Kein Platz für Neokolonialismus

Afrika könnte für Europa ein wichtiger Partner in der Energiewende werden. Investitionen in Erneuerbare Energien müssen aber zuerst der einheimischen Bevölkerung nützen – nicht dem neuerlichen Raubbau von Ressourcen.

Mitarbeiter einer Solaranlage im Senegal, 2017
Senegal, 2017: Ein Arbeiter der Senergy Santhiou Mekhe PV-Solaranlage in Thies, der bisher größten in Westafrika. Der erzeugte Strom wird von der senegalesischen Elektrizitätsgesellschaft gekauft und in das nationale Netz eingespeist. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Potenzial. Die Kapazitäten Afrikas für die Produktion von Solar- und Windenergie sind groß – und noch weitestgehend ungenutzt.
  • Stolpersteine. Zwar gibt es ausreichend Projektideen. Aber es mangelt vielerorts an lokaler Expertise und finanzieller Unterstützung.
  • Starthilfe. Europa könnte diese Unterstützung hinsichtlich Know-how und Kapital leisten und anschließend einen Teil des erzeugten Stroms importieren.
  • Risiken. Dabei dürfen die afrikanischen Partner aber nicht aufhören, Partner zu sein. Wissenstransfer und lokale Nutzung der Ressourcen müssen Prioritäten sein.

Kein anderer Kontinent ist so prädestiniert für die Produktion von erneuerbarer Energie wie Afrika. Die Sonne der Sahara, der Wind der Atlantikküste und das Wasser der Flüsse Kongo und Nil wecken seit jeher die Hoffnung auf Unmengen an erneuerbaren Energien, die für die Versorgung der wachsenden Bevölkerung und Industrien, aber auch für den Export nach Europa produziert werden.

Experten gehen davon aus, dass der Energiebedarf Afrikas mithilfe moderner Technologien vollständig mit erneuerbaren Energien gedeckt werden könnte und ein Großteil dieses Potenzials noch nicht erschlossen ist. Das Know-how und das Kapital, das benötigt wird, wenn auch nur ein größerer Teil des ungenutzten Potentials ausgeschöpft werden soll, kann auch aus Europa kommen.

Viele gute Ideen scheitern

Doch oft werden Projekte, die internationale Investoren auf dem afrikanischen Kontinent realisieren, kritisch betrachtet und als „Neokolonialismus“ betitelt – dabei ist die Nachfrage an klimafreundlicher Energie in Afrika und Europa aktuell höher denn je. Auf dem afrikanischen Kontinent haben noch immer rund 600 Millionen Menschen keinen Zugang zu Strom. Und der Strombedarf von Industrieländern wie Deutschland kann – zumindest auf absehbare Zeit – nicht aus heimischen erneuerbaren Quellen gedeckt werden.

Besucher im Benban-Solarpark in Ägypten, 2020
Ägypten, 2020: Besucher im Benban Solar Park, dem derzeit viertgrößten Solarkraftwerk der Welt. Es wurde 2018 in Betrieb genommen und mit deutscher Unterstützung finanziert und gebaut. © Getty Images

Dabei mangelt es nicht an visionären Megaprojekten. Doch die Umsetzung der Staudämme, Wind- oder Solarparks dauert in der Regel mehrere Jahre bis Jahrzehnte. Seit 1998 wird die Windkraftanlage „Konikablo“ geplant, die 570.000 MWh Energie für 120.000 ghanaische Haushalte liefern soll. Seit Jahrzehnten befindet sich der Staudamm „Grand Inga“ in der Demokratischen Republik Kongo in Planung. Mit einer potentiellen Leistung von 39 GW würde er das weltweit größte Wasserkraftwerk, den Drei-Schluchten-Damm in China, um fast das Doppelte übertreffen und hätte das Potential, das gesamte südliche Afrika mit Strom versorgen.

Aber auch abseits gigantischer Planungen scheitern technisch gut konzipierte Projekte oft an der Realität fehlender Finanzierungen, politischer Streitigkeiten oder sozio-ökologischer Bedenken.

Schnellere Industrialisierung

Kritiker von Projekten internationaler und insbesondere „westlicher“ Investoren in afrikanischen Ländern wenden ein, dass solche Projekte die Abhängigkeit der afrikanischen Länder von ausländischen Akteuren und Technologien fördern und ihre Fähigkeit, die eigenen Ressourcen zu nutzen und zu entwickeln, beeinträchtigen. Diese Risiken sind nicht völlig von der Hand zu weisen. Doch ohne internationales Kapital und Know-how ist ein zügiger Ausbau der Energieversorgung auf dem Kontinent nicht zu stemmen. Und Projekte für den Export grüner Energie können auch beschleunigend auf die Industrialisierung Afrikas wirken.

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Zahlen & Fakten

Guinea, 2015: Einheimische Frauen in der Nähe des von der China International Water & Electric Corp. betriebenen Kaleta-Wasserkraftwerksdammes
In Guinea errichtete die China International Water & Electric Corporation von 2012-2015 das Kaleta-Wasserkraftwerk. 2021 folgte das Souapiti-Wasserkraftwerk, ebenfalls durch chinesische Finanzierung. © Getty Images

Chinas Energie-Investitionen in Afrika

Im Gegensatz zu Europa positioniert sich China bereits seit den 2000er Jahren als Energie-Investor in Afrika – und das keineswegs nur nach nachhaltigen Prinzipien.

  • Nach Angaben der China’s Global Energy Finance-Datenbank wurden von 2000-2021 Darlehen in Höhe von 49 Milliarden Dollar an afrikanische Regierungen für insgesamt 128 Energieprojekte vergeben.
  • Insgesamt hält China etwa 21 Prozent der Schulden des Kontinents und ist damit Afrikas größter bilateraler Gläubiger.
  • Die größten Darlehen förderten Öl (18 Milliarden US-Dollar), Wasserkraft (13 Milliarden US-Dollar) und Kohle (6 Milliarden US-Dollar).
  • Darüber hinaus wurden nach Angaben der China’s Global Power-Datenbank 56 Kraftwerke durch chinesische Bankkredite und ausländische Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen finanziert. Diese Anlagen entsprechen einer Stromerzeugungskapazität von 25 Gigawatt.
  • Die meisten von China finanzierten Kraftwerke in Afrika werden mit Wasserkraft (60 Prozent), Gas (17 Prozent) und Kohle (9 Prozent) betrieben. Auf Solar- und Windkraftanlagen entfallen 8 Prozent.
  • Diese Zahlen decken nicht das gesamte Engagement Chinas im Bereich der erneuerbaren Energien auf dem Kontinent ab: Derzeit werden 80 Prozent der in Projekten verwendeten Solarpaneele von chinesischen Unternehmen geliefert.
  • Jedoch: Auf dem Ministertreffen des Forums für China-Afrika-Kooperation im Dezember 2021 hat China seine Infrastrukturinvestitionen für den Zeitraum bis 2024 erheblich reduziert – um 80 Prozent in den Bereichen Landwirtschaft, Klima, Gesundheit, Frieden und Sicherheit sowie Handelsförderung.

Das Interesse afrikanischer Regierungen ist heute weit stärker auf die lokale Energieversorgung und lokale Wertschöpfung ausgerichtet als in der Vergangenheit. Der Lerneffekt des Projektes Desertec, welches „Wüstenstrom“ nach Europa bringen sollte, ist, dass ausländische Investoren afrikanische Interessen verstärkt im Blick haben müssen. Afrikanische Länder werden immer selbstbewusster, wenn es um die Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen geht – Zimbabwes Exportverbot für unverarbeitetes Lithium ist ein jüngstes Beispiel. Aber auch bei Energieprojekten wie der Produktion von grünem Wasserstoff in Namibia wird von Anfang an nicht nur der Export, sondern auch die lokale Nutzung des Energieträgers anvisiert. Europa kann hier echte Partnerschaften zum gegenseitigen Vorteil anbieten.

Ausbau der Infrastruktur

Die Forderung, dass Afrikas Rohstoffe vornehmlich für die afrikanischen Bevölkerungen und Industrie genutzt werden sollte, ist nachvollziehbar und berechtigt. Hierfür muss die passende Infrastruktur zur lokalen Verteilung und Nutzung der erzeugten Energie aufgebaut werden und das Risiko des Zahlungsausfalls lokaler Stromkunden gelöst werden. Dass hierbei privatwirtschaftliche Interessen ausländischer Unternehmen und die Deckung lokaler Bedarfe Hand in Hand gehen, zeigen die deutschen Unternehmen Off-Grid Europe und Gauff Engineering, welche mit Solarstrom bereits 300 Dörfer im Senegal elektrifiziert haben.

Wichtig für die nachhaltige lokale Wertschöpfung und Nutzung ist auch der Knowhow-Transfer zwischen ausländischen Unternehmen, welche Projekte aufbauen, und lokalen Unternehmen, welche den Betrieb und die Instandhaltung übernehmen. Um die Abhängigkeit von externem Knowhow und Fachkräften zu minimieren, sollten nach Möglichkeit lokale Arbeitskräfte eingestellt und qualifiziert werden – auch damit Wartung und Betrieb der Anlagen durch lokales Personal durchgeführt werden kann.

Ohne internationales Kapital und Know-how ist ein zügiger Ausbau der Energieversorgung in Afrika nicht zu stemmen.

Die Herausforderungen von Klimawandel und Energiekrise werden ohne umfassende Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika nicht erfolgreich zu meistern sein. Zum einen, weil der gigantische zukünftige Energiebedarf Afrikas modern und klimafreundlich gedeckt werden muss. Zum anderen aber auch, weil Afrika prädestiniert ist für die Industrialisierung mit grüner Energie und für die Versorgung Europas mit einem der wichtigsten Energieträger der Zukunft – Wasserstoff.

Diese Zusammenarbeit interessengerecht, nachhaltig, klimafreundlich und zum Gewinn aller zu gestalten ist die Herausforderung, vor der afrikanische und europäische Regierungen und Unternehmen stehen. Schlüssel hierfür ist Transparenz und Partnerschaft bei der Projektplanung, die Einbindung lokaler Akteure sowie der Ausbau der lokalen Infrastruktur. Bei der Bildung, um Know-how-Transfer zu ermöglichen und im Bereich Stromnetze, um produzierte Energie auch zur Deckung lokaler Bedarfe nutzbar zu machen. Eine Verschiebung der Wertschöpfungskette nach Afrika sollte von Anfang an mitgedacht werden.

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Conclusio

Afrika ist der – fast – perfekte Partner für Europa in der Energiewende. Auf dem gesamten Kontinent gibt es ein noch riesiges ungenutztes Potenzial erneuerbarer Energien, die, einmal erschlossen, auch Europas Energiebedarf zu sättigen helfen könnten. Es braucht jedoch europäisches Knowhow und Kapital, um die ambitionierten Projekte umzusetzen. Investiert Europa nicht, dann wird China seinen Einfluss auf dem Kontinent weiter ausbauen – und das keineswegs immer nach nachhaltigen und klimafreundlichen Prinzipien. Europa steht vor der einmaligen Chance, als Entwicklungspartner auf Augenhöhe mit afrikanischen Ländern zusammenzuarbeiten und so einen nachhaltigen Wissens- und Wohlstandstransfer zu ermöglichen. Eines darf dabei auf keinen Fall passieren: eine Wiederholung der Geschichte und ein neuerlicher Raubbau auf dem Kontinent.

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