Warum die USA Weltpolizist bleibt

Im Wahlkampf 2016 trat Donald Trump außenpolitisch als Isolationist auf. Der Präsident hält weitgehend sein Wort. Aber militärische Interventionen seitens der USA dürften trotzdem anhalten.

Dieser Report erschien am 13. August 2019 auf Geopolitical Intelligence Services.

US-Soldaten besteigen einen Transporthubschrauber in Afghanistan
Das US-amerikanische Militär blickt auf eine lange Geschichte von Interventionen zurück. © Getty Images
×

Auf den Punkt gebracht

  • Die Ausgangslage. Mit „America First“ kündigte Donald Trump eine scheinbar isolationistische Außenpolitik an, die weniger Geld und Menschenleben kosten soll.
  • Uneinigkeit der Berater. Während der Sicherheitsberater John Bolton militärische Interventionen befürwortet, lehnen sie andere Berater ab.
  • Militäreinsätze gehen weiter. Trotzdem genehmigte Trump militärische Aktionen in Syrien und die Unterstützung des US-Militärs in Afghanistan.
  • Gewisser Richtungswechsel. Die Strategie der USA hat sich geändert. Waffenverkäufe und militärische Ausbildung werden forciert.

Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gehört „robuster Interventionismus“ zu den Markenzeichen der US-Außenpolitik. Militärische Interventionen spiegelten sich auch in der Regierungsführung der beiden Präsidenten George W. Bush (2001–2009) und Barack Obama (2009 – 2017) wider. Nachfolge-Präsident Donald Trump erklärte hingegen, dass er von dieser Politik nichts halte.

Dennoch haben sich einige der wichtigsten Berater Trumps in der Vergangenheit nachdrücklich für eine Interventionspolitik ausgesprochen. In der Ära des „Wettkampfs der Großmächte“ („great power competition“), wie sie die Trump-Administration selbst bezeichnet, könnten mögliche Konfliktsituationen jederzeit eskalieren. Einfacher ausgedrückt: Die USA sind eine Weltmacht mit globalen Interessen. Obwohl Washingtons Politik darauf abzielt, Militäreinsätze zu vermeiden, können militärische Interventionen nicht ausgeschlossen werden.

Nicht nur Republikaner

Militärische Interventionen werden in der Regel mit republikanischen US-Präsidenten in Verbindung gebracht. Die historische Bilanz ist jedoch deutlich komplizierter. Die Befürwortung proaktiver Gewaltanwendung kann keiner der großen Parteien zugeordnet werden. Die Präsidentschaft des Republikaners Dwight Eisenhower (1953 – 1961) beispielsweise war von Interventionen in Lateinamerika geprägt, insbesondere von der Operation in Guatemala, in der die CIA eine besondere Rolle spielte. Dagegen schreckte Eisenhower während der Ungarischen Revolution (1956) vor einem Eingreifen zurück und lehnte auch die französisch-britische Intervention in der Suez-Krise (1956) ab. Die beiden demokratischen Präsidenten John F. Kennedy (1961 – 1963) und Lyndon Johnson (1963 – 1969) autorisierten zahlreiche Interventionen – auch den erweiterten US-Einsatz im Vietnamkrieg.

In jüngerer Zeit hob sich die Regierung des republikanischen Präsidenten George W. Bush durch Einsätze im Ausland hervor, vor allem durch die Kriege in Afghanistan (2001) und im Irak (2003). Auf beide Kriege folgten langwierige und blutige Konflikte, an denen die USA beteiligt waren. Auch der demokratische Präsident Obama trug seinen Teil bei. Nach seiner Wahl fuhr er zwar den US-Einsatz in Afghanistan zurück und zog die Streitkräfte aus dem Irak ab. Er wies aber dennoch die US-Streitkräfte an, sich an den von der NATO geführten Militäroperationen in Libyen (2011) zu beteiligen und stationierte erneut US-Streitkräfte im Irak, um den IS zu bekämpfen.

Kein Isolationist

Als Präsident Trump 2016 ins Amt gewählt wurde, erfolgte dies unter dem Slogan „America First“. Viele assoziieren diese Aussage mit der isolationistischen Bewegung, die einst darauf drängte, die USA aus dem Zweiten Weltkrieg herauszuhalten. Doch Trump bewies schon früh, dass er kein Isolationist sein würde: Er befahl den Einsatz von Raketen gegen syrische Streitmächte als Vergeltung für deren Einsatz von chemischen Waffen im Jahr 2018. Außerdem genehmigte er die weitere Unterstützung des US-Militärs für Operationen in Afghanistan und weitete die militärischen Aktionen gegen den IS in Syrien aus.

Trump gab nach Amtsantritt an, dass militärische Interventionen nicht sein oberstes Ziel seien.

Trump gab nach seinem Amtsantritt häufiger zu verstehen, dass militärische Interventionen nicht zu seinen obersten Zielen gehören. Er bezeichnete Operationen zur Unterstützung eines „Regimewechsels“ (regime-change) und der „Staatenbildung“ (nation-building) als kostspielig und unnötig. Im Jahr 2017 veröffentlichte die US-Regierung ihre Nationale Sicherheitsstrategie, in der zahlreiche dieser Themen aufgegriffen wurden.

Unter Präsident Trump stehen die bisherigen Operationen des US-Militärs im Wesentlichen im Einklang mit dieser Strategie. Während die Administration im Rahmen der Konfliktabschreckung für „Frieden durch Stärke“ („peace through strength“) und den Ausbau militärischer Fähigkeiten („building up military capability“) plädiert, wird bei zusätzlichen Kampfeinsätzen gezögert. Ein erneuter Einsatz in Libyen wurde nicht umgesetzt. Die Trump-Administration hat die Streitkräfte aus Syrien abgezogen und stattdessen diplomatische Bemühungen um eine Friedensvermittlung zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung eingeleitet.

Nachdem Nordkorea eine Reihe provokanter Nuklear- und Raketentests durchgeführt hatte, versuchten die USA trotz der scharfen Rhetorik, den Konflikt nicht eskalieren zu lassen. Außerdem haben die USA – ungeachtet ihrer anhaltenden Ablehnung des Regimes von Nicolas Maduro – eine direkte Intervention in Venezuela vermieden. Die Trump-Administration entschied sich auch, auf den Abschuss einer US-Überwachungsdrohne durch den Iran nicht mit militärischer Gewalt zu reagieren. Washington betonte, dass es an einen bewaffneten Konflikt mit Teheran nicht interessiert sei.

×

Zahlen & Fakten

Eckpunkte der US-Militär-Strategie 2019:

  • Militärische Interventionen sind kein oberstes Ziel
  • Frieden durch Stärke („peace through strength“)
  • Ausbau militärischer Fähigkeiten („building up military capability“)
  • Abzug des größten Teils der Streitkräfte aus Syrien
  • Missionen im Irak, Afghanistan und Syrien (im verkleinerten Maßstab)
  • Militärische Operationen im südchinesischen Meer und in der Straße von Hormus
  • Waffenverkäufe, militärische Ausbildung und Unterstützung
  • Sicherheit im Form von Kooperationen

Lautstarke Berater

Dennoch stehen die USA weiterhin unter Interventionismus-Verdacht. Einige der engsten Präsidenten-Berater befürworten diese Strategien lautstark: Dazu gehören der Nationale Sicherheitsberater John Bolton, der sich in der Vergangenheit für Militäraktionen gegen den Iran, Nordkorea und somalische Piraten eingesetzt hat, sowie Außenminister Mike Pompeo und die republikanischen Senatoren Lindsey Graham und Tom Cotton.

Bemerkenswert ist jedoch, dass viele Berater des Präsidenten eine interventionistische Politik ganz klar ablehnen, wie etwa der Talkshow-Moderator Tucker Carlson und der republikanische Senator Rand Paul. In der Praxis lässt sich Präsident Trump in auswärtigen Angelegenheiten zwar von vielen Personen beraten, doch scheint er sich nicht an die Empfehlungen eines bestimmten Beraters gebunden zu fühlen.

Die US-Politik war stets besonnen, aber nicht risikoscheu. Präsident Trump scheint zum Schutz amerikanischer Interessen nicht davor zurückzuschrecken, Druck – falls erforderlich in Form von direkter Gewalt – auszuüben. Selbst wenn er sich für den unmittelbaren Einsatz von militärischer Gewalt entscheidet, zieht er Maßnahmen vor, die nicht zu einer Eskalation führen. Die Operationen sind darauf ausgerichtet, ein klar umrissenes Ergebnis zu erzielen.

×

US-Interventionen

1991Nachdem der Irak 1990 sein Nachbarland Kuwait überfällt, beginnt im Januar 1991 der zweite Golfkrieg. Eine Koalition unter der Führung der USA besiegt den Irak.
1993Bei der „Schlacht von Mogadischu“ sterben 18 US-Soldaten. Die US-Truppen werden abgezogen; Präsident Clinton erlässt eine neue Maxime für Auslandseinsätze, die eigene Verluste verhindern soll („No Dead“).
1994Die USA intervenieren in Haiti, um den Präsidenten Jean-Bertrand Aristide, der 1991 nach einem Putsch sein Amt niederlegen musste, wieder einzusetzen.
1992-1995Die USA fliegen während des Bosnienkriegs bis 1995 Lufteinsätze.
1999NATO-Luftkräfte unter Führung der USA fliegen im Kosovokrieg Angriffe gegen Jugoslawien. Die Völkerrechtsmäßigkeit der Mission ist bis heute umstritten.
2001Unter Präsident George W. Bush beginnen die USA in den Nachwehen des 11. Septembers mit dem Afghanistankrieg.
2003Der dritte Golfkrieg beginnt. Bis 2015 fallen fast 4500 US-Soldaten im Irak.
2011Unter Präsident Barack Obama beteiligen sich die USA an Luftschlägen gegen Libyen.
2017Die USA beschießen als Vergeltung für einen chemischen Angriff auf die Stadt Chan Schaichun den syrischen Militärflugplatz asch-Schaʿirat mit Raketen.
2019Die USA verkünden überraschend den Abzug ihrer Truppen aus Nordsyrien.

Nicht ausgeschlossen

Zudem scheinen viele der US-amerikanischen Konkurrenten darauf bedacht zu sein, eine militärische Konfrontation zu vermeiden. Russland, China, der Iran und Nordkorea haben allesamt Strategien, mit denen ein bewaffneter Konflikt mit den US-Streitkräften vermieden werden soll. Vielmehr konzentrieren sich diese Länder auf nicht-militärische Maßnahmen, um die Präsenz und die Politik der USA zu unterminieren, einzuschränken oder zu beeinflussen.

Dennoch können zukünftige US-Militärinterventionen nicht ausgeschlossen werden. Die USA sind eine Weltmacht, die in vielen Teilen der Erde um eine Vormachtstellung kämpft, auch in politisch gespaltenen und instabilen Regionen. Wahrscheinlich wollen die Vereinigten Staaten keinen Krieg mit anderen Ländern. Doch es mag Akteure geben, die in der Konfrontation mit den USA durchaus einen Wert sehen, darunter beispielsweise transnationale Terrororganisationen. Andere Mächte könnten einen Konflikt mit den USA inszenieren oder sponsern, um Washington abzulenken.

Die USA werden militärische Interventionen auf absehbare Zeit – mit Sicherheit aber während der Wahlen im Jahr 2020 – möglichst vermeiden.

Kapazitäten ausgebaut

Daher bauen die US-Streitkräfte ihre Kapazitäten weiterhin aus, um für Interventionen oder militärische Operationen bereit zu sein. Zum Beispiel hat die US-Armee bereits in den Ausbau ihrer Transportkapazitäten investiert. Dadurch können Truppen schneller nach Übersee verlegt werden. Zudem sollen Modernisierungsprojekte mit Geldern aus bestehenden Ausrüstungsprogrammen finanzieren werden. Der Generalstabschef der Armee, General Mark Milley, erklärte, man müsse 93 Ausrüstungsprogramme vollständig einstellen und 93 weitere zurückfahren, um im Laufe von fünf Jahren 30 Milliarden US-Dollar für die Modernisierung der Armee freizusetzen. Die wichtigsten Modernisierungsprojekte sind im Bereich Langstrecken-Präzisionsraketen, Kampffahrzeuge der nächsten Generation, Kommunikationsgeräte, Luft- und Raketenabwehr sowie Schutzmaßnahmen für Soldaten angesiedelt. Diese Maßnahmen erlauben es der Armee, Operationen im gesamten Konfliktspektrum noch besser durchzuführen.

×

Conclusio

Militärische Interventionen werden auf absehbare Zeit – mit Sicherheit aber im Vorfeld der Wahlen im Jahr 2020 – möglichst vermieden werden. Ob Trump wiedergewählt wird, kann noch nicht gesagt werden. Unabhängig davon lässt es sich nur schwer vorhersagen, wo genau die amerikanischen Streitkräfte eingreifen könnten. Auf jedem der Schauplätze gibt es potenzielle Brennpunkte, an denen sich die USA gezwungen sehen könnten, ihre Streitkräfte einzusetzen, um amerikanische Interessen zu schützen. In Europa bleibt der Westbalkan nach wie vor ein Sorgenkind. Die USA beobachten aber auch Nordafrika und das nördliche Mittelamerika (Guatemala, Honduras, El Salvador) sehr genau.