Gentech-Moskitos gegen Tropenfieber

Im US-Bundesstaat Florida wurden genetisch veränderte Stechmücken ausgesetzt, deren Nachkommen nicht überlebensfähig sind. Ist das ein Fortschritt für die Bekämpfung von Zika, Dengue und Co. oder ein unerlaubter Eingriff in die Natur?

Nahaufnahme einer Stechmücke
Weltweit gibt es fast 4.000 Mückenarten, rund 100 davon sind in Europa heimisch. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Gefährliches Summen. Mücken sind in der ganzen Welt verbreitet. In tropischen Gefilden sind sie häufig nicht nur lästig, sondern auch Krankheitsüberträger.
  • Risikofaktor Klimawandel. Durch die Erderwärmung verbreiten sich Krankheiten wie Gelbfieber oder Dengue-Fieber nun zunehmend auch in gemäßigten Klimazonen.
  • Rückgang erzwingen. Mückenpopulationen sind schwer zu kontrollieren, aber in Florida kommt nun eine neue Strategie zum Einsatz: genetische Manipulation.
  • Eingriff in die Natur. Das Experiment könnte ein Meilenstein bei der Eindämmung von Krankheiten werden, ruft aber auch ethische und Sicherheitsbedenken hervor.

Sein subtropisches Klima hat Florida an der Südküste der Vereinigten Staaten zu einem beliebten Reiseziel und Wohnort für Menschen gemacht, die Sonne und Wärme suchen. Aber auch tropische Stechmückenarten wie Aedes aegypti sind in den „Sunshine State“ gereist, um dort das warme, feuchte Wetter zu genießen. Ae. aegypti, auch als Ägyp­tische Tigermücke bekannt, ist der Überträger mehrerer Krankheiten, darunter Gelbfieber, Dengue-Fieber, Chikungunya- und Zika-Fieber.

Ae. aegypti hat einen einzigartigen Lebensraum: die Zivilisation. Die Gelse liebt Menschen. Es gibt zwar Popula­tionen von Ae. aegypti, die sich opportu­nistisch von anderen Säugetierarten ernähren, doch meistens leben sie in unmittelbarer Nähe von menschlichen Behausungen – oder noch lieber: in den Häusern. Nachdem sie Menschenblut gesaugt haben, rasten die Weibchen der Mückenart gerne unter Möbeln oder an Wänden und warten auf die nächste Gelegenheit, einen unachtsamen Bewohner zu stechen.

Der ganz normale Stich

Zwar können Fliegengitter und Klimaanlagen helfen, den Kontakt zwischen Mücken und Menschen zu reduzieren, aber Ae. aegypti findet man häufig auch auf Veranden oder Verschlägen. Als Bewohnerin des Südens der USA weiß ich zudem, dass für viele von uns Mückenstiche zum Alltag gehören, deshalb legt man auch eine gewisse Sorglosigkeit an den Tag, etwa bei der Verwendung von Mückenspray (sogar ich – und ich sollte es besser wissen).

Die Bedrohung durch von Stech­mücken übertragene Krankheitserreger besteht im Süden der Vereinigten Staaten seit Jahrhunderten, bereits um 1600 waren Malaria und Gelbfieber verbreitet. Die Rolle der Gelsen bei der Übertragung von Krankheiten wurde in den späten 1880er-Jahren erkannt, doch Bemühungen zur Kontrolle der Stechmückenpopulationen wurden erst Jahrzehnte später unternommen. Zu Beginn konzentrierte man sich vor allem darauf, die Lebensräume der Larven, die im Wasser leben, trockenzulegen; in begrenztem Umfang wurden auch Öle als grobe Pestizide eingesetzt.

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Zahlen & Fakten

Flugzeug sprüht Pestizide über Miami
Miami 2016: Im Kampf gegen das Zika-Virus wurden auch Flugzeuge zur Verbreitung von Pestiziden eingesetzt. © Getty Images

4 häufige Krankheiten, die durch Aeges aegypti übertragen werden

  1. Zika: Die typischen Symptome – Fieber, Hautausschlag und Gelenkschmerzen – klingen meist innerhalb von sieben Tagen ab; eine Infektion kann zu schweren Fehlbildungen des Gehirns bei ungeborenen Kindern führen und ist entsprechend riskant für Schwangere.
  2. Dengue-Fieber: Häufige Symptome sind Fieber, Hautausschlag, Übelkeit und Schmerzen, die bis zu einer Woche andauern können. Es sind jedoch auch ernste Komplikationen möglich: Jedes Jahr sterben weltweit etwa 36.000 Menschen an Dengue-Fieber.
  3. Gelbfieber: Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Appetitlosigkeit und Muskelschmerzen bessern sich in der Regel innerhalb von fünf Tagen. Dennoch sterben jedes Jahr etwa 30.000 Menschen an Gelbfieber.
  4. Chikungunya: Zu den typischen Symptomen gehören Fieber, Kopfschmerzen, Gelenkschwellungen und Hautausschlag. Sie halten in den meisten Fällen eine Woche an – gelegentlich können die Gelenkschmerzen jedoch Monate oder sogar Jahre andauern.

Seitdem wurden die Aktivitäten zur Mückenbekämpfung immer ausgefeilter – vorangetrieben auch durch das Auftreten des West-Nil-Virus in den USA in den späten 1990er-Jahren. 2021 wurde schließlich erstmals eine neue, umstrittene Methode zur Bekämpfung der Mücken eingesetzt: die Freisetzung von gentechnisch veränderten Individuen von Ae. aegypti durch das Biotech-Unternehmen ­Oxitec auf den Florida Keys, einer Insel­gruppe südlich des Festlands von Florida. Weil nur weibliche Mücken stechen und somit Krankheitserreger auf den Menschen übertragen, besteht die Idee hinter dem Oxitec-Modell darin, modifizierte Männchen freizusetzen.

Die Methode funktioniert folgendermaßen: Wenn sich die Mücken paaren, geben die mutierten Männchen ein spezielles Gen an die Weibchen weiter, das weibliche Nachkommen im ­frühen Larven­stadium tötet, bevor sie stechen und die Viren übertragen können. Jedes Männchen kann sich mehrfach paaren, was zu einem Rückgang der Gesamtpopulation der Stechmücken führt. Frühere Versuche in anderen Ländern, zum Beispiel in Brasilien, führten zu einem erheblichen Rückgang der Popu­lation der Ae. aegypti – und zwar um bis zu 85 Prozent in einem elf Hektar großen Gebiet.

Die Skepsis vor Mutantenmücken

Obwohl Ae. aegypti nur rund vier Prozent der Mückenpopulation in Florida ausmacht, konzentrieren sich die Versuche auf diese Art, weil sie eine ganze Reihe von Krankheiten überträgt. Und in Florida deswegen, weil sein Klima es zu einem jener Gegenden in den USA macht, in dem die Chance am größten ist, sich Viren wie Zika oder Dengue und die damit verbundenen Krankheiten einzufangen. Die Bekämpfung dieser Viren und ihrer Überträger ist also gerade hier besonders wichtig.

Lieben Sie Ihren Hund, der kein Wolf ist? Dann lieben Sie ein Lebewesen, das genetisch verändert wurde.

Der Oxitec-Versuch hat aber trotzdem Skepsis in der Bevölkerung her­vor­ge­rufen. Sicherheitsbedenken und ethische Fragen hinsichtlich der Freisetzung von genetisch modifizierten Organismen sind nicht außergewöhnlich – einerseits, weil in die Natur eingegriffen wird: Mücken stechen nicht nur, sie bestäuben auch, weshalb es Bedenken gibt, dass ihre Vernichtung schädliche Auswirkungen für die Umwelt haben könnte – vor allem deshalb, weil dem Rückgang anderer Bestäuber, wie zum Beispiel der Bienen, so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Ae. aegypti ist in den Vereinigten Staaten jedoch nicht heimisch – sie ist eine invasive Art, die selbst eine öko­logische Störung darstellt. In Gegenden, in denen diese Stechmücke beheimatet ist, müssen die ökologischen Auswirkungen dieser Technologie aber durchaus genauer untersucht werden. Andererseits besteht ein allgemeines Misstrauen gegenüber genetisch modifizierten Organismen (GMO), da der Begriff „genetisch verändert“ Ängste vor Kreaturen wie aus Horrorfilmen hervor­rufen kann. Aber was ist ein GMO? Es ist definiert als ein Organismus, dessen DNA mithilfe technologischer Verfahren verändert wurde. In diesem Fall hat Oxitec die Biotechno­logie eingesetzt, um das Genom der Mücke direkt zu verändern.

Der Hund unter Wölfen

Eine andere Möglichkeit, genetische Informationen für einen bestimmten Zweck zu verändern, ist die selektive Züchtung. Ich verwende diesen Vergleich oft, um zu erklären, warum die pauschale Verunglimpfung von GMO nicht unbedingt richtig ist: Lieben Sie Ihren Hund, der kein Wolf ist? Dann lieben Sie ein Lebewesen, das genetisch verändert wurde.

Und ja, technisch gesehen handelt es sich bei GMO um gezielte Manipulationen, während die selektive Züchtung eine natürlichere Kombination von Genen ist – das gewünschte Ergebnis ist jedoch das gleiche: ein veränderter Organismus für einen bestimmten Zweck. In diesem Fall handelt es sich eben um nicht lebensfähige Nachkommen von Mücken statt eines Wolfes, den wir zum Haustier modifiziert haben. Außerdem wird die Verwendung von GMO in den Vereinigten Staaten von drei Bundesbehörden streng reguliert, die auch die Auswirkungen von GMO auf die Umwelt überwachen – und die zugelassenen GMO gelten als sicher und relativ unbedenklich.

Niemand will gestochen werden

Trotzdem gibt es die Sorge, dass diese genetisch modifizierten Mücken schädlich für Menschen oder Tiere sind. Da es sich allerdings um männliche Mücken handelt, gibt es derzeit keine Bedenken, dass die genetische Veränderung ihre Fähigkeit zur Übertragung von Viren verändern könnte – männliche Mücken stechen nicht und übertragen keine Krankheitserreger. Es gibt also nur sehr wenig, was von diesen Organismen zu befürchten ist, und vermutlich gibt es einen großen Nutzen in Form einer Risikominderung.

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Zahlen & Fakten

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Kampf gegen Ae. aegypti sehr schwierig ist: Mitte des 20. Jahrhunderts hatte Brasilien die invasive Art so gut wie ausgerottet, und damit das große Pro­blem des Dengue-Virus und der damit verbundenen Krankheiten in den Griff bekommen. In den 1970er-Jahren wurde Ae. aegypti jedoch erneut ein­geschleppt, sodass es in ganz Südamerika alljährlich zu Ausbrüchen dieser Virenkrankheit kommt, die eine erhebliche Morbidität und Mortalität verursacht.

Der Einsatz der Oxitec-Mücken erfordert eine kontinuierliche Freisetzung modifizierter Männchen – da die Gene eben nicht für die dauerhafte Ver­ankerung in einer Population konzipiert wurden. Nach den Grundsätzen der genetischen Vererbung würde die Natur letztendlich den Sieg davontragen und Ae. aegypti nicht verschwinden – Mutter Natur ist sehr gut darin, Mutter Natur zu sein.

Ein Hilfsmittel, kein Heilsbringer

Deshalb ist ein langfristiges Engagement erforderlich. Das ist vor allem wichtig, weil sich der Lebensraum von Ae. aegypti in den kommenden Jahren vergrößern wird. Der Klimawandel drängt die Art weiter nach Norden. Das belegen Studien, die nicht nur die Mücke in gemäßigteren Klimazonen gefunden haben, sondern auch die von ihr übertragenen Viren – wie das Chikungunya- (2017) und das Zika-Virus (2019) in Südfrankreich. Studien haben einen Zusammenhang zwischen ­Übertragungs- und Krankheitsrisiko einerseits und Klima­wandel andererseits nachgewiesen. Das bedeutet: Das Risiko für den Süden der USA nimmt zu.

Die Covid-19-Pandemie hat uns viel darüber gelehrt, dass selbst die besten staatlichen Pläne zur Eindämmung und Bekämpfung einer Krankheit schief­gehen können. Eine der wichtigsten Lektionen, die wir aus der Pandemie gelernt haben, ist die präzise Kommunikation, was einen „Erfolg“ bei der Bekämpfung einer Krankheit ausmacht. Deshalb ist es wichtig klarzustellen: Der Einsatz der Oxitec-Technologie wird weder die Ae.-aegypti-Mücken noch die von ihnen übertragenen Krankheiten vollständig ausrotten. Aber: Die Übertragung von Krankheiten kann reduziert werden – und das wird vor allem dann wichtig sein, wenn es in naher Zukunft wieder zu einem größeren Ausbruch der von Ae. aegypti übertragenen Krankheiten kommt.

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Conclusio

Die Vorstellung, dass genetisch mutierte Organismen in freier Wildbahn ausgesetzt werden, klingt zunächst beängstigend – und fast wie der Plot eines Horrorfilms. Aber die von der Stechmücke Ae. aegypti verursachten Krankheiten sind genauso beängstigend; sie sind nur weit weniger spektakulär, weil es sie seit Jahrhun­derten gibt. Gerade in Europa herrschen viele, oft irrationale Ängste, was genetisch modifizierte Organismen anbelangt – und tatsächlich gibt es berechtigte Sorgen wie bei vielen anderen neuen Techno­logien auch. Aber es wäre allzu einfach, sie komplett zu verteufeln und zu ver­bieten. Denn sollte es durch Innovationen wie die gentechnisch veränderten Mos­ki­tos wirklich möglich sein, Krankheiten wie Zika- oder Dengue-Fieber massiv einzudämmen, könnte das unzählige ­Menschenleben pro Jahr retten.