Machtkampf um die Weltordnung

China stellt die Dominanz der USA als einzige Supermacht infrage. Ein neuer Kalter Krieg zeichnet sich ab – mit veränderten Spielregeln. Der Krieg in der Ukraine beschleunigt den Wandel. Wie soll sich der Westen darauf vorbereiten?

Einige Schachfiguren in den Farben nationaler Flaggen auf eiem Spielbrett: Der Springer (China) hält die USA (König) in Schach, drei Bauern (EU, Indien und Russland) stehen dahinter.
Die USA sind seit Ende des Kalten Krieges die unangefochtene Supermacht Nummer eins. Das aufstrebende China hält den Hegemon jedoch zunehmend in Schach. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Kalter Krieg 2.0. Durch Putins Angriffskrieg entsteht gerade eine neue, gefährlichere Weltordnung.
  • Mehr Neutrale. Im Vergleich zum 20. Jahrhundert dürften mehr Länder versuchen, sich keinem Block anzuschließen.
  • Andere Liga. China ist im Vergleich zur Sowjetunion ökonomisch viel stärker – zudem ist die Wirtschaft heute global verflochten.
  • Partnersuche. Der Westen muss weltweit wechselnde Koalitionen schmieden. Dazu brauchen unsere Demokratien zunächst mehr interne Stabilität.

Bevor Russland seinen Krieg zur Unterwerfung der Ukraine begann, hatte es viele Jahre keinen offen ausgetragenen Wettkampf der Großmächte mehr gegeben. Die unangefochtene Vormachtstellung der USA hatte geopolitische Rivalitäten unterdrückt. Der russische Angriff auf die Ukraine stellt nun einen Wendepunkt dar. Es ist der Beginn einer gefährlicheren Welt mit mehreren Machtzentren, die wahrscheinlich auch nach den Regeln der Machtpolitik spielen werden.

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Zwar befand sich dieses unipolare System bereits im Übergang zu einer neuen Ordnung mit einer breiteren Machtverteilung. Doch der Wandel vollzog sich langsam – im Gleichschritt mit dem Aufstieg Chinas und des Ostens. Durch Russlands Angriffskrieg nimmt die neue, gefährlichere Welt früher als erwartet Gestalt an. Der Kalte Krieg 2.0 scheint Realität zu werden. Zwei Blöcke stehen einander gegenüber: ein liberal-demokratischer unter Führung der USA und ein autokratisch-kapitalistischer, der von Russland und China dominiert wird.

Blockfreie Mächte

Doch nicht jeder will Partei ergreifen. Nur etwa vierzig Staaten haben sich für Sanktionen gegen Russland entschieden, was darauf hindeutet, dass sich zahlreiche Nationen – insbesondere im globalen Süden – lieber heraushalten wollen, als sich einem der beiden Blöcke anzuschließen. Je mehr Chinas wirtschaftliche und geopolitische Bedeutung wächst, desto mehr Länder dürften sich für eine Politik der Blockfreiheit entscheiden. Die neue Weltordnung wird also eher multipolar als bipolar sein.

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Zahlen & Fakten

Ein illustrierter Stich vom Wiener Kongress 1814/15 aus dem 19. Jahrhundert zeigt die Fürsten Europas um eine Landkarte sitzend.
Österreichs Kaiser Franz I. (in Weiß) feilscht beim Wiener Kongress 1814/15 mit den Fürsten Europas wie Zar Alexander I. (in Grün) über die Machtaufteilung in Europa nach Napoleons Niederlage. © Getty Images

Weltordnung im Wandel Teil I

Von Napoleon bis Hitler

  • Anfang: Nach den Napoleonischen Kriegen trafen sich die Siegermächte beim Wiener Kongress: Das Vereinigte Königreich, Österreich, Russland, Preußen und Frankreich unter den wieder eingesetzten Bourbonen machten die Nachkriegsordnung unter sich aus. Sie formten das Europäische Konzert der Großmächte.
  • Höhepunkt: Das sogenannte Wiener System vermochte den Frieden in Europa bis zu Beginn des Krimkriegs 1853 zu erhalten. Konflikte und Revolutionen auf dem Kontinent, in den Kolonien, aber vor allem im bröckelnden Osmanischen Reich wurden in Abstimmung der Großmächte geklärt. Zum Beispiel halfen russische Truppen, den 1848 ­los­gebrochenen Aufstand gegen die Vorherrschaft der Habsburger in Ungarn niederzuschlagen. Doch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts scheiterte die fried­liche Beilegung der Konflikte zwischen den Großmächten.
    Preußen ­gewann den Krieg gegen Frankreich und vereinte Deutschland. Mit den italienischen Unabhängigkeitskriegen entstand eine weitere Nation auf dem Kontinent. Vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatten sich zwei Bündnisse herausgebildet: die Mittelmächte rund um Deutschland und Österreich-Ungarn sowie die Entente zwischen dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Russland, die sich in ähn­licher Konstellation in beiden Weltkriegen gegenüberstanden.
  • Ende: Das Eingreifen der USA im Ersten und vor allem im Zweiten ­Weltkrieg markiert das Ende der europäischen Vormachtstellung. Spätestens von da an nahm die ehemalige britische Kolonie das Heft in die Hand.

Ideologisch flexibel

Die politische Ausrichtung des Gegenübers wird bei internationalen Partnerschaften wohl nicht immer die Hauptrolle spielen können. Strategische und wirtschaftliche Erwägungen werden den Westen zuweilen veranlassen, mit repressiven Machthabern zusammenzuarbeiten. Um etwa die Energieversorgung sicherzustellen, könnte eine dauerhafte Zusammenarbeit mit dem Iran, Saudi-Arabien, Katar und Venezuela erforderlich sein.

Viele Demokratien werden versuchen, sich von der neuen Ost-West-Rivalität fernzuhalten, wie die vorsichtigen Reaktionen Brasiliens, Indiens, Israels, Südafrikas und anderer Länder auf den Einmarsch Russlands in der Ukraine deutlich machen. Natürlich bleiben die führenden demokratischen Staaten allein aufgrund ihres Wertekanons weiterhin Verbündete. Doch die Welt wird sich nicht sauber entlang ideologischer Linien aufteilen.

Bewährte Strategie

Die Rückkehr zu einer Welt mit zwei Blöcken mag uns nicht erfreuen, aber zumindest sind uns die Regeln vertraut. Der Westen hat eine Strategie für diese globale Ordnung; es ist dieselbe, mit der er sich im ersten Kalten Krieg durchsetzen konnte. Wie schon in den Jahrzehnten der Konfrontation mit der Sowjetunion werden die USA und ihre Verbündeten die Anstrengungen reduzieren müssen, ihre liberalen Prinzipien in die Welt zu tragen.

Stattdessen wird es in erster Linie darum gehen, geopolitische Stabilität zu bewahren und Kriege zu vermeiden.
Die russische Wirtschaft hat sich bereits weitgehend vom Westen abgekoppelt – wie schon während des ersten Kalten Krieges. Zumindest ein gewisses Maß an Abkopplung ist auch in den Beziehungen zu China bemerkbar. Die Entscheidung Washingtons, den ­Export von Halbleitern nach China stark zu beschränken, macht das deutlich. Die Bewältigung des Kalten Krieges 2.0 wird strategische Innovationen erfordern; schließlich verfügt der Westen noch über keine bewährte Bedienungsanleitung für die neue Weltordnung.

Globale Abhängigkeiten

Zunächst einmal fehlt es dem Westen an einer Strategie für den Umgang mit einer geopolitisch gespaltenen Staaten­gemeinschaft, die weitaus stärker voneinander abhängig ist als während des Kalten Krieges. Globale Herausforderungen erfordern eine kontinuierliche Zusammenarbeit über ideologische Grenzen hinweg. Der Kampf gegen den Klimawandel, die Begrenzung der atomaren Aufrüstung und die Rüstungskontrolle, die Regelung des internationalen Handels, die Kon­trolle des Cyberspace, die Steuerung der Migration, die Förderung der globalen Gesundheit – all das erfordert Teamwork. Die Weltgemeinschaft kann es sich nicht leisten, zur alten Welt der ­harten geopolitischen und kommer­ziellen Trennung zurückzukehren.

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Zahlen & Fakten

Die multipolare Welt wird unübersichtlich und unberechenbar sein. Der demokratische und der autokratische Block werden permanent um ihre jeweiligen Machtsphären ringen, die Entwicklungsländer mehr Autonomie und Einfluss haben als während des ersten Kalten Krieges. Auch das Kräfteverhältnis hat sich verändert: China ist auf dem besten Weg, ein weitaus stärkerer Konkurrent zu werden, als es die Sowjetunion jemals war.

Mächtiger Rivale

Die sowjetische Wirtschaftsleistung erreichte selbst in den besten Zeiten nie mehr als 55 Prozent der amerikanischen. Im Gegensatz dazu wird China bald die größte Volkswirtschaft der Welt sein – gestützt von einer Bevölkerung, die etwa viermal so groß ist wie jene der USA. Die Sowjetunion konnte mit den technologischen Fortschritten des Westens nicht Schritt halten, während China neben seiner robusten Industrie eine wissenschaftliche und technologische Basis von Weltrang entwickelte. Etwa zwei Drittel der Länder der Welt treiben bereits mehr Handel mit China als mit den Vereinigten Staaten.

Allerdings wird es noch eine ganze Weile dauern, bis China als Weltmacht mit den Vereinigten Staaten gleichzieht. Was die militärischen Fähigkeiten angeht, liegt China noch weit zurück, vor allem im weiträumigen Einsatz seiner Kräfte. Und auch China hat Schwachstellen: Korruption, eine private Kredit­blase, zuletzt anhaltend schwächere Wachstumsraten sowie Deglobalisierung. All das kann zu Rissen in Chinas Wirtschaftsmodell führen. Sollte Peking nicht mehr wie bisher Erfolge liefern, dann könnte auch der Druck aus der Bevölkerung stärker werden. Landesweite Proteste gegen die Zero-Covid-Politik im November des Vorjahres waren dafür vielleicht ein Vorzeichen.

Geschwächter Westen

Dennoch ist das Reich der Mitte auf dem besten Weg, eine von zwei Supermächten zu werden. Der Westen befindet sich nämlich in einer schlechteren politischen Verfassung als zu Zeiten des ersten Kalten Kriegs. Damals war der Westen ideologisch stabil und erfreute sich eines breiten Wohlstands. Heute jedoch sind die Demokratien auf beiden Seiten des Atlantiks mit politischer Spaltung, wirtschaftlichen Schwierigkeiten und ideologischem Extremismus konfrontiert.

Wöchentlich per Email

Die wirtschaftlichen Verwerfungen seit Beginn des Kriegs in der Ukraine verschärfen die internen Gefahren für die westlichen Demokratien. Auch die hohe Inflation kann toxische politische Auswirkungen haben. Die Preise stiegen in den Vereinigten Staaten im Vorjahr so stark wie seit vierzig Jahren nicht mehr. Die Europäer leiden unter horrenden Energiekosten und müssen sich vor einem möglichen Gasmangel fürchten. Auf beiden Seiten des Atlan­tiks herrscht wirtschaftliche Flaute.

Dies ist ein fruchtbarer Boden für die Unzufriedenheit der Wähler und für weitere Polarisierung. Der Westen muss diese Gefahren für die liberale Demokratie genau im Auge behalten, während er daran arbeitet, sich in einer wettbewerbsfähigen multipolaren Landschaft zurechtzufinden.

Normen auf dem Prüfstand

Wenn der Westen eine auf Regeln basierende internationale Ordnung bewahren will, muss als Erstes der Krieg in der Ukraine beendet werden. Der Krieg heizt die Rivalitäten innerhalb Europas an, stellt die entscheidende Norm der territorialen Souveränität infrage und führt zu Inflation, Nahrungsmittelknappheit und wirtschaftlichen Verwerfungen auf globaler Ebene.

Am besten wäre es natürlich, wenn es gelänge, die russischen Truppen aus der Ukra­ine zu vertreiben und die ukrainische Souveränität vollständig wiederherzustellen. Aber das ist möglicherweise militärisch nicht machbar. Es birgt auch ein inakzeptables Eskalationsrisiko, da der Kreml im Falle einer vollständigen Niederlage versuchen könnte, den Krieg auszuweiten – auch durch den Einsatz von Atomwaffen.


Der Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung zu helfen ist eine beträchtliche Anstrengung wert – aber nicht eine, die zum Dritten Weltkrieg führt oder die westliche Demokratie zersetzt. Eher früher als später muss der Westen die Ukraine und Russland vom Schlachtfeld an den Verhandlungstisch bringen und eine diplomatische Lösung finden, um den Krieg zu beenden und eine terri­toriale Einigung zu erzielen.

Strategischer Pragmatismus

Auch im Wettbewerb mit einem autokratischen Block müssen westliche Demokratien daran denken, dass es gegenseitige Abhängigkeiten gibt, die sich nur durch Kooperation über ideologische Grenzen hinweg managen lassen. Strategischer Pragmatismus wird nötig sein, um Meinungsverschiedenheiten auszugleichen. Der Westen wird mit China und Russland sowie mit anderen nichtdemokratischen Staaten zusammenarbeiten müssen, um globale Herausforderungen zu bewältigen.

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Zahlen & Fakten

Eine Luftaufnahme in schwarz-weiß vom Bau der Berliner Mauer am Brandenburger Tor 1961.
Während des Kalten Kriegs entstand ab 1961 die Berliner Mauer, hier am Brandenburger Tor, die als Teil des Eisernen Vorhangs die westliche und sowjetische Sphäre trennte. © Getty Images

Weltordnung im Wandel, Teil II

Kalter Krieg

  • Anfang: Nach einer kurzen Phase der Einigkeit unter den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs brechen schon bald Konfliktlinien zwischen Amerika und der Sowjetunion auf. Mit der Truman-Doktrin stellen sich die Vereinigten Staaten weltweit gegen eine Ausbreitung des Kommunismus. Der Kalte Krieg beginnt.
  • Höhepunkt: Die beiden nuklear hochgerüsteten Kontrahenten vermeiden eine direkte militärische Konfrontation. Stattdessen führen sie Stellvertreterkriege – etwa auf der koreanischen Halbinsel, in Vietnam oder in Afghanistan. Während der Kubakrise 1962 stand die Welt kurz vor einem dritten Weltkrieg.
  • Ende: Jahrzehnte des Wettrüstens und die mangelnde Dynamik der kommunistischen Planwirtschaft fordern ihren Tribut; die greise Führungsriege in Moskau kann das sowjetische Vielvölkerimperium nicht mehr zusammenhalten. Der Fall des Eisernen Vorhangs symbolisiert das Ende der Sowjetherrschaft. Manche Beobachter im Westen waren sich sicher: Der Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus und das „Ende der Geschichte“ seien eingeläutet.

Neues Konzert der Großmächte

Bei der Umsetzung einer hybriden Strategie der Eindämmung und des Engagements sollte der Westen auf kleine Gruppenformate zurückgreifen, um die internationale Zusammenarbeit voranzutreiben, indem er jene Staaten an einen gemeinsamen Tisch bringt, die unabhängig von der Art des Regimes dabei sein müssen. Das sogenannte europäische Konzert der Großmächte im 19. Jahrhundert ist ein gutes Beispiel für einen informellen Rat, der die Kooperation erleichterte und dazu beitrug, den Frieden über Jahrzehnte zu erhalten.

Künftig könnte der Austausch in informellen Kontaktgruppen – wie den Sechs-Parteien-Gesprächen über Nordkorea oder dem P5+1-Format für den Umgang mit dem iranischen Atomprogramm – vielversprechender sein als die Arbeit innerhalb formeller Institutionen wie der Vereinten Nationen, die durch Uneinigkeit gelähmt sein könnten. Und selbst wenn ein gewisses Maß an wirtschaftlicher Entkopplung nun unvermeidlich ist, sollten die westlichen Demokratien ihren ökonomischen Austausch mit China nutzen, um eine weiterhin auf festen Regeln basierende Steuerung der internationalen Wirtschaft zu sichern.

Taktischer Keil

Der Westen sollte auch versuchen, den entstehenden chinesisch-russischen Block zu schwächen, indem er Möglichkeiten findet, Moskau und Peking auf Distanz zu bringen. Der Einmarsch in die Ukraine hat Russland in eine wirtschaftliche und strategische Abhängigkeit von China gebracht.

Diese Asymmetrie in den Beziehungen zwischen beiden Ländern könnte eine Chance bieten: Der Kreml will nicht Chinas Juniorpartner sein. Obwohl der Krieg Russland derzeit zu einem Paria macht, sollten die atlantischen Demokratien versuchen, diesen Umstand strategisch zu nutzen. Da Russland China mehr braucht als umgekehrt, sollte der Westen auch nach Möglichkeiten suchen, Peking von Moskau abzulenken.

Die schwammige Reaktion Chinas auf die Invasion in der Ukra­i­ne spricht zumindest für ein gewisses Unbehagen angesichts der wirtschaftlichen und geopolitischen Störungen, die Russlands rücksichtsloser Krieg verursachte.

Vorbild sein

Letzten Endes muss der Westen sein eigenes Haus in Ordnung bringen, um sicherzustellen, dass er sowohl politisch als auch wirtschaftlich besser abschneidet und die illiberalen Alternativen übertrumpft. Dafür reicht es nicht, materielle Mittel anzuhäufen.

Es gilt auch ein erfolgreiches und attraktives Regierungsmodell zu bieten, das jene vielen Länder, die sich in einer Welt mit zwei Blöcken nicht auf eine Seite schlagen wollen, für das demokratische Lager gewinnt. Nur wenn der Westen beweist, dass die liberale Demokratie den Bürgern wirklich etwas zu bieten hat, kann er den Bogen der Geschichte zu mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlstand weiterspannen.

Notwendige Erneuerung

Bei den US-Zwischenwahlen im vergangenen November bekamen ideologischer Extremismus und illiberaler Populismus einen Dämpfer. Auch die politische Mitte Europas hält sich im Großen und Ganzen. Doch die amerika­nische Wählerschaft ist nach wie vor polarisiert. Und wie Erfolge wie jener der Rechtsaußen-Regierung in Italien deutlich machen, bleibt die politische Mitte Europas anfällig.

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Zahlen & Fakten

Der damalige US-Präsident George W. Bush steht vor Truppen in Fort Carson, Colorado, kurz vor der Invasion im Irak 2003.
Auf dem Zenit der Macht: Der damalige US-Präsident George W. Bush besucht Truppen in Fort Carson, Colorado, kurz vor der Invasion im Irak 2003. © Getty Images

Weltordnung im Wandel, Teil III

Einzige Supermacht Amerika

  • Anfang: Die USA dringen unmittelbar nach dem Zerfall der Sowjetunion in das Machtvakuum vor. Während Russland in eine tiefe Wirtschaftskrise stürzt, wenden sich immer mehr Länder des ehemaligen Ostblocks dem Westen zu.
  • Höhepunkt: Die USA dringen unmittelbar nach dem Zerfall der Sowjetunion in das Machtvakuum vor. Während Russland in eine tiefe Wirtschaftskrise stürzt, wenden sich immer mehr Länder des ehemaligen Ostblocks dem Westen zu.
  • Ende: Ungewiss bleibt, ob die neue Ordnung zu zwei oder mehreren Machtpolen führen wird: Die USA und China könnten einen neuen (Kalten) Krieg austragen. Oder ein Konzert der Großmächte – bestehend zumindest aus den USA, der EU, Japan, China, Russland und Indien – versucht, Konflikte zu klären. Denkbar wäre auch eine multilaterale Weltordnung, die innerhalb der Vereinten Nationen Konflikte löst und Antworten auf globale Krisen wie den Klimawandel findet.

Eine wirtschaftliche und politische Erneuerung auf beiden Seiten des Atlantiks bleibt daher dringend notwendig. Die Regierung Biden muss ihr Bestes tun, um internationale Zusammenarbeit zu sichern und weiterhin eine ehrgeizige innenpolitische Agenda voranzutreiben. Investitionen in Infra­struktur, Bildung, Technologie, Gesundheit, Einwanderungsreform und andere innenpolitische Programme sind der beste Weg, um die Unzufriedenheit der Wähler zu lindern und die kränkelnde politische Mitte des Landes wiederzubeleben.

Demokratie stärken

Auch Europa braucht eine Erneuerung, die tiefgreifende Reformen der Wirtschaft, der Einwanderungspolitik und der Grenzkontrollen beinhaltet. Außerdem sollte Europa mehr in die gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik investieren und die Entscheidungsmacht in diesem Bereich bündeln. Der Westen muss sich auf die anstehenden globalen Veränderungen vor­bereiten.

Ziel ist die Erhaltung von Ordnung und Frieden in einem ideologisch vielfältigen, pluralistischen und globalen Umfeld. Stärke und Selbstvertrauen beginnen im eigenen Umfeld. Wenn es gelingt, die wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen der liberalen Demokratie wieder zu stärken, ist das der erste und wichtigste Schritt des Westens bei der Vorbereitung auf die vor ihm liegende multipolare Weltordnung.

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Conclusio

Die Welt befindet sich im Umbruch: Amerikas absolute Vorherrschaft wird vom aufstrebenden China zunehmend infrage gestellt. Ein Kalter Krieg 2.0 zwischen zwei Machtblöcken – dem westlichen und einem chinesisch-russischen – zeichnet sich ab. Dieser Wandel ist schon länger im Gange. Russlands Krieg gegen die Ukraine hat die Entwicklung nun beschleunigt und gefährlicher gemacht. Anders als im ursprünglichen Kalten Krieg dürfte die neue Welt nicht eindeutig in zwei Fraktionen geteilt sein. Stattdessen dürfte eine multipolare Welt entstehen, in der eine Reihe einflussreicher Staaten wie Indien oder Brasilien keine eindeutige Position beziehen. Westliche Demokratien benötigen eine Strategie, damit umzugehen. Und sie müssen pragmatisch genug sein, um wechselnde Bündnisse zu schmieden.

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