Das Ende der Spionage?

Der Hauch des Kalten Krieges ist verweht, der Ballon weggepackt. Jedoch: Die Sache mit dem Ballon täuscht über die wahre Natur der Spionage hinweg – sie ist heute überall.

Foto von militärischem Personal, das einen großen Plastikhaufen in eine Kiste packt. Das Bild illustriert einen Beitrag über Spionage, bei dem Plastikhaufen handelt es sich um den chinesischen Spionageballon.
An der US-Küste vor Virginia: Der chinesische Spionage-Ballon wird nach dem Abschuss zusammengepackt. © Getty Images

Ein bisschen war der alte Kalte Krieg zurück, als Anfang Februar auf einmal ein mutmaßlicher Spionage-Ballon im Luftraum der USA auftauchte, gefährlich nah an militärischen Anlagen. China versicherte, der Ballon sei ein einfacher Wetterballon auf Abwegen.

Spionage, so Militär- und Sicherheitsexperte Lukas Bittner im Interview, hat mit Agentenromantik nicht viel zu tun. Spionage findet heute praktisch permanent und überall statt. Jedes Smartphone ist im Grunde ein Spionage-Ballon, mit dem sich alles und Jedermann jederzeit überwachen lässt – Spionage ist ein globales Geschäft geworden. Doch das birgt einige Risiken.

Das Video-Interview

Mit dem Laden des Inhalts akzeptierst du die Datenschutzerklärung von Jetpack VideoPress.

Frankreich 1916: Im Ersten Weltkrieg konnte man Aufklärungs-Ballone noch nicht allein losschicken.

Wie geht es weiter, wenn traditionelle Verschlüsselung nicht mehr funktioniert? Gegen Quanten-Computer haben herkömmliche Verschlüsselungstechnologien nämlich keine Chance, sagt Lukas Bittner. Vielleicht wird das neue Spiel der Agenten dann eines ohne Zuschauer sein: Eine reine Auseinandersetzung zwischen Maschinen, ausgefochten in Bits und Bytes.

×

Zahlen & Fakten

Ein Mann hockt vor einer Toilette und scheint zu lauschen, auf der Toilette steht ein Werkzeugkasten, der mit Abhörgerät zur Spionage ausgestattet ist.
Dieser Spion scheitert: Gene Hackman fährt in „The Conversation“ (Francis Ford Coppola, 1974) alle verfügbare Technik auf, um für einen unbekannten Auftraggeber die Gespräche eines jungen Paares zu belauschen. © Getty Images

Spionage und ihre Technologien

  • Karl Ludwig Schulmeister, der sich als Ungar tarnte, aber für Napoleon spionierte, reichte 1805 noch eine gefälschte Pariser Zeitung, um General Karl Mack von Leiberich zu täuschen und dafür zu sorgen, dass die österreichischen Truppen den Kampf um Bayern gegen das Napoleonische Heer verloren.
  • Die Spionage richtete sich als Bespitzelung im 19. Jahrhundert zunehmend auch nach Innen: Unter Fürst Metternich erlebten in Österreich die Schwarzen Kammern ihre Blüte, das waren Büros, in denen Briefe fachkundig geöffnet und wieder verschlossen wurden. Die Aktentasche Metternichs, in der sie transportiert wurden, ist heute im Wien Museum zu finden. Berühmt und berüchtigt ist die Metternichsche Geheime Kabinettskanzlei, die nicht nur Briefe öffnete, sondern bei Bedarf auch dechriffrierte und Falschnachrichten in Umlauf brachte.
  • Ab dem 20. Jahrhundert wurden Telefone und Funk schnell die Technologien der Wahl für die Überwachung. Die Geheim- und Nachrichtendienste entstehen quasi gleichzeitig mit den ersten Informationstechnologien.
Schwarz-weiß Foto eines kahlen Raums mit großen Lampen und großen Fenstern, in dem Frauen an Holztischen sitzen und mit Rechenmaschinen arbeiten. Das Bild ist Teil eines Beitrags über Spionage. Im Bildhintergrund sind Aktenordner zu sehen.
Im Maschinenraum von Bletchley Park in Buckinghamshire im Oktober 1943. Die Programmiererinnen entwickelten letztlich einen besseren Computer, um Enigma zu schlagen. © Getty Images
  • Die Nationalsozialisten verschlüsselten ihren Funk mit der Rotor-Chiffriermaschine Enigma, doch britischen Programmierern und Informatikern gelang es, ihren Code zu knacken. Die Dechriffrierung verkürzte den Zweiten Weltkrieg und rettete wohl vielen tausend Menschen das Leben.
  • Je ausgefeilter die Technologien wurden, desto überforderter die menschlichen Agenten, denn Spionagesatelliten, Aufklärungsflugzeuge, immer bessere Abhörtechniken ließen auch die Informationsmengen immer weiter anwachsen. Der Kalte Krieg war dennoch eine Blütezeit der Spionage: Spione wie Günter Guillaume, dessen Tätigkeit 1974 zum Rücktritt des Bundeskanzlers der BRD, Willy Brand, führte und auch Alfred Spuhler, ebenfalls ein DDR-Agent, der sich in den Nachrichtendienst BND eingeschleust hatte, pflegten wichtige Dokumente zu fotografieren und so an ihre Auftraggeber, in dem Fall vor allem Markus Wolf, zu übermitteln.
Foto einer Menschenmenge auf einer Brücke verschneiten Brücke im Winter. Viele sind Fotografen und haben Leitern mitgebracht, sie scheinen auf etwas zu warten. Am Rand stehen Schaulustige.
Agentenaustausch als Medienfest: Auf der Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam 1986. © Getty Images
  • Eine der ausgefeiltesten Überwachungstechnologien der Gegenwart ist die Spionage-Software Pegasus. Auf einem Smartphone installiert, vermag sie jede Bewegung und jedes Gespräch, jede Nachricht zu verfolgen – ohne dass die bespitzelte Person dies weiß. Wer immer bereit ist, zu zahlen, kann Pegasus nutzen, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, seien es unliebsame Journalisten, Oppositionsparteien oder NGOs: Autoritäre Regime sind daher oft unter den Kunden, aber auch demokratische Staaten wie etwa Israel. Durch die neuen Technologien ist Spionage ist nicht mehr allein einigen wenigen Staatsmächten vorbehalten, sondern ein globales Business.

Über Lukas Bittner

Lukas Bittner ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Referent in der Abteilung Militärstrategie im Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport in Österreich. Schwerpunkte seiner Arbeit sind mögliche zukünftige Konflikte und die Veränderungen, die damit für die Entwicklung der Streitkräfte verbunden sind. Bittner ist regelmäßiger Autor des Pragmaticus.

Geopolitik im Cyberspace