Die gespaltenen Staaten von Amerika

Das Thema Einwanderung wird den US-Wahlkampf 2020 mitbestimmen. Doch nicht einmal die eigene Partei steht geschlossen hinter dem Hardliner-Kurs von Präsident Trump. Bei den nächsten Einwanderungsgesetzen dürfte es deshalb zu Kompromissen kommen.

Dieser Report erschien am 19. September 2019 auf Geopolitical Intelligence Services.

US-Grenze zu Mexiko
Die US-Grenzmauer zu Mexiko war eines der umstrittensten Projekte Donald Trumps. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Die USA wachsen. Offiziell wandern pro Jahr eine Million Menschen in die USA ein. Ebenso viele kommen jährlich illegal ins Land.
  • Opposition. Die Demokraten wollen Erleichterungen für illegale Migranten. Unter anderem fordern sie kostenlose medizinische Versorgung und Rechtsberatung.
  • Richtungsstreit. Selbst die regierenden Republikaner sind in dieser Frage gespalten. Trump wurde für seine harte Haltung gegenüber Migranten gewählt.
  • Prognosen sind schwierig. Der künftige Weg hängt nicht nur vom nächsten Präsidenten ab, sondern auch von der Zusammensetzung des Kongresses.

Die Welt schaut – wie schon so oft – nach Amerika. Diesmal in Sachen Migration. Die Entwicklung der US-amerikanischen Einwanderungspolitik in den nächsten Jahren könnte nicht nur für die Vereinigten Staaten und die westliche Hemisphäre wegweisend sein, sondern den Zugang zum Thema „Migration“ weltweit beeinflussen.

Umfragen zufolge gehören die Themen „Einwanderung“ und „sichere Grenzen“ zu den Hauptanliegen der US-Wähler. Die beiden großen Parteien schlagen in diesem Kontext unterschiedliche Wege ein. Die Präsidentschafts- und Kongresswahlen werden entscheiden, welche Politik zukünftig verfolgt wird.

Jährlich wandern schätzungsweise eine Million Menschen illegal in die USA ein. Dieselbe Zahl an Menschen kommt auf legalem Weg ins Land, so dass illegale Einreisen rund 50 Prozent des Migrationsaufkommens in den USA ausmachen. Die Herkunftsländer der illegalen Einwanderer sind dabei im Wandel: Früher stammten die meisten Migranten aus Mexiko, nun überqueren zunehmend Menschen aus anderen Ländern Mittelamerikas, aus Asien und aus Afrika die Grenze. Diese veränderte Zusammensetzung bringt neue Herausforderungen mit sich. Wenn sich der Trend fortsetzt, wird er erhebliche Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft, Demografie, Zivilgesellschaft und Politik haben.

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Zahlen & Fakten

  • 328 Millionen Menschen leben in den USA.
  • 3,5 Prozent der amerikanischen Bevölkerung befinden sich laut Schätzungen ohne Aufenthaltserlaubnis im Land.
  • 5 Prozent beträgt der Anteil illegaler Personen am Arbeitsmarkt.
  • 52 Prozent aller illegalen Einwanderer stammen aus Mexiko.
  • 3.200 Kilometer lang und zwischen 5,5 und 9 Meter hoch soll die geplante Grenzmauer zu Mexiko werden.

Ein Langzeit-Problem

In den USA versucht man seit Jahrzehnten, einen Konsens bei der Einwanderung und Grenzsicherheit zu finden. Die letzte große Reform fand unter Bill Clinton statt. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington heizten die Bedenken bezüglich der Grenzsicherheit erneut an. George W. Bush versuchte sich an einer Reform. Sein Vorschlag war eine Amnestie für Personen, die vor 1982 illegal ins Land gekommen waren. Im Gegenzug dazu sollten Grenzkontrollen und Einwanderungsbestimmungen verschärft werden. Der Gesetzesentwurf scheiterte im US-Kongress – ebenso zwei weitere Entwürfe mit ähnlichem Ansatz unter Präsident Barack Obama.

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Die Einwanderungspolitik der USA

1986Unter Präsident Reagan entsteht der Immigration Reform and Control Act (IRCA). Nach diesem Gesetz erhalten Personen, die vor 1982 unrechtmäßig ins Land gekommen sind, Amnestie.
1996Unter Präsident Bill Clinton wird der Illegal Immigration Reform and Immigrant Responsibility Act (IIRIRA) verabschiedet. Dieses Gesetz verschärfte die US-Einwanderungsgesetze für illegale Migranten, die Straftaten in den USA begehen.
2005Um Missbrauch durch Fälschungen zu verhindern, werden die Anforderungen an Dokumente, die Asyl und Einwanderung in die USA betreffen, deutlich verschärft.
2005Präsident George W. Bush scheitert mit seinem Versuch, das Migrationsgesetz zu reformieren.
2010Auch die Modernisierungsversuche von Präsident Obama werden abgelehnt.
2016Donald Trump wird zum US-Präsidenten gewählt – vor allem für sein Versprechen, Einwanderung zu begrenzen.

Trumps Trumpf

Strengere Einwanderungsgesetze waren das bestimmende Wahlkampfthema von Donald Trump für das Präsidentenamt im Jahr 2016. Medienwirksam kündigte er den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko an. Im Laufe seiner Amtszeit hat kaum eine Auseinandersetzung zwischen dem Präsidenten und der politischen Opposition die Öffentlichkeit derart polarisiert wie der Streit um die Einwanderungs- und Grenzpolitik. Selbst Angelegenheiten, die zuvor mit überparteilicher Unterstützung akzeptiert worden waren – einschließlich der Finanzierung von Grenzzäunen – wurden zu politischen Streitfragen. Die Lage gipfelte in einer 34-tägigen Haushaltssperre zwischen Dezember 2018 und Jänner 2019, da keine Einigung über die Finanzierung der Grenzsicherung erzielt werden konnte.

Die Wählerschaft scheint dem Hardliner-Ansatz von Präsident Trump zu vertrauen, während sich die überregionalen Medien klar gegen Trump stellen.

Seitdem sind die Standpunkte der politischen Parteien noch weiter auseinander gedriftet. Auf der Agenda der demokratischen Präsidentschaftskandidaten für die Wahl 2020 stehen Maßnahmen wie die Entkriminalisierung der illegalen Einreise in die USA und kostenlose medizinische Versorgung für illegale Einwanderer. Manche Demokraten wollen sogar die ICE (Immigration and Customs Enforcement) abschaffen – die Behörde, die für das Festhalten und Abschieben illegaler Einwanderer zuständig ist. Zusätzlich gibt es Unterstützung für diese Pläne. Sogenannte „Zuflucht“ Städte und Gemeinden weigern sich, die Einwanderungsgesetze der Bundesbehörden zu befolgen.

Hardliner

Die Trump-Regierung hingegen hat die Strafverfolgungsmaßnahmen gegenüber Einwanderern auch ohne überparteiliche Zusammenarbeit im Kongress erheblich verschärft. Mittel des Verteidigungsministeriums fließen in den Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko. Präsident Trump versuchte auch, das DACA-Programm (Deferred Action for Childhood Arrivals) zu stoppen, das minderjährige Einwanderer mindestens zwei Jahre vor einer Abschiebung schützt. Kürzlich verschärfte die Regierung die Bestimmungen zur Beschäftigung von Migranten, führte Maßnahmen für eine striktere Zuteilung öffentlicher Mittel für legale Einwanderer ein und weitete ihre Befugnisse zur Festhaltung von Familien bis zur Feststellung des endgültigen Einwanderungsstatus aus.

Nahezu alle diese Maßnahmen wurden sofort gerichtlich angefochten. Dennoch verfolgt die Regierung weiterhin einen aggressiven Kurs. Dieser soll einerseits illegale Einwanderer abschrecken, vor allem aber eine klare Abgrenzung zu den politischen Gegnern des Präsidenten sein. Denen wirft Trump vor, für offene Grenzen einzutreten.

Präsident Trump hat es geschafft, alle wichtigen Positionen mit Hardlinern zu besetzen, die seine strenge Einwanderungspolitik unterstützen.

Zu dieser kompromisslosen Politik gehört auch, wichtige Stellen im „Department for Homeland Security“, das in erster Linie für die Einwanderungs- und Grenzüberwachung verantwortlich ist, mit Hardlinern zu besetzen. So wurde Mark Morgan zum Chef der Grenzschutzbehörde und Ken Cuccinelli zum Leiter der Einwanderungs- und Ausländerbehörde ernannt. Darüber hinaus plant Trump, den ehemaligen Direktor der Einwanderungs- und Zollbehörde Thomas Homan als Beauftragten für Grenzschutz einzusetzen. Alle drei Politiker stehen dem Präsidenten nahe und sind ausdrückliche Befürworter einer harten Einwanderungs- und Grenzüberwachungspolitik. Die US-Regierung fordert auch von Mexiko und anderen Ländern Mittelamerikas, illegale Zuwanderung in die USA einzudämmen und lehnte eine Beteiligung am UN-Migrationspakt ab.

Demonstration für das DACA-Programm in Mexiko
Der Demokratische Politiker Aaron D. Ford (Mitte) bei einer Demonstration gegen die Beendigung des DACA-Programms. © Getty Images

Kaum Chance auf Einigung

Zwar deutete die Regierung an, in Grenzschutz- und Immigrationsfragen mit dem Kongress zusammenarbeiten zu wollen, doch dieses Szenario scheint wenig realistisch. Sowohl Republikaner als auch Demokraten wollen die Migrationspolitik in den Mittelpunkt ihrer Wahlkampagnen stellen.

Die Regierung hat Pläne für zwei Gesetzesreformen vorgelegt. Die erste Reform mit den Schwerpunkten Grenzsicherung und Einwanderung soll die vielen Schlupflöcher der gegenwärtigen Gesetzgebung schließen, um eine strengere Durchsetzung zu ermöglichen.

Die zweite Reform wäre eine grundlegende Überarbeitung der Gesetze zur legalen Einwanderung in die USA. Im Kern steht ein leistungsbasiertes System, in dem jüngere, hochqualifizierte und gut ausgebildete Migranten bevorzugt werden. Das Gesetz sieht außerdem die Abschaffung der Green-Card-Lotterie vor, bei dem das Aufenthaltsrecht verlost wird. Die legale Einwanderung würde durch Trumps Reform übrigens nicht reduziert. Er gab sogar an, die Einwanderungszahlen könnten steigen, sobald das System „repariert“ sei.  

Mögliche Szenarien

Die Regierung wird sich Unterstützer im Kongress suchen müssen, um die Reformen noch während der laufenden Legislaturperiode zu verabschieden. Es ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, dass das Repräsentantenhaus, in dem die Opposition die Mehrheit stellt, für die Reformen stimmen wird. Dennoch könnte die Regierung versuchen, die Gesetze auf den Weg zu bringen – quasi als Wahlkampfmaßnahme, um vor der Wahl die Pläne des Präsidenten in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.

Wichtigster Bestandteil der geplanten Reform ist ein leistungsbasiertes System, in dem jüngere, hochqualifizierte und gut ausgebildete Migranten bevorzugt werden.

Ob und welche Reform der Einwanderungsgesetze möglich ist, wird vom Ausgang der Präsidentschafts- und Kongresswahlen 2020 abhängen. Sollte Trump wiedergewählt werden und die Republikaner die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus stellen, dürften die Gesetzesentwürfe zumindest in ähnlicher Form verabschiedet werden. Durch Trumps Nominierungen von Richterkandidaten für den Obersten Gerichtshof wird auch eine Blockade dieser Gesetze von dieser Seite her unwahrscheinlicher.  

Sollte jedoch ein Demokrat die Präsidentschaftswahl gewinnen und die Partei eine oder beide Kongresskammern kontrollieren, wird höchstwahrscheinlich ein Kompromissvorschlag verabschiedet werden, der weitreichenden Straferlass für illegale Einwanderer und eine deutlich entschärfte Migrations- und Grenzpolitik vorsieht. Eine Regierung unter den Demokraten würde zudem die Unterzeichnung des UN-Migrationspakts und des UN-Flüchtlingspakts anstreben.

Ungewissheit

Im Fall einer Wiederwahl Trumps ohne republikanische Mehrheit in beiden Kongresskammern wäre das Schicksal jeglicher Reformversuche ungewiss. Die Demokraten werden auf eine gewisse Form von Straffreiheit oder zumindest auf eine gesetzliche Verankerung des DACA-Programms pochen. Die Republikaner sind in der Frage der Straffreiheit geteilter Meinung: Während die meisten Konservativen entschieden dagegen sind, vertreten einige Republikaner – und zwar sowohl Konservative als auch Liberale – eine andere Ansicht. Dort dürfte es Verhandlungsspielraum geben: Trump hatte schon in der Vergangenheit Kompromissbereitschaft im Zusammenhang mit dem DACA-Programm signalisiert.

Mit großer Wahrscheinlichkeit würde Trump jedoch die Gesetzesreform zur legalen Einwanderung in die USA vorantreiben, ungeachtet der Zusammensetzung des Kongresses. Das Problem: Unter den Republikanern herrscht keine Einigkeit darüber, ob die Zahl der Immigranten insgesamt zunehmen, abnehmen oder unverändert bleiben sollte.

Volksmeinung und Medienmeiung

Für die amerikanische Wählerschaft stehen drei Kernthemen im Vordergrund:

  • Erstens werden die durch illegale Einwanderung in die USA verursachten Belastungen für die Steuerzahler kritisch gesehen;
  • Zweitens befürchten die Amerikaner, dass das System nicht menschenwürdig, gerecht und rational ist;
  • Drittens gibt es Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit.

Während sich die meisten überregionalen Medien und Aktivistengruppen klar gegen Trump stellen, scheint die Wählerschaft dem Hardliner-Ansatz von Präsident Trump mehr zu vertrauen.

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Conclusio

Ungeachtet vom Ausgang der Wahlen wird das Thema Einwanderung weiterhin ein zentraler politischer Streitpunkt bleiben. Für die amerikanischen Linken war die illegale Einwanderung in die USA schon immer eine Frage der sozialen Gerechtigkeit – daran werden auch Rückschläge bei Wahlen nichts ändern. Auf der Gegenseite wird der rechte Flügel Trump zur Einhaltung seiner Versprechen drängen.