Geld für Humus ist nicht genug

Carbon Farming zielt darauf ab, landwirtschaftlich genutzte Böden zu besseren CO2-Speichern zu machen. Das hat enormes Potenzial – aber der Versuch, Landwirte durch Humuszertifikate zu motivieren, könnte dem Klima mehr schaden als nutzen.

Feld mit junger Saat
Dünger und schwere landwirtschaftliche Geräte zerstören oft die nährreiche Humusschicht in Böden. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Natürlicher Helfer. Neben Wäldern und Ozeanen sind auch Böden wichtige Kohlenstoffspeicher, die CO2 aktiv aus der Atmosphäre entfernen.
  • Kohlenstoffspeicher. Besonders Böden in der Landwirtschaft haben ein gewaltiges Klimaschutz-Potenzial. Je mehr Humus sie enthalten, desto mehr CO2 binden sie.
  • Carbon Farming. Es gibt inzwischen Initiativen, um den Humusaufbau in der Landwirtschaft zu fördern – mittels finanzieller Anreize.
  • Stolpersteine. Diese Humuszertifikate versprechen aber nur eine einmalige Vergütung und damit geringe Erfolge. Maßnahmen müssen kontinuierlich erfolgen.

Landwirtschaft ist in besonderem Maße von den Folgen des Klimawandels betroffen, aber auch selbst eine relevante Quelle für Treibhausgas-Emissionen. Besonders CO2-Emissionen aus der Entwässerung und Nutzung ehemaliger Moorböden, Methan-Emissionen (CH₄) aus den Verdauungsprozessen von Wiederkäuern und Lachgas-Emissionen (N₂O) aus Düngung und Gülle-Management spielen eine Rolle. Weder mit der gegenwärtigen noch mit der derzeit in Entwicklung befindlichen Technik wird es möglich sein, diese Emissionen auf Null zu reduzieren.

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Um das europäische Ziel der Klima-Neutralität im Jahre 2050 zu erreichen, ist ein Emissionsausgleich unerlässlich. Das bedeutet, dass neben einer weitestgehenden Emissionsreduktion in allen Sektoren auch Negativ-Emissionstechniken zum Einsatz kommen müssen – also Maßnahmen, die CO2 aktiv aus der Atmosphäre entziehen. Während gegenwärtig noch an den technischen Möglichkeiten dieses sogenannten Carbon Dioxide Removal (CDR) geforscht wird, ist die Natur hierzu längst in der Lage: Pflanzen entziehen der Luft über winzige Öffnungen an ihren Blättern CO2 und spalten es mit Hilfe von Sonnenlicht in Sauerstoff und Kohlenstoff. Der Sauerstoff wird dabei freigesetzt, aus dem Kohlenstoff bilden die Pflanzen ihre Biomasse.

Landwirte als Klimaschützer

Eine Tonne derart gebildeten Kohlenstoffs entspricht 3,7 Tonnen CO2, die der Atmosphäre entzogen wurden. Über Wurzelausscheidungen und abgestorbene Pflanzenteile gelangt ein Teil dieses Kohlenstoffs in den Boden; er wird dann als „organisch gebundener“ Kohlenstoff bezeichnet. Böden zählen auf diese Weise zu den wichtigsten Kohlenstoffspeichern der Erde: In ihnen ist etwa dreimal so viel Kohlenstoff enthalten, wie in allen Wäldern und Urwäldern, und mehr als doppelt so viel wie in der Atmosphäre.

Geringfügig mehr Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden könnte die Klimaerwärmung deutlich eingrenzen.

Schon eine geringe, prozentuale Erhöhung des Kohlenstoffgehalts in landwirtschaftlich genutzten Böden könnte der weiteren Erhitzung unseres Klimas daher deutlich entgegenwirken. Ließe sich die Menge des in den oberen 30 bis 40 Zentimetern Boden gebundenen Kohlenstoffs um jährlich nur 4 Promille erhöhen, würde das theoretisch ausreichen, um die aktuelle, menschengemachte Zunahme des Treibhausgasgehaltes in der Atmosphäre zu stoppen.

Hierauf basiert die Namensgebung der sogenannten 4-Promille-Initiative, die auf der Klimakonferenz in Paris 2015 erstmals vorgestellt wurde. Die Initiative hat das Ziel, Humusaufbau in der Landwirtschaft zu fördern und damit einen wichtigen Beitrag zu Ernährungssicherung und Klimaschutz zu leisten. Obwohl es sich bei der 4-Promille-Zahl um einen rein symbolischen Wert handelt und unter Experten Einigkeit darüber herrscht, dass solch eine Steigerungsrate im globalen Mittel unrealistisch ist, besteht ebenso Einigkeit darüber, dass die Potenziale gewaltig sind und Anstrengungen unternommen werden sollten, sie zu nutzen. Der Initiative haben sich zahlreiche Staaten angeschlossen, darunter auch Österreich.

Mehr Kohlenstoff, weniger Gewinn?

Eine Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass der Kohlenstoffgehalt im Boden eine dynamische Größe darstellt. Er entsteht aus einem Fließgleichgewicht zwischen Kohlenstoffzufuhr – hauptsächlich durch Pflanzen – und Kohlenstoff-Verlusten, hauptsächlich durch mikrobielle Veratmung. Dieses Gleichgewicht ist stark durch die Art der Bewirtschaftung geprägt. Um das Gleichgewicht in Richtung höherer Kohlenstoffgehalte zu verschieben, muss sich die Landwirtschaft in einer Weise verändern, die mit zusätzlichen Kosten und der Gefahr reduzierter Gewinne verbunden ist. Um Landwirte dennoch zu motivieren, Carbon Farming-Maßnahmen in ihre Bewirtschaftung zu integrieren – also Maßnahmen, die den Kohlenstoffgehalt der Böden erhöhen – braucht es daher oft finanzielle Anreize.

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Zahlen & Fakten

Handvoll Humuserde
In einer Handvoll Humus tummelt sich mehr Leben, als es Menschen auf der Erde gibt. © Getty Images

Das Wort Humus stammt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt nichts Anderes als Erde. Es ist extrem nährstoffreiche Erde, die nicht nur als Wasserspeicher und Schadstoff-Filter fungiert, sondern auch CO2 speichern kann.

Wie entsteht Humus?

  • Humus entsteht über einen natürlichen Stoffkreislauf: Organisches Material – etwa die Blätter eines Laubbaums – stirbt ab, fällt zur Erde und wird dort von diversen Bodenlebewesen zersetzt, zuerst von Insekten.
  • Die zerkleinerten Teile vermischen sich zusammen mit den Ausscheidungen von Kleinstlebewesen mit der Erde und setzen einen chemischen Prozess in Gang, der zur Bildung der charakteristisch dunkel gefärbten Huminstoffe führt.
  • Je reger die „Bevölkerung“ des Erdbodens, sein Mikrobiom, desto aktiver die Humusbildung. Zum Mikrobiom des Bodens gehören unter anderem Bakterien und Pilze.
  • Weitere Grundvoraussetzungen: Die Böden dürfen nicht zu sauer sein und müssen ausreichend Sauerstoff und Nährstoffe für die Bodenbewohner bereithalten. Kälte verlangsamt oder hindert den Prozess, auch die Erwärmung der Böden beeinträchtigt das Mikrobiom, ebenso übermäßige Stickstoffeinträge durch Düngung, Antibiotika aus der Tierhaltung oder Pestizide. Bodenverdichtung durch schwere Traktoren ist ebenfalls zerstörerisch für die Humusbildung.
  • Ein Zentimeter Humus benötigt in den mittleren Breiten rund einhundert Jahre um zu entstehen.
  • Eine neue Bedrohung für den globalen Kohlenstoffspeicher Boden könnte entstehen, wenn Biomasse als Energieträger verbrannt wird und das dabei freigesetzte CO2 in Böden oder Gestein verpresst wird. Dieses Bioenergy Carbon Capture and Storage (BECCS) genannte Verfahren wird als klimaneutral beworben.

Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass sich mit steigendem Kohlenstoffgehalt auch stets die Abbaurate des Kohlenstoffs erhöht. Mehr Bodenleben bedeutet schlichtweg mehr Veratmung. Um Kohlenstoffgehalte auf einem hohen Niveau zu halten, muss daher Jahr für Jahr deutlich mehr Kohlenstoff eingetragen werden, als für die Erhaltung eines niedrigeren Niveaus erforderlich wäre. Das ist ähnlich wie bei einem Lagerfeuer: Auch das benötigt mehr Brennstoff, je stärker es brennt. Für den Boden bedeutet das einerseits, dass irgendwann die Grenze des Machbaren erreicht ist, da nur eine bestimmte Menge an Kohlenstoff mit vertretbarem Aufwand regelmäßig zugeführt werden kann. Andererseits reicht es nicht aus, kohlenstoffanreichernde Maßnahmen nur einmalig durchzuführen. Nur dauerhafte Maßnahmen können einen höheren Kohlenstoffgehalt im Boden erhalten.

Vorteile von Carbon Farming

Mit welchen Maßnahmen sich der Kohlenstoffgehalt in Ackerböden erhöhen lässt, ist gut bekannt. Hierzu zählt zum Beispiel der Anbau von Zwischenfrüchten, das Belassen zusätzlicher Ernterückstände auf dem Feld, der Anbau von mehrjährigen und/oder tiefwurzelnden Kulturen, der Anbau von Hülsenfrüchtlern, das Anlegen von Hecken und die Implementierung von Agroforstsystemen. Oft wird im Zusammenhang mit Carbon Farming auch ein Verzicht auf das Pflügen genannt. Der Nutzen dieser Maßnahmen für den Kohlenstoffaufbau ist allerdings umstritten. Zwar erhöhen sich bei pflugloser Bearbeitung die Kohlenstoffgehalte in den obersten 10 Bodenzentimetern deutlich. Doch im Unterboden können sie sinken, da dorthin weniger Kohlenstoff gelangt. Ob über das gesamte Bodenprofil betrachtet eine Zunahme erfolgt, ist derzeit noch unklar.

Der Kohlenstoffgehalt ist einer der wichtigsten Parameter, um die Fruchtbarkeit von Mineralböden nachhaltig zu steigern. Mit höheren Kohlenstoffgehalten steigt auch die Fähigkeit der Böden, Wasser und Nährstoffe zu speichern, die biologische Aktivität nimmt zu, die Struktur verbessert sich und die Infiltrationskapazität für Regenwasser erhöht sich. Dies trägt auch zur Klimaanpassung bei und kann helfen, Ernteerträge stabil zu halten sowie Dürren oder Starkregenereignisse besser zu überstehen.
Über die Steigerung des Kohlenstoffgehaltes hinaus können die einzelnen Carbon Farming-Maßnahmen zusätzliche Synergieeffekte aufweisen:

  • Längere und diversere Fruchtfolgen, Hecken oder Agroforstsysteme erhöhen die (Bio-)Diversität in der Agrarlandschaft. Dies wiederum ist gut ist für die Bestäubung durch Insekten und fördert eine natürliche Schädlingskontrolle.
  • Zwischenfrüchte sorgen dafür, dass der Boden den größten Teil des Jahres bedeckt bleibt. Sie senken so das Erosionsrisiko. Zudem können sie Düngerüberschüsse verwerten, was das Risiko von Stickstoffeinträgen ins Grundwasser reduziert.
  • Der Anbau von Hülsenfrüchtlern schließlich senkt über die für diese Pflanzen charakteristische Stickstoffbindung aus der Luft den Bedarf an Mineraldünger, der sonst mit großem Energieaufwand hergestellt werden müsste.

Die Kosten des Carbon Farmings entstehen dabei sowohl in Form von direkten Kosten für die Durchführung der Maßnahmen als auch in Form von Opportunitätskosten: Wer etwa den Anteil von Hülsenfrüchtlern in der Fruchtfolge erhöht, kann in den entsprechenden Jahren Feldfrüchte mit einem höheren Deckungsbeitrag nicht anbauen, da das Feld bereits belegt ist.

Geld für Humus

Eine Möglichkeit, über die Privatwirtschaft finanzielle Anreize für Carbon Farming zu setzen, sind sogenannte Humuszertifikate. Hierbei schließen Landwirte für von ihnen bewirtschaftete Flächen einen Vertrag mit Unternehmen ab, welche die über einen festgelegten Zeitraum erfolgte Kohlenstoffzunahme im Boden erfassen und zertifizieren. Der Zeitraum beträgt dabei in der Regel zwischen zwei und fünf Jahren. Die Kohlenstoffzunahme wird dann in CO2-Äquivalente umgerechnet und die Landwirte erhalten pro Tonne einen festgelegten Preis. Üblich sind in Deutschland aktuell Preise in der Größenordnung von 20 bis 40 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent. Das zertifizierende Unternehmen verkauf die Zertifikate dann zumeist an Unternehmen, die ihre Treibhausgas-Emissionen ausgleichen und ihre Waren und Dienstleistungen als klimaneutral bewerben wollen.

Der Kohlenstoffgehalt ist einer der wichtigsten Parameter, um die Fruchtbarkeit von Mineralböden nachhaltig zu steigern.

Die Erfassung der Kohlenstoffzunahme im Boden kann auf verschiedene Arten erfolgen. Einerseits kann sie über typische Durchschnittswerte abgeschätzt werden. Dieser Ansatz ist allerdings extrem ungenau und eher unüblich. Häufiger wird daher die Zunahme aus der Differenz zweier Bodenproben ermittelt, wobei die eine am Anfang und die andere am Ende der Vertragsperiode entnommen wird. Möglich ist auch eine Abschatzung mit Hilfe von Computermodellen, die die Wirkung der Carbon Farming-Maßnahmen berechnen.

Für verlässliche Ergebnisse ist aber auch hier mindestens eine Feldmessung am Anfang nötig, da die Fähigkeit eines Bodens, Kohlenstoff anzureichern, von den standortspezifischen Bodeneigenschaften abhängt – insbesondere vom Ausgangsgehalt an Kohlenstoff. Meistens erhalten die Landwirte am Ende der eigentlichen Vertragsperiode zunächst nur eine Teilzahlung von 66 bis 80 Prozent der vereinbarten Summe. Um auch den restlichen Betrag zu erhalten, müssen sie nachweisen, dass sie die höheren Kohlenstoffgehalte über einen Kontrollzeitraum von weiteren drei bis fünf Jahren halten können.

Kritik an Humuszertifikaten

Obwohl Einigkeit darüber besteht, dass die Anwendung von Carbon Farming-Maßnahmen höchst erstrebenswert ist, die Zahl der Anbieter und teilnehmenden Landwirte zunimmt und zuletzt sogar die Europäische Union angekündigt hat, einen eigenen Zertifizierungsrahmen entwickeln zu wollen, gibt es massive Kritik an Humuszertifikaten. Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Zivilgesellschaft werden Humuszertifikate als ungeeignet für eine Kompensation von Treibhausgasemissionen erachtet. Drei Hauptgründe sprechen dagegen.

Kritikpunkt 1: Dauerhafter Aufwand, begrenzte Vergütung

Der erste Kritikpunkt betrifft die mangelnde Permanenz der Kohlenstoffspeicherung. Da die auszugleichenden Emissionen dauerhaft sind, müssen auch die Ausgleichsmaßnahmen eine permanente Wirkung entfalten. Bei Klimaschutzmaßnahmen, die auf einer Reduzierung von Emissionen beruhen, ist dies automatisch der Fall: Treibhausgase, die ohne die entsprechende Maßnahme in die Atmosphäre gelangt wären, werden nun nicht emittiert.

Im Gegensatz dazu ist bei Maßnahmen, die auf einem aktiven Entzug von CO2 aus der Atmosphäre beruhen, ein Ausgleich nur dann gegeben, wenn der Kohlenstoff permanent festgelegt bleibt. Dies lässt sich bei der Speicherung in Form von Bodenkohlenstoff jedoch nicht garantieren. Hierzu müssen die Landwirte die Maßnahmen auch nach dem Verkauf der Zertifikate über mehrere Generationen hinweg fortsetzen, ohne dafür finanzielle Gegenleistungen zu erhalten.

Selbst wenn dies gelingt, kann es durch externe Einflüsse wie den Klimawandel zu einer erneuten Freisetzung des gespeicherten Kohlenstoffs kommen. Zwar sehen die Zertifizierer hier den oben beschriebenen Kontrollzeitraum von drei bis fünf Jahren vor, aus Klimasicht ist dieser aber ganz offensichtlich viel zu kurz. Ein Monitoring über klimarelevante Zeiträume hinweg wäre vermutlich mit den Einnahmen aus den Zertifikatsverkäufen nicht zu bezahlen.

Kritikpunkt 2: Wechselnde Vorschriften, fehlende Planungssicherheit

Ein weiterer Kritikpunkt hinterfragt die sogenannte „Zusätzlichkeit“ der Maßnahmen. Das Prinzip des Emissionsausgleichs beruht darauf, dass Käufer von Ausgleichs-Zertifikaten über eine Geldzahlung für Klimaschutzmaßnahmen sorgen, die es ohne diese Zahlung nicht gegeben hätte. Maßnahmen, die bereits umgesetzt werden oder die ohnehin erfolgt wären, können nicht als Emissionsausgleich dienen.

Für das Klima ist es egal, ob die Carbon Farming-Maßnahme heute oder in zehn Jahren begonnen wird.

In der Praxis ist es allerdings schwer zu prüfen, ob Landwirte die Maßnahmen nicht auch ohne Zertifikate umgesetzt hätten. Hier wird als Kriterium oft allein die gegenwärtige Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme verwendet. Dabei wird jedoch ignoriert, dass Landwirte ihre Bewirtschaftung nicht allein im Sinne einer kurzfristigen Gewinnmaximierung planen, sondern auch langfristige soziale und ökologische Gesichtspunkte berücksichtigen. Noch komplizierter wird die Bewertung dadurch, dass die Speicherfähigkeit des Bodens für Kohlenstoff begrenzt ist – mit der Folge, dass Carbon Farming-Maßnahmen nur einmal, bis zum Erreichen des maximalen Kohlenstoffgehalts, eine Klimawirkung erzielen können.

Für das Klima ist es dabei egal, ob die Carbon Farming-Maßnahme heute oder in zehn Jahren begonnen wird: Im Ergebnis wird der Atmosphäre in beiden Fällen dieselbe Menge an CO2 entzogen. Im Gegensatz dazu lässt sich aber nicht vorhersagen, wie sich Deckungsbeiträge, nationale Verordnungen und die Anforderungen aus der gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik innerhalb von zehn Jahren entwickeln werden. Maßnahmen, die heute als unwirtschaftlich gelten, könnten dann bereits die typische oder sogar vorgeschriebene Bewirtschaftungsweise darstellen. Bei der Betrachtung klimarelevanter Zeiträume lässt sich daher nicht feststellen, ob Carbon Farming-Maßnahmen die Anforderung der „Zusätzlichkeit“ erfüllen oder nicht.

Kritikpunkt 3: Verschiebungseffekte und Greenwashing

Problematisch sind auch so genannte Leakage- oder Verschiebungseffekte. Eine der einfachsten Möglichkeiten, den Kohlenstoffgehalt in Böden zu steigern, ist nämlich die direkte Zufuhr von organischer Substanz. Dies kann zum Beispiel durch die Substitution von Mineraldünger durch organische Düngemittel oder das Ausbringen von Kompost erfolgen. Werden diese Stoffe nicht auf der zertifizierten Fläche selbst neu erzeugt, kommt es lediglich zu einem Verschiebungseffekt: Die Gesamtmenge an organischer Substanz im System bleibt gleich, die zertifizierte Fläche erhält mehr und andere Flächen weniger davon. In diesem Falle steigert sich der Kohlenstoffgehalt nur auf der zertifizierten Fläche. Auf den anderen Flächen kommt es zu einem Nullsummenspiel.

Humuszertifikate, bei denen die Kohlenstoffzunahme über die Messung von Bodenproben zu Beginn und Ende der Laufzeit berechnet wird, können solche Verschiebungseffekte kaum ausschließen. Zuletzt wird befürchtet, dass der Handel mit CDR-basierten Ausgleichszertifikaten dazu führen könnte, dass Unternehmen sich freikaufen und weniger Anstrengungen darauf verwenden, ihre eigenen Emissionen und die Emissionen ihrer Lieferketten zu reduzieren.

Ein besserer Ansatz

Die Steigerung der Kohlenstoffgehalte in landwirtschaftlich genutzten Böden leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Finanzielle Anreize können Landwirte dazu motivieren, Carbon Farming-Maßnahmen in ihren Betrieben einzuführen. Humuszertifikate sind hierzu aber aus mehreren Gründen ungeeignet: Zum einen basieren sie auf dem Ansatz, dass eine erbrachte Leistung einmalig vergütet wird. Das Erreichen und Halten höherer Kohlenstoffgehalte ist aber keine einmalige Leistung, sondern eine Daueraufgabe. Zum anderen können Humuszertifikate nicht die grundlegenden Anforderungen wie Permanenz und Zusätzlichkeit garantieren, die für einen Emissionsausgleich nötig wären. Schließlich stellen auch Verschiebungseffekte ein Problem dar.

Somit haben Humuszertifikate einen deutlich geringeren Klimanutzen, als die zertifizierten Kohlenstoffanreicherungen vermuten lassen. Sie könnten dem Klima sogar schaden, wenn Firmen infolge des Kaufs von Humuszertifikaten weniger Energie in die eigene Emissionsvermeidung investieren oder die bereitgestellten Gelder nicht in klimawirksame Maßnahmen fließen.

Es empfiehlt sich daher unbedingt, zunächst die Vermeidung von Emissionen voranzutreiben und auch für den Ausgleich von nicht vermeidbaren Emissionen auf vermeidungsbasierte Zertifikate zurückzugreifen. Hier wären im Bereich Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden vor allem Zertifikate zu nennen, die auf einer Wiedervernässung organischer Böden basieren. So könnten die mit ihrer Entwässerung verbundenen Kohlenstoffverluste gestoppt und Emissionen – in Deutschland immerhin rund 40 Prozent aller landwirtschaftlich verursachten Emissionen – reduziert werden.

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Conclusio

Im Kampf gegen den Klimawandel ist die Natur unser stärkster Partner. Das betrifft nicht nur Wälder und Ozeane, sondern auch unsere Böden. Durch den Verkauf von Humuszertifikaten soll aktuell eine Bodenbewirtschaftung gefördert werden, die – etwa durch den Eintrag von Biomasse – dafür sorgt, dass sich Humus bildet und landwirtschaftliche Flächen wieder zu besseren CO2-Senken werden. Allzu vielversprechend ist die Idee aber nicht: Einerseits spiegelt eine Einmalvergütung den Aufwand einer jahrelangen Kohlenstoffanreicherung nicht wieder, andererseits ist die Initiative an einen „Zusätzlichkeits“-Gedanken gekoppelt, der unter den aktuellen Klimabedingungen bald von selbst obsolet werden könnte. Dieser Mangel an Planbarkeit kann im Extremfall sogar zu verantwortungslosem Greenwashing einladen. Statt Humuszertifikate als neuen Klimaretter zu präsentieren, wäre eine kontinuierliche Förderung von Carbon Farming-Maßnahmen – etwa im Rahmen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) – und eine Vermeidung von landwirtschaftlichen Emissionen daher deutlich sinnvoller.