Rush Hour Richtung Zukunft
Vor 54 Jahren betrat Neil Armstrong als erster Mensch den Mond. Seine Faszination hat der Erdtrabant dadurch nicht eingebüßt, im Gegenteil. Bald wird auf der Route regelrecht Gedränge herrschen.
Auf den Punkt gebracht
- Eine neue Ära. 1972 landete der letzte Mensch am Mond, nun ist das Interesse wieder neu entflammt.
- Eine Entdeckung. Grund für das wachsende Interesse ist der Fund von Wasser auf dem Mond.
- Fast ein Goldrausch. Auf dem Mond soll nicht nur geforscht werden, es sollen auch Rohstoffe abgebaut werden.
- Ein großer Schritt. Mehrere Staaten planen deshalb eine Mondstation, mit der eine dauerhafte Präsenz am Mond gewährleistet werden soll.
Die Menschheit steht an der Schwelle zu einer neuen Ära der Weltraumforschung – und der erste Schritt wird uns zurück zum Mond führen. Zu unserem treuen Nachbarn, der uns seit Millionen von Jahren in Ehrfurcht versetzt, inspiriert und leitet. Am 14. Dezember 1972 verabschiedeten sich die bislang letzten menschlichen Besucher des Mondes feierlich. Der Apollo-17-Astronaut Eugene Cernan versprach, mit „Frieden und Hoffnung für die gesamte Menschheit“ auf den Mond zurückzukehren.
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Mehr als fünfzig Jahre später ist dieses Versprechen noch immer nicht eingelöst; niemand ist seither zurückgekehrt. Das Interesse an der Erforschung des Erdtrabanten ließ nach, und der Schwerpunkt verlagerte sich auf Aktivitäten in der erdnahen Umlaufbahn, wohin seit 1971 ein Dutzend Raumstationen geschossen wurden. Ein entscheidender Wendepunkt kam jedoch 2008, als die indische Raumsonde Chandrayaan-1 (Sanskrit: „Mondfahrzeug“) eine erstaunliche und bahnbrechende Entdeckung machte: Auf dem Mond wurde Wasser gefunden, eine für das Leben unabdingbare Ressource. Nun sind für das kommende Jahrzehnt mehr als 250 Mondmissionen geplant – von Nationen wie Russland, Japan und Korea sowie von Privatunternehmen wie iSpace, Intuitive Machines und SpaceIL.
Zwei besonders ehrgeizige Initiativen – das von den Vereinigten Staaten geleitete Artemis-Programm und die von China angeführte Internationale Mondforschungsstation – wollen nicht nur wieder Menschen auf unseren Himmelsnachbarn schicken, sondern planen dort auch die Errichtung einer dauerhaften Station. Diesmal kehrt die Menschheit also auf den Mond zurück, um zu bleiben. Damit wird eine neue Ära der Weltraumerkundung eingeläutet. Auch wenn es sich nicht unbedingt um einen modernen Goldrausch handelt, so ist es doch ein Wettlauf um die besten Plätze.
Der Mond birgt unverzichtbare Ressourcen
Die wissenschaftliche Anziehungskraft des Mondes ist unbestreitbar. Er birgt Geheimnisse zur Geschichte des Universums und damit auch unseres Planeten. Die Rückseite des Mondes, die von den Funkemissionen der Erde abgeschirmt ist, bietet eine ideale Plattform, um den Kosmos nach weiteren Antworten über das Leben und die himmlischen Gegebenheiten zu durchsuchen. Genauso wie es hartgesottene Menschen gibt, die in der Antarktis überwintern, um wissenschaftliche Erkenntnisse und Daten zu gewinnen, sind permanente Forschungsstationen auf dem Mond durchaus vorstellbar.
Obwohl die Kernfusion technisch noch nicht möglich ist, könnte Helium-3 mit seinem Potenzial die Erde jahrhundertelang mit Energie versorgen.
Der Trabant ist jedoch nicht nur für die Wissenschaft faszinierend. Er ist aus denselben Materialien zusammengesetzt, aus denen auch die Erde entstanden ist, und wird manchmal als der „achte Kontinent“ bezeichnet. Deshalb beherbergt er eine Fülle von Ressourcen, die auf unserem Planeten entweder selten sind oder zur Neige gehen. Elemente wie Neodym und Yttrium, die für Mobiltelefone und Elektroautos unverzichtbar sind, könnten unsere Vorräte auf der Erde ergänzen – oder vielleicht sogar ersetzen. Auch Titan, Aluminium und Silizium sind auf dem Mond reichlich vorhanden. Dasselbe gilt für Helium-3, ein Isotop, das auf der Erde selten, auf der Mondoberfläche jedoch in großen Mengen vorhanden ist.
Viele Wissenschaftler glauben, dass dieses Isotop für die saubere Energieerzeugung durch Kernfusion entscheidend werden könnte. Obwohl die Kernfusion technisch noch nicht möglich ist, könnte Helium-3 mit seinem Potenzial die Erde jahrhundertelang mit Energie versorgen. Nach vorsichtigen Schätzungen wird es einen Wert von etwa vier Milliarden US-Dollar pro Tonne haben.
So nah und doch so fern
Die Nähe des Mondes zur Erde – die Reise dauert bloß drei Tage – macht ihn außerdem zu einem idealen Startplatz für die Erforschung des Weltraums. Aufgrund der geringeren Schwerkraft des Mondes ist deutlich weniger Antrieb erforderlich, um Raketen zu Zielen wie dem Asteroidengürtel oder in Richtung Mars zu schicken. Die Nutzung des Mondes als Zwischenstation für Weltraummissionen würde nicht nur Ressourcen sparen, sondern auch die Umweltverschmutzung auf der Erde verringern. Manche stellen sich sogar vor, die Ressourcen des Mondes zu nutzen, um Raumschiffe für Reisen zu den äußeren Bereichen unseres Sonnensystems zu bauen.
Vor der Entdeckung von Wasser war die Idee, auf dem Mond Forschungsstationen zu bauen, Bergbau zu betreiben oder irgendeine Art von langfristiger menschlicher Besiedelung in Erwägung zu ziehen, unrealisierbar. Zwar sind wir inzwischen in der Lage, Astronauten im erdnahen Raum regelmäßig mit lebensnotwendigen Dingen wie Nahrung und Wasser zu versorgen, aber diese Raumstationen sind nur 418 Kilometer von der Erde entfernt. Die Distanz zwischen Mond und Erde beträgt immerhin 384.000 Kilometer.
Mond-Missionen: Auf zum „Gipfel des ewigen Lichts“
Die Mondbewohner werden ihre Nahrung und ihr Wasser selbst herstellen müssen, weil der Transport dieser Güter von der Erde aus unerschwinglich wäre. Wasser dient in diesem Umfeld nicht nur der Flüssigkeitszufuhr – sowohl für die Menschen als auch für die Nährstoffe, die angebaut werden –, sondern kann auch zum Schutz der Mondbewohner vor Strahlung beitragen. Außerdem lässt sich Wasser aufspalten – in Wasserstoff (der als Raketentreibstoff verwendet werden kann) und lebenserhaltenden Sauerstoff. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es die wertvollste und begehrteste Ressource auf dem Mond.
Der Südpol ist für Mondforscher besonders verlockend, weil er ständig beschattete Krater in der Nähe der sogenannten Gipfel des ewigen Lichts beherbergt.
Dieses kostbare Wasser findet sich vor allem in Form von Eis in dauerhaft beschatteten Kratern der Polarregionen, einem sehr kleinen Bereich der Mondoberfläche. Der Südpol ist für Mondforscher besonders verlockend, weil er ständig beschattete Krater in der Nähe der sogenannten Gipfel des ewigen Lichts beherbergt. Das sind Hochlandregionen, die im Gegensatz zu den Kratern fast immer von Sonnenlicht geflutet werden. Diese einzigartige Kombination bietet Zugang zu Wasser sowie eine konstante Energiequelle, um die zermürbende und kalte, vierzehn Tage dauernde Mondnacht zu überstehen.
Wem gehört der Mond?
Dies führt uns zu einer faszinierenden Herausforderung: Der Mond bietet zwar eine Fülle von Ressourcen, doch der Zugang zu diesen auf der Erde seltenen Bodenschätzen erfordert das Vorhandensein von Wasser. Der beste Ort, um dieses Wasser zu gewinnen, befindet sich am Südpol. Sowohl China als auch die Vereinigten Staaten haben öffentlich ihre Absicht bekundet, diese Region so bald wie möglich zu besuchen und zu erforschen. Darüber hinaus sehen einige Unternehmen im Mondbergbau eine kommerzielle Chance. Es stellt sich also die Frage, wie dieses Gebiet und seine Ressourcen aufgeteilt werden sollen und wer das Recht hat, dort abzubauen.
Die wichtigsten Grundsätze zur Regelung solcher Aktivitäten finden sich im Weltraumvertrag, der in den 1960er-Jahren ausgehandelt und 1967 ratifiziert wurde. Dieser Vertrag mit 114 Unterzeichnern – darunter die Vereinigten Staaten, Russland, China, Indien und fast alle Raumfahrtnationen – verankert das grundlegende Konzept, dass der Weltraum „zur Erforschung und Nutzung durch alle frei sein soll“. Die Nutzung von Weltraumressourcen wird im Vertrag nicht in Betracht gezogen. Tatsächlich wird das Wort Ressource nicht ein einziges Mal erwähnt.
... und wem seine Rohstoffe?
Der Vertrag schränkt jedoch die Freiheit der Erforschung und Nutzung ein. Erstens gibt es den Grundsatz der Nichtaneignung, der besagt, dass kein Land Anspruch auf ein Gebiet im Weltraum erheben darf, sei es durch Souveränität oder Nutzung, Besetzung beziehungsweise andere Mittel. Und zweitens verlangt der Vertrag, dass alle Aktivitäten im Weltraum unter gebührender Berücksichtigung der entsprechenden Interessen anderer durchgeführt werden müssen.
Wie kann ein Land oder eine private Partei einen Rohstoffabbau einrichten, wenn kein Gebiet beansprucht werden darf? Eine Handvoll Länder – die Vereinigten Staaten, Luxemburg, die Vereinigten Arabischen Emirate und Japan – haben nationale Gesetze erlassen, die Artikel II so auslegen, dass die Rohstoffgewinnung erlaubt ist. Wenn man den Rohstoff aus dem Boden entnimmt, bedeutet das nach diesen nationalen Gesetzen nicht, dass man ein Gebiet beansprucht. Auch Indien hat kürzlich ein ähnliches politisches Prinzip verkündet.
Lex Luna
Das alles ist auch in den Artemis Accords festgehalten, einer von den USA aufgesetzten Reihe von Leitlinien und Grundsätzen für die internationale Zusammenarbeit bei der Erforschung und Nutzung des Mondes. Die Vereinbarungen wurden bisher von 29 Nationen unterzeichnet. Russland und China gehören nicht zu den Vertragsparteien.
Wenn eine Nation ein bestimmtes Gebiet besetzt hält und nutzt, dürfen andere Interessenten sich nicht einmischen.
Dem Weltraumvertrag zufolge scheint auch die bloße Präsenz in einem Gebiet den Grundsatz der Nichtaneignung auszulösen. Aber es gilt dann das Konzept der gebührenden Rücksichtnahme: Wenn eine Nation (oder ein Unternehmen) ein bestimmtes Gebiet besetzt hält und nutzt, dürfen andere Interessenten sich nicht einmischen. Dies verschafft denjenigen einen Vorteil, die zuerst da sind. Und so beginnt der Wettlauf.
Der Mond führt zum Frieden
Dies führt zum vielleicht wichtigsten Argument für eine Rückkehr zum Mond – der Suche nach einem Weg zum Frieden. Am 17. Juli 1975 fand in der Erdumlaufbahn ein bedeutsames Ereignis statt, als sich zwei Raumfahrzeuge ein Rendezvous gaben. Das Hauptziel des Apollo-Sojus-Projekts war ein symbolisches Andocken und ein Austausch der Besatzung, um die Kompatibilität der amerikanischen und der sowjetischen Raumfahrzeuge zu demonstrieren; zweier Systeme, die einander seit 1945 konkurrenzierten. Es handelte sich um eine wichtige technologische Errungenschaft, die aber noch mehr Bedeutung hatte, da sie das Tauwetter im Kalten Krieg verkörperte und in einer Zeit globaler geopolitischer Rivalität Entspannung symbolisierte.
Darüber hinaus bildete sie den Grundstein für die spätere internationale Zusammenarbeit im Weltraum, einschließlich der Entwicklung der Internationalen Raumstation. Das Apollo-Sojus-Testprojekt hinterließ ein bleibendes Vermächtnis zur Förderung friedlicher Beziehungen in der Weltraumforschung. Es hat anschaulich gezeigt, dass Nationen für das gemeinsame Ziel der Erforschung des Kosmos zusammenarbeiten können, und zwar über politische Grenzen und ideologische Unterschiede hinweg. Die Mission ist ein Beweis für die transformative Kraft des Weltraums zur Förderung von Kooperation, Zusammenarbeit und globalen Frieden.
Ein Erfolg der Menschheit
Die Erforschung des Weltraums ist teuer, gefährlich und schwierig. Trotz des Wettlaufs um den Zugang zu den günstigsten Wasserstellen auf dem Mond gibt es erfolgreiche Kooperationen auf globaler Ebene. Als Chandrayaan-3 als erstes von Menschen gemachtes Objekt sanft auf dem Südpol des Mondes landete, verkündete der indische Premierminister Narendra Modi, dass „dieser Erfolg der ganzen Menschheit gehört“.
Die ersten Menschen, die 1969 auf dem Mond gelandet waren, brachten Friedensbotschaften aus 74 Nationen mit. Tatsächlich wurde die Landung der Apollo 11 von 650 Millionen Menschen weltweit live verfolgt. Der Weltraum hat die Kraft, zu vereinen – eine Ressource, die sich die Menschheit zunutze machen kann, wenn sie sich dem Mond nun wieder nähert.
Wo unsere Zukunft ist
Unser nächster Nachbar im All taugt auch als Versuchsgelände für menschliche Aktivitäten im Weltraum. Wir werden den Mond nutzen, um zu lernen, wie man mit weniger Schwerkraft lebt, und um Techniken zum Bau von Unterkünften aus Materialien vor Ort zu testen. Wir werden Wassereis abbauen und zu Wasserstoff reduzieren, um die weitere Erforschung des Mars und anderer Planeten voranzutreiben. Schließlich werden wir die riesigen Mengen an Helium-3 auf dem Mond nutzen, um unsere irdischen Aktivitäten anzutreiben und die Umwelt auf der Erde vor den Belastungen durch Schwerindustrie und umweltverschmutzende Energiequellen zu bewahren.
Diesmal kehren wir auf den Mond zurück, um zu bleiben. Denn dort beginnt unsere Zukunft.
Conclusio
Jahrzehntelang war es still um den Mond, jetzt wollen plötzlich alle wieder hin. Warum? Der Hauptgrund ist, dass im Jahr 2008 dort Wasser entdeckt wurde – ein echter Wendepunkt. Denn nur mit Wasser ist eine dauerhafte Präsenz auf dem Mond mit einer bemannten Station grundsätzlich möglich. Das Wasser wird unter anderem benötigt, um Nahrungsmittel anzubauen. Attraktiv ist der Mond auch wegen seines Reichtums an Rohstoffen, die auf der Erde selten sind oder langsam zur Neige gehen. Das gilt für einige seltene Erden, insbesondere aber für Helium-3, ein Isotop, das für die Kernfusion entscheidend werden könnte. Nicht zuletzt soll der Mond auch Startrampe für Missionen zum Mars sein: Weil auf dem Mond eine geringere Schwerkraft herrscht, braucht man weniger Treibstoff, um von dort zu starten.