Katar kauft sich den Westen

Ob die Fußball-WM dem Image schadet oder nicht, ist fast egal: Katar kauft sich Macht und Einfluss ganz einfach. Die Öl- und Gas-Milliarden fließen in Medien, Rüstung und Immobilien im Westen.

Foto einer Menschenmenge am Abend in einer Art Fußgängerzone, wobei eine Passage mit Fahnen verschiedener Nationen gestaltet ist. In der Mitte ist ein riesiges Maskottchen mit einer goldenen Lampe in der Hand zu sehen. Das Maskottchen sieht aus wie ein Gespenst. Das Bild soll das Image von Katar im Verhältnis zum Westen darstellen.
Abendstimmung in Doha im November 2022: Das Maskottchen in Katar heißt La'eeb und ist ein körperloses Thawb, das traditionelle Gewand für die Männer. La'eeb ist arabisch und bedeutet „talentierter Spieler“. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Doppelstrategie. Katar sichert durch strategische Käufe seinen Einfluss in der Weltwirtschaft und etabliert sich als Ausrichter von Sport-Events.
  • Machtkauf. England, Frankreich und Deutschland sind Zielländer bei Auslandsinvestitionen. Katar kauft Medien, Infrastruktur und Rüstung.
  • Polit-Kurs. Die Unterstützung radikal-islamistischer Kräfte sorgt für Kritik des Westens, aber auch von arabischen Nachbarstaaten.
  • Schwere Vorwürfe. Menschenrechtsverletzungen, Bestechung und die strategischen Investitionen schaden dem Image, aber nicht dem Einfluss.

Wenn sich am 20. November anlässlich der Eröffnung der Fußball-WM ein bombastisches Feuerwerk in den Glasfassaden der Wolkenkratzer von Katar spiegelt, feiert der Wüstenstaat seinen bisher größten Triumph in der Disziplin „Sportswashing“. So nennt man heute die Bestrebungen autoritärer Regimes, das Ansehen des Landes mit der Ver­anstaltung von Sportereignissen zu verbessern. Der Begriff ist jung, das Prinzip dahinter alt: Das wohl bekannteste Beispiel dafür sind die Olympischen Spiele in Berlin 1936. 

Die Ausrichtung der FIFA-Fußball-WM 2022 kommt nicht von ungefähr: Längst ist das Land eine fixe Größe im Sportbusiness. Der staatlichen Beteiligungsgesellschaft Qatar Sports Investments (QSI) gehört der Fußballklub Paris Saint-Germain (PSG), in den Katar bereits über eine Milliarde Euro in­vestiert haben soll. Auch in den FC Bayern München, die AS Roma und den FC Barcelona fließen jedes Jahr Mil­lionen. 2021 hat Katar erstmals einen Formel1-Grand-Prix ausgerichtet, ab 2023 soll für weitere zehn Jahre ein Großer Preis von Katar stattfinden. 

Doch Sport spielt nur eine Neben­rolle im Aufstieg eines einst verschlafe­nen Fleckens Wüste, dessen Bewohner hauptsächlich vom Perlenfischen lebten, zu einem der reichsten und einflussreichsten Staaten der Welt. 

Öl und Gas für den Westen und die Welt

Katar verfügt über die drittgrößten Erdgasreserven der Welt (nach Russland und dem Iran) und liegt im Ranking der Länder mit den größten Erdölvorkommen auf Platz dreizehn. Gemeinsam mit dem Iran gehört Katar das größte Gasfeld der Erde, das in Katar „North Field“- und im Iran „South Pars“-­Gas­feld heißt. Darin lagert mehr Erdgas als in allen anderen Gasfeldern der Welt zusammen. 

Dabei ist das Land mit einer Fläche von 11.627 km² etwas kleiner als Oberösterreich; nur vier deutsche Bundesländer haben weniger Fläche. Von den rund 2,9 Millionen Einwohnern sind kaum 300.000 katarische Staats­angehörige; das Emirat hat die höchste Quote an Arbeitsmigranten der Welt. 

80 Prozent der Staatseinnahmen kommen aus dem Öl- und Gasgeschäft. Katar hat früh auf die Verflüssigung von Erdgas gesetzt, bereits 2006 stieg das Emirat zum weltgrößten Flüssiggas­exporteur auf. 2019 zog sich das Land aus der OPEC zurück, um sich auf Erdgas zu konzentrieren.

Schwarzweiß Foto einer Hafentaufe durch zwei Geistliche in weißen Sutanen mit Weihrauch. Das Bild soll das Alter der Verbindung von Katar mit dem Westen illustrieren.
Segnung des Container-Hafens von Doha 1951: Die NDSM Werft aus den Niederlanden schuf die Infrastruktur für das seit 1949 unter anderem für die niederländische Shell geförderte Öl. © Getty Images

Der Emir von Katar ist Staatsoberhaupt und verfügt über sämtliche exe­kutive und legislative Gewalt. Ihm allein ist die Regierung verantwortlich. Staatsreligion ist der Islam, die Hauptquelle der Gesetzgebung ist die Scharia. Die meisten Bürger sind sunnitische Wahhabiten. Obwohl die Verfassung das Volk als Quelle der Staatsgewalt anführt, gibt es weder ein Parlament noch politische Parteien. 

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wird Katar von der Familie (= Al) Thani regiert, die mehrere tausend Mitglieder umfasst. Ihren Reichtum nutzt die Königsfamilie, um ihren politischen Einfluss im Westen mit strategischen Investi­tionen in Wirtschaft, Medien, Sport und Kultur zu festigen und den politischen Islam zu fördern. 

Um seine Abhängigkeit von Kohlenwasserstoffen zu verringern, begann Katar 2005, seine ausländischen Vermögenswerte zu diversifizieren, und gründete den Staatsfonds Qatar Investment Authority (QIA). Dessen wichtigste Tochterunternehmen sind die Qatar Holding LLC mit einem jährlichen Renditeziel von 17 Prozent, Qatari Diar im Immobilien- und Katara Hospitality im Tourismusgeschäft sowie die eingangs erwähnte QSI im Sport. Darüber hinaus hält QIA 50 Prozent der Qatar National Bank und 16,67 Prozent der Qatar Islamic Bank. Im Vorjahr verwaltete man Vermögenswerte von rund 450 Milliarden US-Dollar.

Der Kauf des Westens: Beispiel Frankreich

2019 tätigte Katar Direktinvestitionen im Wert von 44,78 Milliarden ­Dollar in über 80 Ländern. Großbritannien und Frankreich bilden den Schwerpunkt der katarischen Kapitalanlage. In Europa scheint nun der Fokus zunehmend auf Spanien zu liegen: Katar hat zugesagt, die Investitionen in diesem Jahr um 4,9 Milliarden zu erhöhen. Das zweitgrößte Investitionsziel für Katar nach Großbritannien bleibt jedoch Frankreich. 

Den Grundstein für die strategische Partnerschaft mit Paris legte der damalige Präsident Nicolas Sarkozy, der den Emir von Katar als ersten außereuropäischen Staatschef im Élysée-Palast begrüßte. Unter Emmanuel Macron hat sich das Verhältnis aufgrund der mas­si­ven katarischen Unterstützung der Muslimbruderschaft etwas abgekühlt.

Katar gehört die mächtige Mediengruppe Lagardère mit rund 50 Magazinen (darunter „Paris Match“), dem größten Buchverlag Frankreichs, Be­teiligungen an Fernseh- und Hörfunksendern und Minderheitsbeteiligungen an Zeitschriften wie „Le Parisien“, „L’Équipe“ und anderen. 

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Zahlen & Fakten

Das Emirat besitzt unter anderem die Warenhauskette Printemps und Anteile an dem größten französischen Medienkonzern Vivendi, dem Energie­versorger Veolia, dem Energiekonzern TotalEnergies und dem weltweit größten Bau­unternehmen Vinci.

Über den Staatsfonds, dessen Tochter Katara Hos­pitality und private Unternehmen der Familie Al Thani gehören Katar auch einige der luxuriösesten Immobilien des Landes, darunter berühmte Hotels wie das Carlton und das Martinez in Cannes und mehrere Luxushotels in Paris wie das Raffles, das Peninsula, das Concorde Lafayette und das Hôtel du Louvre. Ein besonderes Schmuckstück im Immobilienportfolio ist eines der schönsten Pariser Stadtpalais, das Hôtel Lambert auf der Île Saint-Louis. Eine spektakuläre Kunstsammlung rundet den Besitz ab. 

Gleichzeitig ist Katar einer der größten Kunden des Rüstungskonzerns Dassault, von dem es insgesamt 36 Rafale-Kampfjets für die Qatar Emiri Air Force orderte. Dassault gehört unter anderem die Tageszeitung „Le Figaro“, die wie­­der­um in einer Immobilie der Al Thani residiert. Die Welt ist klein, man läuft sich immer wieder über den Weg. 

Kein Wunder, dass Frankreich sich erkenntlich zeigt: Katarische Investoren müssen die ersten fünf Jahre keine Vermögenssteuer zahlen, und Gewinne aus Investitionen im Immobiliensektor sind steuerfrei. 

Einer aktuellen Studie zufolge beläuft sich das katarische Vermögen in Frankreich auf mehr als 25 Milliarden Euro, davon entfallen 7,1 Milliarden auf Immobilien, 4,2 Milliarden auf den Einzelhandel, 3,4 Milliarden auf Transport und Tourismus und 2,3 Milliarden auf Telekommunikation und Medien. Modezar Karl Lagerfeld kommentierte Katars Einkaufstour einst lakonisch: „Frankreich steht nun mal zum Verkauf, und Katar kauft eben, das ist alles.“

Strategische Investments

Die Investitionen Katars in Großbritannien werden auf mehr als 46 Milliarden Euro geschätzt. In einer „strategischen Investitionspartnerschaft“ vom Mai die­ses Jahres sagte Katar zu, in den nächsten fünf Jahren weitere 11,5 Milliarden Euro anzulegen. 

Zu den spektakulärsten Assets gehören das Kaufhaus Harrods, der Wolkenkratzer The Shard, der Bürogebäude­komplex Canary Wharf, Anteile von 20 Prozent am Flughafen Heathrow, 22 Prozent an der Supermarktkette Sainsbury’s, knapp 6 Prozent an der Barclays Bank sowie rund 10 Prozent an der Londoner Börse. 

Foto von abfackelnden Erdgasleitungen mit Baukränen im Hintergrund. Das Bild steht für die Abhängigkeit des Westens von Katar.
Bau der Raffinerie und des LNG-Terminals in Las Raffan in Katar 2007: In den Industrieanlagen wird Erdgas verflüssigt und geht als Flüssiggas in alle Welt, auch nach Deutschland. © Getty Images

Bereits 2017 berichtete die BBC, dass Katar mehr Immobilien in London besitzt als die Königin. Auch für Privatpersonen aus Katar ist London ein beliebtes Pflaster; der Londoner Immobilienbesitz von Katarern ist von 2018 bis 2021 um fast 50 Prozent gewachsen. In Deutschland belaufen sich die Kapitalanlagen Katars aktuell auf rund 25 Milliarden Euro. Katarisches Geld steckt in der Automobilindustrie, der Telekommunikation, im Tourismus, im Bankenwesen und in anderen Sek­toren. Unter anderem hält Katar wesentliche Anteile an der Volkswagen AG, an Siemens, dem Hamburger Transport- und Logistikunternehmen Hapag-Lloyd und der Deutschen Bank. 

In der Schweiz besitzt der Staatsfonds wesentliche Beteiligungen am Rohstoffkonzern Glencore und der Credit Suisse sowie an Hotels in Bern, Luzern und Lausanne.

Künftig plant Katar, sein Auslandsvermögen stärker zu diversifizieren: Der europäische Anteil am Gesamt­portfolio soll zugunsten der USA reduziert werden. Die QIA hat 2019 zugesagt, ihre Investitionen in den Vereinigten Staaten binnen zweier Jahre auf 45 Milliarden Dollar zu erhöhen. Mindestens 10 Milliarden Dollar davon sollen in US-Häfen fließen beziehungsweise mittlerweile geflossen sein.

Sponsor des politischen Islam

Der Wüstenstaat macht längst nicht nur durch wirtschaftliches Engagement von sich reden, sondern auch durch Akti­vitäten zur Verbreitung des politischen Islam. Katar und die Muslimbruderschaft teilen ein gemein­sames Ziel: die Re-Islamisierung der muslimischen Gemeinden in Europa und die Abkehr von Verwestlichung und Modernisierung in der arabischen Welt. Doha finan­ziert dieses „islamische Erwachen“ mit dem Wohltätigkeitsfonds Qatar Charity und anderen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). 

Die französischen Journalisten Chris­tian Chesnot und Georges Malbrunot legten in ihrem Buch „Qatar Papers“ (die deutsche Ausgabe erschien 2020) die zentrale Rolle Katars bei der Finanzierung der radikalislamistischen Muslimbruderschaft in Europa offen. Ihre Quellen belegen, dass Katar 140 Moscheen und islamische Zentren in ganz Europa finanziell unterstützt hat. 

Dabei ging das Emirat sehr diskret vor. Wie die beiden Autoren beschreiben, hat sich Doha aus taktischen Gründen vor allem der NGO Qatar Charity bedient: Sollten die begünstigten Länder den Geldfluss entdecken, könnte Katar entgegnen, nichts davon gewusst zu haben und dass es sich um private Initiativen handle, auf die es keinen Einfluss hätte. 

Qatar Charity wurde 1992 gegründet und ist in mehr als 70 Ländern karitativ tätig. 2012 eröffnete die NGO ein Büro in London und verlieh ihren Aktivitäten mit Partnerschaften mit west­lichen Wohltätigkeitsorganisationen wie der Bill & Melinda Gates Foundation und der Prince of Wales’s Chari­table Foundation zusätzliche Reputation. Auf diese Art finanzierte Qatar Charity die Verbreitung des politischen Islam in Europa – und vermutlich auch inter­nationale Terroranschläge.

Einem Bericht der deutschen „Tages­schau“ vom September 2022 zufolge konnte ein Investigativteam, bestehend aus den ARD-Politikmagazinen „Kon­traste“ und „report München“ sowie der Wochenzeitung „Die Zeit“, Datenleaks von Qatar Charity auswerten, die darauf hindeuten, dass das Emirat deutsche Moscheevereine von 2012 bis 2016 in weit größerem Ausmaß als bisher bekannt finanziert haben könnte. Allein in das Interkulturelle Zentrum für Dialog und Bildung (IZDB) in Berlin könnten demnach rund sechs Millionen Euro geflossen sein. Allerdings belegen die Dokumente nicht den Geldfluss selbst. Anfragen der Journalisten wurden weder vom IZDB noch von Qatar Charity beantwortet.

Gemäß französischen Nachrichtendiensten hat Qatar Charity 2013 die mit al-Qaida verbundene Terrorgruppe Ansar al-Din in Mali gesponsert. Aus US-Gerichtsdokumenten geht zudem hervor, dass die NGO auch die Bombenanschläge von al-Qaida im Jahr 1998 auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania mitfinanziert hat.

Ein weiteres Instrument zur weltweiten Förderung des politischen Islam ist das staatliche Sendernetzwerk Al Jazeera, das zu einer wesentlichen Säule der katarischen Soft Power geworden ist.

Al Jazeera, Sprachrohr Katars

Das katarische Medienkonglomerat ist das Sprachrohr Katars – was nicht von Anfang an geplant war. Al Jazeera begann als kleines Unternehmen, das von Hamad bin Khalifa Al Thani finanziert wurde, der damit ein Satellitennetzwerk nach dem Vorbild von CNN im Nahen Osten aufbauen wollte. Ehemalige BBC-Journalisten aus einem gescheiterten Joint Venture mit Saudi-Arabien leiteten das Projekt. 

Der Sender sollte auch in seiner redaktionellen Vielfalt mit westlichen Medienagenturen konkurrieren und wurde in der arabischen Welt enorm populär. Anfang der 2000er-Jahre entschied der Emir, der das gesamte Aktienkapital besitzt, dass Al Jazeera künftig eine zentrale Rolle bei der Förderung der Außenpolitik Katars spielen solle, und begann über Regierungsbeamte die Redaktionen zu steuern. Seither fungiert Al Jazeera eher als Lobbyorganisation für das Emirat denn als unabhängiger Fernsehsender. Darin unterscheidet sich der Sender nicht von Russlands RT oder Chinas Xinhua News.

Foto eines hohen Gebäudes ohne Außenmauern mit Arbeitern. Im Hintergrund eine große Glasfassade. Das Bild soll das Verhältnis von Katar und dem Westen illustrieren.
Arbeiter 2011 im Finanzdistrikt von Doha: Mit den Sport-Großveranstaltungen wuchs auch die repräsentative Großstadt. © Getty Images

Der Sender unterstützt die Agenda der Regierung und Propagandisten der Muslimbruderschaft, darunter deren Ende September verstorbenen Chefideologen Yusuf al-Qaradawi, der sich seit seiner Vertreibung aus Ägypten in den 1960er-Jahren in Katar aufhielt und katarischer Staatsbürger war. Al-Qaradawi hatte lange Zeit eine eigene TV-Sendung auf Al Jazeera und war der einzige muslimische Gelehrte, der im Fernsehen Fatwas verkündete.

Erst durch seine Predigten auf Al Jazeera war al-Qaradawi weltweit populär geworden. In seinem auch auf Deutsch erhältlichen Buch „Erlaubtes und Verbotenes im Islam“ forderte er etwa die Todes­strafe für außerehelichen Geschlechtsverkehr und gab Ratschläge, wie man seine Ehefrau islamkonform schlägt. 2007 erklärte er, der Islam werde „Eu­ropa durch Einwanderung und Missionierung erobern“. Die Berichterstattung von Al Jazeera über den Arabischen Frühling 2011 und während der Syrienkrise im Jahr darauf war ­einer der Hauptauslöser für die Zerwürfnisse Katars mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Während Letztgenannte die Muslimbrüder als religiöse Häretiker und Bedrohung für die Stabilität ihrer Regime betrachten, unterstützte Al Jazeera mit der Muslimbruderschaft verbundene Bewegungen in Syrien, Ägypten, Libyen und Tunesien. 

Katars Ziele für den Westen

Katars Außenpolitik ist von drei Motiven geprägt: erstens dem Streben nach Unabhängigkeit vom Golfkooperationsrat (GCC), bestehend aus Bahrain, Katar, Kuwait, dem Oman, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), um im Konflikt mit Saudi-Arabien und den VAE siegreich zu sein. Zweitens dem Wunsch nach Anerkennung als internationaler Machtmakler im Nahen Osten und darüber hinaus. Und drittens dem Willen nach mehr Einfluss im Westen, was sich seit dem Ausbruch der Golfkrise 2017 verstärkte.

Unter Emir Hamad bin Khalifa Al Thani, der seinen Vater 1995 in einem unblutigen Staatsstreich abgesetzt hatte, wurde die Unabhängigkeit von Saudi-Arabien und den anderen GCC-Staaten zum Leitmotiv der katarischen Außenpolitik. 

Im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 verstärkten sich die Spannungen zu den anderen GCC-Ländern. Die wesentlichen Konfliktpunkte waren Katars Nähe zum Iran, die Unterstützung von islamistischen Organisationen wie der Muslimbruderschaft und der Präsidentschaft des Muslimbruders Mohammed Mursi in Ägypten, die Destabilisierung anderer arabischer Staaten durch Al ­Jazeera, die Finanzierung von Terrorgruppen und Milizen in der ganzen Welt, die Weigerung, sich mit anderen GCC-Mitgliedern in Sicherheitsfragen ab­zustimmen, und anderes mehr. 

Hamads Machtübergabe an seinen Sohn Tamim Al Thani zum neuen Emir von Katar erfolgte wohl nicht zuletzt vor dem Hintergrund, Saudi-Arabien und andere Länder zu beschwichtigen, was mit dem Abkommen von Riad 2014 auch gelang. 

Die Versöhnung hielt nicht lange. 2017 hatte das „arabische Quartett“, bestehend aus Ägypten, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain, genug davon, dass Katar terroristische Gruppen unterstützt und ihnen Unterschlupf gewährt, damit sie sich dann in den arabischen Ländern ausbreiten können. Am 5. Juni 2017 beendete das Quartett die diplomatischen Beziehungen zu Katar. Alle Luft-, Wasser- und Landverbindungen zu Katar wurden blockiert. 

Kurz davor war bekannt geworden, dass Doha Geheimdienstinformationen an die von Teheran unterstützten Huthi-Milizen im jemenitischen Bürgerkrieg weitergegeben hatte, was zu tödlichen Angriffen auf die geheime Militärbasis der arabischen Koalition gegen die Rebellen führte. 2021 wurde der Konflikt formell beigelegt, ohne dass die ihm zugrunde liegenden Ursachen beseitigt worden wären.

Annäherung an Russland

Katars wiederholte Einmischung in die inneren Angelegenheiten seiner Nachbarländer und sein Werben um europäische und amerikanische Regierungen dienten in erster Linie dazu, seine Rivalen zu schwächen; nicht nur dazu, den Reichtum der herrschenden Familie zu vergrößern oder Investoren und Unterstützer anzuziehen. Auch die Errichtung des Luftwaffenstützpunkts Al Udeid sollte durch die Stationierung von NATO-Truppen vor allem die politische Position Katars gegenüber Saudi-Arabien stärken.

Angesichts der Auslandsinvestitionen Katars und der militärischen Präsenz der NATO im Emirat könnte man meinen, Katar sei ein enger Verbün­deter des Westens. Das Gegenteil ist der Fall. Katar hat etwa aus der Finanzierung der Terrororganisation Hamas nie ein Hehl gemacht. Zudem wurde Katar immer wieder vorgeworfen, weitere isla­mistische Terrororganisationen wie al-Qaida und deren syrischen Ableger, die al-Nusra-Front, zu finanzieren. 

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Zahlen & Fakten

Außerdem intensivierte der Wüstenstaat jüngst seine geheimdienstlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland. Wie eng das Verhältnis inzwischen ist, zeigte sich 2021, als Russland Katars Sicherheitskräfte exklusiv für die FIFA-Weltmeisterschaft trainierte. Bereits 2008 hatte Katar mit Russland und dem Iran ein Gaskartell gebildet, das ungefähr 60 Prozent der weltweiten Gasreserven kontrolliert. Über elf Milliarden Dollar hat Katar in den russischen Energiemarkt investiert, unter anderem in den Mineralölkonzern Rosneft. Das Emirat gehört zu den größten Profi­teuren der von Russlands Überfall auf die Ukraine ausgelösten Gaskrise. Kurz: Die Investitionen in Russland haben sich ausgezahlt.

Dennoch haben die USA im Jänner 2022 Katar in die obersten Ränge der Handelsbündnisse erhoben – genau zu jener Zeit, als die US-Geheimdienste über die immer wahrscheinlicher werdende Ukraine-Invasion und die mögliche Einstellung der Gaslieferungen nach Europa berichteten. 

Von Feuerwerken sollte man sich also nicht blenden lassen: Katar füttert den Westen mit der einen Hand und schlägt ihn mit der anderen. 

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Conclusio

Der vor allem wegen der großen Gasreserven immense Reichtum des flächenmäßig kleinen Emirats Katar sprengt die Grenzen jeder Vorstellung. Die Familie Al Thani, die Katar seit über 250 Jahren autoritär regiert, nutzt ihn, um sich weltweit Macht und Einfluss, auch im Westen, zu verschaffen. Großzügige Milliardeninvestitionen in renommierte Unternehmen, Nobelhotels, Verlage oder Fußballklubs sind das Mittel der Wahl; die Austragung der FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2022 ist ein prominentes Zeichen dafür, auch wenn das manche als „Sportswashing“ bezeichnen. Doch man sollte sich von den Investitionen nicht täuschen lassen: Katar verfolgt alles andere als westliche Ziele. Der Wüstenstaat will den politischen Islam in Europa verbreiten und schreckt mitunter auch vor der Unterstützung terroristischer Gruppen nicht zurück.