Q-T: Quotenregelung bis Twitter

Gesellschaftliche Ungerechtigkeiten werden nicht durch sprachliche Verordnungen beseitigt, aber versuchen wir es ruhig weiter. Beispielsweise, indem das Wort „Mutter“ gecancelt wird. Fortsetzung des ABC der politischen Korrektheit.

Zeichnung eines Kleinkindes, das Mutti ruft und flehend die Hände nach oben gereckt vor einer Frau mit erhobenem Zeigefinger steht. Neben den beiden sitzt die Figur des Lehrer Lampel, der aus einem großen Buch vorliest und ebenfalls den Zeigefinger in die Höhe gestreckt hält. Die Zeichnung soll einen Beitrag über Cancel Culture illustrieren.

Q wie Quotenregelung

Es ist interessant, dass Forderungen, bestimmte Wörter zu ächten und durch andere zu ersetzen, meistens von Menschen erhoben werden, die weder das Wesen der Sprache noch das Wesen derer, die sich ihrer bedienen, verstanden haben. Die Sprache reagiert auf die Welt, und zwar schneller, als die Welt auf Sprache reagiert (sofern sie es überhaupt tut). Gesellschaftliche Ungerechtigkeiten werden nicht durch sprachliche Verordnungen beseitigt. Sprachliche Verordnungen werden von Menschen erlassen, die gesellschaftliche Ungerechtigkeiten nicht beseitigen können – oder wollen. Die Forderung nach politischer Korrektheit in der Sprache ist einerseits ein Alibi, andererseits ein Ablenkungsmanöver: Solange wir uns über Formulierungen streiten, kommen wir gar nicht in Verlegenheit, uns mit den Problemen selbst auseinanderzusetzen.

Die Nationale Ethikkommission der Schweiz empfiehlt übrigens, das Wort Mutter aus Gesetzestexten zu streichen und durch „Person, die das Kind geboren hat“, zu ersetzen. So könnte ich meine Mutter einmal nennen. Aber sicher nur einmal. 

Was ist mit dem Vater? Vielleicht gibt es schon Pläne, den Begriff Vater zu eliminieren. Mein Vorschlag wäre: „Person, durch deren Samenzellen die Eizelle der Person befruchtet wird, von der das Kind geboren worden sein wird“.

R wie Redefreiheit

Voltaire landet als Zeitreisender im Jahr 2022 und wird in sozialen Medien aktiv.


Oktivistin0814:
Der Buchstabe A sollte wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung vergast werden!

Zeichnung des Lehrer Lampel an einem Rednerpult, der sich vorbeugt und dabei in einer Geste des sich übergebens den Zeigefinger der rechten Hand in den Mund steckt, während er die linke Hand hochhält udn mit Zeigefinger und Daumen ein L formt. Die Zeichnung soll einen Beitrag über Cancel Culture illustrieren.


Voltaire1694: @Oktivistin0814 Ich bin nicht Ihrer Meinung, ich verachte sie sogar, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen. #Redefreiheit #Meinungsfreiheit #EvelynHall


Karli777ww:
@Voltaire1694 Geh in Oasch, owa flott


reziprokorchester1977:
Unfassbar, bei Wiederbetätigung auch noch mit Meinungsfreiheit daherkommen – Account gemeldet


Huberhaberer12:
Wenn einer von Verachtung redet und davon, dass er Leben aufs Spiel setzen will, eh scho wissen #Hassprediger


DieDameHubertus:
Das ist doch ein Hilferuf, er ist verwirrt und will sich das Leben nehmen!


Standfest41x9cm:
Na hoffentlich lasst er nix übrig *ggg*


TullnundUmgebung24: Wie kann einer für Nationalsozialismus -Redefreiheit wollen! Wieso darf hier so jemand seinen braunen Müll verbreiten?!


VroniVanVotzenschleck:@Voltaire1694 Dein Leben will aber keiner


RomantikSinti: @Voltaire1694 Wie großzügig! 


TrollundStolzDrauf:@Voltaire1694 Nazisau


Corinna1967:@Voltaire1694 Account gemeldet und geblockt


Palindromgottxyz:Er hat ja nur helfen wollen, glaube ich


Spinnazimmaminna:Moment, ist er jetzt für oder gegens Vergasen?


Trauschauwem666:@Voltaire1694 Fascho Froschfresser


TullnundUmgebung25: Zwölfe is, i hab Geburtstag!


Randstaendige0:
@Voltaire1694 @Spinnazimmaminna @Palindromgottxyz —> sicher alles derselbe User – GEMELDET


WernerundSusiGraz8041:@TullnundUmgebung25 Gratuliere, wie alt bist jetzt? @Voltaire1694 Geh sterben, Nazisau


RankZerox_W: Hat wer gestern das Finale geschaut?


ADMIN:
@Voltaire1694, dein Posting verstößt gegen unsere -Community-Richtlinien. Dein Account wird dauerhaft gesperrt.

S wie Sieger

Wenn man in irgendeinem Bewerb Erster wird, hat man sich bei allen anderen Teilnehmern sowie bei all jenen, die nicht teilgenommen haben, für seinen Sieg zu entschuldigen. Wenn zwei Leute Tennis spielen und Spieler A nach drei Games 3:0 vorn liegt, muss er damit rechnen, von der Welt als Egoist eingestuft zu werden. Wenn beim Stand von 0:5 Spieler B auf 1:5 verkürzt, beweist dies die Ansteckungsgefahr von Egoismus und die Arroganz des Führenden.

Zeichnung eines Menschen, der in einer Ecke kniet, das Gesicht zur Ecke. Auf dem Kopf einen Helm mit Hasenohren, neben ihm liegt ein Lorbeerkranz mit einer Schärpe, auf der Sieger steht. In seiner linken hand eine Medaille mit der Zahl 1. Die Zeichnung soll einen Beitrag über Cancel Culture illustrieren.

Wenn ein Satz erst im Tie-Break entschieden wird, sind beide Spieler schlechte Menschen. Wenn ein Match erst im fünften Satz entschieden wird, werden beide Spieler dem Verfassungsschutz gemeldet. Wer ein Spiel verliert, egal welches, ist ein Opfer des Siegers. Wer etwas nicht kann, ist das Opfer jener, die es können, weil sie es gelernt haben. Wer Kopfschmerzen hat, ist das Opfer der Menschen ohne Kopfschmerzen. Wer dick ist, wurde von Dünnen aufgepumpt. Wenn Angestellter A weniger leistet als Angestellter B, darf er nicht durch ein geringeres Gehalt dafür bestraft werden. Nur weil jemand die Arbeit verweigert, darf er nicht gleich von den Kollegen, die seine Arbeit zusätzlich zu ihrer eigenen erledigen müssen, kritisiert werden. 

T wie Twitter

Auf Twitter und Facebook geistern die digitalen Seelen soziopathischer Leserbriefschreiber vergangener Jahrhunderte als soziale Briganten und verbale Wegelagerer herum und wollen streiten. Reden Sie nicht mit ihnen. Lassen Sie sich in Online-Foren ausschließlich auf Debatten mit Menschen ein, die Sie persönlich kennen und von deren Zurechnungsfähigkeit Sie überzeugt sind.

Zeichnung von Menschen die von mehreren Logos von Twitter attackiert werden und schreiend davonrennen. Das Bild soll Cancel Culture illustrieren.

Angenommen, Ihnen ist im Büro wieder einmal langweilig, und um das zu ändern, führen Sie in einem öffentlich zugänglichen Chatroom eine langweilige Unterhaltung mit einem langweiligen alten Bekannten.

– Langweiliger alter Bekannter: „Jo Schweindi, wie gehts dir denn?“

– Sie: „Ganz gut. Bin jetzt zurück in Wien, hab mir sogar ein Rad zugelegt.“

Sich einmischender Unbekannter: „Woher simma denn, wenn die Frage erlaubt ist?“

– Sie (bemüht, witzig zu sein): „Meine Mutter stammt aus Kärnten. Lei-lei-leist, äh, liest man das nicht?“

Unbekannter: „Gibt’s für euch Tschuschen in Wien mehr Sozialhilfe, oder kamma bei uns bessere Radln fladern?“

 Unbekannter2: „Is ja fast peinlich, wie lei-lei-leicht so rechtsrechte Hardcore-Chauvis wie du zu durchschauen sind. Eh klar, dass du di mit deine stereotypen Rassismen nur über die Herkunft deiner weiblichen Familie lustig machst.“

... weiter geht’s im Abc

noch mal von vorne?