Die Lösung liegt auf dem Tisch

Klimaschutz muss nicht mit folgenschweren Eingriffen in die Natur erfolgen. Wir alle haben Zugriff auf einen viel simpleren Weg, den Planeten und die Landwirtschaft zu retten: den Verzicht auf Fleisch.

Gemüse und Obst
Das Gute liegt so nah: Eine pflanzenbasierte Ernährung täte nicht nur uns, sondern auch dem Planeten gut. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Klimabelastung. Unsere derzeitige globale Landwirtschaft verursacht nicht nur massive Treibhausgasemissionen, sondern belastet auch unsere Böden nachhaltig.
  • Verzicht. Dabei sind Böden wichtige Kohlenstoffspeicher. Würden wir weniger Fleisch konsumieren, könnten wir sie nachhaltiger bewirtschaften.
  • Fallbeispiel. In Österreich könnten Änderungen der Landwirtschaft mehrere Megatonnen Emissionen einsparen und drei bis vier Millionen Hektar Fläche freigeben.
  • Doppelter Gewinn. Diese Flächen könnten Milliarden Tonnen mehr Kohlenstoff binden – während eine pflanzenbasierte Ernährung uns gesund halten würde.

Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2040 klimaneutral zu sein. Landwirtschaft und Ernährung sind weltweit für rund ein Viertel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. In reichen Ländern wie Österreich entfallen 70 Prozent aller ernährungsbezogenen Treibhausgasemissionen alleine auf den Konsum tierischer Produkte. Für das Erreichen der Klimaziele führt daher kein Weg an einer Ernährungsumstellung vorbei. Aber auch aus gesundheitlichen Gründen ist eine Reduktion des Fleischkonsums notwendig: Sie kann Wohlstandserkrankungen entgegenwirken, die insbesondere bei einer alternden Gesellschaft zu immer höheren Kosten im schon heute überlasteten Gesundheitssystem führen.

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Das Ändern von Ernährungsgewohnheiten zu gesünderen Alternativen mit weniger tierischen Produkten hat das Potenzial, landwirtschaftliche Emissionen auf der ganzen Welt erheblich zu reduzieren. Gleichzeitig würden landwirtschaftliche Flächen für andere Nutzungen freigemacht, die für die Wiederherstellung von Ökosystemen und eine damit einhergehende Speicherung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre genutzt werden können.

Industrielle Landwirtschaft als Problem

Nicht erst die moderne Landwirtschaft ist zu einem der größten Verursacher von Treibhausgasen geworden. Fast alle Arten der Landwirtschaft entziehen unseren Böden Kohlenstoff – in den letzten 12.000 Jahren mehr als 100 Milliarden Tonnen, um exakt zu sein. Im gleichen Zeitraum hat sich die Menge an Kohlenstoff, die in der Vegetation gespeichert wird, auf rund 450 Milliarden Tonnen und somit um mehr als die Hälfte reduziert. Schuld sind, unter anderem, Landnutzungsänderungen in der Landwirtschaft.

Eine Ernährungsumstellung, durch die die natürliche Vegetation auf einem Teil der heute landwirtschaftlich genutzten Flächenwiederhergestellt würde, könnte einen erheblichen Anteil dieses schädlichen Erbes umkehren. Böden und Vegetation wären dann dazu in der Lage, den verlorengegangenen Kohlenstoff zurückzugewinnen und ihn lange genug zu halten, um den Treibhauseffekt zu verringern. Diese vielversprechende naturbasierte Lösung zur Bekämpfung des Klimawandels ist auf einen Prozess zurückzuführen, der als Kohlenstoffsequestrierung – also die Bindung von Kohlenstoff – bekannt ist. Da die Bodenstruktur nach einer Stilllegung von Flächen nicht länger durch Bodenbearbeitung beschädigt wird, können sich Poren und Strukturen entwickeln, die dazu beitragen, Kohlenstoff zu schützen und zu stabilisieren.

Naturbelassenheit schützt das Klima

Während dies geschieht, beginnen die neu sprießenden Pflanzen damit, CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen. Im Austausch für Nährstoffe transportieren sie den Kohlenstoff durch ihre Wurzeln zu den darunterliegenden Bodenmikroben und bauen so den Kohlenstoffvorrat im Boden weiter auf. Anders als Feldfrüchte oder Ernterückstände werden diese Pflanzen nicht vom Ackerland entfernt; sie leben, sterben und bleiben also auf dem Boden. Ihre kohlenstoffbasierte Biomasse wird von allen lebenden Organismen, die den Boden bevölkern – von sehr kleinen Bakterien und Pilzen bis hin zu Regenwürmern – zersetzt und in kohlenstoffreiche organische Bodensubstanz umgewandelt.

Eine Ernährungsumstellung in einkommensstarken Ländern würde die jährlichen Emissionen aus der Landwirtschaft um 61,5 Prozent reduzieren.

Es gibt viele Wege, um die Kohlenstoffspeicherung im Boden in aktiven Agrarlandschaften zu fördern. Die einfachste und wirkungsvollste Managemententscheidung zum Wiederaufbau der Kohlenstoffvorräte im Boden besteht darin, die Bewirtschaftung einzustellen. So war eine der größten je vom Menschen verursachten CO2-Senken das Ergebnis der 45 Millionen Hektar Ackerland, die ab 1990 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aufgegeben wurden. In diesen riesigen, post-landwirtschaftlichen Landschaften verbreiteten sich daraufhin Wälder, die zu einer Aufsättigung der Region mit über 40 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr geführt haben. Es sind Beispiele wie dieses, die zur Etablierung ehrgeiziger Programme – etwa in den USA und China – geführt haben, bei denen strategisch ausgewählte landwirtschaftliche Flächen bewusst aufgegeben werden, um die Wiederherstellung der Ökosysteme anzukurbeln.

Eine gesunde Diät für Mensch und Planet

In unserer kürzlich im wissenschaftlichen Journal Nature Food erschienenen Studie beleuchten wir die klimatischen Auswirkungen einer Umstellung auf die sogenannte ‚Planetary Health Diet‘. Dieser Leitfaden wurde im Rahmen einer interdisziplinären Forschungsarbeit der EAT-Lancet Kommission entwickelt, die aus 37 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus 16 Nationen besteht. Er enthält Richtlinien und Empfehlungen zum Verzehr verschiedener Lebensmittelgruppen, die nicht nur eine optimale Ernährung für den Menschen bieten, sondern gleichzeitig auch einen Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit leisten. Die Planetary Health Diet sieht eine pflanzenbasierte Ernährung vor, bei der Fleisch- und Milchprodukte eine deutlich geringere Rolle spielen als im derzeitigen Konsum des Durchschnitts-Österreichers.

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Zahlen & Fakten

Foto einer für den Anbau von Soja abhgeholzten Fläche im Amazonas-Regenwald
Para, Brasilien: Auf diesem abgeernteten Soja-Feld stand einmal Wald. © Getty Images

Wie Entwaldung und Viehwirtschaft global zusammenhängen

  • Der Amazonas-Regenwald ist eine der wichtigsten globalen Kohlenstoffsenken. Er ist seit 1970 um 20 Prozent geschrumpft.
  • Der globale Fleischkonsum hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als verdoppelt, auf 380 Millionen Tonnen 2018.
  • 63 Prozent der entwaldeten Flächen im Amazonas werden für die Rinderhaltung genutzt. Anders als in Österreich oder der Schweiz gibt es keine Almwirtschaft oder kleiner strukturierte Bewirtschaftungsweisen.
  • Der Anbau von Soja für Viehfutter ist ebenfalls ein Treiber der Abholzung.
  • 50 Prozent der aus Brasilien in die EU gelieferten landwirtschaftlichen Produkte entstehen da, wo einst Regenwald war – das sind vor allem Soja, Rindfleisch und Kaffee.
  • Die Europäische Union ist der wichtigste Markt für Soja aus Brasilien und importiert auch Rindfleisch. Im Green Deal will die EU-Kommission den Import von Gütern, die mit Entwaldung zusammenhängen, erschweren. Zugleich ist das Mercosur-Abkommen im Entstehen, das den Import ebensolcher Güter wiederum erleichtern würde.
  • Die Ernährungssicherheit und Klimaschutz werden auch zunehmend durch den Anbau von Energiepflanzen in Frage gestellt. Diese werden im Zuge der von Technologien wie Bioenergy Carbon Capture an Storage (BECCS) als Geldanlagen attraktiv.

Eine Abkehr von aktuellen Ernährungsweisen und eine Umstellung auf eine länderspezifische Planetary Health Diet in Ländern mit hohem Einkommen würde die jährlichen Emissionen aus der landwirtschaftlichen Produktion um 61,5 Prozent reduzieren. Das entspräche 750 Megatonnen an CO2-Äquivalenten (CO2e) pro Jahr und würde zu einer durchschnittlichen Pro-Kopf-Reduktion von 0,65 Tonnen CO2e führen, zumindest in Ländern mit hohem Einkommen. Auf Grundlage anderer Schätzungen könnten weitere 540 Megatonnen CO2e pro Jahr in nachgelagerten Sektoren – etwa Transport, Verarbeitung, Verpackung, Einzelhandel, Verbrauch und Entsorgung – reduziert werden. Außerdem würden etwa 430 Megahektar an landwirtschaftlicher Fläche eingespart werden, auf der insgesamt rund 100 Milliarden Tonnen CO2e gebunden werden können.

Würden wir das volle Potential bis 2100 erreichen, entspräche dies einer jährlichen Kohlenstoffaufnahme von 1090 Megatonnen CO2e. Der Anteil Österreichs daran wäre unserer Studie zufolge eine jährliche Einsparung von landwirtschaftlichen Emissionen von 4,87 Megatonnen CO2e und eine Kohlenstoffspeicherung von 5,14 Megatonnen CO2e pro Jahr. Zusätzlich würden die Ernährungsänderungen in Österreich auch landwirtschaftliche Flächen im Ausland freigeben, wodurch zusätzliche 4,67 Megatonnen CO2e pro Jahr gespeichert werden könnten.

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Zahlen & Fakten

Die Studienergebnisse zeigen also: Eine fleischreduzierte, pflanzenbasierte Ernährung ist dem Klima doppelt zuträglich – zum einen durch eine massive Verringerung der durch die Landwirtschaft freigesetzten Treibhausgase, zum anderen durch die Nutzung der immensen Kohlenstoffspeicherkapazität freiwerdender landwirtschaftlicher Flächen. Gleichzeitig erlaubt die Planetary Health Diet durch das Einbeziehen kleiner Mengen tierischer Produkte auch die Berücksichtigung kultureller und wirtschaftlicher Aspekte.

Gewohnheitstier Mensch

Eine Umstellung der Ernährung und der landwirtschaftlichen Produktion ist vergleichsweise rasch und kostengünstig umsetzbar. Sie bringt keinerlei technologische Risiken mit sich, wirkt im Gegenzug aber positiv auf viele Umweltbereiche. Soziale, wirtschaftliche und kulturelle Dimensionen müssten dennoch adäquat adressiert werden: Landwirte etwa müssten über Förder- oder Zertifikatsysteme die Möglichkeit erhalten, zusätzliche Einkommen durch das Speichern von Kohlenstoff zu generieren, um den Gewinnverlust aus der verminderten Produktion zu kompensieren und wirtschaftliche Nachteile für den ländlichen Raum zu vermeiden.

Eine fleischreduzierte, pflanzenbasierte Ernährung ist dem Klima doppelt zuträglich.

Aber auch auf der individuellen Ebene wäre eine solche Umstellung herausfordernd. Ernährungsmuster sind erlernt und nur sehr schwer zu verändern. Dennoch wird immer deutlicher, dass die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen und Sequestrierung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre, die mit einem Umstieg auf eine pflanzenbasierte Ernährung einhergehen würde, unverzichtbare Elemente bei der Umsetzung unserer vereinbarten Klimaziele sind.

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Conclusio

Wollen wir die Klimaneutralität erreichen, dann führt kein Weg an einer umfassenden Klimastrategie vorbei. Dazu gehört auch eine Umstellung unserer Ernährungsgewohnheiten: Studien zufolge würde der Übergang zu einer vorwiegend pflanzenbasierten Ernährung den Beitrag des Lebensmittel- und Agrarsektors zum Klimawandel drastisch reduzieren. Im Gegensatz zu anderen anvisierten CO2-Sparmaßnahmen wäre das eine ebenso sichere wie rasch umsetzbare Maßnahme, die gleichzeitig und global alle Treibhausgase reduziert – nicht nur Kohlendioxid. Zudem würde sie einen Teil der historischen ökologischen Verluste durch die veränderte Bewirtschaftung rückgängig machen. Ein großer Gewinn zu einem kleinen Preis: ein stabilisiertes Klima für einen teilweisen Verzicht auf Fleisch.