Wasserstoff vom Bauernhof

Wasserstoff aus Biogas könnte eine emissionsärmere Energieversorgung vorantreiben. Es braucht dazu keine Mega‑Projekte, wie ein Projekt der TU Graz zeigt: Auch Kleinanlagen nahe am Verbraucher sind eine Option.

2021, Brandenburg: Ein Feldhäcksler erntet Maispflanzen für eine Biogasanlage
2021, Brandenburg: Ein Feldhäcksler erntet Maispflanzen für eine Biogasanlage. Auf rund 1,5 Millionen Hektar werden in Deutschland vor allem Mais und Gras für Biogasanlagen angebaut. Mit neuen Verfahren könnte Biogas zur Gewinnung von Wasserstoff genutzt werden. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Weniger Emissionen. Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen wird als ein möglicher Beitrag zur Energiewende gesehen.
  • Zwei Probleme. Die Herstellung von Wasserstoff ist selbst sehr energieintensiv und daher kostspielig – umso mehr, wenn er weit transportiert werden muss.
  • Neue Quellen. Kleinanlagen zur Gewinnung von Wasserstoff aus Biogas, die nahe zum Verbraucher entstehen, könnten Emissionen reduzieren.
  • Fallstudie. Bei einem Pilotprojekt bewegte sich Wasserstoff aus Biogas bei 0,17 Cent pro kWh – und damit auf dem Preisniveau von Benzin.

Wasserstoff muss ohne Zweifel ein wichtiger Bestandteil eines zukünftigen Energiesystems sein, das ausschließlich aus erneuerbaren Quellen gespeist wird. Mittels Elektrolyse lässt sich Wasser in seine chemischen Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Die notwendigen Technologien sind bekannt und erprobt, selbst im großtechnischen Maßstab ist die Produktion kein Neuland.

Auf der Suche nach klimafreundlichen Alternativen wurden inzwischen zahlreiche potenzielle Energieträger wie erneuerbare Kohlenwasserstoffe (Methanol, Methan und synthetische Kraftstoffe) oder Grundchemikalien wie Ammoniak und Methylcyclohexan bewertet. Die ideale Lösung hat noch niemand gefunden, aber Wasserstoff hat sich bisher immer wieder als der beste Kompromiss für die Bedürfnisse von Energiebereitstellern und Verbrauchern erwiesen.

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Wasserstoff-Farbenlehre

Wasserstoff und Strom sind natürlich immer nur so sauber, wie das jeweilige Herstellungsverfahren. Deshalb muss scharf zwischen den unterschiedlichen Herstellungsformen unterschieden werden, deren „Farbpalette“ wie folgt aussieht:

  • Grüner Wasserstoff: Wird völlig ohne CO2-Emissionen aus erneuerbaren Energien hergestellt.
  • Blauer Wasserstoff: Herstellung aus fossilen Energieträgern inklusive Abtrennung und Speicherung des CO2.
  • Türkiser Wasserstoff: Vom im Erdgas enthaltenen Methan wird der Wasserstoff abgespalten, zurück bleibt Kohle, die in Bergwerken gelagert werden kann.
  • Grauer Wasserstoff: Herstellung aus Erdgas, CO2-Belastung ca. 10 kg CO2/kg Wasserstoff.
  • Schwarzer Wasserstoff: Herstellung aus Kohle, CO2-Belastung ca. 25 kg CO2/kg Wasserstoff.
Duisburg, 2019: Ein Mitarbeiter des ThyssenKrupp-Stahlwerks bei der Arbeit am Hochofen.
Duisburg, 2019: Ein Mitarbeiter des ThyssenKrupp-Stahlwerks bei der Arbeit am Hochofen. Die Stahlindustrie ist eine der CO2-intensivsten Branchen; im Hochofenprozess entstehen 85 Prozent der Gesamtemissionen. ThyssenKrupp will bis 2045 klimaneutral werden – durch den Umstieg von Kohlen- auf Wasserstoff. © Getty Images

Unattraktiver Hoffnungsträger

In der chemischen Industrie wird grauer Wasserstoff in großem Umfang produziert, welcher für den Einsatz in der zukünftigen Energieversorgung allerdings nicht in Frage kommt. Obwohl in grünem Wasserstoff derzeit so viele Hoffnungen stecken, spielt er in der globalen Energieversorgung praktisch noch keine Rolle.

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Zahlen & Fakten

Großanlagen zur Herstellung grünen Wasserstoffs sind erst in der Bau- beziehungsweise Planungsphase. Viele Investoren schrecken vor ihnen noch zurück, da von aktuellen Pilotprojekten eine signifikante Effizienzsteigerung und damit einhergehend wirtschaftlichere Gesamtkonzepte zu erwarten sind. Ein weiterer Knackpunkt ist der Transport des Gases, der besonders über weite Strecken durch die notwendigen Umwandlungsverfahren (etwa Flüssiggas oder Ammoniak in Schiffen) energieintensiv ist.

Das Problem der Wirtschaftlichkeit

Aus diesem Grund hat die TU Graz im Projekt Biogas2H2 ein Verfahren untersucht, das basierend auf biogenen Energieträgern wie Holz oder Biomasse grünen Wasserstoff dezentral und regional produziert. Dezentrale regionale Erzeuger passen gut zu jenen Verbrauchern von Wasserstoff, die einen Bedarf im kleineren Leistungsbereich haben – etwa Tankstellen und Haushalte. Diese Aufteilung verkürzt die Transportwege und senkt Wirkungsgradverluste und Transportkosten.

Traktor auf dem Weg zur "Wir haben es satt"-Demo in Berlin, 2020
2020, Brandenburg: Ein Landwirt auf dem Weg zur Demonstration „Wir haben es satt!“ in Berlin, wo Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) stattfanden – unter anderem zu Förderungen für den Anbau von Mais und Weizen für Biogasanlagen. © Getty Images

Verfahren zur Wasserstofferzeugung aus Biomasse standen schon früh im Fokus der Wissenschaft. Insbesondere die lokale, energetische Nutzung von Reststoffen aus Landwirtschaft, Industrie oder Haushalten bietet die Möglichkeit, regionale Wertschöpfungsketten zu schließen. Viele Konzepte zur nachhaltigen Nutzung von biogenen Reststoffen sind heute technisch umsetzbar, scheitern aber meist an der Wirtschaftlichkeit.

Die Verstromung von Biomasse und Biogas erfordert derzeit subventionierte Tarife, weshalb oft lokale Energiepotentiale ungenutzt bleiben. Wasserstoff als hochwertiger und vielseitig einsetzbarer Energieträger erzielt je nach Reinheit hohe Marktpreise und ist damit wirtschaftlich sehr attraktiv. Der aktuelle Preis von rund 20 Euro pro Kilogramm Wasserstoff an der Tankstelle entspricht 60 Cent pro kWh Wasserstoff (Heizwert). Bei den derzeitigen Treibstoffpreisen liegt Benzin bei etwa 20 Cent pro kWh.

Erfolgreiches Pilotprojekt

Verfahrensverbesserungen und die steigenden Preise für fossile Brennstoffe steigern die Wettbewerbsfähigkeit von grünem Wasserstoff aus Biomasse erheblich. Das Projekt Biogas2H2 demonstrierte das an der TU Graz entwickelte Verfahren zur Wasserstoffproduktion Reformer Steam Iron Cycle (RESC) direkt an einer Biogasanlage.

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Zahlen & Fakten

Natürlich entsteht bei diesem Verfahren CO2, welches aber in hochreiner Form abgeschieden werden kann. Zudem werden bisher ungenutzte Energiepotenziale ökonomisch gehoben, die sonst ungenützt und ebenfalls unter CO2-Ausstoß verloren gehen würden. Die Flexibilität des RESC-Prozesses ermöglicht den Einsatz von erneuerbarem Biogas, vergaster Biomasse oder Deponiegas.

In der Industrie kann es durch die Verwertung von brennbaren Abgasen zur Emissionsminderung und zur Senkung des Primärenergieverbrauchs beitragen. Die Möglichkeit, Wasserstoff zu erzeugen und parallel dazu reines Kohlendioxid ohne Wirkungsgradeinbußen abzutrennen, wird derzeit erforscht.

Hohe Reinheit zu niedrigen Kosten

In der 10 kW Labor-Demonstrationsanlage stammt das benötigte Biogas vom Anlagenbetreiber Ökostrom Mureck. Sie produziert Wasserstoff mit einer Reinheit von 99,998 Prozent. Dieser kann in der Industrie und sogar in Fahrzeug-Brennstoffzellen verwendet werden. Die sonst notwendige aufwendige Gasreinigung entfällt bei diesem Verfahren vollständig. Kostengünstige Materialien halten die Kosten niedrig.

Die Fallstudie basierend auf Simulationen ermittelt einen Gesamtwirkungsgrad von 84 Prozent (Wasserstofferzeugung inklusive Wärmeauskopplung). Das Kilo Wasserstoff aus Biogas kostet rund 2,20 Euro, die Biogasproduktion eingerechnet ergeben sich Kosten von 5,50 Euro/kg. Damit wäre in der Heizwert-Rechnung der „Wasserstoff vom Bauernhof“ mit 0,17 Cent pro kWh etwa auf dem Preisniveau von Benzin.

Das Verfahren kann somit eine sinnvolle Ergänzung in Nischenmärkten bei der Nutzung von industriellen Nebenprodukten, organischen Abfällen oder Reststoffen darstellen.

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Conclusio

Die Umstellung auf eine klimafreundliche Energieversorgung erfordert eine Vielzahl an neuen Strom- und Kraftquellen. Wasserstoff, der aus Biomasse, Wind- oder Sonnenkraft produziert wird, sollte Teil dieser Energiewende sein. Das bisherige Problem, dass Wasserstoff von großen Solar- oder Windparks bis zum Verbraucher mitunter weite Strecken zurücklegen muss, lässt sich zumindest an manchen Orten durch innovative Verfahren vermeiden: Mit kleinen Umwandlungsanlagen, wie sie die TU Graz derzeit erforscht und testet, kann hochreiner Wasserstoff aus Biomasse und Biogas produziert werden, der von den Kosten her mit Benzin mithalten kann. Dann müssen zwar immer noch bestehende Gasleitungen und Armaturen in Haushalten umgerüstet werden. Doch ein Schritt in Richtung einer emissionsärmeren Zukunft wäre es.

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