Wie Politiker unser Geld verkaufen
Christine Lagarde ist ehemalige Politikerin und neue Präsidentin der Europäischen Zentralbank. In der Geschichte gibt es viele Beispiele dafür, was passiert, wenn Politiker die Kontrolle über eine Währung übernehmen. Nur die wenigsten davon gehen gut aus.
Dieser Kommentar erschien am 9. Juli 2019 auf Geopolitical Intelligence Services.
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben auf wenig überzeugende Weise 2019 ein neues Führungsteam auf Unionsebene gewählt. Die einflussreichste Position, die es zu besetzen galt, war wahrscheinlich nicht die der Präsidentin der EU-Kommission, sondern die der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) – der Hüterin der Einheitswährung.
Seit der Erfindung des Geldes versuchen Regierungen die Kontrolle über die jeweilige Währung auszuüben. Die Menschheit musste daher schon etliche Währungsabwertungen durchlaufen, wenn die herrschenden Instanzen eine günstige Möglichkeit zur Finanzierung ihrer politischen und bürokratischen Ziele ausmachten.
Gold und Fiatgeld
Der Gold- und Silbergehalt von Münzen galt für gewöhnlich als stabilisierender Faktor. Aber schon zu Zeiten der Römer fand durch Beimischung von Kupfer eine Wertminderung statt. Diese Praxis hatte einen inflationären Effekt. Die Gold- und Silberfunde der spanischen Krone im 16. und 17. Jahrhundert in Amerika führten allerdings zu einem Überangebot der Edelmetalle und somit zu einer besonders hohen Inflation – man spricht von einer „Preisrevolution“. In der Folge hat sich die Goldproduktion jedoch weitestgehend stabilisiert. Denn der Wert des Geldes beruht im Vertrauen auf seine Kaufkraft.
Damit die EZB ihr Mandat erfüllen kann, ist sorgfältiges Management und absolute Unabhängigkeit gefordert.
Handelt es sich um Fiatgeld, dann stellt die ausgebende Zentralbank den vertrauensbildenden Faktor dar. Die Herausforderung besteht darin, den Wert der Währung aufrechtzuerhalten und gleichzeitig ausreichend Geld bereitzustellen, um Liquidität zu gewährleisten. Fiatgeld hat keinen inneren Wert, denn es ist nicht an einen Rohstoff wie Edelmetall gebunden. Der Wert des Fiatgelds basiert indessen auf dem Vertrauen der Menschen in die herausgebende Institution. Für den Großteil Europas ist diese Institution die Europäische Zentralbank, deren Hauptaufgabe darin besteht, den Wert des Euro zu sichern.
Absolute Unabhängigkeit
Damit die EZB ihr Mandat erfüllen und die Kaufkraft des Euro erhalten kann, sind sorgfältiges Management durch erfahrene Banker und absolute Unabhängigkeit von der Politik gefordert. Ein guter historischer Maßstab ist die Deutsche Bundesbank, die jahrzehntelang die Stabilität der damals vertrauenswürdigsten Währung des Kontinents – der Deutschen Mark – garantierte. Die Schweizerische Nationalbank arbeitet zu einem gewissen Grad bis heute nach denselben Prinzipien.
Eine solide Geldpolitik hängt im Wesentlichen auch davon ab, inwieweit Regierungen begrenzt sind, zu hohe Ausgaben einzugehen und Schulden aufzunehmen, um eine verschwenderische Politik sowie eine überzogene Verwaltung zu finanzieren.
Als Ende der 1990er Jahre der Euro eingeführt und die EZB gegründet wurde, deutete alles darauf hin, dass die neue Institution die Währungsstabilität in der Art gewährleisten würde, wie es zuvor die Deutsche Bundesbank getan hatte. In den sogenannten Maastricht-Kriterien wurden die Regeln für die Mitgliedsstaaten der Währungszone mit klaren Defizit- und Schuldengrenzen festgelegt. Die kluge Nichtbeistands-Klausel (non-bailout clause) verhindert zudem, dass Mitgliedsstaaten für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten haften.
Haushaltsdisziplin
Die Bestimmungen des Vertrags von Maastricht wurden mit dem Ziel aufgestellt, die Mitgliedstaaten zur Haushaltsdisziplin zu bewegen, welche für die Entwicklung eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums und eine langfristige soziale Kohäsion in einer multinationalen Währungsunion unerlässlich ist. Die Regeln des Vertrags für die EZB sehen vor, dass deren Leitung primär Verantwortung für die Stabilität der Währung übernimmt. Gleichzeitig wurde der Bank untersagt, Fiskalpolitik zu betreiben. Man hoffte, die EZB würde sich als gemeinsame Institution von 11 (inzwischen 19) verschiedenen Ländern aus politischen Verwicklungen heraushalten können.
Doch die Realität sah anders aus. Die Maastricht-Kriterien wurden häufig ignoriert. Nach Beginn der Finanzkrise und der anschließenden europäischen Staatsschuldenkrise in den Jahren 2009 bis 2011 führte die Null- beziehungsweise Negativzinspolitik der Verantwortlichen zu erheblichen Werteinbußen der Ersparnisse sowie zu Blasenbildung und Vermögensinflation.
Das nicht enden wollende Quantitative Easing, ein Anleihekaufprogramm der EZB, das in erster Linie auf die Staatsschulden der Mitgliedsländer abzielt, wurde gelegentlich als Programm zur Stabilisierung des Bankensektors verschleiert. Tatsächlich aber war das Ziel dieses rein fiskalpolitischen Instruments, den EU-Ländern eine weitere gefährliche Verschuldung zu ermöglichen beziehungsweise sie sogar dazu zu ermutigen.
Politische Besetzung
Mit der Ernennung von Christine Lagarde zur neuen EZB-Präsidentin durch die Mitgliedsstaaten der Eurozone begann die nächste Etappe in einem Prozess, der den Ausverkauf der Währung mit sich bringen wird. Lagarde war geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) und ehemalige Finanzministerin Frankreichs – also durch und durch Politikerin.
Christine Lagarde ist in all ihren Ämtern und seit jeher eine starke Befürworterin der Niedrigzinspolitik und Billiggeld-Strategie, während sie sich nur marginal mit dem Thema Einsparungen befasst. Sie verfolgt damit eine äußerst kurzsichtige Politik. Vielleicht beschloss man deshalb, ihr Philip Lane, den Gouverneur der irischen Zentralbank, als Chefökonomen der EZB und als Ausgleich zur Seite zu stellen. Bis dato ist Lanes Handeln bei der irischen Zentralbank jedoch nicht sonderlich vielversprechend. Denn auch Lane ist der Ansicht, dass Länder mehr und nicht weniger ausgeben sollten.
Wenn Politiker den Wert einer Währung schützen sollen, ist das so, als würde man den Bock zum Gärtner machen.
Gegen EZB-Präsidentin Christine Lagardes Qualifikation ist nichts einzuwenden. Sie ist eine erfahrene und kompetente Politikerin. Aber wenn Politiker den Wert einer Währung schützen sollen, ist das in etwa so, als würde man den sprichwörtlichen Bock zum Gärtner machen – anstatt den Gemüsegarten von einem Hund bewachen zu lassen. Philip Lanes Äußerungen geben ebenfalls wenig Grund zu der Annahme, dass er sich an die Grundregeln der EZB halten wird.
Mit der neuen Führungsspitze der EZB haben die EU-Staats- und Regierungschefs höchstwahrscheinlich wohlwollende Wegbereiter für eine überbordende Ausgabenpolitik gewählt. Doch Wunder gibt es bekanntlich immer wieder. Das ist die einzige Hoffnung, die dem Euro jetzt noch bleibt.