Romantik wird dem Wald nicht helfen

Unsere urbane Gesellschaft versteht nicht mehr, dass nur ein Wald, der wirtschaftlichen Ertrag bringt, auch eine Zukunft hat.

Ein Stapel Baumstämme im Wald
Der Wald der Zukunft muss dem Klimawandel gewachsen sein, aber auch wirtschaftliches Potenzial haben. © Getty Images
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Auf den Punkt gebracht

  • Wald ist eine Kulturlandschaft. Der Mensch lebt seit Jahrhunderten mit, vom und im Wald. Seine Ansprüche an ihn verändern sich mit der Zeit. 
  • Widersprüchliche Anforderungen. Die urbane Gesellschaft gibt sich der Naturromantik hin. Das Motto: Ein Wald ist dann gut, wenn er nicht genutzt wird. 
  • Problem Klimawandel. In Zukunft werden nicht mehr alle Baumarten für ihre Standorte geeignet sein. Es gilt, neue Arten zu integrieren.
  • Funktionierende Forstwirtschaft. Die Herausforderungen des Klimawandels lassen sich nur im Zusammenspiel von Wissenschaft, Wirtschaft und Ökologie lösen. 

Mit einem hohen Flächenanteil prägt der Wald in vielen Regionen Mitteleuropas seit Jahrhunderten die vom Menschen geformten Kulturlandschaften. Um Lebensqualität und Wohlstand über Generationen zu sichern, war es erforderlich, diese Wälder auf multifunktionale Weise zu bewirtschaften.

Heute können wir beobachten, dass sich die gesellschaftlichen Anforderungen an Wald und Forstwirtschaft oft widersprechen. Wald ruft – und das ist sehr positiv – Emotionen hervor. Der Wald wird geradezu romantisiert. Die hohen Flächenanteile lassen sich aber nur dann rechtfertigen, wenn der Wald auch ein Wirtschaftsfaktor ist. Eine erfolgreiche nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder setzt voraus, dass mögliche Zielkonflikte geklärt und die Auswirkungen oft widersprüchlicher Anforderungen sorgfältig geprüft werden.

Mehr im Dossier Wald

Wie die Ansprüche an den Wald gewichtet werden, ist einem laufenden Wertewandel unterworfen. Dieser Wertewandel spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen und Bedürfnisse wider. Meinungsunterschiede zwischen den Bewohnern urbaner Räume und jenen ländlich geprägter Gebiete, zwischen den Zentren und den Peripherien verstärken den Wettbewerb um die Ressourcen Wald und Holz. Obwohl Wälder multifunktional bewirtschaftet werden, bleiben die – meist vermeintlichen – Interessenkonflikte zwischen Ökologie und Ökonomie, zwischen bedingungslosem Schutz und intensiver Nutzung bestehen.

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Zahlen & Fakten

Schluss mit Illusionen

Einer Integration aller Ansprüche an „den“ Wald sind aber von Natur aus Grenzen gesetzt. Es geht die sorgfältige Abwägung und einen verantwortungsvollen Ausgleich von Interessen. Der nachhaltigen Waldbewirtschaftung, wie sie in Mitteleuropa seit langem praktiziert wird, gelingt dies auch sehr erfolgreich. Aus politischer Perspektive geht es in der Diskussion um den Wald aber oft um Fragen der Machtverteilung. Der Wald wird politisiert. 

Für viele scheint ein guter Wald der Wald zu sein, der nicht wirtschaftlich genutzt wird.

Wald und Holz werden heute als Antworten auf eine ganze Reihe globaler Herausforderungen gesehen. Das Kerngeschäft Holz scheint allerdings in der der aktuellen Politikgestaltung keine vorrangige Bedeutung mehr zu haben. Politische Priorität haben öffentliche Güter und sogenannte Ecosystem Services. Bei Waldbesitzern und Forstleuten verstärkt sich der Eindruck, dass unsere zunehmend urban geprägte Gesellschaft dem „Nichtnutzen“ mehr Akzeptanz entgegenbringt, als der multifunktionalen Forstwirtschaft. Einfacher gesagt: Für viele scheint ein guter Wald der Wald zu sein, der nicht wirtschaftlich genutzt wird. 

Konzepte für Schutzgebiete werden entwickelt, ohne dabei die Expertise forstfachlicher Institutionen und das traditionelle Wissen der Waldbewirtschafter zu berücksichtigen. Die Verfügungsrechte über den Wald – oder zumindest der Anspruch darauf – verlagern sich hin zu anderen Interessengruppen, die Illusionen von Naturromantik vertreten. Forstwirtschaftliche und wissenschaftliche Aspekte werden hintangestellt. Dabei wird auch außer Acht gelassen, dass die meisten Vertreter der Forstwirtschaft der Natur eng verbunden sind und ihren Beruf auf wissenschaftlicher und nachhaltiger Basis ausüben.

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Zahlen & Fakten

Der nachhaltige Wald

Der Klimawandel ist Realität, und er verändert natürlich auch den Wald. Die künftige Standorteignung von wirtschaftlich derzeit bedeutenden Baumarten – und damit auch deren Produktivität – ist kritisch zu hinterfragen. Für Experten ebenso wie Waldbesitzer werden sich zukünftig komplizierte Fragestellungen ergeben. Welche alternativen, bisher gebietsfremden Baumarten könnten sich für welche Standorte eignen, weil sie ökologisch verträglich und ökonomisch zielführend sind? Wie können diese Baumarten in die bestehenden Waldbaukonzepte integriert werden? Welche neuen beziehungsweise adaptierten Konzepte braucht es? Wie groß ist das Potential dieser Baumarten, den fossilen Material- und Energieverbrauch zu reduzieren und diesen durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen?

Ein gesunder Wald ist nur finanzierbar, wenn er ein Wirtschaftsfaktor bleibt.

Diese Fragen sind nur im Zusammenspiel von Wissenschaft, Wirtschaft und Ökologie zu lösen. Ein gesunder Wald ist aber nur finanzierbar, wenn er ein Wirtschaftsfaktor bleibt. Nicht nur aus wissenschaftlicher, sondern auch aus forstbetrieblicher Sicht sind daher Baumarten nötig, die dem Klimawandel aller Voraussicht nach gewachsen sind und die zugleich ein wirtschaftliches Potenzial haben. Gebietsfremde Baumarten und Züchtungsprodukte heimischer Baumarten sind in die waldbaulichen Strategien zu integrieren. Diversität ist wesentlich, um den vielfältigen Unsicherheiten entgegenzuwirken.

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Zeitreise der Bäume

- 12 000
Nach der Eiszeit
Der Wald beginnt in Europa bei null. Er erobert sich Europa in einer Zangenbewegung aus dem Osten zurück.
- 9000
Mittelsteinzeit
Die Herrschaft der Bäume: Zentraleuropa ist fast vollständig von dichtem Wald bedeckt.
- 6000
Jungsteinzeit
Die Menschen werden sesshaft und von der Landwirtschaft abhängig. Sie beginnen den Wald mit Feuer und Axt zu roden.
- 500
Frühe Eiszeit
Die römische Expansion führt in Mitteleuropa zu einer ersten Entwaldung. Es blieben waldfreie Zonen, die sich lange nicht mehr erholten.
1300
Spätmittelalter
Der Bergbau benötigt große Holzmengen, was zu massiven Rodungen führt. Erstmals gibt es Gesetze, die den Holzschlag regeln.
1700
Frühe Neuzeit
Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und der damit einhergehenden massiven Entvölkerung kehrt der Wald zurück.
1850
Neuzeit
Zwischen 1750 und 1850 wächst die Bevölkerung rapide an. Der Wald ist in einem katastrophalen Zustand: Es gibt um die Hälfte weniger Wald als heute.
1900
Späte Neuzeit
Der Wald erholt sich einmal mehr, auch dank einer nachhaltigen Forstwirtschaft – gepflanzt werden hauptsächlich Fichten und Kiefern.
2021
Heute
Im 20. Jahrhundert gewinnt der Wald als Erholungsgebiet an Bedeutung. Klimawandel, Trockenheit, Stürme und Schädlinge setzen dem Wald inzwischen massiv zu.

Durch die Erschließung der Wälder mit Forststraßen und den Einsatz moderner Forsttechnik ist es heute möglich, den Wald naturnah zu bewirtschaften. Dies erlaubt kleinflächige Nutzungen, wo sich der Wald durch Naturverjüngung auf natürliche Weise regeneriert. So wird eine größere Vielfalt erreicht als durch Aufforstung, aber Naturverjüngung setzt voraus, dass der Wildbestand auf ein forstlich verträgliches Maß gesenkt bleibt.

Hoher Innovationsdruck

Naturnahe und nachhaltig bewirtschaftete Wälder werden auch in Zukunft unverzichtbar sein. Wälder werden nicht nur eine Rohstoff-Quelle sein. Sie werden auch als Schlüsselökosysteme in einer lebenswerten Kulturlandschaft, als Kohlenstoff-Speicher in Zeiten des Klimawandels, als Träger biologischer Vielfalt, als Schutzwall vor Naturgefahren, als Quelle vielfältiger Wohlfahrtswirkungen und als Erholungsräume für eine zunehmend gestresste urbane Bevölkerung fungieren. Der Wandel von der fossilen Gegenwart in die hölzerne Zukunft, Stichwort Bioökonomie, benötigt eine Wissenschaft, die bereit ist, in umfassender Weise gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Aber nur durch die Bereitstellung von Orientierungs-, Verfügungs- und Transformationswissen kann es gelingen, den Herausforderungen auf verschiedensten Ebenen wirkungsvoll zu begegnen. Von entscheidender Bedeutung wird es auch sein, den bereits vorhandenen Wissensschatz an tradiertem und verstecktem Erfahrungswissen zu heben und durch die Verknüpfung mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen gesellschaftlich in Wert zu setzen.

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Conclusio

Eine Gesellschaft, die sich zunehmend von der Natur entfernt hat, neigt dazu, die vermeintliche Natur zu romantisieren. Ein gesunder Wald muss aber auch finanziert werden. Wald war und ist eine Kulturlandschaft; die Anforderungen an diese Landschaft sind gewachsen: Wald ist Ressource, Erholungsort und bedeutender Schutz vor Naturgefahren und den Folgen des Klimawandels. Doch der Wald kann nur dann nachhaltig sein, wenn er auch wirtschaftlichen Ertrag bringt. Damit das gelingt, muss sich die Forstwirtschaft an die neuen klimatischen Bedingungen anpassen: verstärkte Naturverjüngung, Mischwälder statt Monokulturen, Integration neuer Züchtungen und gebietsfremder Baumarten.