Rumänien – Rechtsruck wider Erwarten

EU-Mitglied und NATO-Stützpunkt: Wohin Rumänien bei den aktuellen Wahlen steuert, sollte Europäern nicht egal sein, sagt der Historiker Florian Kührer-Wielach.

Bukarest im Januar 2017: Die Proteste gegen Korruption brachten 10.000ende Menschen über viele Wochen auf die Straßen. Das Bild illustriert einen Beitrag (Podcast) über Rumänien und die politische Entwicklung des Landes.
Bukarest im Januar 2017: Die Proteste gegen Korruption brachten 10.000ende Menschen über viele Wochen auf die Straßen. © Getty Images

Noch ist nicht alles entschieden: Am 1. Dezember finden in Rumänien die Parlamentswahlen statt, am 8. Dezember die Stichwahl für das Amt des Präsidenten.

Bei diesen Präsidentschaftswahlen allerdings gab es am 24. November in der ersten Runde eine Überraschung: Călin Georgescu, der russlandfreundliche und EU-feindliche Kandidat gewann. Der Historiker Florian Kührer-Wielach skizziert, was das für die Ostflanke der NATO und für die EU bedeutet. Der Podcast wurde vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen aufgenommen.

Der Podcast über Rumänien und Europa

Man wirft der politischen Elite vor, alles hinter verschlossenen Türen auszumachen.

Florian Kührer-Wielach, Historiker

Korruption, mangelnde Transparenz und Fachkompetenz, dazu eine nicht adressierte Ungleichheit: Die Liste an Vorwürfen gegenüber der Politik in Rumänien ist lang, erklärt Florian Kührer-Wielach.

Bei den Präsidentschaftswahlen am 24. November 2024 hat der jetzige Ministerpräsident Marcel Ciolacu, der als Favorit galt, es nicht in die Stichwahl geschafft. Nun stehen sich in der Stichwahl am 8. Dezember die liberale Kandidatin Elena Lasconi (19,2 Prozent der Stimmen) und der rechtsextreme Kandidat Călin Georgescu (22,94 Prozent der Stimmen) gegenüber.

Georgescu kandidiert parteiunabhängig, war aber einst ein Kandidat der rechten Alianța pentru Unirea Românilor (AUR), der einzigen pro-russischen Partei in Rumänien. „Mit Russland hat Rumänien eigentlich nicht viel am Hut. Niemand verfolgt eine revisionistische Politik – bis auf eine Partei“, sagt Florian Kührer-Wielach. Georgescu bewundert Wladimir Putin als Führerfigur, ebenso den Diktator Ion Antunesco.

Sollte Georgescu die Stichwahl gewinnen, bekäme Rumänien einen pro-russischen, EU-feindlichen Präsidenten, der die Mitgliedschaft Rumäniens in der NATO in Frage stellt. Die Außen- und Verteidigungspolitik Rumäniens wird in dem semipräsidialen System vom Präsidenten bestimmt.

Rumänien, die NATO und die EU

Der Hafen Constanta am Schwarzen Meer ist seit Ausbruch des Ukraine-Krieges ein bedeutender Hafen für Getreide-Exporte aus der Ukraine. Zugleich ist die Stadt ein NATO-Stützpunkt. Geplant ist, dass der Luftwaffenstützpunkt in den nächsten Jahren ausgebaut wird, sodass bis zu 10.000 NATO-Soldaten dort stationiert sein werden. „Nun hat Rumänien aber geopolitisch immer größeres Gewicht. Man sollte größtes Interesse daran haben, dass auf allen Ebenen gute Beziehungen sind, dass man einander auch vertraut.“

Rumänien ist seit 2007 EU-Mitglied. Seither sei es Rumänien durchaus gelungen Reformen umzusetzen und sogar Klientelismus und Korruption den Kampf anzusagen. Zu verdanken gewesen sei dies hauptsächlich der Juristin Laura Codruța Kövesi, die die Behörde zur Korruptionsbekämpfung von 2013 bis 2018 leitete, aber schließlich aus ihrem Amt entlassen wurde. „Sie war wohl zu erfolgreich“ so Kührer-Wielach. Im Jahr vor ihrer Entlassung und im Zuge der Korruptionsvorwürfe gegen sie, die ihre Kandidatur für die Europäische Staatsanwaltschaft torpedieren sollten, kam es zu Massenproteste in Rumänien.

Dennoch wurde in den Folgejahren der Klientelismus weiter ausgebaut, ebenso die Korruption. „Man wirft der politischen Elite vor, alles hinter verschlossenen Türen auszumachen“ sagt Kührer-Wielach. Das Vertrauen in die Kompetenz der Politik sei außerdem erschüttert.

Bürokratie, Brain Drain, Inflation

Neben einer überbordenden Bürokratie seien Inflation und Fachkräftemangel drängende Probleme. Viele Ärzte, Krankenpfleger, IT-Spezialisten und andere qualifizierte Fachkräfte würden zunehmend das Land verlassen. Die Inflation liegt derzeit bei 4,7 Prozent. Investitionen in Infrastruktur seien dringend notwendig.

Der Wohlstand der Rumänen ist seit dem EU-Beitritt 2007 insgesamt allerdings gewachsen. Kührer-Wielach verweist auf den Anstieg des Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 16.870 US-Dollar im Jahr 2007 auf 40.000 US-Dollar im Jahr 2023. Die Förderprogramme der EU würden indes unzureichend ausgeschöpft, berichtet er: „Es fehlt Personal und Geld, um die Gelder überhaupt abzurufen. Rumänien lässt hunderte Millionen Euro an Fördergeldern liegen.“

Ressourcen

Österreich ist neben Deutschland einer der größten Investoren in Rumänien. Allerdings sehen die Rumänen auch Schattenseiten etwa das Landgrabbing von Ackerland – die Böden in Rumänien sind besonders fruchtbar – und das illegale Abholzen von Urwäldern, an dem insbesondere österreichische Firmen beteiligt sind.

Neben den Wäldern und den Böden geht es Investoren auch um Öl- und Gasvorkommen im Schwarzen Meer. „Rumänien hat manchmal das Gefühl des Ausverkaufs.“

Möchten Sie mehr hören? Sie finden alle bisherigen Podcasts hier.

Über Florian Kührer-Wielach

Florian Kührer-Wielach stammt aus Horn im Waldviertel in Österreich. Der auf die Geschichte Südosteuropas spezialisierte Historiker ist der Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München (IKGS). Für den Pragmaticus schrieb er zuletzt eine Analyse über die Republik Moldau nach Wahlen und ist in diesem Podcast über die Situation in der Republik Moldau zu hören.

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