Das Rennen um die erste Mondbasis

Mehr als fünfzig Jahre nach der Mondlandung und dem Space Race konkurrieren wieder zwei Nationen und Ideologien. Diesmal geht es um die Errichtung der ersten Mondbasis.

Dieses 3D-generierte Bild zeigt vier chinesische Astronauten, die aus einer Mondbasis arbeiten.
Bis zum Jahr 2030 sollen Chinesen auf dem Mond landen; China will nach den USA die zweite Nation sein, die dieses Ziel erreicht. Nur fünf Jahre später wollen die Chinesen dann sogar schon eine permanente Basis auf dem Erdtrabanten errichten. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Renaissance. Das Interesse am Mond ist wiedererwacht nach einer Periode des relativen Desinteresses seit 1976.
  • Rational. Soft Power und Inspiration sind nach wie vor wichtige Aspekte; im Vordergrund steht heute jedoch die potenzielle Nutzung von Wasserressourcen am lunaren Südpol.
  • Knappheit. Standorte, an denen sowohl Wasserressourcen als auch Erhebungen für permanente Sonneneinstrahlung vorhanden sind, sind begrenzt.
  • Polarisierung. Die USA und China stehen im Zentrum der Mondexploration und scharen Partner um ihre konkurrierenden Initiativen für eine Mondbasis.

Am 23. August landete die indische Sonde Chandrayaan-3 erfolgreich auf der Mondoberfläche, was sowohl in Indien als auch bei internationalen Beobachtern für Aufsehen sorgte. Die Mission reiht sich in eine Vielzahl früherer Missionen ein, bei denen verschiedene Akteure versuchten den Erdtrabanten zu erreichen. Sowohl Russland, als auch das japanische Unternehmen ispace hatten sich im April 2023 an einer Landung auf der Mondoberfläche versucht. Beide Versuche sind jedoch gescheitert.

Im Januar 2024 will das amerikanische Unternehmen Intuitive Machines mit einer Robotermission für die USA wieder auf dem Mond landen - zum ersten Mal seit dem Ende der Apollo Missionen 1972. Dies wird die erste einer Reihe von Missionen kommerzieller Weltraumakteure sein, die von der NASA unterstützt werden. Angesichts dieser Renaissance des Interesses an unserem Erdtrabanten sprechen viele Beobachter bereits von einem zweiten Space Race.

Andere Motive als damals

Ein Wettlauf zum Mond? Wurde dieses Kapitel nicht 1969 beendet mit dem Sieg der Amerikaner über die Sowjetunion durch Apollo 11 und Neil Armstrong, der als erster Mensch den Mond betrat? Um nachzuvollziehen, warum Nationen nach einer so langen Phase relativen Desinteresses am Mond nun erneut Ambitionen hegen, ist es entscheidend zu begreifen, dass die Leitmotive sich heute von denen der 1960er Jahre grundlegend unterscheiden.

Natürlich ist der menschliche Drang zur Erforschung unserer Umwelt und die damit verbundene Inspirations- und Identifikationswirkung nach wie vor eine starke Motivation für Staaten, den Mond und Weltraum zu erkunden. Auch das Nutzen der Weltraumdomäne um das eigene Prestige und damit die eigene Soft Power im internationalen System zu steigern sowie die Demonstration eigener technologischer Fähigkeiten sind, wie schon beim ersten Space Race, wichtige Aspekte.

Weniger Wasser als gedacht?

Im aktuell stattfindenden Wettbewerb stehen jedoch andere Faktoren im Vordergrund. War bei den Mondmissionen des letzten Jahrhunderts noch das relativ ebenerdige Gebiet rund um den erdzugewandten Mondäquator das Ziel, so versuchen Akteure heute die deutlich hügeligere Region rund um den lunaren Südpol zu erreichen. Dieser gilt als idealer Ort für die Errichtung von zunächst robotischen, später auch bemannten Mondbasen.

Aktuelle Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Wasservorkommen weniger weit verbreitet sind als ursprünglich angenommen.

Dies ist dadurch bedingt, dass in den Kratern am Südpol Wasser in Form von Eis vorhanden ist, was unter anderem von der Chandrayaan-1 Mission – einer der Vorgängermissionen der oben genannten indischen Sonde – entdeckt und 2008 bestätigt wurde. Dieses kann als Trinkwasser für zukünftige Besatzungen, aber auch für die Produktion von Sauerstoff sowie als Treibstoff für zum Beispiel wasserbasierte Raketenantriebe genutzt werden.

Aktuelle Studienergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass diese Wasservorkommen weniger weit verbreitet sind als ursprünglich angenommen. Darüber hinaus sind bestimmte Erhebungen am lunaren Südpol einer nahezu permanenten Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Dies kann in Verbindung mit neueren Erkenntnissen über unerwartet hohe Schwefelvorkommen für die potentielle Produktion von Solarzellen und Batterien die Grundlage für eine weitgehend autarke Stromversorgung bilden.

Bemannte Mondbasis als Ausgangspunkt

Die Alternative zu Abbau und Nutzbarmachung dieser Ressourcen vor Ort wäre, sie von der Erde zu importieren. Dies würde mit einem vergleichsweise sehr hohen (Kosten-)Aufwand einhergehen. Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass heute die größte Barriere für die Weltraumerkundung immer noch die Energie ist, die zur Überwindung der Erdanziehung benötigt wird. Daraus resultiert, dass jedes Kilo Fracht extrem kostenintensiv ist. Bei einem sogenannten In-situ-Abbau von Mondressourcen hingegen, vor Ort also, könnten Missionen direkt vom Mond aus gestartet werden. Das erfordert nur einen Bruchteil der Energie, da der Mond im Vergleich zur Erde ein Sechstel der Anziehungskraft aufweist. Dies würde viel ehrgeizigere Explorationsmissionen in den Bereich des Möglichen rücken, da der Mond als Startplatz und/oder Auftankstation fungieren könnte.

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Zahlen & Fakten

Die nächsten großen Mondmissionen

2024: IM2 (USA) 

Ein Ingenieur bereitet das Massenspektrometer MSolo (Mass Spectrometer Observing Lunar Operations) für die Installation der mehrschichtigen Isolierung in der Verarbeitungsanlage der Raumstation des Kennedy Space Centers vor.

Das private texanische Raumfahrtunternehmen Intuitive Machines plant zwei unbemannte Mondlandungen. Die zweite davon soll PRIME-1, einen Bohrroboter der NASA, zum Südpol des Mondes schicken, wo er nach Wasser suchen wird.

2025: Artemis 3 (USA) 

Das europäische Servicemodul (ESM) für die Artemis II-Mission der NASA wird am 22. Mai 2023 mit einem Kran in die hohe Halle des Neil A. Armstrong Operations and Checkout Building im Kennedy Space Center der NASA in Florida gehoben.

Zum ersten Mal seit Apollo 17 im Jahr 1972 sollen – vermutlich 2025 – wieder Menschen auf dem Mond landen. Die NASA hat angekündigt, dass eine Frau dabei sein wird. Zum ersten Mal sollen auch Menschen in der Südpolregion des Mondes landen, in der es Wasser gibt und in der zuvor noch nie ein Mensch gewesen ist.

2025: HALO/PPE (USA) 

Dieses generierte Bild zeigt das Gateway, das von einem Ionenantrieb angetrieben wird, der durch Solarstrom erzeugt wird.

Der Lunar Gateway soll eine (nicht ständig) bemannte Raumstation der USA, der EU sowie von Japan und Kanada werden, die den Mond umkreist. Das erste Modul PPE wird gemeinsam mit dem provisorischen Wohnmodul HALO in die Mondumlaufbahn gebracht werden.

2030: Chinesische Mondlandung

Das Bild zeigt eine startbereite Langer-Marsch-7-Y7-Trägerrakete am 10. Mai 2023 auf dem Wenchang-Startplatz für Raumfahrzeuge in Wenchang.

Das chinesische Mondprogramm hat eine beeindruckende Geschwindigkeit: Die erste Mission zum Mondorbit startete im Jahr 2007, elf Jahre später gelang dann schon eine Premiere – die Landung auf der dunklen Seite des Mondes durch Chang’e 4. Das große Ziel des Programms: Bis zum Jahr 2030 sollen Chinesen auf dem Mond landen.

Eine bemannte Mondbasis ist dabei der ideale Ausgangspunkt für diese ambitionierteren Missionen zum Mars und darüber hinaus zur Erforschung unseres Sonnensystems. Diese geringere Schwerkraft ist außerdem ein guter Test für Astronauten und Equipment, da uns bisher hauptsächlich Informationen darüber zur Verfügung stehen, wie sich diese Elemente entweder unter der Schwerkraft der Erde oder in relativer Schwerelosigkeit (zum Beispiel auf der ISS) verhalten. Ergänzend dazu hat sich auch das Narrativ für die neueren Mondmissionen von einer temporären Erkundung hin zu einer dauerhaften Nutzung verschoben.

First Come, First Serve

Aus diesen beiden Elementen, der relativen Knappheit von Standorten am lunaren Südpol mit ausreichend Wasservorkommen und Sonneneinstrahlung, sowie der Bedeutung dieser Standorte für die weitere Exploration des Sonnensystems, lässt sich der aktuell aufkommende Wettlauf staatlicher (und teils auch kommerzieller) Akteure um den Mond und insbesondere seines Südpols, verstehen. Es handelt sich also um knappe Ressourcen, die – auch aufgrund fehlender Regulierung – mit hoher Wahrscheinlichkeit nach einem First-Come-, First-Serve-Prinzip verteilt werden. Staaten hoffen diese knappen Plätze als Ausgangsbasis nutzen zu können, um langfristig die Ressourcen des Sonnensystems für ihre Bevölkerung und Wirtschaft nutzbar zu machen und technologische Vorreiter zum Beispiel bei der Nutzung von weltraumbasierter Solarenergie für die Erde zu werden.

NASA-Administrator Bill Nelson hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sich die Vereinigten Staaten in einem Space Race mit der Volksrepublik China befinden.

Im Zentrum des Wettlaufs zum lunaren Südpol stehen die beiden technologischen Supermächte USA und China. NASA-Administrator Bill Nelson hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sich die Vereinigten Staaten in einem Space Race mit der Volksrepublik befinden. Er macht deutlich, dass China, wenn es vor den Amerikanern dort wäre, diese besonderen Standorte für sich beanspruchen und anderen den Zugang verwehren könnte. Dies wäre zwar nach internationalem Recht, dem Weltraumvertrag von 1967, nicht erlaubt, aber Nelson führt weiter aus, dass dies von der Volksrepublik ignoriert werden könnte, wie zum Beispiel bei den Gebietsansprüchen Chinas im Südchinesischen Meer. Außerdem wird befürchtet, dass China rechtliche Präzedenzfälle schaffen könnte.

Zwei Pole auf dem Weg zur Mondbasis

Die Pläne für die (bemannte) Erforschung und Nutzung des Mondes richten sich zunehmend anhand dieser beiden Pole aus, welche die veränderten geopolitischen Realitäten und Polarisierung auf der Erde widerspiegeln. Den ersten Pol bilden dabei die USA mit ihren Artemis-Missionen. Im wesentlichen vereinen diese die Akteure, welche an der ISS beteiligt waren (USA, Europa, Kanada und Japan), wobei Russland – welches noch Partner bei der ISS war – keine Rolle bei Artemis spielen wird. Mit der gemeinsamen Initiative der International Lunar Research Station (ILRS) bildet letzteres zusammen mit China den zweiten Pol.

Wurde diese von beiden Nationen 2021 noch als gleichberechtigtes Projekt vorgestellt, so sehen wir in letzter Zeit – spätestens seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine –, dass China die Führung übernimmt. Beide Initiativen, Artemis und die ILRS, sind offen für internationale Kooperation, wobei sich um beide Initiativen Staaten gruppieren, bei denen es mit Ausnahme der VAE keine Überschneidungen gibt.

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Conclusio

Nach der ersten, von Konkurrenz geprägten Phase der Weltraumerkundung in den 1960ern und der zweiten, von Kooperation bestimmten Phase rund um die ISS und den unipolaren Moment der USA um die Jahrtausendwende erleben wir derzeit den Eintritt in eine dritte Phase. Diese ist zwar von weitreichenden kooperativen Elementen geprägt, aber eingebettet in einen Wettbewerb zweier Lager. Diese Lager orientieren sich an der geopolitischen Großmachtkonkurrenz auf der Erde, mit dem lunaren Südpol, als Ausgangspunkt für die Erforschung des Sonnensystems, im Zentrum der Aufmerksamkeit. Europa nimmt in diesem Wettbewerb aktuell nur eine Juniorrolle im Lager der USA ein, ohne die Fähigkeiten eigenständig Astronauten zum Mond zu schicken. Wenn wir bei der künftigen Erforschung des Sonnensystems eine gestaltende Rolle spielen und von der Nutzung der Ressourcen profitieren wollen, müssen wir unsere Fähigkeiten und Ambitionen möglichst bald erheblich steigern. Das Zeitfenster beginnt sich bereits zu schließen.

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