Das bizarre Ende einer Leitwährung

Donald Trump hat es innerhalb weniger Monate geschafft, das Vertrauen der Finanzwelt in den Dollar zu erschüttern. Schlägt jetzt die Stunde des Euro?

Illustration zum Thema Leitwährung Dollar. Ein offener, schwarzer Sarg, ausgefüllt mit einer Ein-Dollarnote.
Rest in peace: Hat der Dollar als Leitwährung ausgedient? © Jens Bonnke
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Auf den Punkt gebracht

  • Chaotisch. Seit Trumps Amtsantritt untergraben seine unberechenbaren Aussagen das Vertrauen in die globale Leitwährung Dollar.
  • Drastisch. Trump droht mit 50-Prozent-Zöllen auf EU-Importe und könnte Fed-Chef Jerome Powell entlassen, wenn dieser nicht die Zinsen senkt.
  • Schuldenberg. Das US-Haushaltsdefizit liegt bereits bei über sechs Prozent des BIP, und die Staatsverschuldung könnte bis 2055 auf 150 Prozent ansteigen.
  • Alternative: Weder Euro, Renminbi noch Yen können derzeit den Dollar ersetzen – Europa könnte aber mit sicheren Anleihen punkten.

Der Dollar steht auf der Kippe. Oder etwas präziser formuliert: Der Zustand der globalen Leitwährung, des wichtigsten Zahlungsmittels auf dieser Erde, hängt davon ab, was Präsident Donald Trump zum Frühstück hatte und welche Eilmeldung gerade auf Fox News lief. Das hört sich für Sie nach einer beunruhigenden Nachricht an? Stimmt, das ist eine! 

Seit seiner Amtseinführung im Jänner, insbesondere aber seit dem sogenannten Liberation Day am 2. April, verbreitet Trump leichtsinnige Aussagen und alarmierende Kommentare auf seiner Plattform Truth Social, die das Vertrauen in den Dollar untergraben.

Der Vertrauensverlust zeigt sich deutlich in einem gleichzeitigen Anstieg der Renditen von US-Staatsanleihen, der zu einer Verteuerung des Schuldendienstes führt, und einem Sinken des Dollar-Wechselkurses. Diese Kombination – bisher beispiellos – deutet darauf hin, dass der Dollar seinen Ruf als sicherer Hafen verlieren könnte.

Die Furcht vor einer weiteren Destabilisierung der US-Währung wächst.

Seither wächst die Furcht vor einer weiteren Destabilisierung der US-Währung. Wird Trump nun versuchen, die Zentralbank Federal Reserve unter Druck zu setzen, die Zinssätze zu senken – mit dem Ziel, den Dollarkurs zu drücken und so die Wettbewerbsfähigkeit der US-Exporte zu steigern? Wird er Fed-Chef Jerome Powell entlassen, wenn dieser nicht gehorcht? Wird er, wie zu Beginn des Jahres angedroht, 100-Prozent-Zölle auf Länder verhängen, die ihre Abhängigkeit vom Dollar verringern wollen? Wird er, wie der Vorsitzende des Council of Economic Advisors vorschlug, ausländische Zentralbankbestände an US-Staatsanleihen besteuern? Wird er 5- und 10-jährige Anleihen in sogenannte Jahrhundertanleihen mit 100-jähriger Laufzeit umwandeln, wie sein Finanzminister anregte? Diese Ideen sind beispiellos und bizarr – kein Wunder, dass ausländischen Investoren der Kopf schwirrt.

Trumps Zoll-Eskapaden

Nun kommen drei neue Faktoren hinzu, die das Bild weiter verkomplizieren. Erstens: Trump droht mit 50-Prozent-Zöllen auf US-Importe aus der EU. Die Botschaft, wie sie in Europa verstanden wird, lautet: Die USA sind kein verlässlicher Bündnispartner mehr – und auch kein verantwortungsvoller wirtschaftlicher und finanzieller Gesprächspartner.

Die von europäischen Zentralbanken gehaltenen Dollarreserven sind keine reinen Finanzanlagen mehr, sondern Druckmittel, die besteuert oder entwertet werden könnten. Als Bedingung für eine Rücknahme seiner Zollandrohung könnte Trump verlangen, dass Europa den Euro-Wechselkurs nach oben treibt – in der Hoffnung, damit die von ihm ersehnte Verbesserung der US-Exportwettbewerbsfähigkeit zu erzwingen. Die Abwertung des Dollars – die Kehrseite der Medaille – würde den Wert von US-Staatsanleihen in den Portfolios europäischer Zentralbanken und anderer ausländischer Halter mindern und zu Kapitalverlusten führen.

Der US-Präsident versteht mit ziemlicher Sicherheit nicht, dass die Europäische Zentralbank die unabhängigste Zentralbank der Welt ist. Die europäischen Regierungen unterstützen diese Unabhängigkeit. Wenn sich die EZB Trumps Willen nicht beugt, könnte ein vollständiger Handelskrieg ausbrechen, was den Ruf des Dollars weiter beschädigen würde.

Trumps Drohung gegen die Fed

Zweitens hat der Oberste Gerichtshof der USA kürzlich das Recht des Präsidenten bestätigt, die Leiter unabhängiger Bundesbehörden nach Belieben und ohne Angabe von Gründen zu entlassen. Eine mögliche Ausnahme wurde für das Federal Reserve System eingeräumt. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Notenbank als Nachfolgerin zweier quasi privater Zentralbanken – der First Bank of the United States vom Ende des 18. Jahrhunderts und der Second Bank of the United States vom Beginn des 19. Jahrhunderts – einen besonderen, gesteigerten Grad an Unabhängigkeit genieße.

Dies ist eine zweifelhafte Auslegung. Die Federal Reserve, die sowohl öffentliche als auch private Anteilseigner hat, unterscheidet sich grundlegend von den früheren Nationalbanken. Es bleibt abzuwarten, ob die Interpretation des Gerichts Jerome Powell tatsächlich vor einer willkürlichen Entlassung durch Präsident Trump schützen wird – und ob sie Trump daran hindert, andere Mitglieder des Gouverneursrats der Fed zu entlassen und diesen mit Getreuen zu besetzen.

Drittens liegt nun Trumps „Big Beautiful Budget“ vor. Der Haushaltsplan verlängert nicht nur Trumps Steuersenkungen von 2017, sondern fügt neue hinzu. Er schließt keinerlei Schlupflöcher – etwa für wohlhabende Hedgefonds-Manager – und schafft auch sonst keine neuen Einnahmequellen. Unterdessen haben sich die versprochenen drastischen Ausgabenkürzungen aus der bis vor kurzem von Elon Musk geleiteten „Abteilung für Regierungseffizienz“ (Department of Government Efficiency; DOGE) als Illusion erwiesen.

Das Ergebnis ist eine alarmierende, ja katastrophale Schuldendynamik. Schon vor dem Gesetzentwurf lag das Haushaltsdefizit bei mehr als sechs Prozent des BIP. Das unabhängige Congressional Budget Office prognostizierte für 2055 eine öffentliche Verschuldung von 150 Prozent des BIP. Japan konnte in der Vergangenheit mit einer höheren Schuldenlast umgehen – doch das war in einer Nullzinswelt. Diese ist nun vorbei. Anleger erkennen zunehmend, wohin die Reise geht.

Ist noch Verlass auf die Leitwährung Dollar?

Die kumulative Wirkung dieser drei Entwicklungen verschärft die Sorge um die Zukunft des Dollars. Zentralbanken, Regierungen und Investoren weltweit fragen sich immer banger, ob sie sich weiterhin auf die Finanz- und Zahlungsinfrastruktur des US-Bankensystems und auf den Greenback verlassen sollen. Der Dollar mag angeschlagen sein, aber er wird oft als „das sauberste schmutzige Hemd im Wäschekorb“ bezeichnet. Anders gesagt: Jeder mögliche Ersatz hat noch größere Schwächen.

Die Architekten des Euro sahen ihre Einheitswährung einst als Alternative zum Dollar. Doch seit ihrer Einführung vor einem Vierteljahrhundert hat die Gemeinschaftswährung nur geringe Fortschritte in diese Richtung gemacht. Hauptgrund dafür ist der Mangel an hochwertigen Staatsanleihen, die von ausländischen Zentralbanken, Regierungen und anderen Investoren gehalten und für Transaktionen genutzt werden können. Nur drei Euro-Staaten – Deutschland, die Niederlande und das kleine Luxemburg – verfügen über die beste Bonitätsnote AAA bei allen drei großen Ratingagenturen.

Zu wenige Euro-Anleihen

Viele dieser Anleihen werden von europäischen Banken zur Erfüllung ihrer Kapital- und Liquiditätsanforderungen gehalten, was bedeutet, dass sie ausländischen Investoren gar nicht zur Verfügung stehen. Aus nachvollziehbaren Gründen zögern ausländische Zentralbanken, griechische oder italienische Anleihen zu halten.

Der chinesische Renminbi liegt im Vergleich zum Dollar noch weit zurück. Die Währung macht laut dem Banken-Zahlungssystem SWIFT weniger als zwei Prozent der globalen Devisenreserven aus und kommt bei etwa 3,5 Prozent der grenzüberschreitenden Zahlungen zum Einsatz. Chinas Kapital-verkehrskontrollen behindern eine breitere internationale Nutzung. Ebenso das politische System des Landes, dem es an Gewaltenteilung und rechtsstaatlichen Kontrollmechanismen fehlt.

Und was ist mit dem japanischen Yen? Manche sagen, der Yen sei zurück, weil das japanische Wirtschaftswachstum zurück sei. Doch der Anleihenmarkt des Landes gerät ins Wanken. Die Renditen für japanische Staatsanleihen sind seit Anfang April deutlich gestiegen. Dieser Anstieg spiegelt weltweite Entwicklungen wider. Er zeigt aber auch, dass Investoren Zweifel an der Tragfähigkeit der immensen japanischen Staatsverschuldung bei nun höheren Zinsen hegen.

Wenn der Dollar an Glanz verliert und es keine Alternative gibt, droht ein Liquiditätsengpass wie in den 1930er-Jahren. Damals erlebten die USA drei große Banken- und Finanzkrisen, woraufhin viele Zentralbanken ihre Dollarreserven auflösten. Da es keine alternative internationale Leitwährung gab, fehlte der globalen Wirtschaft die nötige Liquidität, um das Handels- und Finanzvolumen aufrechtzuerhalten. Die Folge war eine tiefe Depression, ein drastischer Rückgang des grenzüberschreitenden Handels – und das Ende der Globalisierung, wie unsere Urgroßeltern sie kannten.

Eine Chance für den Euro

Wie der in Princeton lehrende Volkswirtschaftsprofessor Markus Brunnermeier und seine Kollegen vorgeschlagen haben, könnte Europa einen echten Ersatz für den Dollar schaffen. Dies ließe sich durch die Emission sicherer europäischer Anleihen, sogenannter ESBies, verwirklichen. Das steht für European Safe Bonds. Der erste Schritt wäre die Gründung einer Europäischen Schuldenagentur (EDA), die Staatsanleihen der Mitgliedstaaten entsprechend ihrer wirtschaftlichen Größe aufkauft.

Dann würde sie diese Anleihen als Sicherheit verwenden, um zwei neue Wertpapiere zu schaffen. Das erste, von Brunnermeier wie erwähnt als ESBies bezeichnet, wäre eine vorrangige, besicherte Forderung auf die Zinszahlungen der Anleihen im EDA-Portfolio. Das zweite Wertpapier hätte einen nachrangigen Anspruch. Diese Junior-Tranche würde Zahlungsausfälle und andere Verluste der Staatsanleihen auffangen.

Beide Tranchen würden am Markt verkauft. Zentralbanken und internationale Investoren könnten besonders an der vorrangigen Tranche interessiert sein. Dadurch ließe sich das Angebot an sicheren eurobasierten Anlagen deutlich über das hinaus steigern, was allein durch Deutschland, die Niederlande und Luxemburg bereitgestellt werden kann. Die nachrangige Tranche mit ihrem höheren Risiko und entsprechend höheren Zinsen wäre für Hedgefonds und andere spekulative Investoren attraktiv.

Die Idee einer europäischen Schuldenagentur ist manchen Regierungschefs zu radikal.

Ende des vergangenen Jahres lag die Gesamtverschuldung des Euroraums bei etwa 13 Billionen Euro oder 88 Prozent des BIP. Die eigenen Haushaltsregeln der Eurozone sehen eine Obergrenze von 60 Prozent des BIP vor – das ist die berühmte Maastricht-Vorgabe. Daraus ergibt sich rechnerisch ein Potenzial von bis zu neun Billionen Euro an sicheren ESBies – nicht genug, um die 29 Billionen Dollar an US-Staatsanleihen zu ersetzen, die in Umlauf sind, aber ein substanzieller Anfang.

Illustration zum Thema Leitwährung Dollar und die Rolle des Euro. Ein geschlossener, schwarzer Sarg,mit Kränzen bedeckt, daneben ein Schild mit dem Dollar-Symbol.
Die Finanzwelt würde um den Dollar trauern, vor allem weil es keine guten Alternativen gibt – bisher.

Dieser Vorschlag kursiert schon seit einiger Zeit. Warum wurde er nicht aufgegriffen? Die Idee einer neuen europäischen Schuldenagentur ist manchen Regierungschefs vielleicht zu radikal. Doch der Schatten, den ein unberechenbarer US-Präsident auf den Dollar wirft, verleiht dem Konzept neue Dringlichkeit.

Treiben neue Bonds die Preise?

Andere Kritiker sorgen sich, das Projekt könne die Inflation anheizen. Das ist ein Missverständnis. Die EDA würde genau so viele Anleihen aus dem Verkehr ziehen, wie sie neu emittiert. Ein weiteres Gegenargument lautet, die Ankäufe der EDA könnten Mitgliedstaaten mit hohen Defiziten zu noch mehr Schulden ermutigen. Doch genau dem sollen die fiskalpolitischen Regeln der EU entgegenwirken. Die EDA könnte ihre Käufe davon abhängig machen, dass sich Regierungen an den vorgesehenen Kurs zur Rückführung ihrer Schuldenquote auf das Maastricht-Ziel halten.

Chinas politisches System verhindert eine breitere Nutzung der Landeswährung.

China wiederum sollte Maßnahmen ergreifen, um den Renminbi als sichere Anlagewährung attraktiver zu machen – damit Zentralbanken, Regierungen und Investoren ihn bereitwilliger halten und nutzen. Jede moderne internationale Leitwährung wurde von einer unabhängigen Zentralbank gestützt. Die Rolle des Yuan als sicherer Hafen würde gestärkt, wenn die chinesische Regierung der People’s Bank of China politische Unabhängigkeit zugestehen würde – etwa durch ein eigenes Budget und langjährige Amtszeiten für die Vorstandsmitglieder. Unklar ist, ob Chinas politisches System mit einer unabhängigen Zentralbank vereinbar ist. Doch die zunehmenden Zweifel am Dollar als sicherer Anlagewährung machen es umso dringlicher, dies herauszufinden.

Zudem sollte China sein Projekt „mBridge“ ausweiten, um grenzüberschreitende Zahlungen in Yuan zu fördern. Diese Plattform, die China gemeinsam mit der Hong Kong Monetary Authority, der Bank of Thailand und den Zentralbanken der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens betreibt, ermöglicht den Austausch digitaler Zentralbankwährungen auf einer privaten, zugangsbeschränkten Blockchain.

China hat gute Karten

Die Plattform umgeht theoretisch die Notwendigkeit, Zahlungen über den Dollar, das US-Bankensystem und das von den USA dominierte SWIFT-Nachrichtennetz abzuwickeln. Die Software für mBridge wurde vom Digital Institute der People’s Bank of China entwickelt. Westliche Länder werden sich möglicherweise damit schwertun, einem von China geführten Zentralbanknetz beizutreten. Doch mBridge bietet China und ähnlich denkenden Ländern ein alternatives Zahlungssystem.

Ob diese möglichen Alternativen einen geschwächten und entwerteten Dollar angemessen ersetzen könnten, bleibt offen. Am besten wäre es, wenn die Vereinigten Staaten selbst Maßnahmen ergreifen würden, um das Vertrauen in den Greenback zu stärken.

Aber das würde wohl einen Regierungswechsel erfordern. Und dreieinhalb Jahre sind eine lange Zeit, um darauf zu warten.

Weiter Infos zur Digitalwährung mBridge von BIS

Beitrag von Trump-Berater Stephen Miran zur Neuordnung der globalen Wirtschaft (PDF)

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Conclusio

Schwäche. Präsident Donald Trump untergräbt mit zweifelhaften Aussagen das Vertrauen in den Dollar. Der drohende Handelskrieg und wachsende Schuldenberge der USA verstärken die Zweifel an der bisherigen Leitwährung.
 
Alternativen. Chinas Renminbi spielt keine große Rolle als internationale Währung, hat aber Potenzial. Der Euro hat es nicht geschafft, den Dollar als Primus zu gefährden. Beim Yen verhindern hohe Schulden Japans eine stärkere Rolle.

Lösungen. Europa könnte durchaus zum Währungsrivalen der USA aufsteigen. Voraussetzung dafür wäre, dass Euro-Anleihen von einer europäischen Schuldenagentur aufgekauft und verbrieft werden. Das würde mehr Masse schaffen.

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