Sport, der beste Jungbrunnen

Wer rastet, der rostet: Diese Volksweisheit ist inzwischen wissenschaftlich untermauert. Wer gesund altern will, bewegt sich – ganz gleich, wann man damit anfängt. An der biologischen Uhr lässt sich immer drehen.

Tanzende Paare im Fuxing Park in Shanghai, China
Shanghai, 2016: In China ist es ein weit verbreiteter Anblick, dass sich Senioren in öffentlichen Parkanlagen zum gemeinsamen Sporttreiben treffen – von Tanz bis zu Tai Chi. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Bequeme Welt. International werden Gesellschaften immer inaktiver: Überwiegend sitzen wir – ob in der Arbeit, vor unseren Computern oder zuhause auf dem Sofa.
  • Lebensspanne. Dieser Mangel an Bewegung hat ernsthafte Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Studien beweisen, dass wir umso schneller altern, je inaktiver wir sind.
  • Widerstandskraft. Durch regelmäßige Bewegung lässt sich das Zellsterben verlangsamen. Infolge sinkt das Risiko für Erkrankungen wie Diabetes oder Krebs.
  • Keine Zeit? Kein Problem – zumindest nicht sofort. Auch, wer erst später im Leben beginnt, Sport zu treiben, kann seiner Gesundheit noch etwas Gutes tun.

Denken Sie an Ihren letzten Lauf oder den letzten ausgiebigen Spaziergang: Diese knappe Stunde hat dazu beigetragen, Ihre Lungenfunktion zu verbessern, das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen zu reduzieren und sogar der Entstehung bestimmter Krebsformen wie Brust- oder Prostatakrebs entgegenzuwirken. Außerdem war es eine Wohltat fürs Gemüt; Bewegung reduziert nachweislich Stress, verbessert die Schlafqualität, setzt Endorphine frei und wirkt dadurch stimmungsaufhellend. Nicht zuletzt stärkt Bewegung unser Immunsystem – ein nicht unwesentlicher Benefit in Zeiten einer Pandemie.

Doch damit nicht genug: Neueste Studien zeigen, dass regelmäßige Bewegung den Alterungsprozess verlangsamt. „Wer rastet, der rostet“ kommt nicht von irgendwo und konnte inzwischen auch wissenschaftlich belegt werden. Natürlich kann auch Sport die Zeit nicht anhalten oder gar zurückdrehen, allerdings wird hier zwischen kalendarischem und biologischem Alter unterschieden.

Jeder weiß, das (kalendarische) Alter ist nur eine Zahl. Daher ist für uns vor allem das biologische Alter von Interesse, denn dieses kann man nachweislich beeinflussen. Vergleicht man das biologische Alter zweier Gleichaltrigen, lassen sich oft erhebliche Unterschiede – von bis zu 10 Jahren – feststellen. Doch wie kommt es, dass der eine mit 70 Jahren Berge besteigt und ein anderer gleichen Alters bereits beim Gang ins nächstgelegene Café an seine Grenzen stößt?

Gesunde Zellen, gesunder Körper

Ein ganz wesentlicher Faktor ist hier der Lebensstil. Ernährung, Bewegung und Stress beeinflussen das biologische Alter und damit den Alterungsprozess maßgeblich. Dies wurde inzwischen auch auf zellulärer Ebene nachgewiesen. Ein Marker des biologischen Alters ist die Länge der Telomere. Telomere befinden sich an den Enden unserer Chromosome und sollen diese schützen. Mit jeder Zellteilung verkürzen sich die Telomere, wodurch es im Laufe der Zeit zum Absterben der Zelle kommt. Die Länge der Telomere ist somit nicht nur ein Marker des biologischen Alters, sondern korreliert auch mit verschiedenen chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Tumor- und Herzkreislauf-Erkrankungen.

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Zahlen & Fakten

Zwei Rentner auf dem Senioren-Spielplatz im Londoner Hyde Park
Der erste eigens errichtete Senioren-Spielplatz in London eröffnete 2010 im Hyde Park. © Getty Images

Spielplätze für Senioren

  • China ist der internationale Vorreiter, wenn es darum geht, öffentliche Räume für Senioren-Aktivitäten zu öffnen. Ob Qigong, Tai Chi, Gymnastik oder Tanz – eine Umfrage im Jahr 2017 ergab, dass über 60 Prozent der befragten chinesischen Senioren fünf Mal oder öfter in der Woche Sport getrieben haben.
  • Die gemeinsame körperliche Betätigung in Parks dient nicht nur der körperlichen Gesundheit, sondern wirkt sich auch positiv auf das mentale Wohlbefinden aus und ist – in der Regel – kostenlos.
  • Inzwischen setzt sich der Trend, der sich in China bereits in den 1990er Jahren entwickelte, auch in westlichen Ländern fort: In Berlin eröffnete der erste Senioren-Spielplatz 2007, London folgte 2010. In der spanischen Provinz Malaga stehen seit 2007 mehr als 400 Seniorenparks zur Verfügung.
  • Damit die Anlagen auch genutzt werden, sind verschiedene Dinge zu berücksichtigen. Ausreichend Sichtschutz kann helfen, dass die Geräte auch wirklich ausprobiert werden. Außerdem müssen die Anlagen andere Bedürfnisse erfüllen, als Spielplätze für Kinder: sie sollten vor allem das Gleichgewicht, die Flexibilität und den Bewegungsspielraum fördern und so erlauben, möglichst lange ein selbstständiges Leben zu führen.

Aus Studien geht hervor, dass regelmäßige Bewegung das Verkürzen der Telomere verlangsamen kann und die Zellen dadurch länger erhalten bleiben. So hat eine Studie mit Zwillingen gezeigt, dass die Telomere bei sportlich aktiven Zwillingen signifikant länger waren (über 200 Basenpaare) als bei ihren bewegungsfaulen Geschwistern. Eine in vivo Studie mit Mäusen hat gezeigt, dass Alterserscheinungen durch Bewegung hinausgezögert werden; so ergraute das Fell der inaktiven Mäuse wesentlich schneller als von den Tieren, die sich regelmäßig im Laufrad austoben konnten. Außerdem lebten die aktiven Mäuse im Vergleich deutlich länger als die inaktive Vergleichsgruppe.

Die Daten sprechen jedenfalls für sich: In einer weiteren Untersuchung wurde im Vergleich zwischen Ultra-Marathonläufern und gleichaltrigen Inaktiven ein Unterschied des biologischen Alters von über 16 Jahren festgestellt. Die konkreten Mechanismen wie es zur Telomerverlängerung kommt, sind bisher noch nicht vollständig geklärt. Eine häufig genannte Hypothese ist, dass Bewegung die Redox-Balance verbessert, indem es durch regelmäßige Trainingsreize zu einer Anpassung und in weiterer Folge einer Reduzierung von oxidativem Stress kommt.

Gefahrenquelle Bequemlichkeit

Bereits eine einzige Trainingseinheit kann die Telomerase, ein Enzym das die Telomerverlängerung anregt, ankurbeln. Dieser Effekt hält Studien zufolge etwa einen Tag an. Demnach ist es wichtig, sich regelmäßig zu bewegen, um die Telomerase immer wieder anzuregen. Sogenannte Weekend Warrior, die unter der Woche überwiegend sitzend vor dem Computer und auf der Couch zu finden sind und am Wochenende versuchen, ihr versäumtes Bewegungspensum aufzuholen, sind hier im Nachteil. Womit wir auch auf ein Problem der westlichen Länder stoßen: Das Sportangebot wird hier zwar vermehrt in Anspruch genommen, allerdings hat die Bewegung im Alltag in den letzten Jahren deutlich abgenommen.

Laut WHO ist Bewegungsmangel anderen Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck oder Übergewicht gleichgestellt.

Nicht ohne Folgen: Die WHO (World Health Organisation) beschreibt Bewegungsmangel inzwischen als Risikofaktor für chronische Erkrankungen und ist anderen Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck oder Übergewicht gleichgestellt. Ein überwiegend bequemer Lebensstil ist damit ein erstzunehmendes Gesundheitsrisiko unserer Zeit. Bewegungsmangel scheint auch die Verkürzung der Telomere zu beschleunigen. Epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass inaktive Personen signifikant kürzere Telomere aufweisen als Gleichaltrige mit einem aktiven Lebensstil. Schon durch das Verkürzen der Zeit, die sitzend verbracht wird, konnte in einer Untersuchung nach sechs Monaten eine signifikante Zunahme der Telomerlänge festgestellt werden.

Die Empfehlung der WHO jeden Tag mindestens 10.000 Schritte zu tun, scheint nicht nur hinsichtlich der Prävention chronischer Erkrankungen ein angemessener Richtwert, sondern auch, um das biologische Alter positiv zu beeinflussen.

Es ist nie zu spät

Sollte Bewegung bisher noch keine große Rolle gespielt haben, gibt es eine gute Nachricht: Es ist nie zu spät, um positive Effekte zu erzielen. Selbst wenn man erst im fortgeschrittenen Alter beginnt, sich regelmäßig zu bewegen, kann man eine ähnliche Wirkung erzielen, wie Mitstreiter, die bereits in jungen Jahren sportlich aktiv waren. Dies gilt sowohl für das biologische Alter als auch die körperliche Leistungsfähigkeit und verschiedene Vitalparameter. In einer Untersuchung von 2015 zeigte sich kein Unterschied hinsichtlich der Telomerlänge zwischen ehemaligen Athleten, die nach jahrelanger Pause ihr Training wiederaufnahmen, und Gleichaltrigen, die erst im fortgeschrittenen Alter in den Sport eingestiegen sind.

Doch welche Bewegungsform eignet sich am besten, um an seiner biologischen Uhr zu drehen? Aus einer Untersuchung vom Universitätsklinikum des Saarlandes geht hervor, dass Ausdauer- und Intervalltraining dem Krafttraining überlegen sind; über einen Zeitraum von sechs Monaten konnte nur durch Ausdauer- und Intervalltraining eine Telomerverlängerung erzielt werden. Auch andere Studienergebnisse rund um Ausdauertraining (Laufen, Radfahren, etc.) zeigen sich vielversprechend. Ob auch Krafttraining den Alterungsprozess positiv beeinflussen kann, ist noch unklar, da dazu noch deutlich weniger Studien durchgeführt wurden und die Datenlage nicht ganz eindeutig ist.

Außerdem gilt es, noch eine konkrete Formel bezüglich der idealen Intensität, Trainingsdauer und Trainingshäufigkeit zu ermitteln; Regelmäßigkeit und das Reduzieren der Inaktivität spielen aber eine entscheidende Rolle. Um den Alterungsprozess positiv zu beeinflussen, sollte daher jede Möglichkeit genutzt werden, um Wege zu Fuß zurückzulegen und man sollte sich zumindest drei Mal pro Woche sportlich betätigen. Ob die Suche nach Schlüsseln zur ewigen Jugend damit ein Ende hat, sei dahingestellt. Regelmäßige Bewegung ist aber mit Sicherheit ein wesentlicher Pfeiler, um ‚gesund zu altern‘.

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Conclusio

Westliche Gesellschaften werden durchschnittlich immer älter, aber nicht jeder Mensch hat das Glück, gesund zu altern. Zahlreiche Studien beweisen, dass Bewegung die beste Prävention für chronische Erkrankungen ist: Wer mindestens drei Mal pro Woche Sport treibt, kann effektiv sein Zellsterben verlangsamen. Am besten eignen sich Ausdauer- und Intervalltraining dazu, um das eigene biologische Alter zu senken, aber es wird bereits an den positiven Gesundheitseffekten anderer Sportarten geforscht. Je früher und regelmäßiger man beginnt, Sport zu treiben, desto besser sind die Auswirkungen auf den Alterungsprozess, aber auch ein später Start ins aktive Leben hat nachweisliche Vorteile.