„Für die Ukraine geht es jetzt um alles“
Krieg oder Unterwerfung: Der Ukraine bleibt keine Wahl. Es ist die EU, die nicht wahrhaben will, dass ihre Sicherheit ernsthaft in Gefahr ist. Was auf dem Spiel steht, erklärt die Sicherheitsexpertin Velina Tchakarova.
Die Ukraine hat keine Wahl: „Krieg oder komplette Unterwerfung“, das sind die Optionen aus Sicht der Sicherheitsexpertin Velina Tchakarova, Direktorin des Austria Institut für Europa und Sicherheitspolitik (AIES) in Wien. Ein Jahr nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine steht auch Europa vor schwerwiegenden Entscheidungen, denen es sich aber lieber nicht stellen möchte.
Das Video-Interview
Dringlich wäre eine gemeinsame Sicherheitspolitik, die aber nur zögerlich überhaupt zu einem Thema wird. Während die Sanktionen nur langsam wirken, kommen auch Waffenlieferungen, Stichwort Panzer, nur schleppend voran. Die Sicherheit in Europa ist durch den Angriff Russlands in ernsthafter Gefahr, so Tchakarova, allerdings weniger durch das Risiko einer Eskalation, als vielmehr durch Unentschiedenheit.
Sicherheitsrisiko Krim
Besonders heikel ist die Frage, welche nationalen Grenzen der Ukraine nach dem Ende des Krieges Geltung haben sollen bzw. um welche nationalen Grenzen gekämpft wird. Für die Ukraine ist das eindeutig. Vor mehr als 30 Jahren hat sie sich ihre Unabhängigkeit hart erkämpft, und sie immer wieder verteidigt: Zu diesen Grenzen von 1991 gehört auch die Krim, die Putin nach der Annexion 2014 nicht aufgeben will. Wie Europa dazu steht, ist offen. Ist das Risiko einer nuklearen Eskalation so groß, wie der Politikwissenschaftler Gerhard Mangott in unserem Podcast befürchtet?
Die Realität des Krieges
Doch welche Optionen hat die EU? Was kann Europa tatsächlich tun? Das Manifest von Wagenknecht und Schwarzer sieht Tchakarova diplomatisch als einen „netten Versuch“, der aber leider „nichts mit der Realität des Krieges zu tun hat“, so die Sicherheitsexpertin. Die Sicherheit in Europa ist durch Verhandlungen jetzt nicht wiederherzustellen, meint sie. Es werde irgendwann Verhandlungen geben, aber „wir werden zuerst eine Entscheidung an den Frontlinien sehen müssen.“
Krieg gegen Europa
Welche Bedeutung diese Entscheidung an den Frontlinien für Europa haben wird, ist, so Tchakarova, den EU-Staaten nicht genug bewusst. Europa hat die eigene Sicherheit immer als gegeben hingenommen und übersehen, das Putin bereits einen Krieg gegen die Sicherheitspolitik der europäischen Staaten führt. Seine Waffen: Dünger und Gas.
„Die Abhängigkeiten im Agrar- und Energiesektor werden instrumentalisiert“, sagt Tchakarova. Auch der Informationskrieg und die nukleare Erpressung gehören zu diesem Waffenarsenal des nicht-genetischen Krieges, wie Tchakarova erläutert. Ihre wichtigste Botschaft an die europäische Politik: „Europa wird direkt betroffen sein, sollte die Ukraine den militärischen Krieg verlieren.“