Billigen Weizen wird es nie wieder geben

Nur ein kleiner Teil der Teuerung bei Weizen ist durch den Krieg in der Ukraine bedingt. Der hohe Weizenpreis wird daher so bald nicht wieder verschwinden – und ist vor allem für ärmere Länder außerhalb Europas eine Katastrophe.

Raketeneinschlag in einem Feld in der Ukraine
Der Krieg hat massive Auswirkungen auf die Getreideaussaat und -ernte in der Ukraine. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Unsicherer Anbau. Die Verwüstung ukrainischer Felder und massive Einschränkungen bei der Ernte werden den diesjährigen Weizen-Ertrag minimieren.
  • Versperrte Transportwege. Das Schwarze Meer ist für Getreidetransporte unpassierbar. Damit ist auch die Lieferkette in den Rest der Welt unterbrochen.
  • Gefährliche Preisspirale. Das eingeschränkte Angebot und weitere Kostenfaktoren – etwa hohe Spritpreise – lassen die Versorgung immer teurer werden.
  • Wettlauf ums Brot. Weil ärmere Länder, die Getreide aus der Ukraine beziehen, nicht beliefert werden, suchen diese in anderen Regionen nach Alternativen.

Vom Feld in den Kornspeicher, zum Müller, dann zur weiteren Verarbeitung zum Bäcker oder nach Hause in die Küche und weiter auf den Tisch. So sind wir es bei Getreide gewöhnt. Wegen des Kriegs in der Ukraine knirscht es jedoch gewaltig – zwar nicht in den Mahlwerken der Mühlen, aber bei Aussaat, Ernte und Transport von Weizen, Gerste oder Mais. Lieferengpässe und damit verbundene hohe Preise sorgen für Verunsicherung auf den Märkten und in der Bevölkerung.

Daher die gute Nachricht für Europa zuerst: Uns wird das Brot nicht ausgehen! Denn es gilt der Grundsatz: Teure Ware geht nie aus. Wenn man bereit ist zu zahlen, bekommt man immer etwas. Aber für nicht so zahlungskräftige Länder – etwa in Nordafrika –und deren Bürger wird das leider schon zu einem ernsten Problem.

Schlechte Ernteaussichten

Beleuchten wir zuerst die Situation des Anbaus und der Ernte. Schon im letzten Jahr gab es weltweit wenig Getreide. Die Gründe waren Missernten als Folge von Dürre oder Überflutungen – Probleme, die sich durch den Klimawandel verschärft haben.

Wie das heuer sein wird, kann man natürlich zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Die Lage hat sich wegen des Kriegs in der Ukraine zusätzlich verschärft. Zwar konnte der Weizen in diesem wichtigen Anbauland ausgesät werden, doch wurden ungezählte Felder verwüstet. Und: Es ist fraglich, wie viel von der Maisaussaat, die im April anstand, großflächig tatsächlich stattgefunden hat. Gleiches gilt natürlich für die Ernte im kommenden Sommer. Hier wird es kriegsbedingt vermutlich zu massiven Beeinträchtigungen kommen.

Männer durchsuchen ein ausgebranntes russisches Militärfahrzeug in einem Feld in der Ukraine, Juni 2022
Ein ausgebranntes russisches Militärfahrzeug in einem Feld bei Nowyj Bykiw, Juni 2022. © Getty Images

Dazu kommt, dass der Transport massiv behindert wird. Auf dem Seeweg über das Schwarze Meer ist er sogar komplett unmöglich geworden. Das gilt auch für russisches Getreide. Noch schaffen es die Ukrainer, gefüllte Waggons außer Landes zu schicken – wie lang, ist jedoch ebenfalls unklar.

In Europa könnte man jetzt mit der Bewirtschaftung von Brachflächen gegensteuern. Doch das ist nur eine schwache Alternative. Denn dabei handelt es sich bloß um einen niedrigen einstelligen Prozentbereich der gesamten Agrarfläche. Und die Bauern sind, wie man weiß, schlau: Die brachliegenden Flächen sind die mit dem schlechtesten Boden und Ertrag.

Der Engpass macht alles teurer

Der Getreidemarkt, die Lagerung und die Weiterverarbeitung in Mühlen sind hochkomplex. Getreide kann unter optimalen Bedingungen – unter 15 Prozent Feuchtigkeit, kein Ungeziefer – ein paar Jahre lang gelagert werden. Doch nun sind die weltweiten Speicher schlecht gefüllt. Würde, theoretisch angenommen, ab sofort kein weiteres Getreide mehr geerntet, würden die aktuellen Lagerbestände weltweit gerade noch für vier Monate ausreichen.

Die Lieferkontrakte werden immer kurzfristiger abgeschlossen. Üblicherweise melden sich Verkäufer tagtäglich bei mir, ob ich so und so viele Tonnen kaufen möchte. Doch derzeit ruft selten einer an.

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Zahlen & Fakten

Dieser Engpass schlägt kräftig auf die Preise durch. Seit Beginn der Krise mussten wir bereits zweimal unsere Abgabepreise für Mehl erhöhen – früher war (wenn überhaupt) maximal einmal pro Jahr eine Anpassung nötig. Hinzu kommen höhere Strompreise für die Mahlprozesse, teureres Verpackungsmaterial und Dieseltreibstoff für den Transport – um nur die allergrößten Brocken zu nennen. Das macht die Situation durchaus schwierig.

Dennoch: Für den Endkunden fällt das nicht so sehr ins Gewicht. Der Durchschnittsösterreicher konsumiert im eigenen Haushalt nur etwa sechs bis sieben Kilogramm Mehl pro Jahr. Die Brotpreise beim Bäcker müssen aufgrund dessen jedoch ebenfalls angepasst werden, und das spürt der Konsument dann sehr wohl.

Mahlen nach Zahlen

Für unseren traditionsreichen Betrieb stellt sich die Situation so dar: Wir kaufen nur Getreide aus Österreich und aus der Bodenseeregion. Aus der Ukraine haben wir noch nie Getreide bezogen. Es war schon immer unsere Philosophie, regional einzukaufen. Wir möchten das Getreide umweltbewusst mit kurzen Transportwegen beschaffen, und in diesem speziellen Fall wollen wir auch nicht das Risiko einer radioaktiven Kontamination – Stichwort: Tschernobyl – eingehen.

Aber: Wenn es möglicherweise in Zukunft zu wenig Getreide auf dem Markt geben sollte, muss ich vielleicht auf Lieferungen beispielsweise aus Frankreich ausweichen. Diese Ware fehlt dann natürlich woanders – etwa in Nordafrika oder in sehr bevölkerungsreichen Teilen Asiens.

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Zahlen & Fakten

Düstere Aussichten

Wir werden also große Verwerfungen auf der Angebotsseite sehen und uns mit höheren Preisen abfinden müssen. Voraussichtlich wird das auch nach einem – hoffentlich raschen – Kriegsende so bleiben; denn die Weltbevölkerung wächst um rund 80 Millionen Menschen pro Jahr. Zugleich schrumpfen die Anbauflächen (die Hinzugekommenen müssen ja irgendwo wohnen und brauchen Infrastruktur).

Kombiniert mit den Herausforderungen des Klimawandels, wird die Versorgung weltweit schwieriger. Nochmals: Das gilt weniger für Europa, allerdings umso mehr für ärmere Regionen und Länder.

Die von vielen romantisierte „Max und Moritz“-Vorstellung des in der Wilhelm-Busch-Erzählung noch lange nicht globalisierten Mühlengeschäfts ist also zu Ende. Ab jetzt regiert die beinharte Volatilität der Weltmärkte.

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Conclusio

Grundnahrungsmittel wie Mehl und Brot wurden durch den Ausfall von Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russland bereits teurer. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Denn weder scheinen große Erntemengen in dieser Region für den Herbst gesichert, noch können Agrarprodukte auf dem wichtigsten Transportweg, dem Schwarzen Meer, verschifft werden. Für Europa sind die hohen Preise weniger ein Problem als für ärmere Länder. Dabei hat der Krieg in der Ukraine eine bereits angespannte Lage weiter verschärft. Der Klimawandel hat zu vermehrten Ernteausfällen geführt, und das Bevölkerungswachstum erhöht die Nachfrage bei schrumpfenden Anbauflächen. Folge: Die Agrarmärkte befinden sich seit einiger Zeit im Umbruch. Kurzfristig gibt es als Lösung nur die Hoffnung auf ein rasches Kriegsende.