Warum sich die Energiewende lohnt

Die Energiewende ist ein Gewinn für alle: Sie macht Energie krisenfest, schafft Arbeitsplätze und mehr Lebensqualität. Die Politik muss ausgleichen, um in der Energie- und Klimakrise Gerechtigkeit herzustellen.

Keine Energiewende, kein Gewinn: Ein Kraftwerk und eine Windkraftanlage sind im Hintergrund eines Kohleabbaus zu sehen.
Die Energiewende kommt bisher nicht voran: Kohleabbau im Tagebau Garzweiler in Deutschland im Oktober 2022. Die Windkraftanlage wird ebenso wie weitere Dörfer dem Tagebau weichen müssen, denn mindestens bis 2030 wird abgebaut. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Verschwendung. Lange Zeit wurde die Notwendigkeit einer Energiewende ignoriert. Der Energieverbrauch ist kontinuierlich gestiegen.
  • Gerechtigkeit. Die Energiekrise und die Klimakrise treffen einkommensschwache Haushalte am stärksten. Die Politik muss ausgleichen.
  • Maßnahmen. Qualifikation von Fachkräften, Ausbau der Infrastruktur und eine andere Raumplanung sind notwenige Elemente der Energiewende.
  • Lebensqualität. Die Unabhängigkeit Erdöl, Kohle und Gas in Kombination mit einer Aufwertung der Lebensräume macht die Energiewende zu einem Gewinn für Alle.

Der Ukraine-Krieg kann ohne Zweifel dazu beitragen, dass die Energiewende in den nächsten Jahren eine deutliche Beschleunigung erfahren wird. Noch vor einem Jahr war die zentrale Bedeutung sicher nicht allen Österreichern und Österreicherinnen präsent, nun haben gestiegene Energiepreise und potentielle Verknappungsszenarien dafür gesorgt, dass das Thema mitten in unserer Gesellschaft angekommen ist.

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Die letzten Jahrzehnte mit fast kontinuierlich steigendem Wohlstand haben gezeigt, dass das Konsumverhalten der Menschen entlang gewohnter Pfade verläuft und nur schwer veränderbar ist und nicht immer mit einer Begrenzung des Klimawandels in Einklang steht. Als Beispiel kann der Automarkt dienen: Die durchschnittlich gekauften Fahrzeuge wurden mit jeder Modellgeneration größer und schwerer, was Verbrauchsvorteile durch den technischen Fortschritt weitgehend eliminierte. Ähnliches gilt für sehr viele Lebensbereiche, vom Wohnraum bis zum Einkaufsverhalten.

Das Zeitalter billiger fossiler Energie ist vorbei

Über eine sehr lange Phase war in unserer Gesellschaft Energie zu günstigen Preisen und meist aus importierten fossilen Quellen verfügbar. Die letzten größeren Wachstumseinbußen gab es infolge der Energiekrisen 1973 und 1980. Das ist so lange her, dass nur mehr ein kleiner Teil der Bevölkerung plastische Erinnerungen an diese wirtschaftlichen Wachstumseinbrüche hat. Im Jahr 2022 ist die Energiekrise bedingt durch den Krieg in der Ukraine. Und zusätzlich erfordert der Klimawandel rasche Maßnahmen. Diese doppelte Herausforderung erfordert daher ein neues Denken auf allen Ebenen.

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Zahlen & Fakten

Was gefordert ist? Ein Zusammenspiel unterschiedlicher Maßnahmen und Aktivitäten. Zum einen Finanzhilfen für durch die Preissteigerungen besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen, zum anderen aber auch öffentliche und private Investitionen in die Transformation. Am Ende eines gelungenen Transformationsprozesses würde neben klimakompatiblen Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen eine deutlich geringere Abhängigkeit von den Exportländern fossiler Energie stehen.

Die Gewinne der Energiewende

Die Energiewende ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die nur gelingen kann, wenn Ressourcen- und Energieeffizienz und Suffizienz – der nachhaltige Umgang mit allen Dingen des täglichen Lebens – zunehmend zur Selbstverständlichkeit in unseren Konsum- und Produktionsstrukturen werden Es wird einen Umdenkprozess in der Gesellschaft brauche, der praktisch alle Ebenen betrifft.

Ein Radfahrer unter einer Brücke fährt entlang eines Flusses
Hier fuhren bis vor kurzem noch Autos: Paris baut die Radinfrastruktur aus und will Autos bis 2030 ganz aus der Innenstadt heraus haben. © Getty Images

Gebäude und Verkehr werden beim Erreichen der Klimaziele eine wichtige Rolle spielen. Anzustreben sind eine gute Gebäudequalität und neue Siedlungsstrukturen, die in kompakter Bauweise ein behagliches Wohnen ermöglichen, aber deutlich weniger Energie brauchen. Sogenannte Plusenergiegebäude sind ein richtiger Ansatz. aber auch Gemeinden oder Stadtquartiere können innovative Energiekonzepte umsetzen und damit zumindest teilweise eine höhere Energieunabhängigkeit erreichen. Dabei werden gesetzliche Bestimmungen und Förderungen eine relevante Rolle spielen.

Gleiches gilt für den Verkehrsbereich, wobei Mobilität und Raumplanung eng miteinander verknüpft sind. Die Struktur einer Siedlung gibt vor, wie hoch der Mobilitätsbedarf sein wird. Schafft man eine gut in sich funktionierende Infrastruktur, also Schulen, Ärzte, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten und letztlich auch Arbeitsplätze im Nahbereich, wird das den Mobilitätsbedarf automatisch senken. Ein Beispiel dafür sind sogenannte Superblocks, die bereits in Großstädten wie Berlin, London oder Buenos Aires funktionieren.

Gerechtigkeit bei den Energiekosten

Das Ziel muss sein, unabhängiger vom Auto zu werden. Die Schienen-Infrastruktur ist in Österreich besser ausgebaut als in Deutschland und bildet damit eine solide Basis für Erweiterungen und Investitionsimpulse. Auch das im Vorjahr eingeführte preislich attraktive Klimaticket schafft gute Voraussetzungen für einen Umstieg auf den öffentlichen Verkehr und die damit verbundenen positiven Klimaeffekten. Allerdings: das Angebot an öffentlichem Verkehr ist regional noch sehr verbesserungswürdig

Eines darf in der heutigen allgemein angespannten Situation aufgrund der drastisch steigenden Energiepreise jedoch nicht vergessen werden. In einkommensschwächeren Haushalten haben die Energiekosten schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Das machte beim unteren Fünftel der Einkommen etwa 7,5 Prozent am Haushaltseinkommen aus, während Energieausgaben in den oberen Einkommensgruppen nur etwa zwei Prozent am Haushaltseinkommen ausmachten.

Foto von identischen schwarzen Autos in drei Reihen von oben.
Elektroautos als Lösung? Die ersten Teslas aus der Gigafactory in Grünheide in Berlin im März 2022. © Getty Images

Ein Instrument um Anreize für Verhaltensänderungen zu setzen ist die CO2-Steuer, die im Rahmen der ökologischen Steuerreform mit dem Klimabonus für einen gewissen sozialen Ausgleich sorgt. Reichere Haushalte verbrauchen deutlich mehr fossile Energie und werden damit auch automatisch höher belastet, während untere Einkommen relativ stärker vom Klimabonus profitieren.

Im Gebäudebereich wird der Anreiz für Besitzer von fossilen Heizanlagen für einen Heizungswechsel steigen. Was wiederum die Energiebereitstellung betrifft ist voraussehbar, dass der Betrieb einer eigenen Photovoltaik-Anlage (PV) attraktiver wird, wenn die Strompreise weiter steigen.

Nicht immer müssen Verhaltensänderungen mit großem Verzicht verbunden sein. Schon ein bewussterer Umgang mit Energie kann viel bewegen, vor allem wenn sie mit technischen Innovationen verbunden ist. So könnte zum Beispiel durch die flächendeckende Einführung von Smartmetern ein lastabhängiger stundenvariabler Strompreis verwirklicht werden. In Kombination mit einer PV-Anlage könnte sich folgendes Szenario ergeben: Wer bei Sonnenschein seinen Geschirrspüler oder seine Waschmaschine laufen lässt oder den eigenen Batteriespeicher auflädt, könnte Stromkosten sparen und gleichzeitig zur Entlastung des Stromnetzes beitragen. Auch ohne PV-Anlage würde ein entsprechendes Verhalten zu niedrigeren Stromkosten und zu einer Entlastung des Netzes beitragen.

Fachkräfte für die Energiewende

Hohe Energiepreise bedeuten aber auch, dass sich  Investitionen in Energieeffizienz  schneller rechnen. Änderungen in den regulatorische Rahmenbedingungen können zu einer Beschleunigung der Energiewende beitragen. Ein Beispiel sind Genehmigungen oder der Abbau von Barrieren für einen raschen Ausbau erneuerbarere Energiequellen.

Ein Arbeiter mit einem gelben Schutzhelm steht in einer riesigen Metallröhre und schweißt.
Fertigung einer Windturbine in China. © Getty Images

Die Verfügbarkeit von Fachkräften wird ebenfalls zum Schlüsselthema werden. Bei Energieproduktion, Speicherung und Infrastruktur stehen enorme Veränderungen bevor. Der Arbeitskräftebedarf wird in jenen Bereichen weiter steigen, in denen auch heute schon Knappheit besteht. Das ist vor allem in klassischen Handwerksberufen der Fall – etwa bei Elektrikern, Installateuren, Monteuren oder Technikern zum Beispiel. Hier wären Requalifizierungen sowie neue Berufsbilder erforderlich, auch eine aktive und offensive Bewerbung dieser Berufsfelder wäre hilfreich.

Das notwendige hohe Tempo der Energiewende benötigt tiefgreifende Veränderungen in etablierten Systemen. Dem steht bis zu einem gewissen Maße ein Beharrungswunsch entgegen: Die Menschen lassen nur ungern von gewohnten, bestehenden Strukturen ab, wenn dadurch ihre Gewohnheiten in Konsum und Produktion betroffen sind. Die notwendigen Änderungen, sei es in Bezug auf die gebaute Infrastruktur, zusätzlichen Investitionsmitteln oder  Änderungen in der Lebensweise, bergen Potential für Friktionen. Deshalb wird es auch zu den entscheidenen Fragestellung der Zukunft gehören, ob unsere Gesellschaft angesichts der großen Herausforderungen zu einem stärkeren Wir-Gefühl und gemeinsamen Zielen findet.

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Conclusio

Die Bewältigung von Energie- und Klimakrise kann durch die Energiewende zu einem Gewinn für die gesamte Gesellschaft werden. Die Politik ist gefordert, die Belastungen der teuren fossilen Energie für einkommensschwache Haushalte auszugleichen und auch die Folgen des Klimawandels, die diese härter treffen, abzufedern. Sie muss zugleich dafür sorgen, dass Fachkräfte mit neuen Qualifikationen ausgebildet und Alternativen zum Auto schaffen, um einen nachhaltigeren Lebensstil zu ermöglichen. Die Energiewende wird so auch den Zusammenhalt stärken.

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