Komm, flieg mit mir!
Es wird Zeit, eine der zivilisatorischen Höchstleistungen unserer Kultur zu rehabilitieren: den Flug zu weit entfernten Zielen unserer Träume.
Sollten Sie, geschätzte Leserin, verehrter Leser, gerade mit dem Gedanken spielen, einen Langstreckenfug für 2022 zu buchen, um Erholung zu finden, ein fremdes Land kennenzulernen oder um einfach einmal rauszukommen, Sie sorgen sich aber angesichts der allgemeinen Hysterie um den Zustand des Weltklimas, darf ich Ihnen einen kleinen Tipp geben: Just do it, setzen Sie sich an den Computer, oder wenden Sie sich an das Reisebüro Ihrer Wahl – und gönnen Sie sich eine wunderbare Reise in die Ferne.
Ich werde es demnächst genauso machen und empfinde dabei nicht die geringste Spur „Flugscham“, sondern freue mich außerordentlich darauf, wieder einmal fremde Gerüche, ungewohnte Geschmäcke oder andere Lebensweisen um mich zu haben.
Man nennt das nämlich im weitesten Sinne Kultur und hat das ja bis vor nicht allzu langer Zeit als Bereicherung eines Menschenlebens verstanden, in der Welt herumzukommen, Verständnis für das Fremde zu entwickeln und – ja, auch darum geht es – neue Genüsse zu erlernen. (Genau deswegen haben Steinzeit-Islamisten ja auch so eine Flugzeug-Obsession, aber das ist eine andere Geschichte.)
‚Flugscham‘ ist etwas für schreckhafte, fremdgesteuerte Weicheier.
Doch seit das Milieu der lustfeindlichen Öko-Spießer angetreten ist, die Welt zu retten, und zu diesem Behufe schmallippig Verzicht auf alles predigt, was Spaß macht – vom saftigen Ribeye über das satt schnurrende Aggregat im Automobil der gehobenen Klasse bis hin zum Flug nach Übersee –, beginnt in vielen an sich grundvernünftigen Zeitgenossen das hierzulande in die kollektive DNA eingeschriebene „schlechte Gewissen“ sein Unwesen zu treiben.
Dieses „schlechte Gewissen“, das immer aktivierbar ist, wenn die politische Klasse ein Verhalten zur Sünde erklärt, ist ein perfektes Herrschaftsinstrument. Wenn es gelingt, jemandem erfolgreich einzureden, er würde sündigen, wenn er fliegt, können wesentlich effizienter Verhaltensänderungen erzwungen werden als mit Verboten. Jene Sozialingenieure, die uns gerade zu folgsamen und genügsamen Öko-Schafen umerziehen wollen, wissen das genau; dafür wurde der Begriff „Flugscham“ ja erfunden.
Flugscham: Nichts als Geplärre
Vergessen Sie es bitte: Der Beitrag des Flugverkehrs zum gesamten CO2-Ausstoß der Welt liegt bei zwei Prozent und ist damit weitgehend unerheblich. Und wenn die Politik nicht wieder falsche Weichen stellt, wird es auf mittlere Sicht Flugtreibstoffe geben, die weniger Schadstoffe erzeugen als heutige. (Sollten Sie trotzdem Wert darauf legen, irgendwie klimaneutral zu fliegen: Die Kompensation kostet nach New York gerade 65 Euro, das sollte auch noch leistbar sein.)
„Flugscham“ ist deshalb etwas für fremdgesteuerte Weicheier, die sich leicht erschrecken lassen; erwachsene Gentlemen und Ladies werden weiter die Kultur des Reisens, Entdeckens und Genießens pflegen. Natürlich immer mit Maß und Ziel, nie der Masse huldigend, sondern stets der Qualität. Gerade junge Menschen sollten sich nicht irremachen lassen vom Flugscham-Geplärre ihrer Altersgenossen – fremde Länder zu bereisen, andere Menschen und deren Gebräuche kennenzulernen ist seit Menschengedenken Teil einer umfassenden Bildung, die zu einem gelungenen Leben ertüchtigt. Davon sollten wir uns auch von den neuen Öko-Spießern nicht abhalten lassen.
In diesem Sinne: Guten Flug!