Ist das Eigenheim noch leistbar?
Trotz steigender Immobilienpreise war bis 2021 ein Eigenheim leistbar, verglichen mir den Jahren davor. Seit 2022 sind die Kosten jedoch regelrecht explodiert.
Auf den Punkt gebracht
- Zerrbild. Die stark gestiegenen Kaufpreise für Immobilien verschleiern die wahre Leistbarkeit von Eigenheimen.
- Gleichgewicht. Lange Zeit wurden dank steigender Realeinkommen und sehr niedrigen Kreditzinsen Häuser und Wohnungen nicht weniger leistbar.
- Preisschock. Erst ab 2022 verteuerten sich Immobilien wegen hoher Preise im Zusammenspiel mit gestiegenen Zinsen.
- Maßnahmen. Die Politik könnte Nebenkosten senken und Vermietung sowie Verkauf von Bestandsimmobilien fördern.
Alle Umfragen und Studien kommen zum gleichen Befund: Zu den größten Wünschen junger Menschen zählt die eigene Wohnung oder das eigene Haus. Doch die hohen Immobilienpreise stellen junge Generationen vor enorme Herausforderungen.
Während Wohnungen und Häuser im Vergleich zu Konsumgütern deutlich mehr kosten als im Jahr 2010, sind die Einkommen in Relation zu den Konsumentenpreisen in Österreich gar nicht gewachsen und in Deutschland nur wenig. Allerdings profitierten Immobilienkäufer bis 2021 von niedrigen Zinsen und günstigen Kreditkonditionen. Doch im Jahr 2022 wurden Zinsen schlagartig erhöht, dazu kommen strengere Anforderungen der Banken an Einkommen und Eigenkapital. Junge Leute, die jetzt ein Haus oder eine Wohnung kaufen wollen, sind mit hohen Preisen und höheren Kreditzinsen konfrontiert.
Preise und Einkommen
Diese Entwicklung wirft einige Fragen auf: Was steckt dahinter, warum sind die Preise gerade seit 2011 so stark gestiegen? Wie hat sich der Preisanstieg auf die Leistbarkeit von Immobilien ausgewirkt, wenn die Veränderung der Finanzierungskonditionen berücksichtigt wird? Was bringt die Zukunft für die Jungen – vielleicht doch wieder größere Chancen auf die eigenen vier Wände?
Bis 2010 stiegen die Immobilienpreise in Österreich parallel zum verfügbaren Einkommen, in Deutschland fielen sie sogar. Mit verfügbarem Einkommen meinen Ökonomen jenen Betrag, der in einem Haushalt tatsächlich für Konsum und Sparen bereitsteht – also Nettolöhne plus allfällige Sozialleistungen. Doch ab 2011 begannen die Preise für Immobilien in beiden Ländern stark zu steigen, bis sie im Jahr 2022 ein vorläufiges Maximum erreichten. Die Teuerung in diesem Bereich war gewaltig: Über den gesamten Zeitraum von 2010 bis 2022 haben sich die Preise für Immobilien in Österreich mehr als verdoppelt, in Deutschland fast verdoppelt. Der Preisauftrieb bei Wohnungen und Häusern war damit um rund 60 Prozent stärker als bei Konsumgütern wie Essen, Kleidung und Autos.
Faktor Demografie
Ein potenziell wichtiger Faktor für die Preisbildung bei Wohnraum ist die Demografie: Immigration, die Zahl junger Erwachsener und die Zahl der Sterbefälle beeinflussen Angebot und Nachfrage. Österreich erlebt seit etwa 2001 eine konstant hohe Nettoimmigration, Deutschland seit 2011. Der jährliche Nettozuzug entsprach in den meisten Jahren etwa 0,5 Prozent der Bevölkerung in beiden Ländern, während der Flüchtlingskrise 2015 waren es sogar 1,4 Prozent. Die hohe Immigration wurde zum Treiber des Bevölkerungswachstums in diesem Zeitraum: Von 2010 bis 2021 nahm die Bevölkerung Österreichs um sieben Prozent, die Bevölkerung in Deutschland um etwa drei Prozent zu. Dass der Anstieg in Deutschland geringer ausfiel, liegt an der etwas älteren Bevölkerung im Nachbarland; es gab also mehr Sterbefälle und weniger Geburten pro 1.000 Personen.
Der Preisanstieg von 2011 bis 2022 lässt sich jedoch nicht mit dem Bevölkerungszuwachs erklären. In Österreich unterscheidet sich die demografische Entwicklung seit 2010 nicht wesentlich von den Jahren davor. Auch die von Politikern und der Bauwirtschaft gerne geäußerte Forderung, mehr Wohnraum zu schaffen, suggeriert ein falsches Bild: Sowohl in Österreich als auch in Deutschland wuchs der Wohnungsbestand wesentlich stärker als die Einwohnerzahl. 2021 gab es in Österreich elf Prozent mehr Wohnungen als 2010, in Deutschland um sechs Prozent mehr.
Wenn das Angebot an neuen Wohnungen das Bevölkerungswachstum deutlich übersteigt und die Immobilienpreise trotzdem stark anzogen, muss die Nachfrage und Zahlungsbereitschaft noch schneller zugenommen haben. Wie kam es dazu?
Welche Rolle Zinsen spielen
Der wichtigste Einflussfaktor auf Immobilienpreise ist die Geldpolitik. Da ein großer Teil der Immobilien über Kredite finanziert wird, sind neben dem Preis die Finanzierungskonditionen ein entscheidender Faktor für die Leistbarkeit. Vor allem der Zinssatz für Hypothekarkredite spielt eine Hauptrolle. Ein Beispiel: Mit einer Kreditrate, die bei 1,3 Prozent Zinsen und 30 Jahren Laufzeit eine Immobilie um 570.000 Euro finanziert, geht sich bei vier Prozent Zinsen nur noch ein Haus um 400.000 Euro aus.
Die Entwicklung der Kreditzinsen ist daher das Spiegelbild der Preisentwicklung: Die Zinsen für Wohnkredite sind von über vier Prozent in Deutschland und über fünf Prozent in Österreich im Jahr 2011 auf 1,3 Prozent gegen Ende 2021 gesunken. Im Jahr 2022 stiegen die Zinsen dann wieder sprunghaft an – auf derzeit zwischen drei und vier Prozent in beiden Ländern. Ein großer Teil der Preissteigerungen von Immobilien in diesem Zeitraum dürfte sich auf die steigende Kaufkraft durch günstigere Kredite zurückführen lassen.
Hinzu kommt, dass niedrige Zinsen Investitionen wie Anleihen oder Sparbücher weniger attraktiv machen. Wer Vermögen veranlagt – oder verwalten lässt – investiert bei sehr niedrigen Zinsen eher in Betongold. Das heizte die Nachfrage und die Preise am Immobilienmarkt weiter an.
Um die Leistbarkeit von Immobilien richtig einschätzen zu können, reicht es also nicht, nur auf deren Preisschilder zu zeigen. Stattdessen muss man Preise und Finanzierungskonditionen sowie Einkommen berücksichtigen. Um den gemeinsamen Effekt von höherem Kaufpreis und niedrigeren Kreditkosten abzuschätzen, simulieren wir die Kosten für den kreditfinanzierten Kauf einer Wohnung für jedes Jahr von 2003 bis 2023 mit dem Preis und Zinssatz im jeweiligen Jahr. Wir nehmen an, dass etwa zehn Prozent Nebenkosten anfallen und der Immobilienkauf mit zwanzig Prozent Eigenkapital und einem Kredit mit fixen Zinsen über 30 Jahre finanziert wird. Das Einkommen wird über den Netto-Medianlohn einer vollzeitbeschäftigten Person gemessen. Im Jahr 2003 waren das knapp 21.000 Euro, im Jahr 2022 knapp 34.000 Euro. Median bedeutet, die Hälfte der Vollzeitverdiener erhielt mehr, die andere weniger.
Wann ist ein Eigenheim leistbar?
Die Entwicklung der Leistbarkeit evaluieren wir dann anhand von zwei Indikatoren: dem Kaufpreis relativ zum Einkommen und den Gesamtkosten für den kreditfinanzierten Kauf relativ zum Einkommen. Um die Gesamtkosten zu messen, werden alle Ausgaben in Form von Eigenmitteln und Kreditraten in Bezug zum Einkommen in dem Jahr gesetzt, in dem die Kosten anfallen, und aufaddiert. Für die Jahre nach 2023 wird ein Nominal-Lohnwachstum von drei Prozent angenommen. Es wird also das Verhältnis von Kosten zu Einkommen über die gesamte Kreditlaufzeit berücksichtigt. Das Verhältnis von Kaufpreis zu Einkommen zeigt vor allem den Anstieg der Immobilienpreise, da sich bei den Einkommen nur sehr wenig geändert hat.
In Österreich und Deutschland entsprach der Kaufpreis unserer Referenzwohnung im Jahr 2010 etwas mehr als acht Nettojahreslöhnen einer vollzeitbeschäftigten Person. 2022 mussten in Österreich fast vierzehn Nettojahreslöhne bezahlt werden, in Deutschland zwölf. 2023 ist der Kaufpreis relativ zum Lohneinkommen in beiden Ländern wieder zurückgegangen – aufgrund sinkender Immobilienpreise und des relativ hohen Anstiegs der Einkommen.
Dass die Preise für Wohnungen und Häuser im Vorjahr erstmals seit 2008 wieder leicht sanken, wird jedoch mehr als wettgemacht durch die höheren Zinsen. Die Gesamtkosten für eine kreditfinanzierte Immobilie berücksichtigen die Veränderungen der Kreditzinsen. So wie Verbraucher zu Recht bemerken, dass ein Euro heute nicht mehr denselben Wert hat wie vor zwanzig Jahren, so wirkt die Belastung einer Kreditrate nach zwei Jahrzehnten nicht mehr so stark wie zu Beginn der Rückzahlungsperiode – vor allem, wenn der Kreditzins fix und niedrig ist.
Kostenexplosion
Unsere Simulation kommt zu einem für manche vielleicht überraschenden Ergebnis: Die Gesamtkosten eines Eigenheims blieben trotz gestiegener Kaufpreise relativ zum Einkommen in Österreich von 2003 bis 2020 verhältnismäßig konstant bei circa zehn Jahreslöhnen. Tendenziell sind sie sogar leicht gesunken. Die höheren Preise konnten also mit den niedrigeren Zinsen gut finanziert werden. In Deutschland sind die Gesamtkosten zwischen 2003 und 2020 sogar von zwölf Jahreslöhnen auf etwas mehr als acht Jahreslöhne gesunken; bis etwa 2010 aufgrund der stagnierenden Preise und steigenden Einkommen, ab 2011 aufgrund der fallenden Kreditzinsen.
Dann kam die Trendwende: 2021 bis 2023 sind die Gesamtkosten stark angestiegen, in Österreich auf ganze vierzehn Jahreseinkommen, in Deutschland auf zehn. Durch die günstigere Finanzierung haben sich Immobilien bis 2020 also nicht so stark verteuert, wie es der bloße Blick auf den Preis vermuten lässt. Die niedrigen Zinsen dürften sogar der wichtigste Grund für die stark gestiegenen Preise sein.
Der Anstieg der Immobilienkosten für die Jungen ist ein Paradebeispiel für den sogenannten Cantillon-Effekt, benannt nach dem irischen Ökonomen, der ihn vor über 250 Jahren erstmals formuliert hatte. Er beschreibt allgemein die Umverteilung durch eine Erhöhung von Geld- und Kreditmenge zu jenen Personen, die früh Zugang zu neuem Geld und Krediten haben.
Bei Immobilien ist dieser Effekt offensichtlicher als in anderen Bereichen: All jene, die zwischen 2011 und 2020 eine Immobilie erwarben, hatten Zugang zu billigen Krediten und noch relativ günstigen Preisen. Junge Leute, die jetzt erst kaufen, bekommen keine billigen Kredite mehr, müssen aber die wegen dieser ehemals günstigen Kredite gestiegenen Preise bezahlen.
Was bringt die Zukunft?
Eine wichtige Lehre lässt sich aus der Entwicklung der Immobilienpreise in den letzten Jahren ziehen: Günstige Finanzierungsbedingungen machen Immobilien nicht leistbarer, sondern nur die Preise höher. Denn sinkende Zinsen erhöhen die Kaufkraft für Immobilien, selbst wenn die Einkommen zugleich stagnieren. Dadurch entsteht sogar zusätzliche Nachfrage: Niedrige Zinsen und hohe Preissteigerungen machen Immobilien als reine Wertanlage attraktiv, selbst wenn sie nicht oder nur wenig genutzt werden (Anlegerwohnungen, Zweitwohnsitze). Diese Nachfrage treibt die Preise zusätzlich. Dazu kommt, dass sich zu niedrige Zinsen auf Dauer nicht durchhalten lassen. Der Inflationsdruck erfordert früher oder später die Straffung der Finanzierungsbedingungen. Die junge Generation trifft dann auf aufgeblähte Preise und (zu) teure Kredite.
Die Demografie könnte aus dem Mangel an Wohnraum in ein oder zwei Jahrzehnten ein Überangebot machen.
Es ist durchaus möglich, dass die Demografie aus dem Mangel an Wohnraum in ein oder zwei Jahrzehnten ein Überangebot machen wird. Mit der Bevölkerungsalterung wächst die Zahl der Sterbefälle bis nach 2050 an, und damit wird mehr Wohnraum aus dem Bestand frei. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Geburten und damit die künftige Nachfrage nach Wohnraum.
Möglicherweise wird auch die Netto-Immigration verebben, denn die Bevölkerungsalterung betrifft auch die wichtigsten Herkunftsländer von Zuwanderern. Seit Mitte 2022 sinken die Preise für Immobilien, während die Einkommen zulegen. Das sollte die Leistbarkeit in naher Zukunft wieder erhöhen. Doch derzeit kämpfen Junge zweifellos mit hohen Kosten für Wohnraum.
Kosten für Immobilien senken
Wie ließe sich die Lage schnell verbessern? Der Königsweg gegen hohe Immobilienpreise und Wohnungsnot ist die Mobilisierung des Bestands: Vermietung vereinfachen, Kauf und Verkauf verbilligen – etwa durch administrative Vereinfachung und eine Abschaffung oder Senkung von Nebenkosten wie Notargebühren, Grundbucheintrag und Grunderwerbsteuer. Jährliche grundstücksbezogene Abgaben könnten solche Änderungen gegenfinanzieren und weitere Anreize für Verkauf oder Vermietung schaffen.
Sinkende Preise und moderate, aber nicht zu niedrige Zinsen könnten die positive Entwicklung zusätzlich verstärken. Sie reduzieren nämlich die Nachfrage nach Immobilien als Wertspeicher und erhöhen ebenfalls die Anreize, wenig genutzten Wohnraum zu verkaufen oder zu vermieten. Fazit: Wenn die Politik etwas mithilft und man ein bisschen Geduld hat, wird man sich das Eigenheim in ein paar Jahren vielleicht doch leisten können.
Conclusio
Für junge Menschen hat sich der Traum vom eigenen Heim weiter entfernt. Allerdings ist die Finanzierbarkeit der eigenen vier Wände erst in den vergangenen zwei Jahren spürbar schwieriger geworden. Die seit 2003 stark angestiegenen Kaufpreise wurden bis dahin durch niedrige Zinsen ausgeglichen. Die Finanzierung einer Standardwohnung über einen Kredit kostete zwei Jahrzehnte lang etwa zehn Nettojahreseinkommen. Seit 2022 jedoch ist der Finanzierungsbedarf auf vierzehn Jahresgehälter gestiegen. Die Lage könnte sich in Zukunft dank der demografischen Entwicklung entspannen: Mehr Todesfälle stehen sinkenden Geburtenzahlen gegenüber. Das erhöht das Angebot an Wohnraum und dämpft die Nachfrage. Auch die Politik könnte sofort etwas tun, indem sie die staatlich festgesetzten Nebenkosten senkt.
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