafür über Generationen zu verschulden. Wenn die Regierung etwas bewirken will, dann sollte sie Brüssel aufwecken. Europa muss begreifen, dass die Feinde unseres Wohlstands in Moskau sitzen und nicht an der Strombörse in Leipzig.

Inflation und Geldpolitik für Putin

Wladimir Putin dürfte sich köstlich darüber amüsieren, wie leicht wir zu spalten sind und uns gegen unser eigenes System richten, statt gegen ihn. Zum Glück dürfte sich die Sache mit dem russischen Gas nun ohnehin bald erledigt haben. Daher wäre es in der EU jetzt wichtiger denn je, endlich die gemeinsame Gasbeschaffung auf den Weg zu bringen, um auf dem Weltmarkt als Einkaufskartell aufzutreten.

Dann würde der Gaspreis, der Dreh- und Angelpunkt unserer misslichen Lage ist, stark sinken. Eine Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energieträger könnte außerdem zügig dafür sorgen, dass wir den Strompreis vom Gaspreis entkoppeln. Das ist nicht nur eine Frage des Geldes, dafür braucht es auch den politischen Willen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Foto eines Menschen, der vor einem großen Gebäude in einem Denkmal schläft, das Denkmal stellt einen Soldaten dar und hat eine Grube.
Buenos Aires 2022: Die Statistikbehörde Argentiniens schätzt, das rund 8,8 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut leben und obdachlos sind. Für 2022 erwartet Argentinien eine Inflationsrate von 72,4 Prozent. © Getty Images

Die Krise verstehen und dann geschlossen handeln: Das wäre eine bessere Strategie als der Versuch, die Probleme dauerhaft mit Geld zuzudecken. Den Rest muss ohnehin die EZB besorgen. Auch in Frankfurt hat man den Wecker zu lange klingeln lassen.

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Conclusio

Die Coronakrise ist noch gar nicht verdaut, da pumpen die Staaten Milliarden und Abermilliarden in die Volkswirtschaften, um die Folgen der Teuerung abzufedern. Das Problem dabei: Das viele Geld muss einmal zurückbezahlt werden. Derzeit wird alles gestützt, selbst Personen, die das gar nicht benötigen. Wir verteilen von der Zukunft in die Gegenwart um. Doch damit nicht genug: Die Hilfen verschlingen nicht nur gewaltige Mittel, sondern heizen die Preise weiter an. Viel zielführender und effizienter wären Maßnahmen, um das Energieangebot auszuweiten und die Preise zu drücken. Dazu zählen ein gemeinsamer europäischer Gaseinkauf und der Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Den Rest sollten die internationalen Notenbanken erledigen, die eigentlich für Preisstabilität zuständig sind.