Karriere: Den Jungen steht die Welt offen

Die Jugend hat heute Jobchancen, um die sie ältere Generationen beneiden. Innovationen und eine vernetzte Welt bieten ganz neue Möglichkeiten, sich selbständig etwas aufzubauen.

Illustration einer Studentin mit Brille, Rucksack und Buch unterm Arm. Im Vordergrund sind verschiedene Hände zu sehen, die um ihre Aufmerksamkeit feilschen, zwei halten Geldscheine, eine weitere einen Vertrag.
„Generation Praktikum“ war gestern. Absolventen haben heute viel bessere Einstiegsmöglichkeiten. © Tibo Exenberger/Carolineseidler.com
×

Auf den Punkt gebracht

  • Lust auf Arbeit. Auch junge Menschen wollen beruflich erfolgreich sein, ein Eigenheim und eine Familie gründen.
  • Leistungsfeindlich. Hohe Steuern auf Arbeit machen klassische Karrieren weniger attraktiv, Junge streben häufiger nach Selbstständigkeit.
  • Chancen vorhanden. Heute können selbst kleine Einzelunternehmer ein Produkt oder eine Dienstleistung auf einem globalen Markt anbieten.
  • Zuversicht erhalten. Wo Reformen verschleppt wurden, wie in Italien, erstickt ein massiver Zukunftspessimismus den Tatendrang junger Menschen.

Die Sorgeninflation geht um. In den vergangenen Jahren hat so etwas wie die größte anzunehmende Verunsicherung für junge Menschen eingesetzt. Jedes Thema wird und wurde so lange bewirtschaftet, bis es ein Maximum an Drohpotenzial für die Generation junger Erwachsener darstellt; und zwar recht unabhängig davon, ob es um Digitalisierung, Globalisierung, den Klimawandel oder die allgemeine Wirtschaftslage geht. 

Weiterlesen

Dabei zeigt die Pragmaticus-Jugendstudie 2023: Die jungen Menschen sind selbst weniger fatalistisch als die Berichte über sie. Nur zwischen acht  Prozent (Schweiz) und 19 Prozent (Österreich) der jungen Menschen sehen ihre eigene Zukunft düster, zwischen 47 Prozent (Österreich) und 62 Prozent (Schweiz) hingegen sind zuversichtlich.

Das zeigt zweierlei: Erstens sind junge Menschen durchaus positiv gestimmt, was ihre individuelle Zukunft betrifft. Und zweitens scheint die Schweiz etwas besonders richtig zu machen, wenn junge Menschen dort so viel optimistischer in ihre eigene Zukunft blicken. Wo Eigenverantwortung und Bürgerbeteiligung groß geschrieben werden, ist der Glaube an die eigenen Fähigkeiten ausgeprägter.

Zudem zeigt die Jugendstudie auch nicht den großen Kulturbruch in Bezug auf die Arbeit. Die vermeintliche Scheu vor der Arbeit und allen materiellen Wünschen junger Menschen existiert vor allem in den Feuilletons von Zeitungen, aber nicht unbedingt in der Realität. Denn die „großen Drei“ halten sich durchaus trotz Klimakrise, Pandemie oder Rekordinflation: Auch junge Menschen heute wollen beruflichen Erfolg haben, Haus bauen (oder Wohnung kaufen) und eine Familie gründen.

Arbeiten lohnt sich für Jugend weniger

Diese drei zentralen Wunschvorstellungen sind ihnen immer noch wichtig. Nach der eigenen Gesundheit wünschen sich junge Menschen für die eigene Zukunft gerade auch materiellen Wohlstand, wie der Wunsch nach Eigentum zeigt. Was sich allerdings verändert hat, ist die Einschätzung, ob und wie diese Ziele umsetzbar scheinen. 

Dass die klassische Karriere bei jungen Menschen weniger gut angeschrieben ist und dafür die Selbständigkeit beliebter geworden ist, um sich die eigenen finanziellen Wünsche zu erfüllen, ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass die Steuersysteme in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend leistungsfeindlich geworden sind. Die gesamte Abgabenbelastung für den Durchschnittsverdiener in Österreich und Deutschland liegt bei 47,8 bzw. 48 Prozent der Arbeitskosten. Nur in Belgien ist sie höher.

Die Welt ist so „flach“ wie noch nie. Geografische Grenzen für die eigene unternehmerische Schaffenskraft gibt es weniger denn je.

Das ist in der Schweiz anders, in der die jungen Menschen wesentlich zuversichtlicher und auch selbstsicherer in die Zukunft schauen. Dort sind die Steuern wesentlich niedriger. Im Umkehrschluss können sich junge Menschen mit dem, was sie leisten, auch tatsächlich mehr leisten. Gerade für die Erfüllung des immer noch häufig geteilten Traums von den eigenen vier Wänden ist die hohe Belastung von Arbeitseinkommen eine Hürde. 

Und so verwundert es wenig, dass sich zum individuellen Optimismus eine zunehmend negative Sicht auf die Gesellschaft mischt. Gerade in Deutschland und Österreich sagen (zu) viele junge Menschen, dass es ungerecht zugehe, und nur jede und jeder Fünfte sieht zuversichtlich in die Zukunft der Gesellschaft.

Dabei findet die heute junge Generation in vielerlei Hinsicht auch Rahmenbedingungen vor, die ihr Rückenwind verschaffen. Und es gibt drei gute Gründe, warum junge Menschen im deutschsprachigen Raum jedenfalls zuversichtlich sein können, was ihre Zukunft betrifft.

Karriere weltweit

Die Welt ist so „flach“ wie noch nie. Geografische Grenzen für die eigene unternehmerische Schaffenskraft gibt es weniger denn je. Eintrittshürden können leichter überbrückt, Jobs im Ausland angenommen und Unternehmen ausgebaut werden. Das ist nicht nur in Europa so, das durch die Personenfreizügigkeit gerade für junge Menschen zu einem großen Arbeitsmarkt zusammengewachsen ist. Insbesondere die Möglichkeiten für kleine Einzelunternehmen, ein Produkt oder eine Dienstleistung auf einem globalen Markt zu verbreiten, sind heutzutage unvergleichlich.

×

Zahlen & Fakten

Wer beispielsweise ein Gefühl für Design hat, kann in kürzester Zeit Kunden von Hongkong bis zur US-Westküste akquirieren. Eine junge Journalistin kann in Mitteldeutschland wohnen und für Verlage in Großbritannien arbeiten. Ein Gründer kann heute so rasch eine Idee finanzieren wie noch nie. Während vor 33 Jahren noch mitten in Europa Mauern hochgezogen waren, können Selbständige heute in Österreich ein Unternehmen gründen und morgen schon Kunden im gesamten EU-Raum ansprechen. Das alles kann freilich noch unkomplizierter werden, ist aber heute wesentlich aussichtsreicher als noch vor einer Generation. Der Arbeitsmarkt ist zudem heute mit einer neuen „Mangelwirtschaft“ konfrontiert, die jungen Menschen in die Hände spielt.

Es zeichnet sich immer klarer ab, dass der demografische Wandel den Arbeitsmarkt schneller durcheinanderwirbelt, als viele vorhergesehen haben. Der Arbeitskräftemangel hat längst den Fachkräftemangel abgelöst. Die Pensionierungswelle der Babyboomer lässt das Arbeitskräftepotenzial im deutschsprachigen Raum schrumpfen – was aber auch heißt, dass viele Mitarbeiter eine bessere Bezahlung aushandeln können. 

Das bedeutet gerade für junge Erwachsene, dass sie plötzlich viel stärker umworben sind als früher. Und das betrifft fast alle Ausbildungsniveaus: Lehre, Schulabschluss, Uni-Absolventen. Es ergibt sich zunehmend ein „Arbeitnehmermarkt“, wie etwa der Chef des österreichischen Arbeitsmarktservice Johannes Kopf konstatiert. 

Selbständigkeit bei Jungen begehrt 

Diese Einschätzung kommt auch bei der Jugend an, wie die Pragmaticus-Studie zeigt: Schließlich sagt mittlerweile eine Mehrheit der jungen Menschen im deutschsprachigen Raum, dass sie keine Probleme haben wird, einen Job zu finden. Diese Aussicht ist für die heutige Jugend anders als vor 15 oder 20 Jahren, als noch die Mär von den verschwindenden Jobs verbreitet wurde und sich junge Menschen um Praktika anstellen mussten.

Selbständigkeit wird zudem immer stärker der Schlüssel zum Aufstieg, nicht mehr Bildung allein. Zwar zeigen Studien zur sozialen Mobilität immer und immer wieder, dass Bildung sehr wichtig ist für den gesellschaftlichen Aufstieg. Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen leiden seltener unter Arbeitslosigkeit, verdienen mehr, und Bildung ist auch eine wichtige Ressource für Gesundheit. Dass junge Menschen heute im Schnitt wesentlich besser ausgebildet sind als ihre Eltern, ist also mannigfaltig positiv.

Wöchentlich im Email

Doch Selbständigkeit und unternehmerische Risiken sind immer wichtigere Voraussetzungen dafür, um auch einen finanziellen Sprung zu schaffen. Es ist positiv, dass die Selbständigkeit sogar in so bürokratischen Gesellschaften wie Österreich und Deutschland unter jungen Menschen längst auch als wichtige Voraussetzung erkannt wird, um die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen. 

Alte Politik

Die Jugendstudie zeigt damit, dass die junge Generation schon wesentlich weiter ist als die Politik. Es ist die im schlechten Sinne „alte“ Politik, die ganz im Sinne der demografischen Mehrheit jenseits der Altersgrenze von 50 Jahren regiert, die auch das größte Risiko für optimistische Zukunftsprognosen darstellt. Denn dass junge Menschen nicht immun gegen die Sorgeninflation sind, stimmt natürlich insofern, als es um die Gesellschaft insgesamt geht.

Viel zu wenig Tempo beim Klimaschutz, verfehlte Geld- und Finanzpolitik, welche die Inflation außer Kontrolle geraten ließ, sowie ein Sozialstaat, der trotz immer wachsender Steuern und Abgaben als unzulänglich empfunden wird: Das bereitet Sorgen; und die Politik steht vor der wachsenden Herausforderung, trotz der wahrgenommenen Probleme nicht das Vertrauen der Jugend nachhaltig zu verlieren, sondern Lösungen aufzuzeigen.

Mahnendes Beispiel: Italiens Jugend 

Denn klar ist, dass der eigene Zukunftsoptimismus der jungen Generation auch rasch wieder enttäuscht werden könnte. Ein abschreckendes Beispiel dafür ist Italien, das in den vergangenen 25 Jahren einen ökonomischen Abstieg durchlebt hat, der seinesgleichen sucht. 

Der demografische Wandel muss nicht mit der Zerstörung der jungen Träume einhergehen, er kann mit gerechter Anpassung verbunden sein.

Dabei wurden viele schmerzhafte Anpassungen vor allem auf die jungen Menschen gewälzt: Arbeitsmarktreformen, Steuererhöhungen, Budgetpolitik. Privilegien der Vergangenheit wurden geschützt, man wurstelte sich durch eine ökonomische Malaise durch – die Kosten dafür wurden auf die kommenden Generationen geschoben. Das hat nicht nur die Solidarität in der Gesellschaft erschüttert, sondern auch zu einem massiven Zukunftspessimismus junger Menschen geführt.

Optimismus stärken

Die wichtigste Voraussetzung, um den individuellen Optimismus der jungen Menschen im deutschsprachigen Raum zu schützen und ihre Zuversicht in die gesellschaftliche Entwicklung zu stärken, wären seriöse Lösungen für die demografische Herausforderung und eine faire Verteilung der Chancen und Lasten auf Junge und Alte gleichermaßen. Denn der demografische Wandel muss nicht wie in Italien mit der Zerstörung der jungen Träume einhergehen, er kann wie in den nordischen Ländern mit gerechter Anpassung verbunden sein. Länger arbeiten? Klar. Nachhaltige Altersvorsorge? Natürlich. Fokus auf Zukunftsinvestitionen bei gleichzeitigem Schuldenabbau? Dank Reformen möglich.

Wie die Jugend muss auch die Politik die Herausforderungen realistisch einschätzen. Dass sich die Jugend in eigener Sache weiter so zuversichtlich zeigt, ist eine wichtige Ressource für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Die Politik muss den jungen Menschen allerdings mehr Gründe geben, trotz der medialen Sorgeninflation die allgemeinen Potenziale zu sehen.

×

Conclusio

Die Folgen der alternden Gesellschaft treten rascher ein als gedacht: Junge Menschen sind heute höchst gefragt am Arbeitsmarkt – über alle Ausbildungsstufen hinweg. Das ist den Jungen im deutschsprachigen Raum durchaus bewusst, wie die Pragmaticus-Jugendstudie 2023 zeigt: Eine Mehrheit rechnet damit, dass ihre persönlichen Karrierepläne aufgehen. Doch eine lohnende Arbeit zu finden wird durch die hohe staatliche Abgabenlast erschwert. Viele Junge wünschen sich, später einmal beruflich selbständig zu sein. Der Binnenmarkt, globale Vernetzung und neue Technologien machen Gründungen so leicht wie nie. Dagegen sind junge Italiener ein mahnendes Beispiel für eine entmutigte Generation. Die Politik hierzulande muss aufpassen, dass sie den Antrieb der Jugend nicht erstickt.