Die Furcht der Autoren vor KI

Künstliche Intelligenz bedroht zahlreiche Jobs. Auch manche Autoren treibt die Furcht um, bald von einer KI ersetzt zu werden. Eine staatlich verordnete Pause oder gar ein Verbot der Technologie ist dennoch der falsche Weg.

Eine Autorin streikt vor den Fox Studios in Hollywood. Auf ihrem Schild steht: „KI hat keine Seele”
Mai 2023: Autorinnen der US-amerikanischen Film- und Fernsehindustrie streiken vor den FOX Studios in Hollywood. Sie fürchten unter anderem, dass ihre Jobs durch KI gefährdet sind. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Sorgen um Jobs. Auf der ganzen Welt fordern Vertreter von Kreativ-Branchen, dass Künstliche Intelligenz angehalten oder strenger reguliert wird.
  • Alte Muster. Disruptive Technologien stießen immer wieder auf Widerstand, ließen sich jedoch nicht aufhalten.
  • Werturteil. Beschwerden, dass nun vermeintlich höherwertiger Kopfarbeit die Automatisierung droht, haben Untertöne des Klassenkampfes.
  • Chancen. Jede neue Technologie braucht neue Regeln, aber die positiven Entwicklungen sollten dadurch nicht künstlich gehemmt werden.

Als Autor wird man dieser Tage mit düsteren Zukunftsaussichten konfrontiert. Die Medien überschlagen sich mit Prognosen darüber, wie Künstliche Intelligenz (KI) die Arbeitswelt verändern wird. Ihr Befund ist klar: Viele Jobs – vor allem jene, die mit Schreiben und Kommunikation zu tun haben – werden verschwinden, heißt es.

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Prompt fordert die österreichische „IG Autorinnen Autoren“ ein befristetes Verbot für Anwendungen wie den Chatbot ChatGPT, bis ein „gesetzlicher Rahmen“ dafür gefunden sei. Zuvor hatte bereits das US-amerikanische „Future of Life Institute“ zu einem Moratorium für KI aufgerufen und vor einer „tiefgreifenden Veränderung in der Geschichte des Lebens auf der Erde“ gewarnt. Und auch der prominente KI-Entwickler Geoffrey Hinton schmiss seinen Job bei Google und warnt seither öffentlich davor, dass kriminelle Akteure viel Böses anstellen und kaum daran gehindert werden könnten.

Chancen und Risiken der KI

Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach KI-Anwendungen enorm. ChatGPT ist die am schnellsten wachsende Anwendung weltweit. Die Menschen erkennen für sich offenbar einen großen Nutzen in der neuartigen Technologie. Kein Wunder, denn das Einsatzgebiet ist groß: Plötzlich gibt es ein Werkzeug, das einem Schreib- und Denkarbeit abnimmt. Die gebotene Qualität ist manchmal hervorragend, gelegentlich noch recht dürftig, doch die bereits gezeigten technischen Fortschritte lassen für die nahe Zukunft Großes erwarten.

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Zahlen & Fakten

Es stellt sich somit eine wichtige Frage: Wie geht man mit einer Technologie um, die viele Chancen, aber auch Risiken birgt? So neu das Thema KI für die breite Öffentlichkeit auch sein mag: sich mit disruptiven Innovationen auseinanderzusetzen, ist der Menschheit wohlbekannt. Spätestens seit der Industriellen Revolution gab es einen gigantischen technischen Fortschritt nach dem anderen. Diese haben im Großen und Ganzen zu mehr Wohlstand und Lebensqualität geführt.

Zugegeben: Es gibt viele Baustellen. Zum einen in der Ökologie: Die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse, indem natürliche Ressourcen schneller verbraucht werden, als sie sich regenerieren. Zum anderen im sozialen Gefüge: Trotz des Rückgangs der weltweiten Armut ist gleichzeitig die Kluft zwischen Arm und Reich gestiegen.

Kein rechtsfreier Raum

Warum ausgerechnet KI jener technische Fortschritt sein soll, der aufgehalten oder gar verboten werden muss, wird von den Gegnern bisher nicht nachvollziehbar argumentiert. Die „IG Autorinnen Autoren“ spricht davon, dass KI-Systeme auf Basis bestehender Werke agierten und dadurch Stile „verfälschen, verwässern und kopieren“, was urheberrechtlich problematisch sei. Das ist nicht falsch. Programme wie ChatGPT werfen tatsächlich teilweise ganz neue rechtliche Fragen auf, für die es zumindest in Österreich noch keine Antworten gibt.

Den technischen Fortschritt zu pausieren, bis alle Themen politisch und rechtlich geklärt sind, ist realitätsfern.

Ein rechtsfreier Raum ist die Nutzung von KI-Anwendungen aber nicht. Wer sich zum Beispiel von ChatGPT bei der Erstellung eines Texts unterstützen lässt und diesen unter eigenem Namen veröffentlicht, muss mit Schadensersatzforderungen rechnen, wenn ChatGPT bei der Erstellung fremdes Urheberrecht verletzt hat. Was passiert, wenn ein KI-generiertes Werk offensichtlich einem bereits bestehenden Werk ähnelt, ohne dass es jemand als sein eigenes Werk ausgibt, ist hingegen unklar.

Hier muss tatsächlich eine gesetzliche Regelung, etwa über zu leistende Lizenzgebühren an den Urheber, gefunden werden. Den technischen Fortschritt einfach zu pausieren oder gar zu stoppen, bis all diese Themen politisch und rechtlich geklärt sind, ist allerdings realitätsfern. ChatGPT hat bereits mehr als 100 Millionen Nutzer. Eine Rückabwicklung ist weder möglich noch wünschenswert, angesichts der vielen Möglichkeiten, die das Tool eröffnet. Anstatt Forderungen in diese Richtung zu erheben, sollte alle Aufmerksamkeit in die Entwicklung einer praxistauglichen Regulierung gelegt werden.

Untertöne des Klassenkampfes

Dass grundlegende gesellschaftliche Fragen beim Umgang mit KI mitschwingen, zeigt ein unscheinbarer Nebensatz in dem offenen Brief des „Future of Life Institute“. Darin heißt es: „Wollen wir wirklich unsere Jobs automatisieren – auch jene, die uns erfüllen?“

„Auch jene, die uns erfüllen“: Diese Formulierung lässt tief blicken. Genau genommen hat sie den Unterton eines Klassenkampfs von oben an sich. Seit spätestens 250 Jahren ist das Automatisieren, die Steigerung der Produktivität, das Verrichten von immer mehr Arbeit durch verhältnismäßig weniger Menschen ein wesentliches Prinzip unseres Wirtschaftssystems. Arbeitskräfte in Berufen, die verschwinden, weil sie von Maschinen effizienter erledigt werden können, hatten immer genau eine Perspektive: Umschulung auf einen Job, der gebraucht wird.

Wie gern die Betroffenen die Tätigkeit ausübten, spielte keine Rolle. Einem Job, der nicht wirtschaftlich war, fehlte die Existenzberechtigung. Manuelle, gleichförmige Tätigkeiten, also Handarbeit, waren von solchen Rationalisierungen besonders betroffen.

Kopfarbeit vor Handarbeit?

Nun ist mit KI der technische Fortschritt an einem Punkt angelangt, an dem sich plötzlich die Frage stellt, ob auch viele Bereiche sogenannter Kopfarbeit von KI besser und schneller erledigt werden könnten. Als Beispiel dafür werden immer wieder schreibende Tätigkeiten genannt. Im Grundsatz geht es wieder um das gleiche Prinzip wie bei der Handarbeit: Eine Maschine ersetzt den Menschen, weil sie schneller und besser oder zumindest gleich gut arbeitet. Geht es nach dem „Future of Life Institute“, soll nun aber plötzlich die Erfüllung, die beim Ausüben der Jobs empfunden wird, ein taugliches Argument gegen den technischen Fortschritt sein.

Warum soll der persönliche Erfüllungsgrad ausgerechnet bei schreiberischen Tätigkeiten so bedeutend sein, dass er erstmals in der Geschichte den technischen Fortschritt sticht?

Als Autor kann ich dieser Sichtweise naturgemäß einiges abgewinnen. Das Schreiben erfüllt mich. Die Vorstellung, dass ein Kriminalroman, an dem ich heute lange Zeit arbeite, morgen durch KI schneller und in ähnlicher Qualität erstellt werden könnte, hat etwas Schmerzliches an sich. Deswegen ein Verbot von KI – sei es auch nur befristet – zu fordern, erscheint mir dennoch nicht angemessen. Es ist all jenen Menschen gegenüber nicht gerecht, die ihre Tätigkeit ebenso gern ausüben, gegen den technischen Fortschritt aber ohne Diskussion den Kürzeren ziehen.

Warum soll der persönliche Erfüllungsgrad ausgerechnet bei schreiberischen Tätigkeiten so bedeutend sein, dass er erstmals in der Geschichte den technischen Fortschritt sticht? Wer diese Frage mit einer Art Hierarchie zwischen Berufen begründet – also Kopfarbeit vor Handarbeit – möge ins vorige Jahrhundert zurückkehren.

Neue Arbeitsprofile

Die Berufswelt verändert sich. Das gilt für alle, unabhängig vom Tätigkeitsbereich und gesellschaftlichen Status. Wenn die Automatisierung von gewissen Schreibarbeiten dazu beitragen kann, die Produktivität zu steigern und den Wohlstand der Gesellschaft zu erhöhen, soll sie geschehen. Wenn im Journalismus Jobs wegfallen, weil Nachrichtenmeldungen durch KI-Anwendungen geschrieben werden, ist das der Lauf der Zeit, der in anderen Branchen seit vielen Jahren geschieht. Und wenn KI so weit ist, ganze Bücher in hochwertiger Qualität zu verfassen, ist auch das zuzulassen.

Merseyside, 1897: Arbeiterinnen einer Seifenfabrik und ihr Vorsteher.
Merseyside, 1897: Arbeiterinnen einer Seifenfabrik und ihr Vorsteher. © Getty Images

Die Menschheit ist bestens in der Lage, sich an Veränderungen anzupassen. Diese Fähigkeit hat viele Facetten. So sind in der Vergangenheit durch den technischen Fortschritt nicht nur Jobs weggefallen, sondern auch neue entstanden, zuletzt etwa im Bereich Digitalisierung. Berufe wie „Social Media Manager“, „SEO Manager“ oder „Big Data Engineer“ waren vor zwanzig Jahren unbekannt. Und schon jetzt tut sich in Zusammenhang mit KI der „Prompt Writer“ als neues Berufsbild auf, bei dem es darum geht, der KI geschickte Anweisungen zu geben, damit sie das beste Resultat liefert.

Von echten Menschen erdacht

Zudem gilt weiterhin die Regel, dass jeder Trend einen Gegentrend auslöst. Auch hier lohnt sich ein Blick zurück. Trotz Industrialisierung gibt es etwa das Handwerk nach wie vor, und zwar auch bei Produkten, die maschinell weit günstiger hergestellt werden können. Für den Büchermarkt ist eine ähnliche Entwicklung denkbar. Es wird Bücher geben, deren Inhalte von KI-Anwendungen verfasst werden. Womöglich wird das aufgrund des Kostenvorteils die große Masse sein.

Zwei Museumsbesucher betrachten eine Installation von Werken des Surrealisten Salavdor Dali.
Madrid, Oktober 2022: Die Werke des Surrealisten Salvador Dali wurden in einer Messehalle digital und interaktiv ausgestellt. Für die Besucher stellt sich jene entscheidende Frage, die bei KI-Bildern und Texten hinfällig ist: Was hat sich der Künstler dabei gedacht? © Getty Images

Es wird aber auch weiterhin Werke aus Autorenhand geben. Ihre Wertigkeit wird sich zum einen aus der bloßen Tatsache speisen, dass sie aus menschlicher Arbeit stammen. Zum anderen sind Kreativität, Fantasie und das Entwickeln von Zukunftsvisionen menschliche Fertigkeiten, die bis auf Weiteres nur der Mensch in hoher Qualität erzeugen kann. Sollte auch dafür maschineller Ersatz erfunden werden, bleibt einem immer noch das Statut des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“: „Nichts interessiert den Menschen so sehr wie der Mensch.“ Im Übrigen zeigt sich bislang, dass KI mit Ironie und Sarkasmus so ihre Probleme hat.

Turbo statt Pause

Viele von uns Menschen wünschen sich momentan eine Verkürzung der Arbeitszeit. Quer durch alle Branchen sind es laut einer Umfrage der Arbeiterkammer in Österreich sogar 82 Prozent der Beschäftigten. Gleichzeitig beklagt die Wirtschaft einen Mangel an Arbeitskräften und lehnt deshalb jede Form von weniger Arbeit ab.

In einer solchen Situation könnte KI für beide Seiten zu einem wertvollen Werkzeug werden, das den Produktivitätsverlust auffängt, der durch weniger menschliche Arbeitsstunden verloren geht. Insofern sollte bei KI der Turbo gezündet werden, anstatt eine Pause einzulegen. Dass dies wie bei jeder anderen technischen Innovation Hand in Hand mit einer klaren Regulierung geschehen muss, versteht sich von selbst.

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Conclusio

Die rapiden Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz bedrohen Arbeitsplätze in der Kreativwirtschaft. Deren Vertreter fordern daher, den Einsatz der neuen Technologie einzuschränken. Das Phänomen ist altbekannt: Wie bei jeder Technologie, die Jobs automatisiert, regt sich Widerstand unter Betroffenen. Ist der gesellschaftliche Nutzen jedoch groß genug, lässt sich Fortschritt nicht aufhalten. Statt Moratorien sollten zügig Regelungen gefunden werden, die berechtigte Einwände etwa im Bereich des Urheberrechts adressieren, ohne die Vorteile des Fortschritts künstlich aufzuhalten.

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