Der finstere Plan hinter dem Panda

Pandas sind nicht nur Chinas Nationalschatz, sie sind auch ein Instrument der Diplomatie: Seit Jahrhunderten werden sie eingesetzt, um Chinas Image in der Welt aufzupolieren. Nun regt sich Widerstand.

März 1966: Der Große Panda Chi-Chi verlässt den Londoner Zoo und reist nach Moskau – für eine Paarungsexpedition
März 1966: Der Große Panda Chi-Chi verlässt den Londoner Zoo und reist nach Moskau – für eine Paarungsexpedition. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Symbolträger. Seit Jahrhunderten ist der Große Panda für China mehr als einfach nur ein Tier: Er ist auch eine Verkörperung des Landes.
  • Geste der Freundschaft. Pandas werden seit Jahrzehnten auch für politische Zwecke verschenkt und verliehen – die Praxis heißt Panda-Diplomatie.
  • Niedlich und knuddelig. Die Idee dahinter ist einfach: Mithilfe der süßen Tiere soll Chinas ramponiertes Image in der Welt aufpoliert werden.
  • Born in the USA. Bislang muss jeglicher Panda-Nachwuchs an China retourniert werden. Eine US-Abgeordnete fordert, die Pandababys stattdessen einzubürgern.

Große Pandas spielen in China seit vielen Jahrhunderten eine Rolle, die über die eines bloßen Tieres hinausgeht. Bereits im siebten Jahrhundert gab es Aufzeichnungen über zwei Pandas, die von der Tang-Dynastie als diplomatisches Geschenk an Japan übergeben wurden. Diese Praxis, den liebenswerten Riesenpanda für diplomatische Zwecke einzusetzen, hat sich bis in die Neuzeit fortgesetzt.

Im Jahr 1957 schenkte China der Sowjetunion als Zeichen der kommunistischen Solidarität ein Panda-Paar. Danach wurden 1972 unter der Regierung von Richard Nixon Pandas an die USA verschenkt (bekanntlich im Tausch gegen ein Paar Moschusochsen) und 1974 an das Vereinigte Königreich unter der Regierung von Edward Heath.

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Derzeit hat China Pandas an zwanzig verschiedene Zoos in der ganzen Welt ausgeliehen (Stand: Juni 2022) und hat gerade angekündigt, dass diese Zahl noch erhöht werden soll, indem Riesenpandas an Katar ausgeliehen werden – es wäre der erste Fall von Panda-Diplomatie im Nahen Osten. 

Das System Panda-Diplomatie

Im 21. Jahrhundert erlangten die niedlichen, knuddeligen Riesenpandas also eine neue symbolische Bedeutung; sie wurden von China als Geste der Freundschaft und als Symbol dafür eingesetzt, wie China mit den übrigen Ländern der Welt interagieren wollte. Der Große Panda ist somit zu einem Synonym für China geworden; er ist Chinas Maskottchen für die Olympischen Sommer- und Winterspiele und wird allgemein mit China assoziiert – was aus Sicht des Naturschutzes besonders interessant ist, wenn man bedenkt, dass das Logo des World Wildlife Fund ebenfalls der Große Panda ist.

Ein Yak, das Prinz Charles und der Herzogin von Cornwall bei ihrem Besuch in Pakistan im November 2006 als traditionelles Geschenk überreicht wurde
Pakistan, 2006: Im Bergdorf Altit wird Prinz Charles und der Herzogin von Cornwall ein Yak als traditionelles Geschenk präsentiert. © Getty Images

Chinas Geste, Riesenpandas zu diplomatischen Zwecken einzusetzen, ist überraschenderweise nicht das einzige Beispiel für „Tierdiplomatie“ in den zeitgenössischen internationalen Beziehungen. Während des Zweiten Weltkriegs versuchte Australien, Schnabeltiere als diplomatische Geschenke zu verwenden, um seine Wertschätzung für die militärische Unterstützung durch das Vereinigte Königreich und die USA auszudrücken.

In jüngerer Zeit bot Simbabwes Präsident Robert Mugabe an, China und Nordkorea eine „Arche Noah aus Tieren“ als Geschenk zu schicken, um sich für deren finanzielle und diplomatische Unterstützung zu bedanken. Die Panda-Diplomatie ist jedoch einzigartig, weil sie sich über einen so langen Zeitraum erstreckt und nicht nur ein gelegentliches Ad-hoc-Geschenk war. Vielmehr scheint sie sich im Laufe der Zeit zu einer bewussten und konzertierten Politik entwickelt zu haben, die immer systematischer wurde.

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Zahlen & Fakten

Panda Ming und kleiner Junge beim Fußballspielen, 1939
Baby-Panda Ming beim Fußballspiel mit einem Jungen in London. © Getty Images

Ming, der Kriegszeit-Panda

  • Großbritanniens berühmtester Panda trug den Namen Ming und lebte von 1937-1944.
  • Das Tier war kein Geschenk aus China, sondern fiel den Ambitionen des Amerikaners Floyd Tangier-Smith zum Opfer: Er sah in den Pandas ein lukratives Geschäft und fing 1938 sechs wildlebende Tiere in der Provinz Sichuan, um sie nach Europa zu verkaufen.
  • Die Pandas mussten zunächst einen 35-tägigen Road Trip durch Kriegsgebiet (der Zweite Japanisch-Chinesische Krieges hatte 1937 begonnen) überstehen.
  • Bis Tangier die Überfahrt von Hongkong nach London gesichert hatte, war einer der sechs Pandas bereits tot. Ein älteres Tier mit dem Spitznamen „Grandma“ starb kurz nach der Ankunft in London.
  • Ein erwachsenes Tier mit dem Namen „Happy“ verkaufte Tangier an einen deutschen Händler, der es auf eine Rundreise durch die Zoos in Nazi-Deutschland mitnahm; die restlichen drei wurden von der Zoological Society of London erworben, die ihnen die neuen Namen Tang, Sung und Ming verlieh.
  • Baby-Panda Ming wurde schnell zu einer gewinnbringenden Sensation in London und zog tausende Besucher an – darunter auch die künftige Königin, Prinzessin Elisabeth.
  • Bei Ausbruch des Krieges im 1939 wurde Ming aus London evakuiert, kehrte aber immer wieder in die Hauptstadt zurück, um die Moral der Bevölkerung zu stärken. Den Menschen half es, Ming nicht: Sie begann ihr Fell zu verlieren, rückwärts zu gehen und fügte sich in ihrem Gehege an Weihnachten 1944 schließlich selbst tödliche Verletzungen zu.
  • Ein Präparator stopfte Mings Körper aus und begab sich auf eine lukrative Tour durch Großbritannien. Der Verbleib des Fells ist heute ungewiss; Mings Schädel befindet sich in der Sammlung des Hunterian Museum in London.

Ein teures Geschenk

Ursprünglich wurden Pandas dauerhaft an Länder verschenkt, wie es bei den ersten Riesenpandas der Fall war, die in die UdSSR, die USA und das Vereinigte Königreich geschickt wurden. In den 1980er und 1990er Jahren begann China jedoch, seine Pandas den Ländern als kurzfristige Leihgabe anzubieten. In dieser Zeit wurden die Pandas auch Zoos zur Miete angeboten. Nachdem China 1981 das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten (CITES) unterzeichnet hatte, kamen jedoch Bedenken hinsichtlich des Wohlergehens der Großen Pandas auf.

China gab daraufhin diese Politik auf und begann stattdessen, Pandas langfristig zu verleihen, um ihnen die Möglichkeit zur Fortpflanzung zu geben. Die Leihgaben sahen auch vor, dass die Gastzoos und -länder jedes Jahr eine bestimmte Gebühr für die Pandas an China zahlten und gleichzeitig die Kosten für die Pflege und den Unterhalt der Großen Pandas übernahmen.

Wenn in den Zoos und Ländern, die sie aufnehmen, Pandabären geboren werden, gehören sie rechtlich China.

Ein Teil der Gebühren, die China erhielt, sollte in die Bemühungen zur Erhaltung der Pandas fließen. Die Großen Pandas werden nun im Rahmen von Zehn- oder Fünfzehnjahresverträgen ausgeliehen, und zwar immer als Paare – in der Hoffnung, dass sie sich fortpflanzen. Gegenwärtig zahlen die Zoos China rund eine halbe Million US-Dollar pro Jahr. Wenn in den Zoos und Ländern, die sie aufnehmen, Pandabären geboren werden, gehören sie gemäß den Leihverträgen rechtlich China und werden, wenn sie drei Jahre alt sind, in die chinesischen Panda-Zuchtzentren zurückgebracht, insbesondere in das „Wolong Nature and Reserve Breeding Centre“ in Sichuan. 

Eine neue Phase der Panda-Diplomatie

In den vergangenen zehn Jahren scheint die Panda-Diplomatie in eine neue Phase eingetreten zu sein, denn die Zahl der Leihgaben von Großen Pandas in andere Länder, insbesondere in Europa, ist stark gestiegen. Die meisten der aktuellen Panda-Leihgaben wurden nach 2011 unterzeichnet, und einige Wissenschaftler haben argumentiert, dass ein wesentlicher Grund dafür das Erdbeben in Sichuan 2008 war. Das Erdbeben zerstörte dort einen großen Teil des natürlichen Lebensraums des Großen Pandas und führte auch zu infrastrukturellen Schäden im bereits erwähnten „Wolong Nature and Reserve Breeding Centre“, dem größten Panda-Reservat Chinas.

Yuan Zi und Huan Huan, zwei Riesenpandas, im Zoo Parc De Beauval in Frankreich, Januar 2012
Frankreich, 2012: Die zwei Riesenpandas Yuan Zi und Huan Huan in ihrem Gehege im Zoo Parc De Beauval. Sie sind Leihgaben aus China – bereitgestellt in der Hoffnung, dass sie sich fortpflanzen. © Getty Images

Ein weiterer möglicher Grund für diesen Anstieg ist der offizielle Grund, der in den diplomatischen Erklärungen Chinas genannt wird: Demnach sollten die Pandas nunmehr für bestimmte diplomatische Jubiläen verliehen werden, wie dies insbesondere bei Belgien, den Niederlanden und Finnland der Fall war. China hatte mit diesen Ländern erst in den 1950er Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg diplomatische Beziehungen aufgenommen und feierte daher in den 2010er Jahren sein 50-jähriges diplomatisches Jubiläum mit diesen Ländern. 

Eine Entwicklung, die die Panda-Diplomatie erschwerte, war jedoch die Covid-19-Pandemie, die den Transport von Großen Pandas aufgrund der weltweiten logistischen Engpässe erheblich schwieriger machte. Die Leihgabe von Großen Pandas an den Zoo von Calgary etwa musste wegen Schwierigkeiten bei der Einfuhr von Bambus vorzeitig abgebrochen werden. Allerdings erwies sich Covid-19 für Zoobesucher auch als Segen. Pandabären, die nach China zurückgeschickt werden sollten, wurden zur Freude ihrer vielen Fans mehr Zeit in ihren Gastländern gewährt, während die Geburt neuer Pandabären als Lichtblick in ansonsten dunklen Zeiten gefeiert wurde.

Botschafter der Freundschaft

Eine oberflächliche Analyse der jüngsten Panda-Leihgaben könnte den Eindruck erwecken, dass sie rein zoologischer Natur sind und im Zusammenhang mit Erhaltungsmaßnahmen stehen. Vor allem, weil die beiden chinesischen Agenturen, die offiziell für die Panda-Leihgaben zuständig sind, derzeit nicht diplomatischer Natur sind. Bei der einen handelt es sich um die China Wildlife Conservation Association (CWCA), die dem staatlichen chinesischen Forstwirtschaftsverband untersteht, bei der anderen um die Chinese Association of Zoological Gardens (CAZG), eine Unterabteilung des chinesischen Ministeriums für Wohnungsbau und ländliche Entwicklung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der chinesische Staatspräsident Xi Jinping bei der Eröffnung des neuen Panda-Geheges im Berliner Zoo am 5. Juli 2017
Berlin, 2017: Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und der chinesische Staatspräsident Xi Jinping bei der Eröffnung des neuen Panda-Geheges im Berliner Zoo. Die Pandas Meng Meng und Jiao Qing sind bis 2032 eine Leihgabe aus China. © Getty Images

Dennoch ist es offensichtlich, dass diese Panda-Leihgaben Teil der chinesischen diplomatischen Bemühungen sind, wenn wir uns ansehen, was China selbst in seinen diplomatischen Erklärungen über diese Panda-Leihgaben sagt. Zunächst einmal werden Ankündigungen über Panda-Leihgaben entweder von Präsident Xi Jinping selbst oder von chinesischen Botschaftern gemacht, was darauf hindeutet, dass das Außenministerium stark in den Prozess der Panda-Leihgaben involviert ist – auch wenn sie offiziell in den Bereich von Ministerien fallen, die nicht ausdrücklich mit der Diplomatie in Verbindung stehen. 

Darüber hinaus werden die Großen Pandas in diesen diplomatischen Erklärungen ausdrücklich als „Botschafter der Freundschaft“ oder youhao shizhe (友好使者) bezeichnet. Als beispielsweise 2017 ein Pandapärchen in die Niederlande geschickt wurde, sagte der chinesische Botschafter Wu Ken, dass es nun drei Botschafter gebe, die China in dem Land vertreten und gemeinsam dazu beitragen würden, die chinesisch-niederländische Freundschaft zu fördern. In anderen diplomatischen Erklärungen hieß es, die Pandas seien Symbole der Freundschaft zwischen den Bürgern Chinas und des Landes, an das die Pandas ausgeliehen wurden. Und sie seien ein Weg, gegenseitiges Verständnis und tiefere Freundschaften aufzubauen. In den diplomatischen Erklärungen Chinas werden die Riesenpandas somit zu einem Vertreter des chinesischen Volkes vermenschlicht.

üdkorea, 2016: Ein Panda namens Aibao im Frachtterminal des internationalen Flughafens Incheon
Südkorea, 2016: Ein Panda namens Aibao im Frachtterminal des internationalen Flughafens Incheon. Der chinesische Präsident Xi Jinping hatte seiner südkoreanischen Amtskollegin Park Geun-hye während eines Gipfels im Juli 2014 versprochen, ein Pandapaar zum Geschenk zu machen. © Getty Images

Putzige Propaganda

Chinesische Botschafter bezeichnen die Großen Pandas häufig als „Chinas Nationalschatz“ oder zhongguo guobao (中国国宝), eine ausdrückliche Erklärung des Eigentums am Großen Panda und eine klare Identifizierung des Großen Pandas als Vertreter Chinas und der chinesischen Kultur. In Verbindung mit der anthropologischen Anziehungskraft des Großen Pandas, der allgemein als niedlich und knuddelig gilt, ist es nicht verwunderlich, dass China immer wieder versucht hat, die Panda-Diplomatie zu nutzen, um seine „Soft Power“ zu stärken. 

Allerdings können Chinas Versuche der Panda-Diplomatie kontraproduktiv sein, gerade weil sie sich auf den Artenschutz auswirken. China hat sehr viel Geld in den Schutz der Pandas gepumpt, zumindest zum Teil, weil der Große Panda ein Symbol der chinesischen Kultur ist. Der Erfolg dieser Schutzbemühungen bedeutet jedoch auch, dass die Zahl der Großen Pandas zugenommen hat, wodurch sie weniger selten und damit als diplomatisches Geschenk weniger wertvoll geworden sind.

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Zahlen & Fakten

Seit 2016 gelten die Großen Pandas bei der International Union for Conservation of Nature (IUCN) nicht mehr als gefährdet, und im Jahr 2021 erkannte China dies an, indem es den Status der Großen Pandas ebenfalls als „gefährdet“ zurückstufte. Es ist unklar, was dies für Chinas Panda-Diplomatie bedeutet, insbesondere angesichts der logistischen Zwänge, die durch die Covid-19-Pandemie entstanden sind.  

Panda-Diplomatie: Die USA schlagen zurück

Im Februar 2022 brachte die Abgeordnete Nancy Mace im US-Kongress eine Gesetzesvorlage ein, in der sie ihre Überzeugung zum Ausdruck brachte, dass in den Vereinigten Staaten geborene Riesenpandas rechtmäßig den USA gehören sollten und nicht China, wie es derzeit der Fall ist. Sie begründete dies mit den Menschenrechtsverletzungen, die China in Xinjiang, Taiwan und Hongkong begangen habe; China müsse die Botschaft vermittelt werden, dass „einige seiner Aggressionen nicht in Ordnung sind“, und die USA müssten „über den Tellerrand schauen“, um diese Botschaft zu verstärken.

Dieser Gesetzesentwurf sorgte für Aufsehen, weil er eine recht kreative Methode der Diplomatie darstellt. Sie ist aber auch deshalb besonders interessant, weil sie nahelegt, dass die Abgeordnete Mace selbst versucht hat, mit China über die Riesenpandas zu kommunizieren – genau das gleiche Medium, über das China versucht, seine Freundschaft mit anderen Ländern zu demonstrieren. Ironischerweise ist dies vielleicht der deutlichste Beweis für den Erfolg der Panda-Diplomatie.

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Conclusio

China betreibt seine sogenannte Panda-Diplomatie bereits seit Jahrhunderten. In den vergangenen Dekaden wurde sie aber intensiviert: China verschenkt und verleiht seine Pandas als Gesten der Freundschaft; nicht aus purer Nettigkeit aber. Die Pandas sollen das Image Chinas in der Welt aufpolieren – ein süßer Bär ist ein besserer Botschafter als ein kommunistisches Regime, dem Menschenrechte eher egal sind.

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