Umfrage: Was halten Sie von der politischen Kultur?

Die Politik punktet immer mehr mit der Schmähung des politischen Gegners statt mit Argumenten. Dabei wünschen sich die Österreicher mehr Sachlichkeit, wie die aktuelle Pragmaticus-Umfrage zeigt.

Die Illustration zeigt fünf Personen, die jeweils ein Schild mit unterschiedlichen Begriffen tragen. Diese Begriffe stehen für Vorurteile, Etikettierungen oder abwertende Bezeichnungen, die in gesellschaftlichen Debatten verwendet werden. Eine Person hat ein Etikett mit der Aufschrift „Schwurbler“, ein Etikett ist mit „Gutmensch“, ein weiteres mit „Sozi“, eines mit „Nazi“ und eines mit „Klimaleugner“. Das Bild illustriert die Pragmaticus-Umfrage über politische Kultur.
Zwei Drittel der Bevölkerung wünschen sich inhaltliche Debatten anstelle von gegenseitigem Beflegeln. Ein klares Votum für mehr Sachlichkeit. © Francesco Ciccolella

Satte 67 Prozent der Österreicher halten die politische Diskussion im Lande für unsachlich. Das zeigt eine repräsentative Umfrage unter rund 800 Bürgern, die Unique Research im Auftrag von Der Pragmaticus durchgeführt hat.

Der traditionell schlechte Ruf von Politikern dürfte nicht nur auf gebrochene Wahlversprechen oder ungelöste Probleme zurückzuführen sein. Fast drei Viertel der Befragten bewerten die Diskussionskultur gerade noch mit „genügend“ oder geben ihr ein „Nichtgenügend“. Die meisten Fünfer verteilen Wähler der FPÖ, einer Partei, die nicht unbedingt für ihre zurückhaltende Wortwahl bekannt ist.

Die meisten Nichtwähler stößt das ständige Abstempeln, Anpatzen und Ausgrenzen ab. Wer die überhitzte und unsachlich geführte politische Debatte nicht erträgt, bleibt auch den Wahlen fern. Oder wählt die FPÖ, denn deren Wähler fühlen sich am häufigsten von der Debatte abgestoßen.

Andererseits stimmt die Mehrheit der Befragten in der Pragmaticus-Umfrage zumindest teilweise der Aussage zu, dass im Parlament ruhig mehr gestritten werden dürfte. Ein Widerspruch? Möglicherweise nur der Wunsch nach mehr inhaltlicher Auseinandersetzung. Demokratie lebt schließlich vom Streit – allerdings vom Wettstreit der Ideen und Konzepte, nicht vom Streit um die wirkungsvollsten Treffer unter der Gürtellinie.

Weniger auszusetzen haben die Befragten an der Themenwahl der Politik. Nur 15 Prozent sind der Ansicht, dass gesellschaftliche Themen gegenüber wirtschaftlichen zu viel Raum einnehmen. Ungeachtet der aktuellen wirtschaftlichen Probleme liegen den Österreichern auch gesellschaftspolitische Themen am Herzen.

Hingegen vermisst eine satte Mehrheit starke Führungspersönlichkeiten in der Politik. Was nicht zwingend einer demokratiefeindlichen „Sehnsucht nach einem starken Mann“ entspringen muss, sondern auch mit dem von Thomas Hofer kritisierten Mangel an Persönlichkeiten zusammenhängen könnte, die willens und fähig sind, den Menschen eine glaubwürdige, positiv aufgeladene Zukunftserzählung zu vermitteln.

Dazu passt, dass eine starke Mehrheit der Ansicht ist, es würde zu viel diskutiert und zu wenig entschieden. Für die Mehrheit der Befragten gehen in der heimischen Politik unsachlich geführte Debatten mit einer Entscheidungsschwäche des politischen Führungspersonals Hand in Hand.

Ob bei einer sachlicher und weniger aufgeregt geführten Debatte weniger Menschen der Ansicht wären, zwischen den Parteien werde zu viel gestritten, bleibt offen. Jedenfalls wünscht sich eine große Mehrheit, dass die Parteien bei der Lösung der aktuellen Probleme mehr Einigkeit zeigen würden.

Ob Nazi, Gutmensch oder Klimaleugner. Das gegenseitige Verteilen von Etiketten, um andere Meinungen zu diskreditieren, setzt sich für ein Drittel der Befragten im Privatleben fort. 34 Prozent wurden bereits in Schubladen gesteckt, in die sie ihrem Selbstverständnis nach nicht gehören.

Für Peter Hajek, den Leiter von Unique Research, kommen diese Ergebnisse nicht überraschend: „Schon in den 1970er-Jahren haben die Menschen kritisch über die politische Kaste gedacht. Besonders kritisch zeigen sich heute FPÖ-Wähler. Gleichzeitig sind sie der Meinung, dass es im Parlament ruhig ruppiger zugehen darf.“ Er sieht darin einen Widerspruch, denn eine verrohte Sprache würde zu einem Niedergang der Debattenkultur führen. Bleibt die Frage, wie tief das Niveau noch sinken kann.

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