Kann ich mir den Mond kaufen?

Elon Musk würde gerne Atombomben auf dem Mars abwerfen. Weltraumrechtsexpertin Irmgard Marboe erklärt, warum er das nicht darf, weshalb das All niemandem gehört – und wieso der Mond uns allen gehören sollte.

Buzz Aldrin mit der US-Flagge auf dem Mond
Der Mond ist Gemeinsames Erbe der Menschheit – und kann damit keinem Land gehören. Auch nicht den USA. © Getty Images

Seit 2009 leitet Irmgard Marboe den österreichischen National Point of Contact für Weltraumrecht des European Centre for Space Law (ECSL) und beriet zwischen 2009 und 2015 das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie bei der Ausarbeitung des österreichischen Weltraumgesetzes und der österreichischen Weltraumverordnung. Für die Rechtsexpertin ist der Weltraumvertrag trotz seines Alters immer noch erstaunlich aktuell – aber es gibt trotzdem Aspekte, die bei seiner Veröffentlichung 1967 noch nicht bedacht wurden.

Frau Marboe, wem gehört eigentlich das All?

Irmgard Marboe: Das All ist ein staatsfreier Raum, es gehört niemandem. Vergleichbar ist der Weltraum etwa mit der Hohen See, in der es auch keine territoriale staatliche Souveränität gibt. Da wie dort müssen sich die Staaten einigen, wie dieser Raum genutzt werden darf, damit jeder zu seinem Recht kommt, ohne dass die Interessen der anderen beeinträchtigt werden. Geregelt ist das im Weltraumvertrag von 1967.

Warum haben die USA und die Sowjetunion, die als erste im All waren, dem zugestimmt – und nicht zum Beispiel den Mond für sich beansprucht?

Dazu müssen wir in der Geschichte zurückgehen: Das Weltraumzeitalter beginnt am 4. Oktober 1957, als von der Sowjetunion mit dem Satelliten Sputnik I das erste menschengemachte Objekt in die Erdumlaufbahn geschossen wurde. Es herrschte Kalter Krieg, das Kräftemessen zwischen USA und Sowjetunion spiegelte sich nicht zuletzt im Wettlauf ins All wider. Für die USA begann das neue Zeitalter also mit dem sogenannten Sputnik-Schock, dass die sowjetische Technologie so fortgeschritten war. Das US-Pendant Explorer I wurde dann wenige Monate später, im Januar 1958, erfolgreich in die Erdumlaufbahn gebracht.

Die Weltraumtechnologie hat ihren Ursprung in der militärischen Nutzung. Jene Raketen, die die ersten Satelliten ins All geschossen haben, waren militärische Interkontinentalraketen, die als Waffen entwickelt wurden. Das Schreckensszenario war eine Militarisierung des Alls – was, wenn statt Sputnik Atombomben über uns ihre Bahnen ziehen? Die UN-Generalversammlung hat sich also umgehend, bereits 1958, mit der Frage befasst, wie mit der Nutzung des Weltalls weiter verfahren werden soll. Zur Angst kamen Appelle von Wissenschaftlern, die Erforschung des Weltraums auch als Chance zu sehen. So kam es 1958 zu einer ersten Resolution, die zum Inhalt hatte, dass die Erforschung des Weltraums im Interesse der gesamten Menschheit vorangetrieben werden sollte – zu friedlichen Zwecken.

Irmgard Marboe
Die Juristin Irmgard Marboe leitet den österreichischen National Point of Contact für Weltraumrecht des ECSL. © Privat

1967 wurde der Weltraumvertrag beschlossen, der noch im selben Jahr in Kraft trat und der bis heute gilt. Darin festgeschrieben ist neben der friedlichen Nutzung auch das Verbot der Aneignung des Weltraums und der Himmelskörper. Das war ein Anliegen aller Staaten, inklusive USA und Sowjetunion. Warum? Weil sie ja nicht wussten, wer zuerst dort sein würde. So blieb der Mond staatsfrei.

Der Weltraumvertrag ist mittlerweile über 50 Jahre alt – ist er trotzdem noch aktuell?

Ja, erstaunlicherweise. Der Grund ist, dass es sich um einen Vertrag über Grundsätze handelt. Das bedeutet, er ist nicht sehr detailliert, enthält aber wichtige Prinzipien, die international für die Weltraumnutzung anerkannt sind. Neben dem Prinzip der friedlichen Nutzung und dem Aneignungsverbot ist vor allem das Prinzip der Haftung der Startstaaten für Schäden, die durch Weltraumgegenstände verursacht werden, von besonderer Bedeutung. Weiters enthält er ein Umweltschutzgebot, was für die damalige Zeit besonders bemerkenswert ist.

Wenn der Vertrag heute noch gilt und eine friedliche Nutzung des Alls vorsieht: Wieso durfte der ehemalige US-Präsident Donald Trump eine Space Force ins Leben rufen?

Es gab die Sorge, dass die USA unter Trump aus dem Weltraumvertrag aussteigen. Aber Trump hat im Gegenteil immer betont, dass sich die USA dem Vertrag verpflichtet fühlen. Die USA stehen aber auf dem nachvollziehbaren Standpunkt, dass sie das nicht daran hindert, ihre Weltrauminfrastruktur zu schützen – was die Space Force in erster Linie tun soll. Das muss nicht unbedingt als Verteidigung im militärischen Sinn gemeint sein: Durch den Anstieg der Weltraumobjekte im Orbit steigt auch die Gefahr von Kollisionen – ganz ohne böse Absicht. Aber natürlich soll die Space Force auch eine abschreckende Wirkung haben und anderen Staaten signalisieren, dass die USA sich auch im Weltall verteidigen können und werden.

Der Weltraumvertrag kennt keine Personen, sondern nur Staaten. Weshalb sich immer wieder Privatpersonen finden, die behaupten, dass ihnen entweder der Mond oder gar der Mars gehört, weil der Vertrag für sie nicht gilt.

Ich muss diese Menschen leider enttäuschen. Für alle Aktivitäten, die im Weltall gesetzt wurden, sind Staaten verantwortlich und haften für Schäden. In Artikel VI des Weltraumvertrags steht ausdrücklich, dass der Staat auch dann Verantwortung trägt, wenn diese Aktivitäten von nichtstaatlichen Akteuren – einschließlich Privatpersonen – gesetzt werden. Das ist auch rechtlich völlig unumstritten.

Was heißt das für private Weltraumaktivitäten von Elon Musk oder Jeff Bezos?

Wenn Elon Musk etwas tut, sind die USA dafür verantwortlich – bis hin zur Haftung für Schäden. Die USA bestimmen deshalb auch den regulatorischen Rahmen, in dem er agiert, und er braucht für alles, was er tut, eine Genehmigung. Die meisten Staaten haben Weltraumgesetze, deren Nichteinhaltung teilweise sogar mit Gefängnisstrafen bedroht ist. Es gibt die schöne Geschichte eines US-Unternehmens, das einen privaten Startplatz in Neuseeland bauen wollte, wo es kein Weltraumgesetz gab. Nur kurze Zeit später hatte auch Neuseeland ein Weltraumgesetz, weil der Staat erkannt hat, dass er haftbar wäre.

Elon Musk hat angekündigt, er wolle Atombomben über den Polen des Mars abwerfen, um das Eis dort zum Schmelzen zu bringen. Das würde die Atmosphäre verbessern und den Planeten bewohnbarer machen. Was sagt der Weltraumvertrag zu diesem Vorhaben?

Wie gesagt enthält der Weltraumvertrag auch ein Umweltschutzgebot. Ausdrücklich heißt es in Artikel IX, dass die Erforschung des Weltraums und der Himmelskörper zu keiner schädlichen Verseuchung führen darf. Bei Atombomben fällt jedoch noch weit schwerer ins Gewicht, dass die USA den Atomteststoppvertrag aus 1963 ratifiziert haben, der nukleare Explosionen im Weltraum – egal zu welchem Zweck – verbietet. Ich kann mir also nicht vorstellen, dass die USA ein solches Vorhaben genehmigen würde.

Der Staat wäre also auch verantwortlich, wenn ein privates Unternehmen Weltraumtouristen ins All schießt und denen etwas passiert?

Es gibt ein eigenes „Weltraumrückführungsübereinkommen“ für Astronauten, das 1968 unterzeichnet wurde und sich mit der Rettung und Rückführung von Astronauten befasst. Die Frage ist: Sind Weltraumtouristen auch Astronauten? Im Prinzip ist die Antwort ja. Der Staat, der letzten Endes verantwortlich ist, muss sich entscheiden, ob er richtige Astronauten oder Touristen ins All schießt. Russland ist bislang der einzige Staat, der Touristen – über Vermittlung eines US-amerikanischen Unternehmens – für ein paar Millionen Dollar zur Internationalen Raumstation (ISS) gebracht hat.

Wenn ich nicht selbst ins All will, sondern nur einen Satelliten raufschiessen – was muss ich tun?

Sie schauen sich das Weltraumrecht ihres Staates an. In Österreich müssen Sie sich beim Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie eine Genehmigung holen. So wie Sie auch eine Genehmigung brauchen, wenn Sie eine Pizzeria eröffnen wollen. Wenn Sie die bekommen, übernimmt Österreich international die Verantwortung für Ihre Aktivitäten im All oder wenn der Satellit jemandem auf den Kopf fällt. Sie selbst haften jedoch auch und müssen die Aktivität für mindestens 60 Millionen Euro versichern. Es gibt aber auch eine Befreiung von der Versicherungspflicht, wenn Ihre Aktivität im öffentlichen Interesse ist, sie also zum Beispiel der Forschung und Entwicklung dient.

Selbst wenn ich davon Abstand nehme, meinen eigenen Satelliten ins All zu schießen – ist nicht der Himmel irgendwann voll? Wurde das im Weltraumvertrag bedacht?

Das wurde damals nicht bedacht. Aber es gibt im Weltraumvertrag ein Prinzip, das anwendbar ist: Artikel IX sagt, dass ein Staat verpflichtet ist, seine Weltraumaktivitäten so durchzuführen, dass die Interessen der anderen Staaten nicht beeinträchtigt werden. Es ist im Artikel auch ausdrücklich festgehalten, dass eine Verschmutzung des Weltraums vermieden werden soll. Die Frage ist allerdings die der Umsetzung dieses Artikels.

Wie soll also die Verschmutzung vermieden und damit wieder Platz für neue Satelliten geschaffen werden?

Da gibt es das „Inter-Agency Space Debris Coordination Committee“, eine Vereinigung von Weltraumagenturen, über die NASA bis hin zu ihren chinesischen und russischen Pendants. 2002 wurden da erste Richtlinien zur Selbstbeschränkung formuliert. Da geht es zunächst um Sicherheitsstandards zur Müllvermeidung: Dass die Satelliten so gebaut sind, dass sie nicht auseinanderfallen. Aber das alleine reicht natürlich nicht. Jeder Satellit hat nur eine gewisse Lebensdauer, höchstens fünfzehn Jahre.

Wenn Sie also eine Genehmigung für einen Satelliten haben wollen, wird man Sie fragen: Was passiert mit Ihrem Satelliten nach dem Ende seiner Funktionsdauer? Diese Teile bleiben ja hunderte Jahre im All, selbst wenn sie nicht mehr funktionieren. Was antworten Sie also? Billige Kleinsatelliten, die gar keinen Antrieb haben, müssen in einen so niedrigen Orbit gesetzt werden, dass sie alleine innerhalb von 25 Jahren abstürzen.

Jeder Satellit hat nur eine gewisse Lebensdauer, höchstens fünfzehn Jahre.

Am besten ist ein Orbit unter 350 Kilometer, weil die ISS zwischen 360 und 400 Kilometern um die Erde kreist und es gefährlich wäre, wenn ihr ein Kleinsatellit in die Quere kommt. Wenn Sie im Low-Earth-Orbit sind – bis zu etwa 2.000 Kilometer Höhe –, kann der Satellit vor seiner Abschaltung gezielt zum Absturz gebracht werden. Wenn Sie im geostationären Orbit sind, der ist 36.000 Kilometer weit weg, geht das nicht. Da gibt es die Idee eines „Graveyard-Orbit“ – Sie schießen also Ihren Satelliten noch weiter hinaus ins All zu einem Müllplatz für Satelliten, der die Erde umkreist.

Die letzte Möglichkeit ist eine aktive Müllbeseitigung, die Satelliten einsammelt oder zum Absturz bringt. Das ist technisch möglich, aber es ist teuer. Dazu wird es wohl ein Übereinkommen zwischen den Staaten geben müssen, um die Kosten gemeinsam zu übernehmen – so wie wir eben alle für die Müllabfuhr bezahlen müssen.

In Zukunft werden wir nicht nur Dinge ins All schießen, sondern auch wertvolle Ressourcen gewinnen und auf die Erde zurückholen können. Darf man das überhaupt, wenn das Weltall niemandem gehört?

Kommt drauf an, wen Sie fragen. Vorab: Die finanzielle und technische Machbarkeit von Ressourcenabbau im All ist noch mit einem großen Fragezeichen versehen – noch ist das eine theoretische Frage. Es gab zwar bereits Unternehmen, die Ressourcen aus dem All gewinnen wollten, aber denen ist das Geld ausgegangen. Jedenfalls sagen interessierte Unternehmen zurecht: Bevor wir uns damit ernsthaft beschäftigen, würden wir gerne wissen, ob das eigentlich erlaubt ist.

Die Machbarkeit von Ressourcenabbau im All ist noch mit einem großen Fragezeichen versehen.

In den USA hat sich die Rechtsansicht durchgesetzt, dass der Weltraumvertrag einen Ressourcenabbau zulässt. Ihre Interpretation ist: Niemand darf sich das Weltall aneignen, und wir beanspruchen kein Territorium für uns. Wir wollen nur Klarheit schaffen, dass die Nutzung von Weltraumressourcen rechtmäßig ist. Analog zur Hohen See: Dort herrscht ebenfalls die Freiheit der Nutzung, und es darf auch gefischt werden. Und schon lange werden Satelliten im Weltall auch kommerziell genutzt. Die USA haben diese Position 2015 in ein Gesetz gegossen.

Es gibt noch einen anderen Staat, der diese Position vertritt: Luxemburg. Die dortigen Politiker haben auf die Entwicklung reagiert und gesagt, wenn ein Unternehmen auf diesem Gebiet tätig sein will, soll es das nicht nur in den USA tun dürfen und haben 2017 ebenfalls ein Gesetz verabschiedet, das die Aneignung von Weltraumressourcen erlaubt. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben in ihrem Gesetz aus 2019 die Genehmigung solcher Aktivitäten grundsätzlich ebenfalls geplant, aber die Bedingungen dafür noch nicht festgelegt.

Und die anderen Staaten lassen sich das gefallen?

Da gab es schon recht großen Protest. Der Unterschied zwischen erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen wird ja dabei komplett ignoriert. Besonders kritisch wurde die Frage, als gefrorenes Wasser am Mond entdeckt wurde: Wenn das abgebaut wird, ist es in ein paar Jahren verschwunden. Das kommt nicht wieder. Weiters ergibt sich auch eine praktische Frage: Wie kann ich auf dem Mond Ressourcen abbauen, ohne auch das entsprechende Gebiet – zumindest indirekt – zu beanspruchen? Man beansprucht kein Eigentum, trotzdem kann niemand anderer hin. Die Kritik kommt vor allem von jenen Staaten, die den Mondvertrag unterschrieben haben.

Was ist der Mondvertrag?

Der Mondvertrag wurde 1979 unterzeichnet, allerdings bis heute nur von 21 Staaten. Ratifiziert haben ihn nur 18, darunter Österreich, das auch bei den Verhandlungen seinerzeit die Letztfassung des Textes formulierte. Er spricht – im Gegensatz zum Weltraumvertrag von 1967 – die Nutzung der Ressourcen des Mondes und anderer Himmelskörper explizit an. Und er besagt, dass der Mond das Gemeinsame Erbe der Menschheit sei. Damit soll klar gestellt werden: Der Mond gehört nicht niemandem, sondern er gehört uns allen.

Die Ressourcen sind damit auch nicht frei zur Nutzung. Wenn etwas niemandem gehört, kann es sich jeder nehmen. Wenn es allen gehört, kann es sich niemand nehmen. Es sei denn, man einigt sich auf ein internationales Regime für den Abbau. Im Mondvertrag steht, dass dieses Regime geschaffen werden soll, sobald sich die Möglichkeit der kommerziellen Nutzung abzeichnet. Allerdings wurde der Vertrag nur von wenigen Staaten unterzeichnet und wird von vielen anderen, vor allem den USA, derzeit strikt abgelehnt.

Wie könnte dieses internationale Regime zur Nutzung der Mondressourcen aussehen?

Im Seerecht gibt es nicht nur die Freiheit der Hohen See, sondern auch das Regime des Tiefseebodens. Der Mond und Asteroiden könnten als das Äquivalent zum Meeresboden angesehen werden. Der Meeresboden wurde zum Gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt und tatsächlich mit einem internationalen Regime ausgestattet: Die Meeresbodenbehörde mit Sitz in Jamaika vergibt Lizenzen für die Erforschung und Nutzung des Meeresbodens. Das Seerechtsübereinkommen ist 1994 in Kraft getreten und funktioniert auch – nur die USA sind nicht beigetreten.

In den Niederlanden wurde im Rahmen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe ein Entwurf für ein internationales Regime für den Mond und Asteroiden ausgearbeitet. Dieser Entwurf wird nun im Rahmen des Ausschusses der Vereinten Nationen zur friedlichen Nutzung des Weltraums (UNCOPUOS) vorgelegt und möglicherweise in einer Arbeitsgruppe von dessen Rechtsunterausschuss diskutiert. Österreich tendiert dazu, auch den Mondvertrag weiterhin im Spiel zu lassen und dessen Möglichkeiten auszuloten. Aber da ist noch komplett offen, in welche Richtung die Diskussion gehen wird.