Sonnensturm – Der Blackout aus dem All

Extreme Sonnenstürme sind selten, aber sie könnten verheerende Auswirkungen auf unser Leben haben und das Internet global ausfallen lassen – weshalb wir schleunigst für einen solchen Fall vorsorgen müssen.

Sonnenstürme: Aufnahme eines koronalen Lochs in der Sonnenkorona im Mai 2018.
Da ist eines: Ein koronales Loch in der Sonnenkorona im Mai 2018, das auf die Erde gerichtet ist. Durch dieses Loch strömen geladene Teilchen in Richtung Erde, ein sogenannter Sonnensturm. © NASA
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Auf den Punkt gebracht

  • Was ist ein Sonnensturm? Auswürfe von magnetisierten Teilchen aus der Sonne, die auf der Erde aufschlagen können.
  • Warum ist er gefährlich? Durch ihre elektrische Ladung können diese Teilchen nicht nur das Stromnetz, sondern auch die Internet-Infrastruktur massiv beschädigen.
  • Was wären die Folgen? Das Internet könnte global ausfallen, nicht zuletzt weil ein solcher Sonnensturm auch das Satelliteninternet zerstören könnte.
  • Was können wir tun? Wir müssen das Problem ernst nehmen und die Internet-Infrastruktur auf ein solches Ereignis vorbereiten.

Das Internet ist ein widerstandsfähiges, dezentrales System, das in der Vergangenheit mehrere natürliche und vom Menschen verursachte Katastrophen erfolgreich überstanden hat. Heutzutage jedoch übersehen Wissenschaftler genauso wie die Betreiber der Internet-Infrastruktur ein Ereignis mit geringer Wahrscheinlichkeit und großen Auswirkungen, das eine erhebliche Bedrohung für das Internet darstellt: solare Superstürme.

Koronale Massenauswürfe, umgangssprachlich Sonnenstürme genannt, sind ein gerichteter Auswurf einer großen Masse stark magnetisierter Teilchen aus der Sonne. Wenn sich die Erde in der direkten Bahn eines solchen Massenauswurfs befindet, interagieren diese solaren Teilchen mit dem Magnetfeld der Erde und induzieren elektrische Felder auf der Erdoberfläche. Das kann zu einem Phänomen führen, das sich geomagnetisch induzierter Strom nennt. Dieser Strom kann durch Stromkabel auf der Erde fließen und sie dadurch beschädigen. Auch Glasfaserkabel können betroffen sein, wenn diese – wie die Unterwasserkabel des Internets – mit Repeatern versehen sind, die helfen, die Stärke des Signals zu erhalten und mit Strom betrieben werden.

Wie groß ist die Gefahr?

Glücklicherweise sind nicht alle Sonnenstürme stark genug, um erhebliche Schäden zu verursachen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solarer Supersturm massive Ausfälle verursacht, wird auf 1,6 Prozent bis 12 Prozent pro Jahrzehnt geschätzt. Das Risiko ist jedoch nicht gleichmäßig über die Jahre verteilt. Die Sonne durchläuft Zyklen von etwa elf Jahren, und Sonnenstürme treten mit größerer Wahrscheinlichkeit während Sonnenmaxima auf. Auch die Stärke der Sonnenzyklen variiert in einem Zeitraum von etwa 100 Jahren. Der Zufall wollte es, dass der moderne technologische Fortschritt mit einer Periode schwacher Sonnenaktivität zusammenfiel. Es wird erwartet, dass die Sonne in naher Zukunft wieder aktiver wird. Wir wissen jedoch nur begrenzt, ob die derzeitige Infrastruktur des Internets gegen starke Sonnenstürme gewappnet ist – da sie nicht unter Stressbedingungen bei maximaler Sonnenaktivität getestet wurde.

Wir wissen nur wenig über die Auswirkungen von Sonnenstürmen auf die Internet-Infrastruktur.

Die bisher größten Sonnenereignisse fanden 1859 (Carrington-Ereignis) und 1921 statt. Sie lösten umfangreiche Stromausfälle aus und beschädigten das damalige Kommunikationsnetz, das Telegrafennetz. Wenn sich heute ein Sturm ähnlichen Ausmaßes ereignet, könnten Internetdienste auf zwei Arten beeinträchtigt werden: durch direkte Schäden an der Internet-Infrastruktur oder indirekt durch Stromausfälle. Während die Auswirkungen auf die Stromnetze besser bekannt sind, wissen wir nur wenig über die Auswirkungen auf die Internet-Infrastruktur.

Welche Infrastruktur ist bei Sonnenstürmen gefährdet?

Die am stärksten gefährdeten Komponenten der Internet-Infrastruktur sind Satelliten und Langstrecken-Glasfaserkabel. Lokale Infrastrukturen wie Rechenzentren können mit relativ kostengünstigen Überspannungsschutzgeräten vor Sonnensturm-induzierten Stromstößen geschützt werden. Zu den Bedrohungen für Satelliten, die den Sonnenpartikeln direkt ausgesetzt sind, gehören die Beschädigung elektronischer Komponenten und der zusätzliche Luftwiderstand des Satelliten, insbesondere bei Satelliten im Low Earth Orbit wie Starlink. Dieser kann dazu führen, dass die Satelliten ihre Umlaufbahn verlassen, beim Eintritt in den Orbit zerfallen und ihre Trümmer unkontrolliert auf der Erde aufprallen.

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Zahlen & Fakten

Foto einer Aurora über Alaska.
Sonnensturm von der Erde betrachtet: Eine Aurora am 17. März 2015 über Alaska. Die grün leuchtenden Teilchen sind Sauerstoffatome. © NASA Goddard

Das Carrington-Ereignis

Es muss wunderschön anzusehen gewesen sein: Ob Rom, Hawaii oder Havanna – auf der ganzen Welt waren plötzlich Polarlichter zu sehen. Wir schreiben den 1. September 1859, das Datum, an dem der erste historisch verbriefte Sonnensturm die Erde erreicht.

Zuerst beobachtet wurde es morgens vom englischen Astronomen Richard Carrington durch sein Teleskop – er beobachtet helle Lichtpunkte über den Sonnenflecken, die er sich nicht erklären kann. In der Nacht auf den 2. September ist das Phänomen, das wir heute als Sonnensturm kennen, dann nahezu auf der ganzen Welt zu sehen – in den Rocky Mountains sind Erzählungen von Minenarbeitern überliefert, die mitten in der Nacht aufwachten und begannen, Frühstück zu machen, weil der Himmel hell erleuchtet war.

Die Auswirkungen allerdings waren schon damals verheerend. Die Welt war durch Telegraphen vernetzt, und die spielten verrückt: Die elektrischen Partikel setzten die Leitungen unter Strom, selbst als sie abgeschaltet wurden. Operatoren erhielten Stromschläge, Papier fing Feuer – und noch Stunden nach der Abschaltung der Geräte konnten Nachrichten versendet werden, weil die Leitungen durch den Sonnensturm immer noch unter Strom standen.

Für die Langstrecken-Glasfaserkabel, die am Meeresgrund verlaufen und in denen das Internet zwischen Kontinenten fließt, ist der Ausfall der Repeater ein Problem. Wobei aufgrund der Ausrichtung des Erdmagnetfeldes in höheren Breitengraden ein deutlich höheres Risiko besteht. Und eine Analyse der Verteilung der Komponenten der Internet-Infrastruktur – Unterseekabel-Endpunkte, Datenzentren, Internet Exchange Points (IXP), DNS-Server und so weiter – zeigt leider eine höhere Konzentration dieser Elemente in höheren Breitengraden.

Auch die Untersuchung der Unterseekabelverbindungen zeigt, dass das Risiko an den verschiedenen Standorten nicht einheitlich ist. Während zum Beispiel die Unterseekabel, die die USA mit Asien verbinden, gleichmäßiger über die Westküste verteilt sind, konzentrieren sich die Kabel zwischen den USA und Europa im Nordosten der USA. Daher sind die USA anfälliger für eine Unterbrechung der Verbindung mit Europa. Im Gegensatz dazu ist Asien relativ widerstandsfähiger, da Singapur als Drehscheibe mit kürzeren Verbindungen zu mehreren Volkswirtschaften fungiert und fast alle Kabel auf niedrigere Breitengrade beschränkt sind.

Kann das Internet dem Sonnensturm standhalten?

Was kann man also tun? Der erste Schritt zur Quantifizierung des Risikos aufgrund von Sonnenstürmen besteht in der Entwicklung von Ausfallmodellen für Unterseekabel. Sonnensturm-Modelle, die für Stromnetze entwickelt wurden, können aus mehreren Gründen nicht direkt auf Seekabel angewandt werden: Die Entfernung zwischen den Erdungspunkten ist bei Internetkabeln im Gegensatz zu Stromkabeln tausende statt hunderte Kilometer. Zudem muss der Küsteneffekt bedacht werden, der die induzierten elektrischen Felder in Küstennähe verstärkt, wo sich die Erdungsanschlüsse von Seekabeln befinden. Geophysiker bemühen sich derzeit um eine Modellierung der Anfälligkeit von Unterseekabeln.

Selbst wenn die Risiken für Unterseekabel minimiert werden, ist das Internet anfällig für indirekte Ausfälle aufgrund von Stromnetzausfällen. Daher müssen wir die Widerstandsfähigkeit der globalen Internet-Infrastruktur und der darauf aufbauenden Anwendungen neu überdenken. Dies kann auf vielerlei Weise erreicht werden:

  • Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der Internet-Infrastruktur durch Hinzufügen von Kabeln in weniger anfälligen Regionen.
  • Ausgewogene Verteilung der Infrastruktur-Komponenten auf die verschiedenen Breitengrade.
  • Entwicklung von Strategien zur Vorbereitung auf einen Einschlag (ein Sonnensturm, der von der Sonne ausgeht, erreicht die Erde nur 13 Stunden bis 5 Tage später).
  • Entwicklung von Lösungen für den Aufbau eines partitionierten Internets, also die Aufteilung des Internets in voneinander unabhängige Netzwerke.
  • Ausweitung der Testszenarien auf großflächige Ausfälle und Netzpartitionierung.
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Conclusio

„Black Swan“ werden Ereignisse genannt, die unwahrscheinlich sind, aber große Auswirkungen auf unser Leben haben könnten. Ein Sonnensturm wäre eine solches Ereignis, genauso wie es die Corona-Pandemie war. Weshalb wir auf dieses Ereignis vorbereitet sein müssen und die Internet-Infrastruktur widerstandsfähiger machen müssen – etwa indem mehr Unterseekabel verlegt werden.