„Am Auto hängen viele Arbeitsplätze“
Welche wirtschaftlichen Konsequenzen hat das Verbrenner-Verbot? Matthias Kunsch, Partner im Bereich Audit & Assurance bei Deloitte Styria, über den Wirtschaftsfaktor Auto und das gespaltene Verhältnis zur Elektromobilität.
Die EU-Staaten haben sich auf ein Zulassungsverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ab 2035 geeinigt. Die Chancen hoch, dass dadurch hunderttausende Arbeitsplätze verschwinden und das Ende von leistbarer Automobilität bevorsteht. Matthias Kunsch von Deloitte Styria liefert sieben Fakten über die Zukunft der Automobilindustrie im deutschsprachigen Raum.
1. Nur zehn Prozent wollen derzeit ein Elektroauto
Die aktuelle Deloitte Automotive Studie zeigt: Verbrennungsmotoren stehen bei den Österreicherinnen und Österreichern nach wie vor hoch im Kurs. Fast 60 Prozent der Befragten wollen bei ihrem nächsten Autokauf unverändert ein Benzin- oder Dieselauto anschaffen. Lediglich 10 Prozent bevorzugen ein E-Auto. Die wichtigsten Treiber für den Kauf eines E-Autos sind Umweltschutz und die Treibstoffkosten. Stichwort Treibstoffkosten: Wir rechnen damit, dass die durch den Ukraine-Krieg enorm gestiegenen Kosten für Treibstoffe die Motivation zum Kauf von Elektroautos weiter erhöhen wird – natürlich abhängig von der langfristigen Entwicklung der Strompreise.
2. Die Wertschöpfung droht nach Asien zu wandern
Viele Marken haben von sich aus bereits ein früheres Ende für ihre Verbrenner als das für 2035 fixierte Verbot angekündigt. Trotzdem lassen sich die konkreten Auswirkungen zum aktuellen Zeitpunkt schwer einschätzen. Fakt ist, dass es auch nach 2035 noch Märkte für Verbrenner geben wird. In China etwa, dem größten Automarkt der Welt, soll ein striktes Verkaufsverbot erst ab 2060 gelten. Auch in der Autonation USA ist das absolute Verbot noch weit entfernt. Eine Verlagerung der Wertschöpfung in diese Länder ist also möglich. Ob und wie viele Arbeitsplätze durch das Verbrenner-Verbot in Europa verloren gehen, lässt sich derzeit nur schwer einschätzen. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass in den kommenden Jahren auch viele neue Jobs entstehen werden.
3. Europäische Hersteller hinken bei E-Autos hinten nach
Mit dem Verbrenner-Verbot geht ein Teil der Produktvorteile europäischer Hersteller verloren. Bei der Elektromobilität gilt Tesla eindeutig als Vorreiter. Im ersten Halbjahr 2022 konnte der US-Hersteller rund 564.000 Elektroautos verkaufen, was einer Steigerung von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gleichkommt. Auch der chinesische Autohersteller BYD holt in Sachen Elektromobilität stark auf und bedrängt damit sogar Tesla. Die europäischen Hersteller hinken derzeit noch hinterher. Der Volkswagen-Konzern – Europas Nummer eins – konnte im Gesamtjahr 2021 rund 450.000 rein elektrische Fahrzeuge ausliefern. Zum Vergleich: Tesla kam im selben Zeitraum auf ungefähr die doppelte Menge. Es wird ein hartes Stück Arbeit werden, bis die europäischen Hersteller bei Elektroautos den gleichen Status erreicht haben, wie bei den Verbrenner-Modellen.
4. Am Auto hängen in Österreich viele Arbeitsplätze
Die Automobilwirtschaft gehört zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen in Österreich. Sie umfasst neben der Herstellung, dem Handel und der Reparatur von Kraftwagen auch all jene Wirtschaftssektoren, deren Aktivität unmittelbar von Autos abhängt. Die Zahlen sind beeindruckend: Der Anteil am heimischen BIP beträgt über 10 Prozent, die Bruttowertschöpfung liegt bei rund 26 Milliarden Euro, dabei werden rund 330.000 Menschen beschäftigt. Über 300 Patentanmeldungen pro Jahr bestätigen die Innovationskraft der Branche.
5. Zulieferbetriebe in Österreich müssen sich anpassen
Unsere traditionell wichtige Autozulieferindustrie muss sich an die unaufhaltsamen Veränderungen in der Automobilbranche anpassen. Vor allem mittelständische Zulieferer hängen noch stark an Verbrennungsmotoren. Hier braucht es jetzt Investitionen in Zukunftstechnologien.
6. E-Mobilitätswirtschaft ist ein Wirtschaftsmotor
Wer auch in Zukunft erfolgreich sein will, muss sein Geschäftsmodell vor dem Hintergrund der massiven Umwälzungen innerhalb der Automobilbranche überdenken, und sich in naher Zukunft intensiv mit realistischen Zukunftsszenarien beschäftigen. Eine aktuelle Studie der Fraunhofer Austria Research GmbH in Zusammenarbeit mit der TU Wien, dem Wirtschaftsministerium, der WKO und der IV zeigt, dass die E-Mobilitätswirtschaft ein absoluter Job- und Wirtschaftsmotor ist und angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage große Chancen für die heimische Automobilindustrie eröffnet. Vor diesem Hintergrund darf und sollte sie sich mit vorsichtigem Optimismus auf einen Aufschwung vorbereiten.
7. Die E-Mobilität bringt auch Chancen
Die hohe Technologisierung und die Ausrichtung auf Elektromobilität in der heimischen Autobranche geben Anlass zur Hoffnung. Als Beispiele in diesem Zusammenhang dienen besonders das BMW-Motorenwerk Steyr, das sich exklusiv die Fertigung sämtlicher E-Antriebsgehäuse für den neuen iX3 gesichert hat, sowie Magna Steyr, wo schon seit einiger Zeit das vollelektrische Jaguar-SUV hergestellt wird und nach aktuellem Stand im November 2022 die Produktion eines eines elektrischen Luxus-SUV des kalifornischen Autobauer Fisker Inc. anläuft.