Entwicklungshilfe, ein Fehler
Entwicklungshilfe in ihrer heutigen Form ist keine Erfolgsgeschichte. Anstatt Aufschwung aus eigener Initiative zu begünstigen, hält sie den Kontinent in Abhängigkeit.

An Schönreden besteht kein Mangel. Allein in der deutschen Dritte-Welt-Szene kann Afrika sich auf ein Heer wohlmeinender Unterstützer verlassen, denen Kritisches kaum über die Lippen kommt. Im Berliner Bundesministerium für Entwicklungshilfe (Anmerk. – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – BMZ) sorgte man sich schon vor Jahren darum, dass die Situation Afrikas mit den richtigen Begriffen beschrieben werde: Statt vom Krisen- oder gar Katastrophenkontinent zu sprechen solle man „Chancenkontinent“ sagen. Solche verkrampften Übungen können aber über die triste Realität nicht hinwegtäuschen.
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Das Wohl eines Landes hängt wesentlich von seiner Wirtschaftsleistung ab. Schulen, Krankenhäuser, Verwaltungen, öffentliches Verkehrswesen, Polizei – das Geld dafür muss erwirtschaftet werden. Aber egal, welche Parameter man heranzieht, afrikanische Staaten gehören fast immer zu den Schlusslichtern. Auf dem Weltmarkt kommt Afrika mit eigener Produktion kaum vor, sieht man von Bodenschätzen ab – aber die sind ja nicht selbst produziert, sondern Geschenke der Natur.
Industrialisierung statt Entwicklungshilfe
Der „Index der menschlichen Entwicklung“, den das UNDP (United Nations Development Program), eine Unterorganisation der UNO, alljährlich zusammenstellt, bietet einen realistischen Eindruck von der Lebensqualität der Menschen weltweit. Dafür werden unter anderem Pro-Kopf-Einkommen, Bildung und Lebenserwartung herangezogen. Auf den letzten Plätzen finden sich regelmäßig Länder südlich der Sahara.
Ohne Industrialisierung werden sich die Verhältnisse in Afrika nicht wesentlich bessern. Die Länder Ostasiens haben gezeigt, dass qualifizierte Regierungen mit einer klaren Agenda in der Lage sind, diesen Umwälzungsprozess zu organisieren. Obwohl diese Regionen viel geringer mit Bodenschätzen gesegnet sind, boomt die wirtschaftliche Entwicklung.
Korrupte Politik
Demgegenüber werden die meisten afrikanischen Staaten – vor allem südlich der Sahara – miserabel regiert. Vor allem fehlt es an Gemeinwohlorientierung. Für die herrschenden Klassen hat das eigene Bankkonto Priorität. Damit verhindern sie, dass die Völker aus dem Verkauf der Bodenschätze einen angemessenen Anteil erhalten. Von unfähigen und korrupten Politikern ist die dringend nötige Transformation der afrikanischen Wirtschaft nicht zu erwarten.
Ohne gut ausgebildete Arbeiter keine Industrie. Eines der größten Defizite des Kontinents ist der Mangel an Bildung. Was sollen Kinder von Lehrern lernen, die – wie eine Untersuchung der Weltbank ergab – nicht wissen, was die Hälfte von sechs ist oder zwölf minus acht, oder die erst gar nicht in der Schule erscheinen? Am anderen Ende der Bildungspyramide sieht es auch nicht besser aus. Wer hätte je von europäischen Erasmus-Studenten gehört, die für ein Jahr an eine subsaharische Universität wechseln möchten?
Kein Unternehmensgeist
Das Leitbild unserer Wirtschaftsordnung ist das mittelständische Unternehmen. Wer sich in Subsahara-Afrika auf die Suche nach solchen Unternehmen macht, wird nicht viele finden: Es gibt sie kaum, die Firmenchefs, die – auch zum Wohl ihrer Belegschaft – langfristig planen, kalkulieren, organisieren und nicht zuletzt einen angemessenen Teil ihrer Gewinne reinvestieren, statt zu verjubeln.
Die typische afrikanische Großfamilie bietet ihren Mitgliedern weitgehenden Schutz, behindert aber auch unternehmerische Tätigkeit. So können die Eigentümer nicht frei über die leitenden Positionen im eigenen Unternehmen entscheiden: Stets wird die Großfamilie drauf dringen, ihre Mitglieder unterzubringen. Statt nach Qualifikation wird nach Verwandtschaftsgrad entschieden. Und der Niedergang beginnt.
Wegen der insgesamt geringen Wirtschaftsleistung entstehen kaum neue Arbeitsplätze. Deshalb sieht man auf den Straßen afrikanischer Städte so viele junge Menschen, die offensichtlich keine Arbeit haben. Allein um die jungen neuen Arbeitskräfte aufzunehmen, müssten jedes Jahr 25 Millionen Jobs geschaffen werden. Davon ist die Realität weit entfernt.
Das Problem wird durch die enorm hohen Geburtenraten noch verschärft. Im Sahel-Staat Niger zum Beispiel bekommen Frauen durchschnittlich mehr als sechs Kinder. Wenn die heranwachsen, werden sie das Heer der Arbeitssuchenden vergrößern. Weil die Erträge der ohnehin geringen Wirtschaftsleistung auf immer mehr Menschen verteilt werden müssen, bleiben die Pro-Kopf-Einkommen auf Dauer niedrig. Was auch uns im reichen Norden durch den weiterhin steigenden Migrationsdruck über das Mittelmeer unmittelbar betrifft.
2.000 Milliarden Dollar verpufft
Die wenig erfreuliche Bestandsaufnahme legt die Frage nahe, was die rund zwei Billionen Dollar Entwicklungshilfe bewirkt haben, die seit den 1950er und 1960er Jahren auf den afrikanischen Kontinent geflossen sind. Selbstverständlich hat es immer wieder Beispiele von Entwicklungsprojekten gegeben, die Sinnvolles angestoßen und Nutzen gebracht haben. Aber im Großen und Ganzen sind die Ergebnisse mehr als enttäuschend. Kosten und Erfolge stehen in keinem vertretbaren Verhältnis zueinander.
Der vielleicht wichtigste Grund für das Scheitern ist die Vernachlässigung der goldenen Regel allen Helfens: Nur wenn jemand bei Anspannung aller geistigen und körperlichen Kräfte seine Probleme nicht selbst lösen kann, muss man ihm helfen – und nur soweit nötig. Sobald er selbst vorankommen kann, hat man sich zurückzuhalten. Dieser Grundsatz ist als „Subsidiaritätsprinzip“ übrigens auch in den europäischen Verträgen verankert.
Zahlen & Fakten
Die Verstöße gegen dieses banal klingende Gebot schierer Vernunft sind wahrscheinlich der folgenschwerste Fehler der gesamten Entwicklungshilfe. Warum haben wir Straßen, Kanäle und Dämme gebaut, Schulen und Gesundheitsstationen, warum die Müllabfuhr in den Städten organisiert und die Rückgewinnung ausgetrockneter Böden, wenn die Menschen in Afrika dazu selbst in der Lage gewesen wären? Selbst wenn es mit hohem Arbeitskräfteeinsatz statt teurer Maschinen länger gedauert hätte – es wäre Entwicklung aus eigener Kraft gewesen. Und wahre Entwicklung ist nur, was die Menschen durch eigene geistige und körperliche Leistung zuwege bringen.
Aber das haben wir nicht zugelassen, das wollten wir nicht ertragen. Wir sind wir mit unseren Ideen und Geldbeuteln dahergekommen und haben alle möglichen „Projekte“ in die Landschaft gesetzt, die nie die Projekte der Menschen geworden sind – mit dem Ergebnis, dass die Projekt verfielen, sobald die Helfer nach einigen Jahren wieder abzogen. Afrika ist voll von diesen sogenannten „Weißen Elefanten“.
Geschenktes Geld: Schuldenerlass
Mit welcher Unvernunft bisweilen zu Werke gegangen wurde, zeigt das Beispiel gigantischer Schuldennachlässe um das Jahr 2000. Vor allem durch Misswirtschaft hatten sich afrikanische Staaten derartig in einen Schuldensumpf hineinmanövriert, dass sie sich kaum noch bewegen konnten. Wenn ein privater Schuldner sich so verhalten hätte, wäre es zunächst darum gegangen, ihn von akuter Not zu befreien. Aber dann hätte man sofort begonnen, ihm besseres Wirtschaften beizubringen, um die nächste Schuldenkatastrophe zu vermeiden.
Im Falle der afrikanischen Staatsschuldner lief das anders. Die hiesige Dritte-Welt-Szene versetzte sich in einen Schuldenerlass-Rausch, dem sich kaum jemand entziehen konnte, der nicht bereit war, als herzlos zu gelten. Die vorherrschende Devise lautete: Je mehr Schulden erlassen werden, desto besser. Auch erfahrene Hilfsorganisationen, die es besser hätten wissen müssen, machten bei dieser haarsträubenden Unternehmung mit.
Die Schuldner wurden großzügig entlastet und konnten davon ausgehen: Wenn es demnächst noch einmal eng wird, können wir uns wieder auf die Großzügigkeit des reichen Nordens verlassen. Was kommen musste, war vorhersehbar. In Kürze hatten sich neue Schulden angehäuft. Ausgerechnet Ghana, das gern als Vorzeigebeispiel für Entwicklung genannt wird, war eines der ersten Länder, denen die Schulden wieder bis zum Hals standen. Die Entschuldung hat die Fähigkeit von Staaten, klug mit Geld umzugehen, geschwächt anstatt gestärkt.
Entwicklungshilfe macht abhängig
Ein Wesenszug der Entwicklungshilfe ist: Die armen Länder haben sich an die seit Jahrzehnten verteilten Geldgeschenke gewöhnt. Sie fließen aus drei Quellen: Bodenschätze, Entwicklungshilfe und die Milliarden sogenannter Rücküberweisungen, die von im Ausland lebenden Afrikanern an ihre Familien in der Heimat geschickt werden. Durch all diese geschenkten Zuflüsse ist eine Bettlermentalität entstanden, die die Bereitschaft zu eigener Anstrengung geschwächt hat. Bis in die korrupten Staatsspitzen hinauf.
Selbstverständlich gab es immer wieder Politiker, die versucht haben, aus diesem scheiternden System auszubrechen. Thomas Sankara in Burkina Faso war so ein Rebell – er wurde ermordet. Jetzt fällt Paul Kagamé in Ruanda durch Reformen auf. Es gibt allerdings Zweifel, inwieweit die Erneuerer die Menschenrechte achten.
Im Grunde genommen gehörte alles, was mit der wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas zu tun hat, auf den Prüfstand. Intern müssen die Afrikaner das selbst leisten. Wir könnten diesen Prozess begünstigen, indem wir uns mit unserer Entwicklungshilfe allmählich zurückziehen.
Was aus zwei Gründen schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist: Die internationale Hilfe-Industrie ist personell und finanziell so gigantisch, dass kaum vorstellbar ist, wie sie je zurückgefahren werden könnte. Zweitens fließt Jahr für Jahr ein Hilfestrom von zig Milliarden Dollar von den Industrieländern nach Afrika. Und die vielen Menschen, die entlang dieses Stromes arbeiten – egal ob an dessen Quelle oder an der Mündung –, leben davon in aller Regel nicht schlecht.