„Unternehmer, nehmt die B-Player!“

Der EU-Jugendbotschafter Ali Mahlodji stellt fest: Viele Unternehmer wissen gar nicht, wen sie eigentlich ansprechen, wenn sie junge Mitarbeiter gewinnen wollen. Damit vertun sie große Chancen für ihr Unternehmen.

Eine Skaterin oder ein Skater ist mit Schatten bei einem Sprung auf einer Bahn zu sehen. Das Bild illustriert ein Interview bei dem es um Jugend, Beruf und Karriere geht. Das Bild soll zeigen, dass junge Menschen Mut und eigene Vorstellungen haben.
„Jugendarbeit ist Beziehungsarbeit. Mich schockiert, dass Unternehmen nicht mit denen reden, um die es geht“, sagt Berater Ali Mahlodji im Interview. © Getty Images

Work-Life-Balance hier, Personal- und vor allem Fachkräftemangel dort: In der Politik und besonders in der Wirtschaft fragt man sich, wie lange sich die Sache mit dem Generationenvertrag noch ausgeht. Damit man junge Talente bekommt und hält, muss man ihre Lebensrealität verstehen, sagt der EU-Jugendbotschafter und Gründer der Plattform Watchado, Ali Mahlodji, im Interview. Noch wichtiger: Man muss sie machen lassen.

Hat die Pandemie junge Menschen bei der Karriereplanung entmutigt oder, im Gegenteil, widerstandsfähiger gemacht?

Ali Mahlodji: Jugendliche, denen vermittelt wurde, sie seien die verlorene Corona-Generation, bekamen Angst vor der Zukunft. Auch die wirtschaftlichen Aussichten veranlassen viele, sich zu fragen: Was für Zukunftschancen habe ich? Aber es gibt auch junge Menschen mit einem Umfeld, das ihnen sagt: Eure Großeltern haben in der Nachkriegszeit auch mit nichts begonnen und ihren Wohlstand aufgebaut. Diese jungen Menschen sind zuversichtlicher. Sie denken sich: Wir wissen nicht wie es kommt, vielleicht kommt es ja viel besser! Sie sind auch eher bereit, sich selbstständig zu machen. Wenn ich in Schulen oder Betriebe mit Jugendlichen ohne berufliche Perspektive geholt werde, rede ich immer zuerst mit den Eltern, den Lehrern oder Lehrlingsausbildern. Es bringt nichts, die Jungen aufzubauen, wenn ihr Umfeld ihnen die Hoffnung anschließend wieder nimmt.

Foto von Ali Mahlodji, de rmit einem schwarzen T-Shirt mit der Aufschrift Greatest on Earth an einen Basketballkäfig gelehnt steht, einen Basketball in der Hand hält und in die Kamera lächelt. Das Bild illustriert ein Interview mit ihm .
Der EU-Jugendbotschafter Ali Mahlodji in Wien. © Stefan Joham

Welche Fehler machen Unternehmen beim Anwerben der Generationen Y und Z?

Jugendarbeit ist Beziehungsarbeit. Mich schockiert, dass Unternehmen nicht mit denen reden, um die es geht. Sie beauftragen Marketingkonzepte bei externen Agenturen, anstatt ihre eigenen Lehrlinge zu fragen: Was müssen wir auf TikTok und Co tun, damit ihr zu uns kommt? In Deutschland ist man schon weiter. Hier sagt man Lehrlingen manchmal bereits: Überlegt euch eine Kampagne und macht auf unserem offiziellen Account so Lärm, wie ihr selbst angesprochen werden wollt. Unternehmen investieren viel zu wenig, um die Lebensrealität und Glaubenssätze der Jugendlichen zu verstehen. Wer in den letzten 20 bis 30 Jahren geboren wurde, ist daran gewöhnt, immer alles und gleich zu bekommen. Weil die Eltern sie beschützen wollen, haben wir eine Menge junger Menschen ohne Selbsterfahrung. Sie wissen nicht, wie man Krisen aussitzt oder sich in Geduld übt. Diese Fähigkeiten braucht man aber in einer Organisation. Und man wird auch nicht nach sieben Monaten Führungskraft. Gute Personalmanager setzen sich mit allen auseinander: mit dem Lehrling, der digitalen Nomadin, dem Vater in Teilzeit genauso wie mit dem Mitarbeiter, der kurz vor der Pension steht.

Was sollten Unternehmen tun, um speziell junge Talente mit Migrationshintergrund für sich zu gewinnen?

Der Handel und viele andere Bereiche sagen, dass sie keine A-Player mehr bekommen. Ich sage: Nehmt die B-Player und entwickelt sie weiter! Nutzt den türkischen Mitarbeiter, der bei euch eine Lehre gemacht hat und jetzt Filialleiter ist, als Role Model und Botschafter. Denn es spricht sich im Freundeskreis herum, wenn man als junger Mensch von Anfang an ernst genommen wird. Natürlich muss man sich auch auf Social Media präsentieren, aber kleine und mittlere Betriebe können sich hier einfach nicht gegen die großen Brands durchsetzen. Wichtig beim Recruiting ist auch, die (Groß-)Eltern als Einflussgeber mit anzusprechen – in deren Sprache und an deren Kultur angepasst. Es braucht also einen Mix.

Entscheiden sich junge Menschen mit Migrationshintergrund auch heute noch eher für die Selbstständigkeit?

Das trifft eher zu, wenn sie sonst nirgends reinpassen. Wenn sie vielleicht schon in der Schule nicht die besten waren, lernen sie früh, trotz Systembarrieren ihr Ding zu machen. Diese Fähigkeit muss man besonders dann stärken, wenn ihre Eltern überholte Rollenbilder vermitteln oder falsche Vorstellungen über eine Lehre haben. Das gilt aber auch für österreichische Eltern. Dann ist es gut, wenn Lehrer Menschen wie mich holen. Die erste Software-Entwicklerin war eine Frau und hieß Ada Lovelace. Das müssten Väter ihren Töchtern sagen – und dass sie das auch können. Technik-Unternehmen klagen ja, sie fänden nicht genug Frauen. Diese Betriebe ermuntere ich, die Berufsorientierungslehrer ihrer Region zu unterstützen und Schüler einzuladen, damit diese mit den schon angesprochenen Role Models sprechen können.

Sind Unternehmen erfolgreicher, wenn sie auf Diversität setzen?

Apple-Chef Tim Cook sagte vor ein paar Jahren bei einer Tech-Konferenz, Diversity sei künftig der wichtigste Erfolgsfaktor des Unternehmens. Und das nicht aus Nettigkeit, sondern weil Menschen und damit der Markt immer diverser werden. Man kann nicht Produkte bauen und Innovationen setzen, ohne die Verhaltensweisen, Träume und Sichtweisen da draußen zu verstehen. Dafür braucht es möglichst unterschiedliche Mitarbeiter. Studien zeigen ganz klar, dass diverse Unternehmen besser performen, wenn sie Impulse von außen mit der Kraft von innen lösen. Die meisten Unternehmen entdecken aber gerade erst, wie divers sie eigentlich sind.

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