Die wahren Gründe der Inflation

Was sind die Gründe für die Inflation, drohen Lohn-Preis-Spiralen, und was hat der Klimaschutz mit der Teuerung zu tun? Pragmaticus-Experten liefern die Antworten auf die zehn wichtigsten Fragen zur Inflation.

Illustration von Alltagsprodukten, die durch Inflation teurer werden, mit steigender Preisskala und Geldmünzen
Die Preise für Produkte und Dienstleistungen des alltäglichen Lebens ziehen seit 2021 spürbar an. © Getty Images

Am 4. März 2021 sagte der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz: „Die Inflationswarner liegen völlig daneben.“ Drei Monate später, am 21. Juni 2021, äußerte sich Paul Krugman – ebenfalls Nobelpreisträger – mit den Worten: „Ich glaube nicht, dass es erforderlich sein wird, auf die Bremse zu treten.“ Und am 24. September 2021 versprach EZB-Chefin Christine Lagarde: „Wir werden 2022 zu viel mehr Stabilität zurückkehren, da viele der Ursachen für höhere Preise vorübergehend sind.“ Nun sieht die Realität ganz anders aus. Die Inflation ist wieder da. Warum? Und was bedeutet die Inflation? Zehn Experten geben Antworten.

Frage 1: Heizen Notenbanken die Energiepreise an?

Illustration von Kristoffer Hansen
Kristoffer Hansen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig. © Andreas Leitner

Die Energie- und Rohstoffpreise sind in jüngster Zeit stark gestiegen. Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, hat einen Zusammenhang mit der Geldpolitik der EZB bestritten. Drei Gründe sprechen dagegen. Erstens beeinflussen die Zentralbanken die Konjunktur. Die Preise steigen, wenn die Zinsen niedrig sind, die Wirtschaft boomt, und deshalb wächst die Nachfrage nach Energie und Rohstoffen. So war es von 2001 bis zur globalen Finanzkrise 2008, als der Ölpreis von 18 auf 140 Dollar stieg.

  • Erstens beeinflussen die Zentralbanken die Konjunktur. Die Preise steigen, wenn die Zinsen niedrig sind, die Wirtschaft boomt, und deshalb wächst die Nachfrage nach Energie und Rohstoffen. So war es von 2001 bis zur globalen Finanzkrise 2008, als der Ölpreis von 18 auf 140 Dollar stieg.
  • Zweitens begünstigen niedrige Zinsen Spekulation auf den Rohstoffmärkten. Denn ist das Geld billig, dann ist das Casino eröffnet. Sinkt darüber hinaus das Vertrauen in eine Währung, setzt eine Flucht in Sachwerte ein. Energieträger und Rohstoffe sind wie Immobilien und Aktien Sachwerte.
  • Drittens halten die energie- und roh­stoffexportierenden Länder große Dollar- und Euroreserven. Ist die Inflation in den USA und dem Euroland hoch, dann können diese – wie in den 1970er-Jahren – ihre Marktmacht nutzen, um mit Preiserhöhungen die Kaufkraftverluste auszugleichen. Stark steigende Energie- und Rohstoffpreise haben starke Verteilungswirkungen. In den rohstoffimportierenden Ländern kommt es zu Kaufkraftverlusten der Arbeiter- und Mittelschicht. Deshalb federn derzeit viele Regierungen mit zentralbankfinanzierten Hilfen die sozialen Folgen der Inflation ab. Das hält jedoch die Nachfrage nach Energie und Rohstoffen aufrecht, sodass die Preise hoch bleiben und noch mehr Geld in Umlauf gelangt. Die aktuelle Energie- und Rohstoffpreisinflation ist damit auch der Geldpolitik geschuldet.

Frage 2: Drohen nun Lohn-Preis-Spiralen?

Illustration von Tim Sepp
Tim Sepp ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig. © Andreas Leitner

Im April lag die Inflationsrate in Deutschland und Österreich bei über sieben Prozent. Beteuerungen von EZB-Vertretern, dass die In­flation nur vorübergehend sein würde, wurden widerlegt. Mittlerweile erklärt Christine Lagarde, dass sie keine Anzeichen für Lohn-Preis-Spiralen sieht, die in den 1970er-Jahren weltweit die Inflation nach oben geschraubt haben. Damals hat die Finanzierung des Viet­namkriegs mit Hilfe der US-amerikanischen Zentralbank die Inflation losgetreten. Die Gewerkschaften glichen den Kaufkraftverlust durch hohe Lohnforderungen aus. Da die Unternehmen die steigenden Lohnkosten in Form höherer Preise weitergaben, wurden neue Lohnerhöhungen nötig.

Seit Einführung des Euro 1999 waren geringe Inflationsraten in aller Welt das wichtigste Argument für zurückhaltende Lohnabschlüsse. Außerdem hielten mögliche Produktionsverlagerungen nach China die Gewerkschaften in Schach.

Die steigende Alterung und Absicherung von Arbeitsplätzen könnten eine Lohn-Preis-Spirale wie in den USA in Gang setzen.

Mit der Corona-Krise wurde die Produktion weltweit eingeschränkt, während die Staaten mit Hilfe der Zentralbanken Arbeitsplätze sicherten und viel Geld in Umlauf brachten. Da mit der zuletzt stark gestiegenen Inflation die Reallöhne sinken, wächst der Handlungsdruck.

In den USA haben die großzügigen Corona-Hilfen und das immense Konjunktur- und Infrastrukturprogramm der Regierung Biden den Arbeitsmarkt leergefegt. Die Löhne steigen, weil die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer gewachsen ist.
In Deutschland hat die Regierung eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns angekündigt. Die steigende Alterung und die großzügige Absicherung von Arbeitsplätzen könnten bald eine Lohn-Preis-Spirale wie in den USA in Gang setzen.

Frage 3: Beflügelt Klimaschutz die Inflation?

Illustration von Agnieszka Gehringer
Agnieszka Gehringer ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Köln. © Andreas Leitner

Der bereits vor dem Ukraine-Konflikt ausgerufene Kampf gegen den Klima­wandel kann die Energiepreise und damit auch die Preise vieler anderer Güter und Dienstleistungen nach oben treiben, wie die von EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel zuletzt geprägten Begriffe einer „Fossilflation“, „Klimaflation“ oder auch „Greenflation“ nahelegen. Gleichzeitig richtet die EZB ihre Geldpolitik neu auf den Klima­wandel aus. Im Zuge ihrer jüngsten Strategieüberprüfung hat sie einen klimabezogenen Aktionsplan verabschiedet, der die Geldpolitik verändern soll.

Für die Sicherheiten, die für Kredite der EZB notwendig sind, soll die Nachhaltigkeit eine Rolle spielen. Die Wertpapierkäufe der EZB sollen an den Zielen des Abkommens von Paris ausgerichtet werden. Als höchste Finanzmarktaufsicht im Euroraum plant die EZB Klimastresstests für die Banken.

Wenn die EZB für das Klima ihr eigentliches Ziel der Preisstabilität vernachlässigt, könnte die Inflation steigen.

Das grüne Engagement der EZB bleibt jedoch umstritten. Die Notenbank vernachlässigt damit nicht nur ihr Mandat der Preisstabilität. Sie wagt sich auch in einen Bereich vor, der nach den europäischen Verträgen nicht in ihren Kompetenzbereich fällt: die Industriepolitik.

Doch ist die EZB in der Lage, die Aus­wirkungen ihrer Entscheidungen auf das Klima richtig einzuschätzen? In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass selbst die Inflationsprognosen der EZB nicht treffsicher waren. Da das Klima ein sehr komplexes Phänomen ist und die Nachhaltigkeit von Unternehmen sich nur schwer zu quantifizieren lässt, könnte die EZB erneut danebenliegen. Wenn die Euro-Notenbank für das Klima ihr eigentliches Ziel der Preisstabilität vernachlässigt, könnte die Inflation noch höher sein, ohne dass dem Klima geholfen wäre.

Frage 4: Beeinflussen Immo­bilien die Teuerung?

Illustration von Alexander Herborn
Alexander Herborn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig. © Andreas Leitner

Die Wohnimmobilienpreise steigen steil an, zuletzt um neun Prozent im Euroraum. Zugleich ist die Geldpolitik der EZB unverändert expansiv. Die Zinsen liegen weiter bei null, und die EZB kauft in großem Umfang Staatsanleihen. Das treibt Menschen dazu, die Flucht in Sachwerte wie Immobilien anzutreten.

Dass die EZB bisher nicht auf die Immobilienpreisinflation reagiert hat, liegt auch an der Inflationsmessung. Im sogenannten Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) des europäischen Statistikamts Eurostat werden die Kaufpreise von eigengenutzten Häusern und Wohnungen nicht berücksichtigt.

Immer mehr junge Menschen im Euroraum werden vom Erwerb einer Wohnimmobilie ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu anderen Ländern wie den USA oder der Schweiz erfasst Eurostat nur Kaltmieten. Seit 1994 wird in der EU die Rolle von selbst genutzten Wohnimmobilien bei der Inflationsmessung umfassend diskutiert. Die Europäische Kommission und die EZB haben es aber noch 2018 ab­gelehnt, Wohnimmobilienpreise bei der Inflationsmessung zu berücksichtigen. Ein Grund war, dass es im Gegensatz zum HVPI keinen monatlich veröffentlichten Index gab.

Nachdem seit Jahren die Immo­bilienpreise in vielen Ländern des Euroraums stark gestiegen sind, hat die EZB jüngst vorgeschlagen, eigengenutztes Wohnen ab 2026 in die Inflations­messung mit einzubeziehen. Nicht zuletzt aufgrund der mit den Preissteigerungen verbundenen sozialen Verwerfungen dürfte ein früherer Zeitpunkt erstrebenswert sein. Denn immer mehr junge Menschen im Euroraum werden vom Erwerb einer Wohnimmobilie ausgeschlossen.

Frage 5: Welchen Einfluss hat die Geldmenge?

Illustration von Thomas Mayer
Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute. © Andreas Leitner

Der rasante Anstieg der Inflation hat viele Beobachter überrascht. Zunächst dachte man, er komme als Reaktion auf die Wiederbelebung der Wirtschaft nach dem Ende der pauschalen Lockdowns und sei vorüber­gehend. Als sich das als Fehleinschätzung erwies, begab man sich auf die Spurensuche und zerlegte den allgemeinen Anstieg in verschiedene Komponenten, von den Preisen für Rohstoffe über Zwischenprodukte bis zu Endprodukten.

Aus der Diagnose „vorübergehend“ wurde die Diagnose „etwas länger andauernd“. Nun richtet man das Augenmerk auf die Löhne und verzeichnet in den USA einen – auch wieder als vor­übergehend eingestuften – Anstieg und gibt für die Eurozone Entwarnung.

Die gestiegene Geldmenge treibt die Preise für Ver­mögenswerte und nun auch die Preise für Konsumgüter.

Dabei lohnt sich ein Blick auf die Geldmenge: Von den meisten unbeobachtet, schoss diese nach oben und stand Ende 2021 in den USA um 46 Prozent und in der Eurozone um 22 Prozent über ihrem Durchschnittswert von 2019.

Dagegen lag das nominale Bruttoinlandsprodukt Ende 2021 in den USA nur um 12 Prozent und in der Eurozone um 4 Prozent über seinem Durchschnittswert von 2019. Der gewaltige „Geldüberhang“ kann weder durch einen schnellen Anstieg der Güterproduktion noch durch eine wesentlich höhere permanente Geldersparnis absorbiert werden. Die gestiegene Geldmenge treibt seit längerem schon die Preise für Ver­mögenswerte und seit Mitte 2021 nun auch die Preise für Konsumgüter.

Frage 6: Warum nicht einfach die Preise begrenzen?

Illustration von Tina Zeinlinger
Tina Zeinlinger ist Volkswirtin und Journalistin beim deutschen Magazin „WirtschaftsWoche“, Mitverfasserin des Podcasts „Money Mates“. © Andreas Leitner

Im Kampf gegen steigende Inflation werden die Forderungen nach Preisstopps lauter, insbesondere bei Energie. Um die Auswirkungen des seit Monaten anhaltenden Anstiegs der Energiepreise, der durch den Ukraine-Krieg zusätzlich befeuert wurde, einzudämmen, rabattiert etwa Frankreich Kraftstoffe mit 15 Cent pro Liter. Dazu hat die Regierung in Paris die Gaspreise eingefroren und den Anstieg der Strompreise auf 4 Prozent gedeckelt. Immer mehr Länder ergreifen vergleichbare Maßnahmen.

In Deutschland und in Österreich wurden milliardenschwere „Antiteuerungs­pakete“ vorgestellt. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat die Preise für Weizenmehl, Zucker und Kuhmilch gedeckelt. Für Politiker sind solche Preiskontrollen verführerisch: Sie werden zu Helden, wenn sie die Verteuerung lebenswichtiger Güter und Dienstleistungen verbieten. Orbán will insbesondere Familien schützen, die für ihn eine wichtige Wählerschicht sind.

Die Katze beißt sich am Ende des Preisdeckel-Rodeos in ihren eigenen Schwanz.

Preiskontrollen haben jedoch einen Haken: Sie stören den Marktmechanismus. Denn steigende Preise machen Knappheiten spürbar. Sie lassen Unternehmen erkennen, wenn mehr nach­gefragt wird, und geben einen Anreiz, das Angebot zu erhöhen. Wird der Preisanstieg verhindert, dann kommt es zu Versorgungsengpässen. Die Menschen beginnen die knappen Güter zu horten, was die Nachfrage zusätzlich erhöht.

Da gedeckelte Preise die Gewinne der Unternehmen drücken, bleiben dem Staat zwei Optionen: Entweder er lässt Unternehmen bankrottgehen, oder aber er erhält sie mit Subventionen am Leben, um Arbeitslosigkeit zu verhindern. Dann steigen die Ausgabenlasten. Wer einen Schritt weiterdenkt, erkennt: Umfassende Preissubventionen sind nur dann möglich, wenn die Notenpresse heiß läuft. Die Katze beißt sich am Ende des Preisdeckel-Rodeos in ihren eigenen Schwanz: Die anfangs anvisierte Eindämmung der Inflation mündet in noch mehr Geldmengenwachstum und zusätzlichen Inflationsdruck.

Frage 7: Verzerrt die lockere Geldpolitik den Markt?

Illustration von Karl-Friedrich Israel
Karl-Friedrich Israel ist Assistenzprofessor an der Université catholique de l’Ouest in Angers, Frankreich. © Andreas Leitner

Marktwirtschaft gründet auf Wett­bewerb, den Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek als Entdeckungsverfahren verstanden hat. Steigende und fallende Preise zeigen an, welche Produkte von den Konsumenten gewünscht werden und welche nicht. Erfolg und Misserfolg der Unternehmen sind die Konsequenz. Wer effizient Güter und Dienstleistungen produziert, die bei den Konsumenten beliebt sind, ist erfolgreich. Die anderen nicht. So werden Arbeitskräfte, Kapital und Rohstoffe effizient eingesetzt. Die Wirtschaft und die Einkommen wachsen.

Die ultralockere Geldpolitik führt dazu, dass die Wirtschaftsstruktur in eine falsche Richtung gelenkt wird.

Die ultralockere, inflationäre Geldpolitik stört diesen Prozess, weil steigende Preise nicht mehr zwingend Folge einer steigenden Nachfrage sind. Von Zentralbanken finanzierte Hilfskredite schaffen sogenannte „Zombieunternehmen“: Betriebe, die ohne Finanzspritzen nicht lebensfähig wären. Große Unternehmen profitieren davon mehr, weil sie politische Entscheidungen über Subventionen und Ausgabenprogramme – zum Beispiel über Lobbying – besser beeinflussen können. Ist deshalb die deutsche Autoindustrie mit so hohen Gewinnen durch die Krise gekommen?

Große Unternehmen werden auf ­diese Weise vom Staat „am goldenen Zügel“ in eine politisch vorgegebene Richtung ­gelenkt. Würde sich beispielsweise eines Tages herausstellen, dass Elektroautos doch keine Zukunft haben, dann wäre die Verschwendung von Ressourcen in der einschlägigen Industrie gewaltig. Die ultralockere Geldpolitik führt also dazu, dass Ressourcen in ineffizienten Produktionsstrukturen verbleiben und die Wirtschaftsstruktur in eine falsche Richtung gelenkt wird. Das unterminiert das Wachstum, und der Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten gerät unter Druck.

Frage 8: Wohin führten offene Geldschleusen in Japan?

Illustration von Taiki Murai
Taiki Murai ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig. © Andreas Leitner

Seit mehr als 30 Jahren verfolgt die Bank von Japan eine ultralockere Geldpolitik. Es überrascht, dass die Inflation trotzdem äußerst niedrig geblieben ist. Das hat drei Gründe:

  1. Erstens hat die Bank von Japan durch ihre zunehmend lockere Geldpolitik die Zinsen stets unter dem Zinsniveau der USA gehalten. Dadurch ist viel Kapital aus Japan abgeflossen, sodass die Kaufkraft ins Ausland verlagert und der Inflationsdruck gedämpft wurde.
  2. Zweitens konnten die Unternehmen Ersparnisse bei Löhnen und Zinsen in Form stabiler Preise an die Konsumenten weitergeben. Denn die Bank von Japan hat den durchschnittlichen Zins für Unternehmenskredite von 6,9 Prozent im Jahr 1990 auf heute 0,7 Prozent gedrückt. Außerdem zwang die nun schon 30 Jahre andauernde Krise die Arbeitnehmer zu zurückhaltenden Lohnforderungen, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
  3. Drittens ermöglichte es die Bank von Japan mit verstärkten Ankäufen von Staatsanleihen, dass die Regierung in Tokio mit umfangreichen Subventionen rund 50 Prozent des Verbraucherpreisindex kontrollieren konnte. Unter anderem wurden die Preise für Nahrungsmittel, Verkehr, medizinische Versorgung, Bildung, Wasser und Strom gedeckelt. Seit Ende Januar zahlt die Regierung Subventionen an Rohölgroßhändler, um den jüngsten Benzinpreisanstieg einzudämmen.

Das japanische Modell der Inflationskontrolle zeigt, dass die Regierung zwar mit Zinssenkungen und Subventionen die Inflation verstecken kann. Besser geht es den Japanern deshalb aber nicht! Das inflationsbereinigte Lohnniveau fällt seit mehr als 20 Jahren.

Frage 9: Wie geriet Argentinien in die Preisspirale?

Illustration von Nils Sonnenberg
Nils Sonnenberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW). © Andreas Leitner

Die Inflationserfahrungen in Argentinien sind lang und einschneidend. Seit der Gründung der Banco Central de la República Argentina im Jahr 1935 kam es zu zwei Hyperinflationen und vier Währungsreformen. Über die Zeit verschwanden 13 Nullen von den Geldscheinen. Der Grund ist die ständige Finanzierung von Staatsausgaben durch die Zentralbank, die als Hüterin einer stabilen Währung keinen guten Ruf hat. Die fehlende Unabhängigkeit zeigt sich auch darin, dass sich seit 1983 ein Zentralbankpräsident im Durchschnitt nur rund 500 Tage im Amt halten konnte.

Die ständige Finanzierung von Staatsausgaben durch die Zentralbank ließ 13 Nullen von den Geldscheinen verschwinden.

Die Inflation lag zuletzt bei über 50 Prozent. Sie schaukelt sich weiter auf, weil die Abwertung des Peso die Preise von importierten Gütern steigen lässt. Die Regierung versucht die Flucht der Menschen in den US-­Dollar mit Devisenmarktkontrollen in den Griff zu bekommen, was bestenfalls zeitweise gelingt. Der Schwarzmarktkurs des Peso gegenüber dem US-Dollar ist fast doppelt so hoch wie der offizielle Wechselkurs.

Mit der nächsten Anpassung des offiziellen Wechselkurses an den Schwarzmarktkurs wird auch die Inflation weiter nach oben springen. Der Wohlstandsverlust der Staatsfinanzierung über die Notenbank wird dann noch offensichtlicher werden. Die langen Inflationserfahrungen sind fest in das Gedächtnis argentinischer Familien eingebrannt. Der Peso ist inzwischen bloß ein reines Transaktionsmittel. Für die Bildung von Ersparnissen wird der US-Dollar genutzt.

Frage 10: Wie gut sagt die EZB die Inflation voraus?

Illustration von Heike Lehner
Heike Lehner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Geldpolitik und Umweltökonomie des Thinktanks Agenda Austria. © Andreas Leitner

Der Erfolg einer Währung steht und fällt mit dem Vertrauen der Bürger in deren Stabilität. Um dieses Vertrauen aufrechtzuerhalten, muss Geldpolitik vor allem eines sein: glaubwürdig. Doch genau diese Glaubwürdigkeit büßt die EZB gerade Schritt für Schritt ein.

Verantwortlich sind ihre Inflationsprognosen. Diese waren in der Vergangenheit meistens falsch. Dass Voraussagen aktuell noch schwieriger sind, dürfte wohl niemanden überraschen. Zum Beispiel musste die EZB im März ihre Inflationsprognose für 2022 von 3,2 auf 5,1 Prozent nach oben korrigieren. Das Problem ist die Kommunikation: Statt von Anfang an klar die Unsicherheit dieser Vorhersagen und auch die Gefahr einer längerfristig höheren Inflation zu betonen, redete die EZB die Sorgen der Bürger monatelang klein.

Illustration von den Inflationsprognosen der EZB in Gespensterform
Das Gespenst ist wieder da: Seit 2021 schießt die Inflation in den Himmel und übertrifft alle Prognosen der EZB. © Claudia Meitert

Eine glaubwürdige Zentralbank, die das Vertrauen der Bürger genießt, ist für stabile Preise ebenso wichtig wie die ökonomischen Rahmenbedingungen. Denn je größer das Vertrauen der Bevölkerung in das Handeln der EZB, desto besser kann die Zentralbank ihr angestrebtes Inflationsziel von zwei Prozent erreichen. Dann werden geringe Schwankungen erwartet, was die Preisstabilität fördert.

Hohe Inflationsraten, gepaart mit hoher Staatsverschuldung, führen die EZB in eine Sackgasse. Es bleibt zu hoffen, dass sie bei zu hohen In­fla­tions­prognosen trotzdem rechtzeitig eingreift. Schließlich ist eine glaub­würdige Zentralbank ausschlaggebend für das Vertrauen in eine Währung und damit für ein erfolgreiches Fortbestehen des Euro.