Energieknappheit? Selbst Schuld!

Dass Österreich von teuren Energieimporten abhängig ist, liegt an den eigenen politischen Entscheidungen der Vergangenheit.

Illustration zweier Kinder in Vogelperspektive die vor einer leeren Batterie sitzen
Die Zeit ist angebrochen, in der Notfallpläne für Energieknappheit geschmiedet werden. © Getty Images

Kein Gas, kein Strom, explodierende Preise. Und der Winter naht. Schuldige finden sich überall, je nach wirtschaftlichen und politischen Interessen werden die üblichen Verdächtigen benannt: Putin, die Sanktionen, zu wenig Erneuerbare, die Liberalisierung des Strommarktes, was auch immer. Die wahren Schuldigen werden außen vorgelassen: wir selbst, genauer gesagt unsere geopolitische Ignoranz und unsere Liebe zu einer ideologiegetriebenen Politik, die in der Natur das Heil sucht und in Technologie den Gegner findet.

Eine CO2-neutrale Energieversorgung Europas ist für die nächsten Jahrzehnte ohne Kernkraftwerke nicht möglich.

Dabei könnte heute alles ganz anders sein. Das Donau-Kraftwerk Hainburg würde mehr Energie liefern als alle Photovoltaik-Anlagen Österreichs zusammen. Das Kernkraftwerk Zwentendorf würde genug Energie für 1,8 Millionen Haushalte produzieren, zwei Schwesterkraftwerke noch einmal das Doppelte davon. Ein Drittel unseres Gasbedarfs käme aus dem Gasfeld „Neptun“ der OMV im Schwarzen Meer, das bis heute nicht genutzt wird, ein Drittel aus OMV-eigenen Beteiligungen in Rumänien und ein Drittel aus Österreich.

Allein das Schiefergas aus dem Weinviertel – ökologisch gefördert mit einer von der Montanuniversität Leoben 2013 vorgestellten Technologie – könnte das ganze Land für die nächsten 20 bis 30 Jahre mit Gas versorgen. Kurz: wir wären politisch nicht erpressbar, könnten uns weitgehend selbst mit Energie versorgen und sogar als Netto-Exporteur von den hohen Energiepreisen profitieren, statt unter ihnen zu stöhnen.

Wenn…

Wenn der Energieplan von 1976 umgesetzt worden wäre und die Bürgerlichen 1978 über die Nutzung der Kernenergie abgestimmt hätten, statt über den damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky. Wenn eine schwache Koalition unter Fred Sinowatz Mitte der Achtziger Jahre nicht dem Druck der Aubesetzer nachgegeben und den Kraftwerksbau in Hainburg gestoppt hätte. Wenn man 2015 nicht ausgerechnet den als Freund Putins bekannten Rainer Seele zum OMV-Direktor bestellt hätte, der – mit Billigung der Republik als größtem Einzelaktionär und mit Unterstützung einflussreicher Industrieller – alle Alternativen zu russischem Gas verhindert hat. Und wenn Österreich nicht unter dem Eindruck massiver Anti-Fracking Kampagnen auf die Förderung von Schiefergas verzichtet hätte.

Vom Konjunktiv kann man sich nichts kaufen, und so beziehen wir eben heute 80 Prozent unseres Erdgases aus Russland und 7,5 Prozent unseres Stroms aus dem Ausland, in den Wintermonaten deutlich mehr. Eine Doppelmühle, denn die angestrebte Dekarbonisierung unseres Alltags wird den Stromverbrauch noch weiter drastisch erhöhen.

Woher der Strom kommt

Von Frühling bis Herbst kommt der größte Teil des Stroms von den Erneuerbaren, und hier wiederum im Wesentlichen durch Wasserkraft. Photovoltaik spielt das ganze Jahr über kaum eine Rolle, der Anteil schwankt zwischen zwei und fünf Prozent. Der Anteil der Windenergie ist etwas höher und schwankt je nach Jahreszeit zwischen drei Prozent im Sommer und 20 Prozent im Winter. Ab September sinkt der Anteil der Wasserkraft signifikant und steigt erst wieder im Frühjahr. In der kühlen Jahreszeit sind wir auf Kohle- und Gaskraftwerke und importierten Strom angewiesen, der ebenfalls überwiegend aus Kohle- und Atomkraftwerken stammt. Im Winter werden 50-60 Prozent unseres Bedarfs durch Importe und konventionell erzeugten Strom gedeckt.

Dass man eine Woche lang im Juni den gesamten Strombedarf mit Erneuerbaren decken kann, hilft im November nicht weiter.

Erneuerbare Energien können Strom nicht dann bereitstellen, wenn man ihn braucht, sondern nur, wenn die Pegelstände der Flüsse hoch genug sind, der Wind bläst und die Sonne scheint. Dass man eine Woche lang im Juni den gesamten Strombedarf mit Erneuerbaren decken kann, hilft im November nicht weiter. Deshalb führt es in die Irre, den Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung nur auf Länderebene zu betrachten. Um ein Industrieland zu 100 Prozent mit Erneuerbaren zu versorgen, braucht es Länder, aus denen man bei Bedarf Strom aus Gas-, Kohle- oder Kernkraftwerken importieren kann, und Länder, deren Netze den anfallenden Überschuss an grünem Strom aus dem eigenen Netz aufnehmen können, ohne zu kollabieren.

Das Stromnetz muss Schwankungsbreiten innerhalb einer engen Bandbreite innerhalb von Sekundenbruchteilen ausgleichen. Mit dem Anteil des unberechenbaren „Flatterstroms“ aus Wind und Sonne erhöht sich die Gefahr eines Netzzusammenbruchs und Blackouts. Um die Überschussproduktion auszugleichen, müsste Strom in riesigen Mengen gespeichert werden, zum Beispiel mit der Produktion von Wasserstoff oder in Speicherkraftwerken. Ersteres steckt noch in den Kinderschuhen, von zweitem gibt es nicht genug: zum Beispiel könnten alle Pumpspeicher-Kraftwerke in Deutschland zusammen den deutschen Strombedarf nur für 30 bis 60 Minuten decken, die Errichtung eines neuen Pumpspeicher-Kraftwerks dauert zehn bis 20 Jahre. Wenn es nicht zuvor an Bürgerprotesten scheitert.

Eine CO2-neutrale Energieversorgung Europas ist für die nächsten Jahrzehnte ohne Kernkraftwerke nicht möglich. Wenn Österreich bis 2040 „klimaneutral“ werden will, geht das demnach nur, indem es grünen Strom exportiert und Kohle- und Atomstrom importiert. Ein klimapolitischer Etikettenschwindel, denn ob ein Kohlekraftwerk in Polen oder Österreich steht, spielt für den globalen CO2-Ausstoß keine Rolle, und die Nutzung von Kernenergie durch die Hintertür ist nichts anderes als die praktische Anwendung des Floriani-Prinzips auf die Risiken der einzelnen Energiequellen. (Anm.: Der Heilige St. Florian gilt als Schutzpatron der Feuerwehrleute, den der Volksmund wenig solidarisch um Beistand bittet: „Heiliger Sankt Florian, verschon‘ mein Haus, zünd‘ andere an.“)

Teure Versäumnisse

Wer bei der Anti-AKW Bewegung, den Protesten gegen das geplante Kraftwerk in der Hainburger Au und der fundamentalen Ablehnung von Fracking an die Grünen denkt, liegt programmatisch richtig. Dennoch waren sie bei keiner der relevanten Entscheidungen in Regierungsverantwortung. Die Weichen unserer Energieversorgung wurden von anderen gestellt, begleitet von Kampagnen der Boulevardmedien, unterfüttert von akademischen Opinion Leadern und angetrieben von einem Netzwerk Wirtschaftstreibender mit Putin-Nähe.

Putin hat mit seinem verbrecherischen Krieg gegen die Ukraine die Ära des billigen Gases beendet. Der kommende Winter erinnert uns daran, dass alles im Leben seinen Preis hat. Und je später man bezahlt, desto teurer wird es.