Holz, Baustoff der Zukunft
Die Bauwirtschaft ist für mehr als ein Drittel des Energieverbrauchs der Menschheit verantwortlich. Deshalb ist Bauen mit Holz nicht nur schön, sondern eine Notwendigkeit im Sinne des Klimaschutzes.
Auf den Punkt gebracht
- Der Holzbau ist im Wandel. Es geht nicht mehr nur um Hütten. Mittlerweile werden ganze Hochhäuser oder Spezialbauten aus Holz errichtet.
- Holz hat viele Vorteile. Holzbauten brauchen bei richtiger Bauweise wenig Kühlung oder Heizung. Sie sind auch brandsicherer als Stahlbeton.
- …vor allem für die Umwelt. Holz ist prinzipiell der nachhaltigste Baustoff. Allerdings gilt das nur, wenn er so verbaut wird, dass die Materialen wiederverwertbar bleiben.
- Holz ist kein Allheilmittel. Auch im Holzbau braucht es Fundamente aus Beton oder Stein. Holz kann dazu beitragen, den Energieverbrauch der Bauwirtschaft deutlich zu senken.
Bäume wachsen, indem sie Nährstoffe aus dem Boden ziehen. So hab' ich das als Schulbub im Gymnasium gelernt. Ich kletterte damals ständig auf Bäume, mein Traumberuf war Förster. Als ich einmal wieder einmal ganz oben auf einem hohen Baum saß, kam mir ein Gedanke: Wenn das alles aus dem Boden kommt, der dicke Stamm, vierzig Meter hoch, dann müsste doch um diesen Baum ein riesiges Loch sein. Das erschien mir sehr logisch.
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Ein Baum beginnt sein Leben im Prinzip wie ein Mensch: Er atmet tief ein. Aber Bäume können, anders als der Mensch, durch die Luft wachsen. Mit ihren grünen Blättern filtern sie das Sonnenlicht so, dass es das CO2 aus der Luft spalten kann. Jenes CO2 – von dem wir viel zu viel produzieren und damit den Klimawandel verursachen – ist die Nahrung der Bäume. Bäume waren und sind die Voraussetzung für menschliches und tierisches Leben auf der Erde. Als die Erde noch jünger war als heute nahmen die ersten Bäume so viel CO2 aus der Atmosphäre, dass sich das Klima beruhigt. Bevor es Bäume gab, gab es auf der Erde Temperaturschwankungen von 200 Grad innerhalb von kurzer Zeit.
Wertvoller Rohstoff
Ich wurde tatsächlich zunächst Förster. Normalerweise gab es damals für jeden Posten als Förster zwanzig bis dreißig Bewerber, aber ich fand eine Stelle, die sonst niemanden interessierte. Es war ein Wald im Karwendelgebirge in Tirol, das nächste Gemeindeamt achtzig Kilometer entfernt. Im Winter war man wochenlang von der Zivilisation abgeschnitten. Es war eine tolle Zeit für mich. Ich konnte alles, was die Forstwirtschaft anbelangt, ausprobieren.
Irgendwann standen plötzlich, mitten in der Einöde, zwei Geigenbauer vor der Tür. Sie erzählten mir, wie schwierig es sei, den richtigen Baum für eine Geige zu finden, nur einer von tausend Bäumen sei dafür geeignet. Sie fragten mich, ob ich ihnen bei der Suche helfen könne. Wir fanden einen solchen Baum, hunderte Jahre alt. Ich habe ihn gefällt. Bei so einem alten Baum, der mehr Jahr kommen und gehen gesehen hat als ich, erfüllt mich das immer mit Demut.
Ein Jahr später standen die beiden Geigenbauer wieder vor der Tür. Sie spielten mir auf der Geige vor, die sie aus dem Holz des Baumes gebaut hatten. Ich stand dort und dachte mir: Dieser Baum hätte auch in der Großindustrie enden können. Als Pressspannplatten, aus denen Möbel gebaut werden, die nur ein paar Jahre halten sollen. Ich hörte den Klang der Geige und wusste: Ein anderes Ende wäre diesem Werkstoff, dem Baum, den ich gefällt habe, nicht gerecht geworden.
Der richtige Zeitpunkt
Ich wollte mehr lernen über Holz und Holzverarbeitung. Deswegen ging ich zu meinem damals bereits über 80-jährigen Großvater, einem Zimmermann, und bat ihn, mich alles zu lehren, was er über Holz wisse. Wir gründeten ein Unternehmen – er über 80, ich keine Ahnung vom Bauen. Da kriegst von keiner Bank einen Kredit. Mein Großvater verriet mir unterdessen sein wichtigstes Geheimnis: Man müsse das Holz immer in der besten Form aus dem Wald nehmen. Das hieß für ihn: Im Winter bei abnehmendem Mond.
Heute bin ich überzeugt, dass Holzbau unsere einzige Möglichkeit ist, die Klimakrise zu überwinden.
Ich glaubte ihm zuerst kein Wort. Ich war irritiert, dass der Opa plötzlich mit Esoterik daherkam. Aber wir probierten es aus, und es funktionierte. Tatsächlich war dieses Holz sichtbar beständiger. Pilze und Insekten konnten es, wenn überhaupt, Monate und Jahre später befallen. Also machten wir so weiter, ich lernte immer mehr. Das auf Holzbau spezialisierte Unternehmen wuchs. Wie die Bäume, auf die ich als Kind klettere.
Zahlen & Fakten
Heute bin ich überzeugt, dass Holzbau unsere einzige Möglichkeit ist, die Klimakrise zu überwinden. Die Bauwirtschaft – also das Erbauen, Betreiben und Erhalten von Häusern – ist für rund 35 Prozent der Energie, die der Mensch verbraucht, verantwortlich. Auch knapp 40 Prozent des CO2-Ausstoßes kommen aus der Bauwirtschaft. Sie ist auch jener Sektor, der am meisten Abfall produziert. Es mag auf den ersten Blick absurd klingen, aber Bauen ist Teil unserer Wegwerfkultur geworden – Häuser werden nur noch für Jahrzehnte, nicht mehr für Jahrhunderte gebaut. Selbst wenn wir von heute auf morgen alle Autos verbieten würden: Ohne Änderungen in unserer Art zu Bauen werden wir nicht umweltfreundlicher werden.
Holz, ein moderner Baustoff
Holzbau, das klingt auf den ersten Blick exotisch und altmodisch. Man denkt an kleine Hütten im Wald. Aber der Holzbau hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. In der Wiener Seestadt steht mittlerweile das HoHo, ein Hochhaus mit 84 Meter, nur aus Holz. Wenn es richtig gebaut ist, hat ein Holzhaus einen höheren Brandschutzfaktor als eines aus Stahlbeton.
Dickes Vollholz, durch das keine Luft strömt, hält Feuer länger stand als Stahlbeton.
Es gibt drei Faktoren, die Holz zum Brennen bringen. Jeder kennt sie vom eigenen Grill oder dem eigenen Ofen: Das Holz muss dünn sein, es muss trocken sein und es braucht Sauerstoff. Ein Holzklotz, der einfach nur in den Ofen geworfen wird, brennt nicht. Das ist auch das Prinzip des Brandschutzes beim Holzbau: Dickes Vollholz so zu verbauen, dass keine Luft durchströmt. Dann hält es dem Feuer länger stand als Stahlbeton. Jeder Feuerwehrmann lernt: In eine brennende Halle aus Stahlbeton geht man nicht. Bei 600 Grad im Inneren trägt er nicht mehr, die Halle stürzt ein. Diesen Effekt gibt es beim Holz nicht.
Konstante Temperatur
Natürlich ist Holz kein Wundermaterial, jeder Baustoff hat seine Vor- und Nachteile. Das Fundament eines Hauses wird immer aus Stein oder Beton sein müssen, das funktioniert mit Holz nicht. Aber bei allem, das auf dem Fundament aufbaut, hat Holz entscheidende Vorteile. Gerade was den Klimaschutz betrifft: Ein Kubikmeter Fichtenholz speichert bis zu einer Tonne CO2. Es ist der nachhaltigste Baustoff, den wir kennen.
Der zweite entscheidende Vorteil: Wir können in allen Klimazonen energieautarke Häuser bauen. Es geht beim Bauen nämlich nicht nur um die Klimabilanz des Baustoffs, sondern auch um den Betrieb dieses Hauses. Vor zehn Jahren haben wir in Laxenburg bei Wien das erste Archiv der Welt aus Vollholz fertiggestellt. Das Filmarchiv Austria lagert dort 300.000 hoch empfindliche Dosen Nitrofilm, die Temperatur im Archiv muss konstant zwei Grad haben. In unserem Vollholzhaus ist sie das seit zehn Jahren. Und das ohne Energiezufuhr von außen, nur mit der Sonne, die auf das Dach scheint.
Thermische Trägheit
Als wir vor zwanzig Jahren begonnen haben, mit Vollholz zu bauen, haben mich gestandene Zimmerleute noch ausgelacht. Heute wissen wir, dass kein anderer Baustoff eine höhere thermische Trägheit hat. In Berner Oberland wollten wir das unter alpinen Bedingungen ausprobieren. Wir bauten dort ein fünfstöckiges Haus, in dem es nie weniger als 18 Grad hatte. Nur durch das Wechselspiel von Holz und Verglasung, es hat nicht einmal einen Solarkollektor am Dach. Und nicht zuletzt haben Holzhäuser eine lange Lebensdauer. Wenn sie gut gebaut sind, können die Rohstoffe sogar wiederverwendet werden.
Das Problem, vor dem wir derzeit stehen: Es gibt keinen Standard für Bauen mit Holz. Jeder verbaut einen Ziegelstein gleich, aber Holz wird von jedem anders genutzt. Es gibt leider auch den leichten Holzbau mit giftigen Klebern, der Heiz- und Kühlanlagen braucht. Es ist nicht alles heile Welt, nur weil es eine Welt aus Holz ist. Aber richtig eingesetzt, ist es der Baustoff der Zukunft.
Wir müssen lernen so zu bauen, dass wir die Rohstoffe wiederverwerten können.
Viele fragen mich: Wenn wir verstärkt mit Holz bauen, müssen wir dann nicht den ganzen Wald roden? Machen wir nicht alles noch schlimmer? Das ist eine wichtige Frage, aber die Antwort ist zum Glück Nein. Unsere Fichtenwälder kommen mit den steigenden Temperaturen nicht zurecht, sie müssen zunehmend gefällt werden.
Kreislaufwirtschaft
Diese Situation müssen wir nutzen. Wir müssen lernen so zu bauen, dass wir die Rohstoffe wiederverwerten können. Wenn wir das Holz mit billigen Klebern verleimen geht das nicht. Aber mit einer Bauweise, bei der das Baumaterial wiederverwendbar bleibt und am Ende nicht als Bausondermüll teuer entsorgt werden muss, können unsere Städte zu den Rohstoffquellen für die nächsten Generationen werden.
Kurz nachdem ich 2012 mein erstes Buch „Die geheime Sprache der Bäume“ veröffentlicht hatte, bekam ich Besuch von einer Delegation aus Japan. Der Leiter war ein buddhistischer Mönch. Es stellte sich heraus, dass er das Hōryū-ji-Kloster leitet, das als ältester Holzbau der Welt gilt. Er hatte über einen deutschen Schüler von meinem Buch gehört und festgestellt, dass die Aufzeichnungen über den Bau des Klosters ident sind mit den Methoden, die ich im Buch beschreibe. Am Ende sagte er mir, dass es gut sei, was wir hier machen. Ich fragte ihn warum. Er antwortete: Sie arbeiten so, dass sie keine Spuren auf der Erde hinterlassen.
Conclusio
Wenn wir mit Holz bauen, bauen wir energieeffizient und klimaneutral. Wir müssen allerdings lernen, den wertvollen Baustoff richtig einzusetzen, etwa als Vollholz. Dann können aus Holz auch Hochhäuser errichtet werden, die wenig Energie verbrauchen. Sie sind von Natur aus wohltemperiert, weder zu warm, noch zu kalt. Häuser aus Holz können Jahrhunderte überdauern, sie brauchen aber ein Fundament aus Stein oder aus Beton. Bislang gibt es keine Standards für das Bauen mit Holz. Diese Standards wären notwendig, damit Holz wirklich nachhaltig genutzt wird.