Nein, Holz ist nicht nachhaltig

Holz gilt als klimaneutral, doch das ist falsch: Intensive Nutzung, vor allem für Energie, wird die Erwärmung des Planeten nicht verlangsamen, im Gegenteil.

Foto einer sehr alten Zeder, die gefällt wurde. Ein Mann im roten Anorak steht neben dem gefällten Stamm, was die Dimensionen des alten Baumes deutlich macht. Die unmittelbare Umgebung des Baumstumpfs und des Stammes ist von Baumstümpfen, Stämmen, Ästen und Zweigen, teilweise mit Laub, übersät. Das Bild illustriert einen Beitrag über Holz und die Frage, ob es klimaneutral genutzt werden kann.
Abholzung in Kanada. Diese Rotzedern im Norden von Vancouver Island sind jahrhundertealt. Die erhöhte Nachfrage nach Holz, vor allem aus Europa, treibt die Entwaldung global voran. © TJ Watt – Ancient Forest Alliance
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Auf den Punkt gebracht

  • Letzte Senken. Die Biosphäre ist der wichtigste CO2-Speicher, dazu gehört auch der Wald. Jede Holznutzung ist eine Belastung für diesen CO2-Speicher.
  • Verkalkuliert. Da Wald nur langsam nachwächst, kann Holz nicht klimaneutral genutzt werden. Holz als Energiequelle einzusetzen, ist besonders klimaschädlich.
  • Nachfrage. Die immer höhere Nachfrage nach Holz, vor allem für Energie, führt aktuell dazu, dass die Entwaldung immer schneller voranschreitet.
  • Mehr als Klima. Wälder, insbesondere alte Wälder und Urwälder, regulieren die Temperatur und sind unersetzlich für eine sichere Wasserversorgung.

Holz gilt als nachhaltiger, klimaneutraler Rohstoff. Sogar das Verbrennen von Holz zur Erzeugung von Strom kann laut der EU-Richtlinie zu erneuerbaren Energien helfen, unser Erdklima zu schützen. Holz ist schließlich natürlich, und es wächst nach – oder?

Mehr Natur

Doch die Klimaneutralität der Holznutzung beruht auf einem Denkfehler. Mehr Holz zu verbrauchen kann das Klima gefährden. Ich erkläre Ihnen, warum.

CO2 und Temperatur

Bevor wir über Holz sprechen, sollten wir uns vor Augen halten, dass zwischen der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und der globalen Temperatur ein quasi-linearer Zusammenhang besteht: Je mehr CO2 emittiert wird, desto heißer wird es.

Einmal ausgestoßen, bleibt das CO² gut 120 bis 150 Jahre in der Atmosphäre, ein Teil davon wird von den Ozeanen aufgenommen, ein Teil von der Biosphäre, insbesondere von Mooren und Wäldern. Auf diese Weise wird CO2 wieder zu Biomasse-Kohlenstoff. Wenn wir fossile Brennstoffe wie Öl und Gas verbrennen, setzen wir also CO2 wieder frei, das bereits in geologischen Schichten „endgelagert“ wurde und nicht mehr Teil des Kreislaufs war.

Auf diese Weise haben wir seit 1880 die CO2 -Konzentration in der Atmosphäre von 280 Teilchen pro Million (ppm) auf 415 ppm erhöht und eine durchschnittliche globale Erwärmung von 1,2 Grad Celsius verursacht. Gelangen weitere 510 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre, überschreiten wir die 1,5-Grad-Grenze dauerhaft.

Kann vermehrte Holznutzung das verhindern? Unsere Forschung hat gezeigt: Indem wir massiv erdölbasierte Produkte durch Holz ersetzen, mit Holz heizen oder Strom erzeugen, werden wir die Klimakrise nicht verlangsamen.

Was heißt „klimaneutral“?

Das zentrale Argument für die vorgebliche Klimaneutralität von Holz ist die Umwandlung von CO2 in Kohlenstoff durch Photosynthese, die sogenannte Sequestrierung von CO2 durch Bäume.

Wenn man von klimaneutralem Holz spricht, meint man damit, dass das am Ende der Lebensdauer eines Holzprodukts freigesetzte CO2 durch nachgewachsene Bäume wieder aufgenommen wird und somit kein CO2 in das Biosphären-Atmosphären-System gelangt. Ganz so einfach ist es jedoch nicht.

Wie viel CO2 durch eine intensivere Nutzung von Holz freigesetzt wird, hängt von drei Faktoren ab: von der Zusammensetzung des geernteten Waldes, von der Waldbewirtschaftung und von der Holzverwendung. Ein – unterschlagener – Schlüsselfaktor ist außerdem der Zeitraum, in dem der Wald-Holz-Kreislauf stattfindet.

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Zahlen & Fakten

Ein Hebe-Bagger hat mit einem großen Greifarm Stämme gepackt, die auf ein Förderband gelegt werden. Das Bild ist Teil eines Beitrags über die Klimaeutralität von Holz bzw. seiner Nutzung. Das Bild wurde in North Carolina aufgenommen.
Bayern im Mai 2023: Diese Stämme werden zu Holz-Pellets für Biomassekraftwerke, wo sie zur Stromerzeugung verbrannt werden. Das Holz kann aus allen Teilen der Welt stammen. Betroffen von der Nachfrage sind auch ursprüngliche Wälder in Ost- und Südosteuropa. © Getty Images

RED III – Umstrittene Erneuerbaren-Richtlinie

  • EU-Richtlinie: Am 12. September 2023 gab das EU-Parlament sein Okay für die Erneuerbare-Energie-Richtlinie der EU, RED III (Renewable Energy Directive).
  • Erneuerbare Energie: RED III sieht vor, dass der Anteil erneuerbarer Energie bis 2030 auf 45 Prozent steigen soll (zuvor war das Ziel 32 Prozent).
  • Biomasse aus Holz: Nicht nur Solar- und Windenergie, auch Biomasse aus Holz ist nach RED III eine erneuerbare Energiequelle und damit nachhaltig.
  • Widerspruch: Energieexperten und Wissenschaftler warnen, dass das Verbrennen von Holzbiomasse der Notwendigkeit, die vorhandenen Kohlenstoffspeicher zu erhalten und auszubauen, widerspricht.
  • Ineffizienz: Holz zur Stromerzeugung zu verbrennen, ist eine besonders ineffiziente Form der Energiegewinnung.
  • Marktvolumen: Der globale Markt allein für Holzpellets wird auf rund 50 Milliarden Dollar geschätzt. Die Nachfrage kommt hauptsächlich aus der EU, betroffen sind Wälder in Europa, Nord- und Südamerika sowie Afrika.
  • Dauerfolgen: RED III erhöht die Nachfrage nach Holz und fördert so Entwaldung und Monokulturen.

Um der Klimawirkung der Holznutzung auf die Spur zu kommen, haben wir zunächst die französischen Wälder nach Baumarten (Nadelhölzer wie Fichten oder Tannen und Laubhölzer wie Buchen, Eichen usw.) und nach der Art ihrer Bewirtschaftung (unzugänglich, aufgegeben, überbestockt, aktiv bewirtschaftet) kategorisiert.

Was die Forstwirtschaft betrifft, so können wir etwa 63 Prozent des französischen Waldes als aktiv bewirtschaftet einstufen. Das heißt, dass regelmäßig Bäume entnommen werden, also „durchforstet“ wird, und dass bei der Ernte ein Kahlschlag erfolgt. Überbestockte Wälder, die nicht durchforstet, aber am Ende auch kahlgeschlagen werden, machen etwa elf Prozent des Waldes aus, weitere 15 Prozent stuften wir als unbewirtschaftet oder verlassen ein, den Rest als unzugänglich. Anhand dieser Kategorisierungen berechneten wir, was in Bezug auf die Kohlenstoffspeicherung passiert, wenn mehr Holz aus dem Wald der einen oder anderen Kategorie entnommen wird.

Die Kohlenstoffschuld

Nach einer Ernte entsteht immer eine Kohlenstoffschuld im Vergleich zu einem theoretischen Szenario ohne Ernte. Die entscheidende Frage ist, wie groß diese Kohlenstoffschuld jeweils ausfällt. Generell gilt: Je älter der geerntete Wald, desto größer sind die Verluste an Kohlenstoff.

Bei der Ernte eines sehr alten Waldbestandes kann die Schuld also sehr hoch sein, denn in den ersten Jahren nach einem Kahlschlag produzieren Waldflächen nur sehr wenig Kohlenstoff, während ein ausgewachsener Bestand noch viele Jahrzehnte lang CO2 absorbiert hätte, bevor sich die Rate verlangsamt. Das liegt daran, dass Bäume in den ersten Jahren ihres Lebens nur sehr langsam wachsen: Eine Eiche braucht dreißig Jahre, bis ihr Stamm einen Durchmesser von fünfzehn Zentimetern erreicht. Selbst die schnell wachsende Fichte ist erst nach zehn Jahren ein bedeutender Speicher.

Weitere Verluste entstehen bei der anschließenden Holzgewinnung: Etwa die Hälfte der Biomasse des Baumes bleibt bei der Ernte auf dem Boden liegen und wird zersetzt. Ein großer Teil des Kohlenstoffs wird so als CO2 in die Atmosphäre abgegeben.

Vom gewonnenen Holz geht wieder die Hälfte verloren, wenn es beispielsweise zu Möbeln oder Schnittholz verarbeitet wird: Die Sägereste werden oft zu kurzlebigen Produkten wie Papier, und ein großer Teil wird energetisch genutzt – entweder in Biomassekraftwerken verbrannt oder als Energiebiomasse verkauft.

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Zahlen & Fakten

Darstellung des Kohlenstoffkreislaufs.

Der Wald, der Kohlenstoff und das Klima

  • Kohlenstoff (C) wird kontinuierlich zwischen der Biosphäre – dazu gehören unter anderem Wälder, Moore und Böden – und der Atmosphäre ausgetauscht.
  • In der Atmosphäre ist ein Kohlenstoff-Atom mit zwei Sauerstoff-Atomen verbunden, das Kohlendioxid. Das CO2 wirkt erhitzend, weil dieses Molekül besonders gut Wärmestrahlung (Infrarotstrahlung) aufnehmen kann (ebenso wie Methan- und Lachgas-Moleküle). Die Wärme wird von diesen Molekülen aufgenommen, dann als Wärmestrahlung ins All abgegeben und zu einem Teil zurück zur Erde emittiert.
  • Der wesentliche Umwandlungsprozess von CO2 in Kohlenstoff ist die Photosynthese. Auf diese Weise entsteht durch Pflanzen aus CO2 wieder Kohlenstoff, Biomasse.
  • Wird diese Biomasse (fossil: Öl, Gas, Kohle) verbrannt, dreht sich der Prozess um: Aus dem Kohlenstoff wird wieder CO2.

In jedem Fall gelangt der Kohlenstoff schnell wieder in die Atmosphäre. Bei unseren Modellberechnungen haben wir diese Prozesse sowie die jeweilige Lebensdauer der Produkte berücksichtigt. Unser Ergebnis: Wird die Holzernte in bewirtschafteten Wäldern erhöht, nimmt der gespeicherte Kohlenstoff im Wald so stark ab, dass der jüngere, nachwachsende Wald die Kohlenstoffschuld in vierzig Jahren nicht ausgleichen kann – ganz unabhängig von der Waldkategorie.

Wird mehr Holz genutzt, wird auch mehr Kohlenstoff freigesetzt. Je älter und dichter ein Wald ist, in dem der Holzeinschlag stattfindet, und je kürzer die Lebensdauer der Holzprodukte ist, desto größer ist die Kohlenstoffschuld. Wird das in einem dichten, alten Wald geerntete Holz zu Pellets verarbeitet und als Bioenergie genutzt, ist der Kohlenstoffverlust am allergrößten.

Und Produkte aus Holz?

Gilt der negative Befund auch, wenn man das Holz nicht verbrennt, sondern als Ersatz für energieintensive Baustoffe wie Zement oder Metall verwendet? Leider kann auch dies die Verluste oft nicht so ausgleichen wie behauptet.

Nehmen wir also an, dass wir Bäume fällen, um ein Gebäude zu errichten. Emissionen werden bei der Ernte und der Verarbeitung freigesetzt, ebenso während der Nutzung des Gebäudes und bei der Entsorgung der Materialien am Ende ihrer Lebensdauer.

Vergleicht man diese Emissionen über den Lebenszyklus mit den Emissionen, die bei der Verwendung von Stahl und Zement für ein gleichwertiges Gebäude entstanden wären, so schneidet Holz in den meisten Fällen besser ab als seine fossilen Alternativen. In diesem Fall könne die Verwendung von Holz also CO2 -Emissionen vermeiden, heißt es. Das wird als Substitutionspotenzial von Holz bezeichnet. Jüngste Analysen, die wir auf der Grundlage zahlreicher wissenschaftlicher Studien durchführten, zeigen jedoch, dass selbst dieser theoretische Vorteil das CO2-Defizit aufgrund der zuvor beschriebenen Kohlenstoffschuld oft nicht ausgleicht.

Auch sollte man Holzprodukte nicht systematisch mit fossilen Alternativen vergleichen. Wenn das Ziel ist, ein Produkt oder eine Dienstleistung mit möglichst geringen Emissionen anzubieten, sollten auch andere Alternativen in Betracht gezogen werden, wie zum Beispiel Solar- oder Windenergie, Renovierung statt Neubau oder sogar die Planung kleinerer Gebäude.

Einfach mehr Bäume pflanzen?

Reicht es aus, einfach mehr Bäume zu pflanzen, um den Verlust schneller auszugleichen? Auf dem Papier ist das eine gute Idee, in der Praxis jedoch nicht.

Vorweg: Bäume verändern die Strahlungsbilanz der Erde, weil eine dunklere Oberfläche mehr Energie in Form von Wärme aufnehmen kann. Ändert man zudem die Baumart, verändert sich auch der Wasserhaushalt und das Ausmaß der CO2-Bindung.

Ob die Effekte eines Waldes auf Wasser, Strahlungsenergie und Kohlenstoff eine Rolle bei den Klimavorteilen von Holz spielen, war Gegenstand einer unserer Studien, bei der wir untersuchten, wie sich die Forstwirtschaft seit dem 18. Jahrhundert auf das Klima ausgewirkt hat.

Heute haben wir etwas mehr als 60 Prozent Nadelwald (meist Hochwald, der stark forstwirtschaftlich genutzt wird), wenig Laubwald, sehr wenig Natur- und Niederwald. Das war nicht immer so: Zwischen 1750 und 2010 wurden in Europa 633.000 Quadratkilometer Nadelwald auf Kosten von 436.000 Quadratkilometer Laubwald gepflanzt, Äcker aufgeforstet, und 417.000 Quadratkilometer zuvor unbewirtschaftete Wälder wurden in Produktion genommen.

Die Fichte und das Klima

Die Forstwirtschaft hat das Klima verändert: Auf der kühlenden Seite führte die Aufforstung landwirtschaftlicher Flächen zu einer Zunahme der Kohlenstoffbindung, und die Nadelwälder wandelten mehr CO2 um als die Laubbäume, da sie das ganze Jahr über Photosynthese betreiben. Die Sequestrierungsrate von Kohlenstoff stieg an. Doch die neuen Nadelwälder trugen aufgrund ihrer dunklen Blattoberfläche, die das ganze Jahr über erhalten bleibt, gleichzeitig zur Erwärmung bei. Insbesondere im Winter vermindern sie die Reflexion von Licht durch Schnee.

Im Gegensatz dazu geben Laubwälder mehr Lichtenergie in die Atmosphäre zurück, vor allem wenn sie im Winter kein Laub tragen. Zudem kühlen sie die Umgebung stärker durch Verdunstung. Produktionsorientierte Wälder verursachen im Vergleich zu unbewirtschafteten Wäldern auch mehr Emissionen.

In Summe hatte der historische Wandel der Waldbewirtschaftung einen geringen Erwärmungseffekt auf das europäische Klima. Für die Frage der Klimaneutralität von Holz sagt uns dies, dass eine höhere Sequestrierung (mehr Bäume) die negativen Klimaeffekte der Holznutzung aus Wirtschaftswäldern wegen der höheren Emissionen, der niedrigeren Verdunstung und der geringeren Strahlungsreflexion nicht ausgleichen kann. Mehr Holz zu ernten kann also nicht klimaneutral sein.

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Conclusio

Der CO2-Fußabdruck der Holznutzung ist nicht immer gut: Je mehr Holz geerntet wird, desto mehr Emissionen werden freigesetzt und desto mehr Kohlenstoffspeicher geht verloren. Erdöl durch Holz zu ersetzen ist also keine Lösung. Vielmehr sollten wir unseren Bedarf an Dienstleistungen und Produkten definieren und die Alternativen ihrer Bereitstellung mit fundierten Berechnungen prüfen. Zu berücksichtigen ist auch die Walddynamik – also etwa die Tatsache, dass junge Bäume kaum als CO2-Senken geeignet sind. Am besten ist es, die kostbare Ressource Holz für die Herstellung von langlebigen Produkten einzusetzen. Davon abgesehen: Wälder erbringen viel mehr Leistungen als nur die Kohlenstoffregulierung. Sie bieten wertvolle biologische Vielfalt und schützen vor Erosion und Wasserverlust.

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