Die Halbleiter-Götter

Drei Unternehmen dominieren den globalen Halbleiter-Markt. Washington und seinen Verbündeten ist es gelungen, die wichtigste Zukunftsindustrie vollständig zu dominieren. Wie konnten ASML, TSMC und Nvidia so mächtig werden?

Blick in einen Reinraum der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) im Hsinchu Science Park in Taipeh, Taiwan, am 5. September 2023. Das Bild illustriert einen Artikel darüber, wie die Chiphersteller ASML, TSMC und Nvidia so mächtig werden konnten.
Reinraum der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) im Hsinchu Science Park in Taipeh, Taiwan. Bei hochmodernen Chips hat Taiwan nach wie vor einen Marktanteil von 81 Prozent. © Getty Images
×

Auf den Punkt gebracht

  • Marktdominanz. ASML, TSMC und Nvidia beherrschen den globalen Halbleitermarkt und sind essenziell für die Produktion hochmoderner Chips.
  • Geopolitische Spannungen. Die USA und ihre Verbündeten haben Maßnahmen ergriffen, um die Schlüsselunternehmen vom chinesischen Markt fernzuhalten.
  • Technologische Abhängigkeit. Trotz Chinas Investitionen in die Chipindustrie bleibt das Land bei hochmodernen Chips stark von westlichen Technologien abhängig.
  • De-Risking-Strategien. Die USA investieren in eigene Fertigungswerke, um die Abhängigkeit von Taiwan zu reduzieren, das weiterhin führend bei kleinen Chips ist.

Die globale Halbleiterbranche wird von drei Unternehmen dominiert: ASML, TSMC und Nvidia. Diese Unternehmen haben es geschafft, die Schlüsselpositionen in einer der wichtigsten Zukunftsindustrien einzunehmen und spielen eine entscheidende Rolle in der geopolitischen Landschaft. Während Washington und seine Verbündeten die Kontrolle über diese strategisch bedeutende Branche erlangt haben, steht China vor der Herausforderung, technologisch aufzuholen. Doch wie haben es diese drei Firmen geschafft, sich an die Spitze zu setzen? Ein Blick auf ihre Erfolgsgeschichten und die aktuellen Entwicklungen gibt Antworten.

ASMLs Monopol auf EUV-Maschinen

Lange schien der von Washington initiierte Chip-Krieg gegen China zumindest dem Aktienkurs von ASML nicht zu schaden: Als im Herbst 2022 die Exportkontrollen für hochmoderne Halbleiter erlassen wurden, notierte die Aktie des niederländischen Herstellers für Photovoltaik-Maschinen bei 350 Euro. Im Juli 2024 war die Aktie rund dreimal soviel wert. Mit rund 42000 Mitarbeitern erzielte das Unternehmen 2023 einen Umsatz von 27 Milliarden.

Der Grund für den Erfolg: Ohne die Niederländer geht nichts in der Wachstumsbranche. ASML stellt Maschinen her, die mit elektromagnetischer Strahlung mit einer Wellenlänge von wenigen Nanometern Schaltkreise „drucken“. Diese sogenannte extrem-ultraviolette Strahlung, kurz EUV, ermöglichte es, Chips noch kleiner werden zu lassen. 2017 begann ASML mit der Serienfertigung dieser „Druckmaschinen“. Sie kosten zwischen 150 und 380 Millionen US-Dollar und wiegen so viel wie zwei Airbus A320-Maschinen.

Die gewaltigen Maschinen gehen vor allem an die großen Chiphersteller Intel, Samsung und TSMC. Da ASML quasi ein Monopol auf die Maschinen besitzt, wuchsen Umsatz und Gewinn der Niederländer in den vergangenen Jahren immer weiter. Dass seit Anfang 2024 einige der hochmodernen Maschinen nun nicht mehr nach China verkauft werden dürfen, schadete dem Geschäft nur wenig. Von der guten Performance von ASML profitieren auch dessen Zulieferer wie Zeiss und Trumpf.

China ist trotz Milliarden-Investitionen bisher noch nicht gelungen, ein ähnliches Unternehmen zu etablieren. Von Autarkie aber ist „der Westen“ trotzdem weit entfernt. ASML-Chef Christophe Fouquet wies kürzlich in einem Interview daraufhin, dass die meisten Produktionskapazitäten für viele Chips nach wie vor in China stehen. Erst nach und nach holen die USA und in geringerem Maß die EU auf, und bauen Fertigungswerke in der Heimat auf. ASML „darf“ bisher weiterhin Maschinen nach China liefern, mit denen das Gros der nicht ganz so modernen Chips gefertigt wird. Seit Anfang 2024 aber haben die Niederlande und die USA das Embargo nochmals verschärft, was ungefähr 15 Prozent der Einnahmen von ASML betrifft. Eine der größten Kunden von ASML bleibt das taiwanische Unternehmen TSMC.

TSMCs globale Expansion zur Risikominimierung

Taiwans „Silizium-Schild“, wie man die einzigartige Rolle der taiwanischen Halbleiter-Industrie für die Weltwirtschaft nennt, ist Fluch und Segen zugleich für die Insel. Lange Zeit galt der unheimliche Erfolg von Taiwan Semiconductor Industries (TSMC) als bester Schutz gegen eine militärische Invasion vom Festland. TSMC ist der größte Produzent von Halbleitern. Die Firma baut unter anderem mit den Maschinen von ASML die hochsensiblen Chips, die für den AI-Boom benötigt werden.

Denn ein handfester Krieg würde die hochsensiblen Werke von der Energiezufuhr und Exportmärkten abschneiden. Der Schaden für die globale Wirtschaft und damit für die Volksrepublik China wäre so ungemein groß, dass Peking einen Angriff von vornherein nicht in Erwägung ziehen würde. Die kommunistische Partei Chinas nämlich betrachtet die demokratische Insel als abtrünnige Provinz, nachdem sich dorthin nach dem verlorenen Bürgerkrieg die KMT-Partei samt 1,5 Millionen Getreuen geflüchtet hatte.

×

Zahlen & Fakten

Mittlerweile aber ist auf der Insel eine lebendige Demokratie entstanden und gerade viele junge Taiwaner wollen mit dem Regime in Peking nichts zu tun haben. Dieser Schwebezustand funktionierte für beide relativ gut, so lange die wirtschaftlichen Bande zwischen den „zwei Chinas“ wuchsen. Seit der „Zeitenwende“ aber bereitet die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Taiwan und China den USA Sorge.

Eine Konsequenz, die Washington daraus ableitete, war, den wichtigsten Chiphersteller TSMC dazu zu animieren, Werke in anderen Teilen der Welt aufzubauen. Ende 2022 verkündete der Konzern, 40 Milliarden US-Dollar in ein Werk im amerikanischen Arizona zu investieren. Ab 2024 sollen dort Chips mit 4 Nanometern, ab 2026 dann sogar mit 3 Nanometern produziert werden. US-Präsident Joe Biden erschien persönlich zum Richtfest, ebenso wie Apple-CEO Tim Cook und Nvidia-Gründen Jensen Huang.

Was dort gesagt wurde, aber klang wenig feierlich: „Geopolitische Konfrontationen haben den gesamten Markt verzerrt“, sagte C.C. Wei, Chef des taiwanischen Konzerns. „Früher konnte man ein Produkt in der ganzen Welt verkaufen. Das ist jetzt nicht mehr erlaubt – manche Länder sagen, du darfst nicht herein, während manche sagen, dass du nur bestimmte Produkte verwenden darfst.“ Mit „manche Länder“ waren vor allem die USA gemeint.

Bei hochmodernen Chips hat Taiwan nach wie vor einen Marktanteil von 81 Prozent.

Auch der legendäre TSMC-Gründer Morris Chang war vor Ort und sagte „Globalisierung und Freihandel seien beinahe tot“. Ein zweites Werk soll in Deutschland entstehen. Das passt gut zur De-Risking-Strategie der Bundesregierung, die im Juli 2023 beschlossen wurde: Weg vom Festland.

Ob die gewaltigen Kosten in Form von Subventionen sich lohnen, ist eine andere Frage. Rund fünf Milliarden Euro schießt Berlin zu, damit TSMC das Werk in Sachsen baut – die Hälfte der Gesamtkosten. Bosch, Infineon und NXP sollen jeweils mit zehn Prozent daran beteiligt sein; TSMC hält 70 Prozent der Anteile. So will man die deutsche Industrie im Fall eines Konflikts in der Taiwan-Straße unabhängiger machen. Taiwans Schutzschild könnte damit an Wichtigkeit verlieren. Echtes De-Risking aber sieht anders aus: Denn bei den hochmodernen Chips, die kleiner als 7 Nanometer sind, hat Taiwan nach wie vor einen Marktanteil von 81 Prozent.

Nvidias Profit vom AI-Boom

Als Jensen Huang im vergangenen Juni nochmals in seinem Geburtsland Taiwan auftrat, um eine neue Plattform für Rechenzentren für Künstliche Intelligenz vorzustellen, war der Applaus wie immer groß. Huang, ein agiler 61-Jähriger, tritt meist leger in Lederjacke auf und sein Style weckt Erinnerungen an die Anfänge Nvidia. Huang hatte mit zwei Kollegen das Unternehmen 1993 gegründet und zunächst Grafikkarten, sogenannte GPUs, produziert. Die Produkte erfreuten sich vor allem bei Gamern großer Beliebtheit. Später kamen auch Bitcoin-Miner darauf, die Rechenpower der Nvidia-GPUs zu nutzen. Auch die Automobil-Industrie braucht die Schaltkreise.

Der große Durchbruch für die Firma kam mit dem AI-Boom. Die GPUs des Unternehmens eignen sich besonders für die „parallele Verarbeitung von Daten“, Prozesse, die insbesondere bei der künstlichen Intelligenz nötig sind.

Technologische Vorsprünge sind selten etwas für die Ewigkeiten.

Der Hype um künstliche Intelligenz befeuerte den Aktienkurs von Nvidia derart, dass das Unternehmen Mitte 2024 kurzzeitig sogar mehr wert war als Apple. Der Börsenwert liegt bei rund drei Billionen US-Dollar. Weder ASML noch TSMC entscheidet, was produziert wird. Die Modelle für die sensiblen Schaltkreise kommen von der amerikanischen Firma Nvidia. Insbesondere mit dem taiwanischen Unternehmen TSMC steht Nvidia in einer engen Geschäftsbeziehung. Nvidia entwickelt die Chip-Designs, und TSMC bringt diese dann in die Massenproduktion. Dafür sind enge Absprachen nötig. Im Zuge geopolitischer Spannungen ist es den USA und ihren Verbündeten gelungen, rechtzeitig die Schlüsselunternehmen zu identifizieren und vom chinesischen Markt fernzuhalten.

An der Marktdominanz von ASML, TSMC und Nvidia wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern. China besitzt zwar die größten Fertigungskapazitäten, aber nicht für die modernsten Halbleiter. Technologische Vorsprünge aber sind selten etwas für die Ewigkeiten. Durch das Embargo wurden für Peking eben auch Anreize geschaffen, aufzuholen und eine eigene Halbleiter-Industrie aufzubauen.

×

Conclusio

Drei Unternehmen dominieren den globalen Halbleitermarkt: ASML, TSMC und Nvidia. Der Chip-Krieg zwischen den USA und China hat ASML, TSMC und Nvidia kaum geschadet, da ASMLs Monopol auf EUV-Maschinen, TSMCs globale Expansion zur Risikominimierung und Nvidias AI-Boom-bedingte Marktführerschaft deren Dominanz sichern, während China technologisch aufzuholen versucht.

Computer & Geopolitik

Unser Newsletter