Ist der Euro gut für Kroatien?

Die kroatische Kuna ist noch keine 30 Jahre alt und ab 2023 schon wieder Geschichte: Ab dem 1. Januar ist der Euro auch in Kroatien die offizielle Währung. Die Währungsumstellung kommt inmitten einer europaweiten Rezession.

Foto eines leeren weißen Verkaufsstandes aus Holz mit Markise. Im Hintergrund ein Baum und eine Stadt mit Baukran. Eine Frau mit grauem Mantel geht vorbei.
Ein leerer Stand für Souvenire in Zagreb im September 2022. 20 Prozent des BIP stammen aus Einnahmen aus dem Tourismus. © Getty Images
×

Auf den Punkt gebracht

  • Gar nicht so neu. Der Euro ist schon lang die bestimmende Währung in Kroatien, das 2013 der EU beigetreten ist.
  • Ausgangslage. Kroatien ist wirtschaftlich insgesamt stabil, aber die Kaufkraft liegt bei 70 Prozent des EU-Durchschnitts.
  • Preisanstieg. Viele Kroaten befürchten höhere Preise durch den Euro. Preisanstiege wegen des Euro gab es bisher allerdings in keinem Land.
  • Gute Aussichten. Für die kroatische Wirtschaft wird der Euro eher Vorteile bringen, zumal zwanzig Prozent des BIP aus dem Tourismus stammen.

Kroatien wird am 1. Jänner 2023 als 20. EU-Mitgliedsstaat den Euro als Gemeinschaftswährung übernehmen. Der Beschluss dafür wurde vom Europäischen Rat am 12. Juli 2022 in Brüssel gefasst. Der Umrechnungskurs der derzeitigen Landeswährung wurde mit 7,5345 Kuna je Euro festgelegt.

Blicken wir zunächst auf den EU-Beitritt Kroatiens zurück: Im Gegensatz zu jenen Mittel- und Osteuropäischen Ländern (die so genannten „EU-MEOL“) die der EU 2004 (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn) und 2007 (Bulgarien und Rumänien) zu Zeiten der Hochkonjunktur beigetreten sind, und die sowohl in den Jahren vor und zum Teil auch nach dem Beitritt immens von ihrer Mitgliedschaft profitiert haben, fiel der Beitritt Kroatiens zur EU 2013 in die Zeit nach der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise.

Kroatien war von den Auswirkungen der Krise besonders stark betroffen und schlitterte in eine tiefe über sechs Jahre dauernde Rezession. Zwischen 2009 und 2014 fiel das Brutto-Inlandsprodukt um fast 13 Prozent und die Investitionen um rund ein Drittel; besonders stark betroffen war neben der Bauwirtschaft auch die verarbeitende Industrie.

Lang überbewertet: die Kuna

Hauptursache für den starken wirtschaftlichen Einbruch war die Überbewertung des realen Wechselkurses und die damit verbundenen Leistungsbilanzdefizite sowie die dadurch angehäuften Schulden in der Vorkrisenperiode. Aufgrund der starken Auslandsverschuldung bei gleichzeitig hoher „Euroisierung“ der gesamten Wirtschaft war eine Wechselkursabwertung keine wirtschaftspolitische Option, um die Exporte zu stimulieren und Investoren ins Land locken.

Mehrere Zwei-Euro-Münzen vor schwarzem Hintergrund. Auf der Münze ist das Wort Hrvatska für Kroatien und die Kontur des Landes Kroatien zu sehen. Der Euro hat die Prägung 2023.
Die neue Währung für Kroatien: der Euro. © Getty Images

Erst ab 2015 setzte eine Erholungsphase ein, wobei die Wachstumsraten des Brutto-Inlandsproduktes angesichts des vorangegangenen Rückgangs sehr bescheiden ausfielen (2015 bis 2019 um durchschnittlich drei Prozent pro Jahr). Im Pandemiejahr 2020 brach die Wirtschaftsleistung angesichts der starken Abhängigkeit vom Tourismus um 8,6 Prozent ein und verzeichnete damit den stärksten Rückgang unter den EU-MOEL. Im Jahr 2021 konnte dieser Rückgang aber mehr als wettgemacht werden (plus 13 Prozent) und auch für 2022 ist mit einem Wachstum von rund fünf Prozent zu rechnen.

Das Brutto-Inlandsprodukt pro Kopf betrug 2021 gemessen in Kaufkraftparitäten 70 Prozent des Durchschnitts in den EU-27 und lag damit nur vor der Slowakei und Bulgarien. Im Vergleich dazu bilden Tschechien und Slowenien mit einem BIP pro Kopf von rund 90 Prozent des EU-27 Durchschnitts die Spitzenreiter der EU-MOEL

Arbeitskräftemangel und Inflation

Die lang anhaltende Rezession hatte auch gravierende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, der traditionell von einer niedrigen Erwerbsbeteiligung und hoher Arbeitslosigkeit – diese betrug auf ihrem Höhepunkt 2013: 17 Prozent – geprägt war. Der EU-Beitritt im Juli 2013 bot durch die Öffnung des Arbeitsmarktes für kroatische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen in einem Großteil der EU-Länder – inklusive Deutschland – einen Ausweg aus dieser Situation. Schätzungen zufolge haben zwischen dem EU-Beitritt und dem Beginn der Covid-19-Pandemie rund 200.000 Personen das Land verlassen.

Aufgrund der starken Abwanderung und der sich verbessernden wirtschaftlichen Lage verringerte sich die Arbeitslosigkeit auf 7,6 Prozent im Jahr 2021, verzeichnete aber gemeinsam mit Lettland den höchsten Wert in den EU-MOEL. Die Erwerbsbeteiligung nahm in diesem Zeitraum zwar auf 68 Prozent zu, bildet aber gemeinsam mit Rumänien das Schlusslicht in dieser Ländergruppe. Zum Vergleich: 2021 lag die Erwerbsquote in Österreich bei 75,6 Prozent und im Durchschnitt der EU-27 bei 73 Prozent). Gleichzeitig kämpft Kroatien wie alle EU-Länder mit einem Arbeitskräfte- und Facharbeitermangel.

Der Euro als Pflicht

Ebenso wie der EU-Beitritt erfolgt auch die Einführung des Euro in Kroatien zu turbulenten Zeiten, die geprägt sind von hoher Verschuldung infolge der Covid-19-Pandemie, von geringeren Wachstumsaussichten angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und von steigender Inflation. Nach den EU-Verträgen sind alle Mitgliedstaaten bis auf Dänemark, das im Vertrag von Maastricht eine Opt-out Regelung ausgehandelt hat, zur Übernahme des Euro verpflichtet, sobald sie die Voraussetzungen dafür erfüllen.

Von den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL), die 2004 der EU beigetreten sind, haben bisher Slowenien, die Slowakei und die drei baltischen Staaten den Euro als Zahlungsmittel übernommen. Die anderen Länder aus dieser Gruppe verfolgen dies aber nicht mit Nachdruck. Kroatien, das im Juli 2013 EU-Mitglied wurde, und hier insbesondere die kroatische Nationalbank, hat sich von Anfang an zum Ziel gesetzt, den Euro so schnell wie möglich einzuführen. Dies vor allem deshalb, weil sich das Land angesichts der galoppierenden Inflation Anfang der 1990er Jahre für den Wechselkurs als Stabilitätsanker entschieden, die Währung an die D-Mark gekoppelt und seither nur geringfügige Kursschwankungen zugelassen hat.

×

Zahlen & Fakten

Eine Münze auf grauem Filz. Das Bild ist Teil eines Beitrags über die Einführung des Euro in Kroatien.
Die Kuna ist schon wieder Geschichte. © Getty Images

Die kurze Geschichte der Kuna

  • Im Vergleich zur Geschichte des kroatischen Dinar, der von 1991 bis 1994 die Übergangswährung in Kroatien war, ist die Geschichte der Kuna wiederum lang: Immerhin war die Kuna 29 Jahre lang die Landeswährung Kroatiens.
  • Kuna heißt auf kroatisch Marder. Dass die Währung so heißt, bezieht sich auf die Steuern, die in den römischen Provinzen in Form von Marderfellen eingezogen wurden. Das kroatische Wort für Steuern, Marturina, leitet sich vom lateinischen Wort für Marder, martus, ab.
  • Im 12. Jahrhundert war auch in der Region des heutigen Kroatiens der Friesacher Pfenning in Gebrauch. Der Frizatik hatte seinen Namen von der Stadt Friesach in Kärnten, wo sich eine Prägestätte für Silbermünzen befand.
  • Von 1235 bis 1384 gab es die erste Währung mit einer Marderprägung, den Banovac. Die Währung des Unabhängigen Staates Kroatien 1941 bis 1945, der Vasallenstaat der Achsenmächte Deutschland, Italien und Japan, hieß Banovac Kuna.

Die kroatische Wirtschaft ist bereits seit Jahrzehnten stark euroisiert – ein Erbe des früheren Jugoslawien, das durch häufige Abwertungen und (Hyper-)Inflation gekennzeichnet war. Aus Mangel an Vertrauen in die eigene Währung flüchteten die Bürgerinnen und Bürger in starke Währungen – früher die Deutsche Mark – in die sie ihre Ersparnisse anlegten und die als Wertmaßstab zum Beispiel für Immobilien, Autos, Mieten etc. dienten. Dies hat sich auch im unabhängigen Kroatien trotz der seit fast dreißig Jahren verfolgten straffen Wechselkurspolitik nicht geändert. So waren zeitweise rund 70 bis 80 Prozent der Spareinlagen und Bankdarlehen in Euro denominiert, was wenig Spielraum für flexible Wechselkurse ermöglichte.

Erst nach Beendigung des „Verfahrens bei übermäßigem Defizit“, das 2014 wegen Verstoßes gegen die Defizit- und Schuldenkriterien eingeleitet wurde, konnte Kroatien die Aufnahme in den Wechselkurmechanismus II (WKM II) – Warteraum für die Euroübernahme beantragen, der schließlich im Juli 2020 bei Ausbruch der Covid-19 Pandemie erfolgte. Dabei wurde der Leitkurs der Kuna gegenüber dem Euro festgelegt (mit Schwankungen innerhalb festgelegter Grenzen) und die Einhaltung der Konvergenzkriterien (Preisstabilität, gesunde öffentliche Finanzen, langfristige Zinssätze und Wechselkursstabilität) innerhalb von mindestens zwei Jahren vereinbart. Schon im Juli 2022, also in der kürzest möglichen Zeit im WKM II, bestätigte der Rat der Europäischen Kommission, dass Kroatien mit Ausnahme des höheren Schuldenniveaus alle Voraussetzungen für die Einführung des Euro erfüllt hat.

Mythos Preisanstieg nach dem Euro

Hinsichtlich der Auswirkungen der Euro-Einführung wird von Skeptikern häufig auf das Ansteigen der Preise verwiesen. Auch in jenen fünf mittel- und osteuropäischen Ländern, die bisher den Euro als Zahlungsmittel übernommen haben, herrscht die allgemeine Wahrnehmung vor, dass die Übernahme des Euro zu einem erheblichen Preisanstieg geführt hat.

Eine hell erleuchtete Bücke in der Abenddämmerung über dem Wasser.
Die für den Tourismus wichtige Pelješac-Brücke verbindet die Inseln mit dem kroatischen Festland und umgeht den bosnischen Zugang zum Mittelmeer. Sie wurde im Sommer 2022 fertiggestellt. © Getty Images

Analysen zufolge hat sich die Umstellung jedoch nur geringfügig auf die allgemeine Inflation ausgewirkt: Infolge der Euro-Einführung sind die Preise um 0,2 bis 0,3 Prozent gestiegen, was bedeutet, dass es in keinem der fünf Länder zu einem signifikanten Preisanstieg kam. Die Preiserhöhung erwies sich als einmalig und führte auf lange Sicht zu keiner Gefährdung der Preisstabilität.

Dass die gefühlte Inflation in der Zeit nach der Einführung des Euro viel höher war als die tatsächliche Inflation, liegt unter anderem daran, dass die Bürger und Bürgerinnen in der Regel auf der Grundlage ihrer Wahrnehmung des Inflationsniveaus die Preise der weniger teuren Produkte, die sie häufig kaufen, vergleichen. Erwiesenermaßen fällt der Preisanstieg bei diesen weniger teuren Produkten während der Umstellung oft stärker aus. Die negative Einstellung zum Euro resultiert also vor allem aus der Wahrnehmung und entspricht nicht dem tatsächlichen Preisanstieg nach der Umstellung auf den Euro.

Der Euro dominiert schon lang

Eine Eurobarometer Umfrage im Sommer 2022 ergab, dass die Zustimmung der Kroaten zur Einführung des Euro bei nur 55 Prozent lag, ein Jahr zuvor waren es noch 62 Prozent. Nur 45 Prozent der Befragten erwarteten mit der Übernahme des Euro positive Auswirkungen, während 49% mit negativen Auswirkungen rechnen. Ähnlich wie vor der Euro-Einführung in den anderen EU-MOEL war die Befürchtung eines Teuerungsschubs am höchsten, den mehr als 80% der Befragten erwarten.

Die Einführung des Euro in Kroatien ist ein logischer Schritt, die Politik der Währungsstabilität der Vergangenheit, die von einem hohen Grad der Euroisierung geprägt war, fortzusetzen. Unter diesen Voraussetzungen war der Handlungsspielraum für geldpolitische Entscheidungen schon vor der Übernahme des Euro weitgehend eingeschränkt, sodass nach dem Eintritt in die Eurozone keine wesentlichen Änderungen zu erwarten sind.

Vorteile durch die Übernahme des Euro sind im Tourismus, der rund zwanzig Prozent zur Wirtschaftsleitung Kroatiens ausmacht, zu erwarten. Mehr als die Hälfte der Touristen kommt aus der EU, insbesondere aus Deutschland, Österreich, Slowenien und Italien. Die Vorteile des Wegfalls der Umrechnungskosten, die erhöhte Transparenz und der leichtere Preisvergleich können zu einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus sowohl für die Touristen selbst als auch für die Anbieter touristischer Leistungen, etwa im Vergleich mit anderen Tourismusländern, führen.

Was den Warenhandel anlangt, zeigen Analysen aus den EU-MOEL, die allerdings auf kurzen Zeitreihen beruhen, dass der EU-Beitritt einen wesentlich höheren Effekt auf die Ausweitung des Handels hatte als die Übernahme des Euro (Bukovsak et al.). Hinsichtlich der Inflation ist davon auszugehen, dass vor allem die allgemeine Krisensituation (Krieg in der Ukraine, Anstieg der Energiepreise, etc) deren Haupttreiber ist und nicht die Übernahme des Euro. Kroatien wird nach Einführung des Euros gemeinsam mit der Slowakei und Griechenland gemessen an der Wirtschaftsleistung pro Kopf zu den schwächsten Ländern der Eurozone gehören.

×

Conclusio

Die Einführung des Euro in Kroatien wird in bestimmten wirtschaftlichen Bereichen wie etwa dem Tourismus Vorteile bringen. Dennoch stehen viele Kroaten der Einführung der Gemeinschaftswährung skeptisch gegenüber, weil sie erwarten, dass die Preise steigen werden. Wie überall in Europa hat auch Kroatien mit den Folgen der Pandemie und des Ukrainekriegs zu kämpfen. Die wirtschaftlichen Turbulenzen waren nach dem Beitritt zur EU 2013 allerdings größer. Kroatien befand sich lang in einer Rezession und ist jetzt in einer relativ stabilen wirtschaftlichen Lage.