Wer kam, wer blieb, wer arbeitet

Die Zahlen zeigen: Ausländer integrieren sich sehr wohl in den österreichischen Arbeitsmarkt – auch dann, wenn sie gegen ihren Willen ihr Heimatland verlassen mussten. Dennoch gibt es Handlungsbedarf, insbesondere bei der Erwerbsquote geflüchteter Frauen.

Syrischer Flüchtling in einer Rote-Kreuz-Unterkunft in Wien, 2016
Wien, 2016: Ein syrischer Flüchtling, der in Syrien als Restaurantleiter tätig war, hilft in einer Unterkunft des Roten Kreuzes bei der Essensausgabe. Statistisch ist es wahrscheinlich, dass er inzwischen eine reguläre Erwerbstätigkeit in Österreich gefunden hat. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Einwanderung. Durchschnittlich wandern jährlich zwischen 120.000 und 160.000 Menschen in Österreich ein, 60.000 bis 80.000 pro Jahr verlassen das Land.
  • Europa. Immigranten aus anderen EU-Staaten integrieren sich schnell in den Arbeitsmarkt, aber nur eine Minderheit bleibt für mehr als ein paar Jahre.
  • Drittstaaten. Zuwanderer aus Ländern außerhalb der EU kommen mehrheitlich nicht wegen ihrer Qualifikation, sondern aus anderen Gründen.
  • Flüchtlinge. Männer aus Afghanistan und Syrien finden am schnellsten Arbeit, bei Frauen ist die Beschäftigungsquote sehr gering.

Österreich wurde in den letzten Jahrzehnten zum Einwanderungsland. Von derzeit über neun Millionen Einwohnern wurden fast zwei Millionen im Ausland geboren. Deutsche stellen die mit Abstand größte Gruppe. Weitere wichtige Herkunftsländer sind Bosnien, die Türkei und Serbien. In den letzten Jahren kamen auch Rumänien, Ungarn und Kroatien dazu.

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Und dann gibt es natürlich noch jene Zuwanderer, von denen in der politischen Debatte am häufigsten die Rede ist: Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge und Personen mit temporärem Schutz aus Syrien, Afghanistan, der Ukraine und anderen Krisenregionen. Am Beispiel der Jahre 2015, 2016 und 2019 haben wir uns angesehen, wie gut oder schlecht diese Menschen auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Die Erkenntnisse sind zum Teil überraschend. 

Ja, Österreich ist Einwanderungsland

In normalen Jahren wandern zwischen 120.000 und 160.000 Menschen in Österreich ein. Zwischen 60.000 und 80.000 pro Jahr verlassen das Land. 2015 und 2022 waren Ausnahmejahre; Es kamen jeweils über 200.000 ausländische Staatsangehörige neu nach Österreich. 2015 waren es vor allem Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak – überwiegend Männer – die für einen verstärkten Zuzug sorgten. 2022 lag der Anstieg in erster Linie an Schutzsuchenden aus der Ukraine, unter ihnen vor allem Frauen und Kinder. Zwischen Januar und Dezember 2022 wurden über 100.000 Asylanträge gestellt. Allerdings blieb nur ein kleinerer Teil. Die meisten verließen Österreich relativ rasch in Richtung Westeuropa.

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Zahlen & Fakten

Die Mehrzahl der Zuwanderer ist über 15 Jahre alt und somit im arbeitsfähigen Alter. Wenn sie hierbleiben, stellt sich also die Frage: Finden sie einen Arbeitsplatz?

Fall 1: EU-Bürger und -Bürgerinnen

Am schnellsten integrieren sich Bürgerinnen und Bürger anderer EU-Staaten in den österreichischen Arbeitsmarkt. Die meisten von ihnen kommen wegen einer konkreten Job-Perspektive. Bereits im ersten Jahr nach dem Ortswechsel sind zwei Drittel bis drei Viertel ausreichend beschäftigt. Nach fünf Jahren Aufenthalt liegt der Anteil der Erwerbstätigen bei etwa 80 Prozent.

Allerdings bleibt nur eine Minderheit der Immigranten aus anderen EU-Staaten für mehr als ein paar Jahre in Österreich. Von jenen, die 2015-2016 kamen, waren 2021 nur noch 40 Prozent im Land. Selbst von jenen EU-Bürgerinnen und Bürgern, die 2019 einwanderten, war zwei Jahre später nur noch die Hälfte da. Die Auswirkungen der Corona-Epodemie könnten die Rück- und Weiterwanderung verstärkt haben.

Fall 2: Reguläre Zuwanderung aus Drittstaaten

Etwas länger dauert es im Schnitt mit der Erwerbsintegration von Personen ohne Fluchthintergrund, die regulär aus (nicht zur EU gehörenden) Drittstaaten einwandern. Von ihnen sind im ersten Jahr nur etwa 60 Prozent berufstätig. Diese anfangs geringere Integration in den Arbeitsmarkt hat nicht zuletzt damit zu tun, dass bisher bloß eine kleine Minderheit aufgrund ihrer Qualifikation über eine Rot-Weiß-Rot-Karte ins Land kam.

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Zahlen & Fakten

Die Mehrzahl erhält das Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen. Trotzdem sind nach fünf Jahren etwas über 70 Prozent ausreichend beschäftigt. Bei zugewanderten Männern ist der Anteil höher, bei Frauen ist er niedriger. Dies gilt vor allem für Frauen mit türkischem Migrationshintergrund. Von den regulären Zuwanderinnen und Zuwanderern aus Drittstaaten bleibt die Mehrheit länger als fünf Jahre in Österreich. Von jenen, die 2015 und 2016 kamen, waren 2021 noch etwa 60 Prozent im Land.

Fall 3: Geflüchtete

Bei Flüchtlingen dauert es im Schnitt am längsten, bis sie auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Dabei zeigt sich: Männer aus Syrien und aus Afghanistan schaffen den Übergang in die Erwerbstätigkeit am ehesten. Nach fünf bis sechs Jahren Aufenthalt sind rund 60 Prozent von ihnen erwerbstätig. Das ist im internationalen Vergleich ein guter Wert, der für die Aufnahmefähigkeit des österreichischen Arbeitsmarktes spricht. Männer aus Tschetschenien bleiben dagegen auch nach langem Aufenthalt in Österreich überwiegend ohne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Frauen mit Fluchthintergrund sind im Schnitt deutlich seltener erwerbstätig als Männer. 

Die Unterschiede erklären sich zum Teil aus dem Bildungsstand und der mitgebrachten Qualifikation. Beides war bei Syrern, die 2015-2019 einwanderten, im Schnitt höher als bei Afghanen. Allerdings hinderte die geringere Qualifikation afghanische Männer nicht an der Erwerbsintegration. Nach fünf Jahren Aufenthalt sind sie ähnlich häufig erwerbstätig wie Männer syrischer Herkunft.

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Zahlen & Fakten

Die verzögerte und viel seltenere Erwerbsintegration geflüchteter Frauen hat nicht bloß mit geringerer Qualifikation zu tun, sondern ist auch durch das mitgebrachte Kultur- und Rollenverständnis bedingt. In den Hauptherkunftsländern von anerkannten Flüchtlingen sind Frauen im formellen Segment des Arbeitsmarkts deutlich unterrepräsentiert. Die dadurch geprägten Rollenverständnisse wirken nach der Einwanderung in Österreich fort. Dies gilt in ähnlicher Weise für Frauen türkischer Herkunft (die überwiegend nicht als Asylsuchende ins Land kommen). Auch sie sind in Österreich deutlich seltener erwerbstätig als türkischstämmige Männer.

Hinzu kommt, dass viele Flüchtlinge erst in Österreich eine Familie gründen. Etliche Afghaninnen, Irakerinnen und Syrerinnen bekommen nach der Zuwanderung oder nach der Zuerkennung eines Schutzstatus Kinder. In der Folge stehen diese Frauen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil von ihnen besonders häufig erwartet wird, sich mehrere Jahre überwiegend ihren Kindern zu widmen. 

Viele Asylbewerber verlassen Österreich wieder

Die Qualifikation von Asylsuchenden, die in jüngerer Zeit nach Österreich kamen und hier blieben, ist deutlich geringer ist als jene der Jahrgänge 2015/16. Viele haben nur eine geringe oder gar keine Schulbildung sowie mangelnde oder fehlende Lese- und Schreibkompetenz.

Wien, 2016: Ein syrischer Flüchtling hält ein Plakat mit der Aufschrift "Danke Österreich" während einer Gegendemonstration gegen die FPÖ
Wien, 2016: Ein syrischer Flüchtling dankt Österreich während einer Gegendemonstration gegen die FPÖ, deren dezidiert fremdenfeindliche Rhetorik seit Jahren die Migrationspolitik in Österreich mitbestimmt. © Getty Images

Überraschend ist, dass die meisten Asylsuchenden des Jahres 2015 in Österreich Fuß fassten. Im Gegensatz dazu sind geflüchtete Männer, die später kamen, überwiegend nicht mehr im Land. Auch hier zeigen sich Unterschiede je nach Herkunft: Syrische Flüchtlinge der Jahre 2016 und 2019 blieben überwiegend da, Männer aus Afghanistan, dem Irak und anderen Ländern überwiegend nicht. Frauen gleicher Herkunft kommen relativ selten über einen originären Asylantrag, sondern vor allem im Weg der Familienzusammenführung nach Österreich. Deshalb bleiben sie auch eher im Land. 

Im Jahr 2022 stellten fast ausschließlich Männer einen Asylantrag. Anders als in früheren Jahren waren unter den Antragstellern auch Tunesier, Inder und Marokkaner. Allerdings verließ die Mehrzahl aller Asylsuchenden Österreich bald wieder. Im Gegensatz dazu blieben die Schutzsuchenden aus der Ukraine – überwiegend Frauen und Kinder – in der Regel im Land. 

Daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen:

  1. Bei Bürgerinnen und Bürgern andere EU-Staaten geht es angesichts des wachsenden Arbeitskräftemangels darum, sie nach Möglichkeit länger im Land zu halten.
  2. Regulär zugewanderte Bürgerinnen und Bürger aus Drittstaaten sollten nach ihrer Ankunft in Österreich im Schnitt rascher erwerbstätig werden. Ihre Tätigkeit sollte nach Möglichkeit der erworbenen Qualifikation entsprechen. Derzeit arbeiten etliche Drittstaatsangehörige unterhalb ihres Qualifikationsniveaus. Entscheidend dabei sind der Erwerb der deutschen Sprache sowie eine zügige Anerkennung mitgebrachter Bildungsabschlüsse und beruflicher Erfahrung. 
  3. Wichtig sind auch die Möglichkeit und die Ermutigung zur Nachqualifikation, wo dies gemäß österreichischen Standards nötig erscheint.
  4. Bei Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten ist neben dem Spracherwerb ebenfalls die Anerkennung oder Erweiterung mitgebrachter Kenntnisse wichtig. Einem Teil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen fehlt es allerdings an grundlegender Bildung. Bei ihnen sind Alphabetisierung und das Nachholen eines Schulabschlusses Voraussetzungen für den späteren Einstieg in den Arbeitsmarkt.
  5. Frauen mit Fluchthintergrund und Immigrantinnen aus einigen anderen Herkunftsländern weisen eine besonders niedrige Erwerbsquote auf. Die Förderung des Berufseinstiegs hat also besondere Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um Ermutigung und die Vermittlung zusätzlicher Qualifikationen, sondern auch um den Zugang zu Kinderkrippen, Kindergärten und Nachmittagsbetreuung von Schulkindern. 
  6. Wesentlich ist in jedem Fall die Vermittlung ausreichender Sprachkenntnisse. Dies gilt nicht bloß für jene Menschen, die aus anderen Ländern (Ausnahme: Deutschland, die Schweiz und Südtirol) einwandern, sondern auch für die zweite Generation. Viele Kinder mit Migrationshintergrund wachsen in Haushalten und Familien auf, in denen wenig oder gar nicht Deutsch gesprochen wird. Um diese Jugendlichen müssen wir uns kümmern.  

Österreich altert. Die einheimische Bevölkerung schrumpft, denn die Zahl der Sterbefälle ist größer als die Zahl der Geburten. Auch auf dem Arbeitsmarkt macht sich die demographische Alterung bemerkbar. Die Generation der Babyboomer wird in den kommenden zehn Jahren in Pension gehen, zugleich rücken weniger Junge auf den Arbeitsmarkt nach. Damit wird sich der aktuelle Mangel noch vergrößern. Eine gezielte Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland kann helfen, diese Lücke zu füllen. Aber es sollte uns auch gelingen, die große Zahl der Nicht-Österreicher besser zu integrieren, die bereits im Land leben. Davon würden alle profitieren. 

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Conclusio

Österreich ist ein Einwanderungsland geworden und die Integration der Zugewanderten in den Arbeitsmarkt funktioniert im internationalen Vergleich relativ gut. Dennoch gibt es Defizite. Wir müssen Zuwanderer aus anderen EU-Ländern länger zum Bleiben motivieren, im Ausland erworbene Kenntnisse und Bildungsabschlüsse schneller und umfassender anerkennen und deutlich mehr Sprachkompetenz vermitteln – letzteres gilt auch für die zweite Generation der Migranten.

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