Xi Jinping will doch nur spielen

Sobald die Olympischen Winterspiele beginnen, könnte Chinas Machthaber Xi Jinping einen lang gehegten Plan umsetzen: die Annexion Taiwans. Russland hat 2014 auf der Krim gezeigt, dass die Kombination von Krieg und Spielen funktioniert.

Maskottchen der Olympischen Winterspiele Peking 2022 im Schnee
So freundlich wie Bing Dwen Dwen, das Maskottchen der Winterspiele, ist China auf der Weltbühne nicht unterwegs. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Sportsgeist? Wirklich unpolitisch war Sport noch nie. Auch im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Peking mehrt sich die Kritik am Austragungsort.
  • Fehlanzeige. China, das nicht nur in Xinjiang und Tibet die Menschenrechte mit Füßen tritt, gilt als denkbar schlechter Repräsentant der olympischen Grundwerte.
  • Ablenkungsmanöver. Statt Freundschaft und Harmonie zu verbreiten, könnte Peking die Winterspiele als Deckmantel nutzen, um Taiwan anzugreifen.
  • Schulterschluss. Unterstützung würde es dabei zweifelsohne von Russland erhalten. 2014 annektierte das Land die Krim – parallel zu den Winterspielen in Sotschi.

Am 4. Februar beginnen die Olympischen Winterspiele in China. Dann werden die Augen der Welt auf die Volksrepublik gerichtet sein. Traditionell gelten die Spiele als Boten himmlischen Friedens und weltweiter Harmonie. Wenn jedoch eine Diktatur wie die chinesische das festliche Ereignis ausrichtet, wird Olympia politisch.

Denn um Frieden und Harmonie ist es in China schlecht bestellt: eine Million Menschen werden vom chinesischen Zentralstaat aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Lagern eingesperrt gehalten. Die Region Xinjiang, in der das geschieht, ist zum meist überwachten Flecken der Erde verkommen. China verkauft sogar die Überwachungstechnologie, die es dort zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung einsetzt, an andere Diktatoren. Weiter weg von den olympischen Idealen kann ein Land kaum sein.

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Zahlen & Fakten

Xi Jinping meint es ernst

Chinas Machthaber Xi Jinping unterdrückt jede kritische Regung im Land, er schreibt vor, wie viele Stunden die Woche junge Menschen Computer spielen dürfen, wie „echte“ Männer auszusehen haben. Gleichzeitig verbietet seine Partei das Anprangern von sexueller Gewalt gegen Frauen und leistet der Diskriminierung von Homosexuellen Vorschub. Peking drangsaliert die Menschen in Hongkong weiterhin, das Regime verfolgt die Demokratiebewegung in der ehemals autonomen Stadt. Die Drohung gegen das Nachbarland Taiwan bleibt bestehen: Xi Jinping hat geschworen, das Land einzunehmen und zu einem Teil Chinas zu machen.

Weiter weg von den olympischen Idealen als China kann ein Land kaum sein.

Es steht zu befürchten, dass genau das im Windschatten der Olympischen Spiele geschieht. So könnte Xi der Weltgemeinschaft seinen Traum von der chinesischen Hegemonie und Vormachtstellung auf dem Globus vorführen. Rückenwind erhält der chinesische Machthaber von seinem russischen Pendant, von Autokrat Putin, dessen Armee vor den Toren Europas steht und die Kriegstrommeln gegen die Ukraine schlägt. Auch Putin könnte den Moment der Olympischen Spiele für seine dunklen Machenschaften nutzen und das Nachbarland angreifen. Russland würde damit auch den NATO-Staaten den Krieg erklären. Wenn Xi in diesem Moment gegen Taiwan zuschlüge, könnte er damit rechnen, dass die Hilfe der USA für das Inselland verspätet oder gar nicht kommt, weil die US-Armee die Bündnispartner in Europa gegen Russland verteidigt.

Die Annexion der Krim als Vorbild

Neben den Vereinigten Staaten hat auch Japan erklärt, den Verbündeten Taiwan gegen die übermächtige chinesische Armee zu verteidigen. Wie diese Unterstützung genau aussehen soll, lassen beide Länder offen, damit Präsident Xi nicht unverhohlen behaupten kann, aufgrund der „Aggression“ der USA und Japans keine andere Wahl als den Angriff auf Taiwan gehabt zu haben. Die taiwanesische Armee wiederum trainiert für den Häuserkampf, den sie sich im Falle einer Invasion mit der chinesischen Armee liefern würde. Im Oktober wurde bekannt, dass Spezialeinheiten der US-Armee ihre taiwanesischen Kollegen und Kolleginnen unterstützen. Moskau hat, unnötig zu sagen, bereits erklärt, dass es in dieser Frage zu Peking hält und Chinas „Wiedervereinigung“ mit Taiwan begrüßen würde. In Russland ist Wiedervereinigung der gängige Begriff für die völkerrechtswidrige Annexion der Krim.

Protestmarsch gegen Russland in der Ukraine
Am 22. Januar feierte man in der Ukraine den Tag der Einheit – während die Sorge über eine Invasion Russlands steigt. © Getty Images

Xi Jinping kann sich auf Rückhalt aus dem Kreml verlassen: Die russische Armee unterstützt die chinesische bei ihrer Modernisierung. Dabei geht es vor allem darum, der „Volksbefreiungsarmee“ beizubringen, wie man andere Länder einnimmt. Putins Soldaten haben hierin schließlich Erfahrung, von der die chinesische Armee profitieren soll, die seit dem Einmarsch in Tibet 1949 kein Nachbarland mehr erfolgreich besetzt hat. Zusammengefasst sieht es so aus: Russland ist in Zweckgemeinschaft mit China, die USA unterstützen Taiwan. So begegnen sich in dem neuen Kalten Krieg im Westpazifik die alten Gegenspieler wieder.

Diese neue Achse Russland-China kommt dem Kreml sehr gelegen, könnte im Moment doch selbst Wladimir Putin mit Sanktionen belegt werden. Für einen Angriff auf die Ukraine müsste Russland einen hohen Preis bezahlen. Das Land ist schon heute ohne die Devisen, die es für sein Gas erhält, ein ökonomisches Nichts. Nun rettet China Putins Land, das nur noch aufgrund seiner Atomsprengköpfe eine gewisse Relevanz auf der geopolitischen Bühne hat, und kauft Russland Gas ab.

Ideale Bedingungen, um die Weltpresse zu lenken

In der Volksrepublik muss Xi nicht mit Gegenwind rechnen. Die Medien des Landes sind gleichgeschaltet, politische Opposition gibt es nicht. Und schon Kindergartenkindern wird eingebläut, dass das Nachbarland Taiwan eigentlich zu China gehöre und eine abtrünnige Provinz sei. Zudem sind aufgrund der anhaltenden Covid-Pandemie die Überwachung und das Tracking der Bevölkerung sichergestellt, ganze Städte sind abgeriegelt – auch das Olympische Dorf. Alle, die in den Wettkampfstätten zu tun haben, sind in ihrem Bewegungsradius eingeschränkt. Es werden also Spiele, bei denen Bericht erstattende Journalisten und Journalistinnen an einem Ort untergebracht sind, von dem aus sie die Spiele am Bildschirm beobachten und den sie nicht verlassen dürfen.

Die Olympischen Spiele sollen Chinas neue Stärke illustrieren – als Land, das sich vor nichts und niemandem fürchtet.

Zuschauer sind auf den Rängen ebenfalls nicht erlaubt, sodass ein Boykott der Spiele, den die USA für ihre diplomatischen Gäste angekündigt haben, nicht ins Gewicht fallen wird. Dass die Olympischen Winterspiele wegen Covid-19 ganz abgesagt werden, halten Beobachter für unwahrscheinlich. Die politische Führung wird alles tun, damit die Spiele stattfinden können. Sie sollen die neue Stärke Pekings illustrieren und ein Land zeigen, das bestens organisiert ist und sich vor nichts und niemandem fürchtet – weder vor einem tödlichen Virus noch der Weltgemeinschaft. Gesten von Konzilianz und Moderation werden daher nicht zu sehen sein. Zur Harmonie, die ein wesentliches Element der konfuzianischen Lehre ist, werden Chinas Spiele so leider nicht beitragen.

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Conclusio

Schneller, höher, stärker – gemeinsam. So lautet das olympische Motto, dessen Umsetzung in Peking (zumindest, was den letzten Punkt betrifft) bereits im Vorfeld von vielen Beobachtern angezweifelt wird. China geht es weniger um eine Demonstration von Fairness und mehr um die Behauptung der eigenen Stärke, auch über seine Landesgrenzen hinweg. Sollte Peking die Gunst der Stunde nutzen, um einen militärischen Konflikt mit Taiwan zu provozieren, dann stünde Russland zweifelsohne auf seiner Seite. Immerhin schuf Präsident Putin 2014 selbst die Blaupause für dieses Vorgehen, und stationiert auch jetzt wieder fleißig Truppen an der Grenze zur Ukraine. Anders als Kiew könnte sich Taipei zwar auf zwei starke Verbündete verlassen – doch wie schnell die USA und Japan auf eine Eskalation im Westpazifik reagieren würden, ist fraglich. Selbst wenn der Konflikt ausbleibt: Sportsgeist im Umgang mit seinen Nachbarn wird man auch in Zukunft nicht von China erwarten dürfen.